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Schach unter dem Vulkan

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
432 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am04.10.2021
Die Leser des erfolgreichen Autors Franz J. Lunde sind sich sicher: Wer einen Mord so schildert, muss ihn selbst begangen haben. Lunde, der an einem Manuskript mit dem Titel »Letzte Tage und Tod eines Schriftstellers« arbeitet, fühlt sich von seinem Publikum bedroht. Nach einer Lesung in Kymlinge ist er plötzlich spurlos verschwunden. Kurze Zeit später wird die bekannte Lyrikerin Maria Green vermisst. Auch sie hinterlässt ein rätselhaftes Schriftfragment. Die Polizei tappt im Dunklen, bis ein halbes Jahr später der Autor und Literaturkritiker Jack Walde unauffindbar ist. Was verband diese drei Schriftsteller? Was ist ihnen zugestoßen? Kommissar Barbarotti fördert trotz erschwerter Bedingungen Erstaunliches zu Tage.

Håkan Nesser, geboren 1950, ist einer der beliebtesten Schriftsteller Schwedens. Für seine Kriminalromane erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, sie sind in über zwanzig Sprachen übersetzt und mehrmals erfolgreich verfilmt worden. Håkan Nesser lebt in Stockholm und auf Gotland.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
HörbuchCD-ROM
EUR22,00
HörbuchCD-ROM
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextDie Leser des erfolgreichen Autors Franz J. Lunde sind sich sicher: Wer einen Mord so schildert, muss ihn selbst begangen haben. Lunde, der an einem Manuskript mit dem Titel »Letzte Tage und Tod eines Schriftstellers« arbeitet, fühlt sich von seinem Publikum bedroht. Nach einer Lesung in Kymlinge ist er plötzlich spurlos verschwunden. Kurze Zeit später wird die bekannte Lyrikerin Maria Green vermisst. Auch sie hinterlässt ein rätselhaftes Schriftfragment. Die Polizei tappt im Dunklen, bis ein halbes Jahr später der Autor und Literaturkritiker Jack Walde unauffindbar ist. Was verband diese drei Schriftsteller? Was ist ihnen zugestoßen? Kommissar Barbarotti fördert trotz erschwerter Bedingungen Erstaunliches zu Tage.

Håkan Nesser, geboren 1950, ist einer der beliebtesten Schriftsteller Schwedens. Für seine Kriminalromane erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, sie sind in über zwanzig Sprachen übersetzt und mehrmals erfolgreich verfilmt worden. Håkan Nesser lebt in Stockholm und auf Gotland.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641279622
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum04.10.2021
Reihen-Nr.7
Seiten432 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2469 Kbytes
Artikel-Nr.5691485
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


2
Die Wirklichkeit

Der Zug hat eine halbe Stunde Verspätung, und als er endlich zu seinem Sitzplatz in der ersten Klasse kommt, denkt er darüber nach, den Besuch bei seiner Mutter abzublasen. Wenn es auf der Strecke nach Stockholm zu weiteren Verspätungen kommt, was meistens der Fall ist, wird er kaum rechtzeitig bei ihr sein können. Die Besuchszeit geht von fünfzehn bis siebzehn Uhr nachmittags, außer am Wochenende, an dem sie etwas großzügiger ist, und sie nur für ein paar Minuten zu treffen hat wenig Sinn. In der kurzen Zeit wird sie vermutlich nicht einmal begreifen, wer er ist, und falls ihr dieses Kunststück trotz allem gelingen sollte, wird sie mit Sicherheit wütend und unruhig sein, weil er sie so schnell wieder verlassen muss.

Aber sein Schuldballast würde durch den Besuch kleiner, was der wahre Grund dafür ist, dass er sie überhaupt besucht. Ihm ist bewusst, dass dies primitiv ist, aber das schwächt die Wirkung nicht ab.

Wenigstens einmal in der Woche, manchmal auch eine Stippvisite am Sonntag; vier Jahre ist es jetzt her, dass ihre Umnachtung begann, drei, seit sie in dem Pflegeheim draußen in Nacka gelandet ist. Ihr endgültiger Wohnsitz ist nicht billig, er ist ein guter Sohn, der seine Mutter achtet und ehrt. Immer noch, obwohl sie es nicht verdient hat und er während der verwirrten Gespräche mit ihr nie auch nur das Geringste zurückbekommt.

