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Rückkehr nach Crow Lake

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
336 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am13.09.2021
Kates Kindheit im Norden Ontarios endet jäh, als ihre Eltern tödlich verunglücken. Ihre beiden Brüder Luke und Matt beschließen, sie und die kleine Schwester Bo alleine großzuziehen. Halt findet die verschlossene und bildungshungrige Kate vor allem bei Matt, dessen Liebe zur Tier- und Pflanzenwelt auf sie überspringt. Jahre später arbeitet Kate erfolgreich als Biologin an der Universität von Toronto, weit weg von ihrer Heimat. Doch die Geschehnisse von damals schweben immer noch wie ein Schatten über ihr. Als sie für ein Familienfest nach Crow Lake zurückkehrt, gerät ihre Welt erneut aus den Fugen.
»Ein höchst beeindruckendes Debüt. Lassen Sie es sich nicht entgehen.« The New York Times Book Review

Mary Lawson, aufgewachsen in Ontario, lebt seit 1968 in Surrey, England. Mindestens einmal im Jahr reist sie in ihre Heimat Kanada. Sie ist verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne. Ihr Debüt »Rückkehr nach Crow Lake« war ein internationaler Erfolg und wurde in 20 Länder verkauft. 2006 wurde sie für den Booker Prize nominiert. Ihr neuester Roman, »Im letzten Licht des Herbstes«, ist in Kanada ein Bestseller.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR11,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextKates Kindheit im Norden Ontarios endet jäh, als ihre Eltern tödlich verunglücken. Ihre beiden Brüder Luke und Matt beschließen, sie und die kleine Schwester Bo alleine großzuziehen. Halt findet die verschlossene und bildungshungrige Kate vor allem bei Matt, dessen Liebe zur Tier- und Pflanzenwelt auf sie überspringt. Jahre später arbeitet Kate erfolgreich als Biologin an der Universität von Toronto, weit weg von ihrer Heimat. Doch die Geschehnisse von damals schweben immer noch wie ein Schatten über ihr. Als sie für ein Familienfest nach Crow Lake zurückkehrt, gerät ihre Welt erneut aus den Fugen.
»Ein höchst beeindruckendes Debüt. Lassen Sie es sich nicht entgehen.« The New York Times Book Review

Mary Lawson, aufgewachsen in Ontario, lebt seit 1968 in Surrey, England. Mindestens einmal im Jahr reist sie in ihre Heimat Kanada. Sie ist verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne. Ihr Debüt »Rückkehr nach Crow Lake« war ein internationaler Erfolg und wurde in 20 Länder verkauft. 2006 wurde sie für den Booker Prize nominiert. Ihr neuester Roman, »Im letzten Licht des Herbstes«, ist in Kanada ein Bestseller.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641282585
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum13.09.2021
Seiten336 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1890 Kbytes
Artikel-Nr.5690767
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1

ALS DAS ENDE KAM, kam es scheinbar völlig unvorbereitet, und erst sehr viel später erkannte ich, dass ihm eine ganze Reihe von Ereignissen vorausgegangen waren. Einige der Ereignisse hatten gar nichts mit uns, den Morrisons, zu tun, sondern einzig und allein mit den Pyes, die gut eine Meile entfernt von uns wohnten und unsere nächsten Nachbarn waren. Die Pyes hatten schon immer so ihre Probleme, vorsichtig gesagt; aber in jenem Jahr eskalierten die Probleme in dem großen alten, grau gestrichenen Holzhaus derart, dass sie zu einem Albtraum wurden. Nur schwante uns damals noch nichts davon, wie schicksalhaft sich der Traum der Morrisons mit dem Albtraum der Pyes verflechten würde. Nein, das hätte wahrhaftig niemand vorhersehen können.

Natürlich kann die Suche nach dem Anfang einer Geschichte unendlich weit in die Vergangenheit zurückführen, bis zu Adam und Eva, und noch weiter. Aber in unserer Familie ereignete sich in jenem Sommer eine Katastrophe, die als Beginn von allem Folgenden anzusehen ist. Es passierte an einem heißen, ruhigen Sommertag im Juli, als ich sieben Jahre alt war, und setzte dem normalen Familienleben ein jähes Ende; auch heute noch, neunzehn Jahre später, will es mir nicht gelingen, irgendeinen tieferen Sinn dahinter zu erkennen.

