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Nebelküste

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
368 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am08.03.2022
Ein altes Haus an der Ostsee. Drei geheimnisvolle Frauen. Ein düsteres Geheimnis.
Nach dem dramatischen Ende ihrer Beziehung flieht die junge Franka in das verlassene Haus ihrer Großmutter an der Ostsee. Das Schicksal führt sie dort mit der charismatischen Iris und der stillen Oda zusammen, die beide ein dunkles Geheimnis hüten, das sie mit dem alten Haus verbindet. Während sich die drei fremden Frauen misstrauisch beäugen, entgeht ihnen, dass die eigentliche Bedrohung außerhalb der alten Mauern lauert. Denn Franka, Iris und Oda werden unweigerlich von den Dämonen ihrer Vergangenheit eingeholt, und die tödliche Gefahr rückt immer näher ...

Hannah Häffner wurde 1985 in Heidelberg geboren. Nach ihrem Studium der Politikwissenschaften begann sie, als Werbetexterin zu arbeiten und sich parallel dazu verstärkt dem Schreiben zu widmen. Heute lebt sie mit ihrer Familie als freie Texterin und Schriftstellerin in der Nähe von Stuttgart. Mit »Nordsee-Nacht«, ihrem grandiosen Debüt, hat sie sich im Genre des atmosphärischen Spannungsromans etabliert.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR15,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR8,99

Produkt

KlappentextEin altes Haus an der Ostsee. Drei geheimnisvolle Frauen. Ein düsteres Geheimnis.
Nach dem dramatischen Ende ihrer Beziehung flieht die junge Franka in das verlassene Haus ihrer Großmutter an der Ostsee. Das Schicksal führt sie dort mit der charismatischen Iris und der stillen Oda zusammen, die beide ein dunkles Geheimnis hüten, das sie mit dem alten Haus verbindet. Während sich die drei fremden Frauen misstrauisch beäugen, entgeht ihnen, dass die eigentliche Bedrohung außerhalb der alten Mauern lauert. Denn Franka, Iris und Oda werden unweigerlich von den Dämonen ihrer Vergangenheit eingeholt, und die tödliche Gefahr rückt immer näher ...

Hannah Häffner wurde 1985 in Heidelberg geboren. Nach ihrem Studium der Politikwissenschaften begann sie, als Werbetexterin zu arbeiten und sich parallel dazu verstärkt dem Schreiben zu widmen. Heute lebt sie mit ihrer Familie als freie Texterin und Schriftstellerin in der Nähe von Stuttgart. Mit »Nordsee-Nacht«, ihrem grandiosen Debüt, hat sie sich im Genre des atmosphärischen Spannungsromans etabliert.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641278205
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum08.03.2022
Seiten368 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1895 Kbytes
Artikel-Nr.8380730
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



1

Die Glühbirne flackerte müde, einmal, zweimal. Dann er­­barmte sie sich, den Raum mit einem schlierigen Schein zu überziehen, der die Schatten nur verstärkte. Die Luft roch feucht und abgestanden, als wüchse in den Schränken und hinter den Büchern im Regal das Moos, als wäre das Erdreich schon dabei, sich das Haus einzuverleiben, das Fundament schon zersetzt von Wurzeln und Käfern.

Es riecht nach Tod, dachte Franka, nach Friedhof im Regen, und sie wusste, dass es Einbildung war. Elena war zwar hier gestorben, aber das war Jahre her, sieben, um genau zu sein.

Und doch. Das Haus war so verbunden gewesen mit Elena, so sehr eins mit ihr, hatte durch sie gelebt und geatmet, dass nun vielleicht auch ihr Tod Teil des Gemäuers geworden war. Nichts war mehr übrig von der ausufernden Wärme, dem lauten Lachen ihrer Großmutter. Alles übertüncht von Stille.

Franka zuckte, als sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahrnahm. Nur ein Weberknecht, der panisch und auf wippenden Beinen hinter eine vertrocknete Pflanze flüchtete, gestört von diesem plumpen Menschenwesen, nach Jahren der Ruhe.

Der modrige Ficus, der dem Spinnentier Schutz bot, war nur eines von vielen toten Gewächsen, eine geschlagene Armee, dahingestreckt auf den stumpfen Dielen und den staubigen Fensterbänken, kein Leben mehr in ihnen.

Eine der Scheiben war gesprungen, vielleicht die Kälte im letzten Winter. Der gehäkelte Vorhang vor dem Fenster war schimmelig, und auch an den Wänden zeigten sich nasse Flecken und fein verästelte Risse, die, wenn man sie lange genug anstarrte, Millimeter für Millimeter zu wachsen schienen, wie gierige, dünne Finger, die sich nach etwas reckten, dem Ende zu, der Erlösung. So sah kein Zufluchtsort aus, aber wer so dringend eine Zuflucht brauchte wie sie, der nahm, was er kriegen konnte.