Mit seiner Schwester ist es anders. Linnea, fünf Jahre jünger als ihr Bruder, einst wunderschön und von hundert Freiern umschwärmt. Sie entschied sich für einen Typen aus Luleå, wurde schwanger, noch bevor sie einundzwanzig war, und zog in den Norden. Sie hatte eine Fehlgeburt, wechselte zu einem neuen Typen aus demselben Ort und bekam im Laufe der Zeit vier Kinder. Sie besucht ihre Mutter nie. Schiebt es darauf, dass sie zu weit weg lebt, eine Reise nach Stockholm würde sie mindestens zwei Tage kosten, und wenn man Teenagerkinder, Arbeit und Hunde habe, sei dafür einfach keine Zeit.

Ausgelaugt, pflegt sie zu sagen. Es laugt mich total aus, sie nur zu treffen. Du bist immer schon ihr Liebling gewesen, für mich hat sie sich nie interessiert. Glaube nicht, dass sie sich erinnert, jemals eine Tochter gehabt zu haben. Verdammt.

Der Zug hält mitten auf der Strecke in einem Fichtenwald, und den Fahrgästen wird mitgeteilt, dass man auf ein Signal warte. Franz J. Lunde greift zu seinem schwarzen Notizbuch und seinen Stiften. Anscheinend wird er reichlich Zeit haben weiterzuschreiben, und er denkt, dass er sich zumindest in einem Punkt von dem fiktiven John Leander Franzén unterscheidet. Er ist weder ein Narzisst noch ein Psychopath; ein Mensch mit dieser Ausstattung besucht nicht mehrmals im Monat seine hoffnungslose Mutter. Ein solcher Mensch liebt seine Schwester nicht, obwohl sie es gar nicht verdient hat.

So steht es um diese Dinge.
Letzte Tage und Tod eines Schriftstellers

John Leander Franzén seufzte erleichtert auf, als er am folgenden Nachmittag seine Wohnung in der Nähe des Mosebacke torg betrat. Meine Burg, dachte er. Mein Schutzwall gegen eine Welt voller Idioten und ahnungsloser Kretins. Sieben Jahre seines Lebens hatte er mit einem solchen Menschen zusammengelebt, er wusste also, wovon er sprach. Sieben verlorene Jahre, aber jetzt war sie fort.

Vieles war fort. Er hatte den Müll aus seinem Leben eliminiert, aber der reine Kern existierte noch, und er war die Quintessenz. Je weniger Unsinn und unnötige Diskussionen, desto deutlicher wurde das wirklich Wichtige. Das war nichts, was Otto Normalbürger begreifen konnte, und JLF hatte den Versuch, es ihn zu lehren, vor langer Zeit aufgegeben. Es bestand keine Veranlassung dazu.

Aber wenn trotz allem der eine oder andere existierte, der die Fähigkeit besaß - möglicherweise die Fähigkeit besaß, musste man wohl ergänzen - zu verstehen, dann wäre es die Mühe wert. Zu der Erkenntnis zu gelangen, dass man Herr über sein eigenes Leben sein konnte, dass die Sklavenmentalität nicht der einzige Weg war ... ja, in dem Fall konnten diese Glücklichen die Nahrung, die sie benötigten, in seinen Büchern finden. Wenn sie sich nur zu einer gewissen Anstrengung durchrangen.

Er stellte sich lange unter die heiße Dusche, onanierte und rief Börje an.

»Wollen wir uns in einer Stunde unten beim Griechen treffen?«

Börje erklärte, dies sei ein vortrefflicher Vorschlag.

»Du verstehst, was das bedeutet?«

Sie hatten Bifteki gegessen und eine Flasche Wein von Boutari geleert. JLF hatte eine weitere Flasche bestellt. Börje Fager nickte beiläufig und blinzelte durch seine verschmierten Brillengläser. Erkannte, dass sie verschmiert waren, setzte die Brille ab und rieb sie mithilfe seiner Krawatte sauber. Karierte Krawatte, kariertes Hemd. Allerdings in unterschiedlichen Farben und mit unterschiedlichen Karogrößen. Vielleicht hatte er seine Brille nicht an, als er sich für den Abend umzog, dachte JLF. Oder er hatte zu Hause keine Spiegel mehr.

Aber immer eine Krawatte. Börje Fager hielt große Stücke auf Stil und Tradition. Oder Geist und Geschmack, wie er selbst gern hervorhob. Sie kannten sich seit der Schulzeit und JLF dachte oft, dass sein Freund so treu war wie eine Warze. Vielleicht hatte er genau diesen Vergleich auch einmal bei irgendeiner betrunkenen Gelegenheit im Laufe ihrer langen Bekanntschaft ausgesprochen, aber Börje war niemand, der einem so etwas übelnahm. Er hatte seinen Platz unter den größeren und kräftigeren Fittichen seines Kameraden gefunden, und so war es geblieben. Franzén und Fager, in dieser Rangordnung. Wer dumm geboren ist, bleibt auch dumm.

»Was sie da angedeutet hat«, verdeutlichte JLF.