Als einzig Positives ließe sich vielleicht sagen, dass alles wenigstens in gehobener Stimmung zu Ende ging, denn am Tag zuvor - dem letzten, den wir gemeinsam verbrachten - hatten meine Eltern erfahren, dass Luke, mein ältester Bruder, sein Examen bestanden und einen Ausbildungsplatz am Lehrerseminar erhalten hatte. Lukes Erfolg kam einigermaßen überraschend, da er so gar nichts von einem Musterschüler hatte. Irgendwo habe ich einmal gelesen, dass jedes Familienmitglied eine ganz bestimmte Rolle zugewiesen bekommt - »der Kluge«, »die Niedliche«, »der Eigenbrötler« -, und wenn man die Rolle eine Zeit lang gespielt hat, wird man sie nicht wieder los, ganz egal, wie man sich entwickelt; nur im Anfangsstadium habe man die Möglichkeit, Einfluss auf die Wahl der Rolle zu nehmen. Wenn die Theorie zutrifft, dann muss Luke sich schon frühzeitig dafür entschieden haben, »das Problemkind« sein zu wollen. Ich weiß nicht, was ihn zu dieser Wahl bewogen hat, aber vielleicht hat er sich die Geschichte von der Urgroßmutter und ihrem berühmten Lesepult zu sehr zu Herzen genommen. Diese Geschichte muss der Fluch seines Lebens gewesen sein - oder einer der Flüche  -, der andere war dann wohl, jemanden wie Matt als Bruder zu haben. Matt war so offensichtlich der geistige Erbe unserer Urgroßmutter, dass es für Luke gar keinen Sinn mehr hatte, sich überhaupt noch groß anzustrengen. Dann also lieber herausfinden, worin seine eigene Stärke lag - unsere Eltern zur Weißglut zu bringen, beispielsweise - und immer schön in dieser Richtung weiterüben.

Trotzdem hatte er nun aber mit neunzehn sein Examen bestanden. Nach drei Generationen eifrigen Bemühens war ein Mitglied der Familie Morrison drauf und dran, den höheren Bildungsweg einzuschlagen.

Was nicht nur für die Familie etwas Neues war, sondern wohl auch für ganz Crow Lake, das kleine Bauerndorf im nördlichen Ontario, wo wir vier geboren und aufgewachsen sind. Damals war Crow Lake bloß durch eine ungeteerte Straße und ein Bahngleis mit der Außenwelt verbunden. Die Züge hielten auf Winkzeichen, und die Straße führte nur nach Süden, da es keinen Grund gab, noch weiter nach Norden zu fahren. Abgesehen von etwa einem Dutzend Farmen, einem Gemischtwarenladen und ein paar bescheidenen Häusern am See, gab es dort nichts außer der Kirche und der Schule. Im Lauf seiner Geschichte hatte der Ort, wie gesagt, nicht eben viele Gelehrte hervorgebracht, und Lukes Leistung hätte in der Kirchenpostille am nächsten Sonntag bestimmt Schlagzeilen gemacht, wäre nicht vorher die Katastrophe passiert, die unsere Familie zerstörte.

Luke muss die Nachricht von seiner Zulassung zum Lehrerstudium am Freitagmorgen erhalten haben, worauf er es unserer Mutter erzählte, die dann sofort unseren Vater in der Bank anrief, wo er arbeitete, in Struan, zwanzig Meilen weit entfernt. Das allein war schon unerhört; unter keinen Umständen hatte eine Hausfrau ihren Mann bei der Arbeit zu stören, wenn es sich um Schreibtischarbeit handelte. Aber sie rief ihn an, und die beiden beschlossen dann wohl, uns anderen die große Neuigkeit beim Abendessen zu verkünden.

Oft habe ich seitdem an jene Mahlzeit zurückgedacht, nicht so sehr wegen Lukes überraschender Erfolgsmeldung, sondern weil es unser letztes gemeinsames Familienmahl sein sollte. Ich weiß, Erinnerungen sind trügerisch, und eingebildete Ereignisse können einem so echt vorkommen wie wirkliche, aber ich könnte schwören, dass ich jedes Detail dieses Essens im Gedächtnis behalten habe. Im Rückblick bestürzt mich am meisten, wie gewöhnlich alles war. Nur nichts hochspielen, war das Motto bei uns. Gefühlsregungen, auch positive, wurden strikt im Zaum gehalten. Es war das elfte Gebot, auf eine eigene Gesetzestafel gemeißelt, speziell für Presbyterianer: Du sollst nicht deine Gefühle zeigen.