Franka ging den Flur entlang zum Schlafzimmer. Das Bett war gemacht, ein staubiger, gewebter Überwurf, die Farben verblasst, die Enden ordentlich unter die Matratze geschlagen. Hier hatte sie geschlafen, früher, ganz früher, eng an ihre Großmutter geschmiegt. Das Rascheln von Elenas Nachthemd und der saubere Geruch ihrer Hautcreme hatten sich ihr eingeprägt, der Inbegriff von Geborgenheit, und die Erinnerung daran überschwemmte sie immer, wenn sie sich verloren fühlte, so wie jetzt.

Eine Nacht tauchte aus ihrem Gedächtnis auf, die Bilder klar und scharf vor ihr, wie sie aus dem Schlaf fuhr, nach Luft rang, ein Traum nur, ein gnadenlos böser Traum, wie sie das Bett abtastete und es leer fand, nichts als kühle Laken. Sie rannte im Dunkeln los, knallte mit dem Kopf gegen den Türrahmen und spürte, wie das Blut zu laufen begann, von ihrer Augenbraue strömte es über ihr Gesicht, und sie tastete sich in die Küche, wo Elena saß, über ein Buch gebeugt, im warmen Licht der kleinen Fransenlampe. Elena schrak auf, ein spitzer, leiser Schrei, als plötzlich diese kleine, bleiche Gestalt vor ihr stand, mit grellem Blut überall. Sie zog Franka auf ihren Schoß, hielt sie fest, drückte ein Geschirrtuch auf die Wunde, und dann - und das war er, der Kern ihrer Erinnerung - war alles gut. Von einem Moment auf den anderen war alles gut, sie war nicht mehr verloren, ihr war nicht mehr kalt, ihr tat noch nicht mal mehr etwas weh, denn es war alles gut. Das war Elenas Zauberkraft gewesen, ihre überirdische Begabung. Sie machte, dass alles wieder gut war.

In jener Nacht hatte sie Franka verarztet und sie ins Bett getragen, und jeder Moment davon war in ihrem Kopf verewigt, eingebrannt, und sie entsann sich sogar an den Geruch der Wolldecke, in die Elena sie liebevoll eingepackt hatte, sauberer Lavendel, dazu das leichte Kratzen des Stoffs an ihren Wangen.

Später, als Franka kein kleines Mädchen mehr war, hatte Elena ihr bei jedem Besuch das Schlafsofa im Gästezimmer ausgeklappt, weiche Leinenbezüge auf den indischen Sofakissen, die kleinen Zierspiegel, Perlen und Quasten spürte sie durch den Stoff. Jeden Morgen erwachte sie mit einem zarten Muster an der Schläfe, jeden Morgen kam Franka damit müde in die warme Küche gewankt, und jeden Morgen fuhr Elena sanft mit den Fingerspitzen darüber, sagte, dass sie endlich einmal ordentliche Kissen kaufen müssten, und lächelte ihr Elena-Lächeln. All das war nun so weit weg, so unbeschreiblich weit von Franka und ihrer Realität entfernt, als wäre es eine andere Welt gewesen, eine andere Franka.

Franka holte Luft, doch es wurde ein Schluchzen daraus, heiser und schmerzhaft. Die Einsamkeit war wie kaltes, schweres Wasser, das ihr um die Knöchel flutete, und sie wollte sich einfach fallen lassen, nicht mehr kämpfen, sich fallen lassen und ertrinken. Es musste sich unvergleichlich anfühlen, berauschend und wunderbar. Einfach aufzugeben. Einfach nachzugeben. Nie wieder zu denken. Sich nie mehr zu erinnern.

Doch sie ließ sich nicht fallen. Noch nicht. Sie ging durch den kalten, dunklen Flur zur Haustür hinaus, die schiefen Steinstufen hinunter, von denen eine gebrochen war, zu ihrem Wagen.

Ihr Gepäck befand sich noch im Kofferraum, ein Relikt aus einer anderen Zeit. Dabei war das alles gerade erst passiert: die Geschäftsreise nach Frankfurt, die hektische Abfolge von Terminen, die unruhige Nacht im Hotel, ihre rasenden Kopfschmerzen am nächsten Morgen, noch mehr Termine, die zu einem einzigen verschwammen, dann ihre Rückkehr nach Hamburg, ihre Erschöpfung und die Erleichterung, als sie endlich die Tür aufschloss, sich vornahm, den Koffer später aus dem Wagen zu holen, jetzt erst mal ein Glas Wein, ein Teller Pasta vielleicht.

Doch dann war alles anders als in ihren Gedanken. Da war Vito, so still und weit entfernt und kein Lächeln auf seinem Gesicht, und dann der Moment, in dem er ihr den Boden unter ihren Füßen wegzog. Alles vernichtete.

Der Schock. Das Geschrei. Ihr lautes Weinen, das in ihren Ohren so klang wie das einer Fremden, einer Verrückten.

Jetzt kam es mit Macht zu ihr zurück, aus den Untiefen ihres Kopfes, und sie legte sich die Hände über die Ohren, hielt sie sich fest zu, zitternd, wartend, dass der Lärm verklang.