»Ja, natürlich«, antwortete Börje und sah zu, dass die Brille wieder an ihren Platz kam. »Nicht gut. Aber ...«

»Aber?«

»Aber vielleicht war es auch nur ein spontaner Einfall. Ich meine, es ist ja ein verdammt guter Roman, und weil du so gut schreibst, glaubt man, dass es wahr ist.«

JLF konnte sich nicht verkneifen, das Kompliment zu genießen, obwohl es von Börje kam. Er schwieg eine Weile und dachte nach.

»Genau das ist die Stärke deiner Bücher«, fuhr Börje fort. »Eine von vielen Stärken. Uns Leser mit ins Boot zu holen ... sozusagen.«

Er versteht es nicht, dachte JLF. Unglaublich, er kapiert nicht das Geringste.

Oder er spielt Theater. Schließlich ist er in höchstem Maße beteiligt gewesen, ist es wirklich vorstellbar, dass er niemals verstanden hat, welche Rolle er gespielt hat?

Sieben Jahre waren seither vergangen. Fünf seit dem Erscheinen des Buchs. Eine Krankenschwester verschwindet. Er erinnerte sich, dass er mit dem Gedanken gespielt hatte, auf dem Vorsatzblatt »Nach einer wahren Begebenheit« zu ergänzen, aber er war rechtzeitig zur Vernunft gekommen und hatte es gelassen. Es hätte bedeutet, das Schicksal herauszufordern, das Glück mochte zwar dem Mutigen beistehen, aber alles hatte seine Grenzen.

Die Kritiken waren gut gewesen. Er hatte zwei Preise dafür verliehen bekommen, einen schwedischen, einen internationalen. Letzterer war ein polnischer gewesen, und man hätte ihm den Preis sicher nicht verliehen, wenn er nicht bereit gewesen wäre, zu diesem Literaturfestival zu fahren und ihn dort persönlich entgegenzunehmen. In Breslau oder Posen, er wusste nicht mehr, in welcher der beiden Städte.

Und niemand hatte den Zusammenhang gesehen. Niemand hatte die Handlung in Die Krankenschwester, wie er den Roman nannte, mit dem in Verbindung gebracht, was zwei Jahre zuvor mit seiner Frau passiert war.

Erst jetzt. Erst als diese Frau ihre ... was hatte er noch gesagt, dieser mausartige Chauffeur? ... am Vorabend ihre impertinente Frage gestellt hatte.

»Worüber zerbrichst du dir den Kopf?«, erkundigte sich Börje Fager. »Hast du was mit einem neuen Frauenzimmer am Laufen?«

»Nein, verdammt nochmal!«, platzte JLF so laut heraus, dass er selbst überrascht war und die Gäste am Nachbartisch sich einmütig umdrehten. »Im Gegenteil ... ja, genau ... im Gegenteil.«

»Jetzt komme ich nicht ganz mit«, gestand Börje Fager.

Nicht am Laufen, dachte JLF. Möglicherweise am Hals.

Doch das war eine allzu elegante Distinktion, um sie an den karierten Börje zu verschwenden, deshalb blieb er stumm und trank stattdessen einen Schluck von dem griechischen Roten.
Die Wirklichkeit

Der Zug erreicht Västerås und hält. Franz J. Lunde seufzt, sieht auf die Uhr und verstaut die Schreibutensilien in der Aktentasche. Halb zwei. Wenn wir in den nächsten zehn Minuten nicht weiterfahren, sage ich den Besuch bei Muttchen ab, denkt er. Ich werde eines Tages noch in einem stehenden Zug sterben.

Eine kräftig gebaute Dame schlendert vorbei und fragt, ob der Platz neben ihm frei sei. Er antwortet, seine Frau sei nur kurz weggegangen, um sich frisch zu machen, und werde jeden Moment zurückkommen. Die Dame murmelt danke und schlendert weiter.

Er versucht sich vorzustellen, dass Marie-Louise sich tatsächlich in der Toilette am anderen Ende des Wagens befindet, sich die Nase pudernd oder was man sich vorstellen mag, und dass sie bald zurückkommen und sich neben ihm niederlassen wird. Er kann ihre blonde Erscheinung fast visualisieren, ihren hoch erhobenen Kopf und ihre blasierten blauen Augen. Vor allem, wenn sie auf ihn gerichtet waren, dann waren sie besonders blasiert. Jedenfalls in den letzten...

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Autor

Håkan Nesser, geboren 1950, ist einer der beliebtesten Schriftsteller Schwedens. Für seine Kriminalromane erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, sie sind in über zwanzig Sprachen übersetzt und mehrmals erfolgreich verfilmt worden. Håkan Nesser lebt in Stockholm und auf Gotland.