Als das Schreien verebbt war und sie wieder atmen konnte, hob sie den Koffer aus dem Auto und wandte sich zum Haus. Bei ihrer Ankunft hatte sie es kaum wahrgenommen, aber nun sah sie es, sah es in all seiner traurigen, heruntergekommenen Pracht im Dämmerlicht stehen, sah die Verletzungen, die die Zeit ihm zugefügt hatte, die Schatten in seinen Winkeln, die Erinnerungen, die sich in ihnen versteckten.

Obwohl es nicht besonders groß war, wirkte das Haus herrschaftlich, was an den kleinen Erkern und den rundlich zulaufenden Buntglasscheiben liegen mochte. Die von grob behauenen Natursteinen eingefasste Eingangstür mutete ein wenig wie ein Portal an, wenn auch ein bescheidenes. Franka wusste nicht, wann und von wem das Haus erbaut worden war, aber es war offensichtlich, dass es für damalige Verhältnisse viel Geld gekostet haben musste. Es war nicht als bescheidenes Heim ersonnen worden, selbst wenn es das für Elena und sie schließlich gewesen war. Ein Zuhause, schlicht ausgestattet, zugig im Winter und kühl im Sommer, mit tropfenden veralteten Wasserhähnen und widerwillig polternden Boilern, mit knarzenden Dielen und Fenstern, die sich nur mit Gewalt öffnen ließen, aber ein Zuhause. Ein echtes, lebendiges, atmendes, Wärme ausstrahlendes Zuhause.

Und nun lag das Gebäude vor ihr, trutzig und vorwurfsvoll, längst kein Glanz mehr vergangener Tage, keine Spur mehr von Heimat. Sie hatte es verfallen lassen, hatte es nicht ertragen, hier zu sein, wo Elenas Abwesenheit sie mit verzerrten Mündern aus jeder Ecke niederschrie. Jetzt, da es keinen anderen Ort mehr für sie gab, war sie zurückgekehrt und musste hoffen, noch willkommen zu sein.

Sie riss sich los von dem düsteren, schmerzhaften Anblick. Entschlossen griff sie nach ihrem Koffer und schleifte ihn die Stufen hinauf. Sie würde aufhören nachzudenken. Sie würde sich etwas anderes anziehen als den völlig zerknitterten, fleckigen Hosenanzug. Sie würde sich das Gesicht waschen, wenn aus dem Hahn noch Wasser kam, den Dreck und den Schweiß loswerden. Sie würde sich wieder wie ein Mensch fühlen, ein halber nur vielleicht, immerhin nicht mehr ganz Tier.

Doch als sie den Koffer in Elenas altes Schlafzimmer gezerrt hatte, verließ sie ihre Kraft. Sie wich ganz plötzlich aus ihr, das letzte Überbleibsel dessen, was einmal ihr Lebensmut gewesen war. Was sie aufrecht gehalten hatte, war aufgebraucht. Sie sank auf die klamme, kalte Matratze, rollte sich zusammen und wurde gepackt von einer allumfassenden Taubheit. Sie fühlte nichts. Sie fror nicht. Sie spürte nicht einmal, wie sie atmete.

Keine Tränen, keine Angst. Einfach da sein, einfach existieren, bis es irgendwann vorbei war. Es musste irgendwann vorbei sein, denn alles war irgendwann vorbei. Alles.

Das kühle Morgenlicht fiel durch den Spalt zwischen den Fensterläden, die nicht richtig in den Angeln hingen. Franka hielt den Atem an, eine alte Gewohnheit. Wenn sie den Atem anhielt, konnte sie das Rauschen der Wellen hören. Ruhig oder wild, aber immer vertraut. Wie damals, als sie dachte, das Meer flüstere ihr etwas zu. Sie hatte Worte erkannt, Mantras, geplätschert, geflossen, mit beruhigender Regelmäßigkeit, und aus dem Raunen der Wellen wurde die Stimme ihrer Großmutter, die sie zu sich rief, an den Frühstückstisch, zu heißem schwarzem Tee und salzigem Butterbrot.

Doch sie war nicht zu Besuch bei Elena, sie war nicht mehr dreizehn. Sie war sechsunddreißig und mutterseelenallein. Allein in diesem gottverlassenen Haus, allein mit den Trümmern und Fetzen dessen, was einmal ihr Leben gewesen war. Kein Traum, kein Hirngespinst,...

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Hannah Häffner wurde 1985 in Heidelberg geboren. Nach ihrem Studium der Politikwissenschaften begann sie, als Werbetexterin zu arbeiten und sich parallel dazu verstärkt dem Schreiben zu widmen. Heute lebt sie mit ihrer Familie als freie Texterin und Schriftstellerin in der Nähe von Stuttgart. Mit »Nordsee-Nacht«, ihrem grandiosen Debüt, hat sie sich im Genre des atmosphärischen Spannungsromans etabliert.
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