So verlief dieses Abendessen genau wie jedes andere auch, ziemlich förmlich und langweilig, nur ab und zu aufgelockert durch Bo. Es gibt ein paar Fotos von Bo aus dieser Zeit. Sie war klein und rund und hatte hellblondes Flaumhaar, das ihr senkrecht vom Kopf abstand, als hätte sie der Blitz getroffen. Auf den Fotos sieht sie lieb und friedlich aus, was nur beweist, wie sehr Kameras lügen können.

Wir saßen alle auf unseren angestammten Plätzen, Luke und Matt, neunzehn und siebzehn Jahre alt, an der einen Tischseite, ich, sieben Jahre, und Bo, eineinhalb, an der anderen. Ich weiß noch, wie mein Vater mit dem Tischgebet begann und prompt von Bo unterbrochen wurde, die ihren Saft verlangte, und wie meine Mutter sagte: »Gleich, Bo. Jetzt mach die Augen zu.« Mein Vater setzte erneut an, und Bo krähte wieder dazwischen, und meine Mutter sagte: »Noch ein Mucks, und du kommst sofort ins Bett«  - worauf Bo den Daumen in den Mund steckte und trotzig vor sich hin schmatzte wie eine tickende Zeitbombe.

»Wir wollen es noch mal versuchen, Herr«, sagte mein Vater. »Wir danken dir für dieses Mahl, das du uns heute Abend beschert hast, und wir danken dir besonders für die gute Neuigkeit, die wir heute erhalten haben. Hilf uns, dass wir unser großes Glück immer zu schätzen wissen. Hilf uns, das Beste aus unseren Gaben zu machen und die kleinen Talente, die wir haben mögen, stets zu deinem Dienst zu verwenden. Amen.«

Luke und Matt und ich reckten uns. Meine Mutter reichte Bo den Saft.

»Was für eine gute Neuigkeit?«, fragte Matt. Er saß mir direkt gegenüber. Wenn ich auf die Stuhlkante rutschte und das Bein ausstreckte, konnte ich mit meinem Zeh an sein Knie tippen.

»Dein Bruder« - mein Vater nickte zu Luke hin - »ist am Lehrerseminar angenommen worden. Heute kam die Zusage.«

»Echt, kein Witz?« Matt sah Luke an.

Ich tat es ihm nach. Ich weiß nicht, ob ich Luke vorher je richtig angesehen hatte, ihn überhaupt je richtig beachtet hatte, meine ich. Irgendwie hatten wir nicht viel miteinander zu tun. Unser Altersunterschied war größer als der zwischen mir und Matt, aber ich glaube nicht, dass es nur daran lag. Wir hatten einfach wenig Gemeinsamkeiten.

Aber jetzt beachtete ich ihn, wie er da neben Matt saß, wie vermutlich jeden Tag in den letzten siebzehn Jahren. In gewisser Weise waren sie sich sehr ähnlich - es war nicht zu übersehen, dass sie Brüder waren: beide hoch aufgeschossen und blond, mit der typischen langen Morrison-Nase und den grauen Augen. Aber in der Statur unterschieden sie sich deutlich. Luke war breitschultrig und stämmig und wog gut dreißig Pfund mehr als Matt. Er war eher bedächtig und kraftvoll, Matt agil und flink.

»Kein Witz?«, wiederholte Matt mit absichtlich übertriebener Verwunderung. Luke warf ihm einen schrägen Blick zu. Matt grinste. »Ist ja fabelhaft! Gratuliere!«

Luke zuckte die Schultern. Ich fragte: »Wirst du jetzt Lehrer?« Ich konnte es mir nicht vorstellen. Lehrer waren Respektspersonen. Luke war einfach nur Luke.

»Sieht ganz so aus«, sagte Luke.

Er lümmelte mit dem Ellbogen auf dem Tisch, aber heute wies mein Vater ihn nicht zurecht. Matt saß auch krumm, hatte sich aber doch nicht ganz so breit hingefleezt, weshalb er im Vergleich zu Luke immer noch relativ aufrecht wirkte.

»Er kann wirklich von Glück sagen«, bemerkte meine Mutter. Sie gab sich solche Mühe, allen unschicklichen Stolz auf ihren Sohn zu verbergen, dass sie fast mürrisch klang. Sie teilte das Essen aus - Koteletts von den Tadworth-Schweinen, Kartoffeln, Karotten und Buschbohnen von der Pye-Farm, Apfelmus von Mr. Jamies knorrigen alten Spalierbäumen. »Nicht jeder bekommt so eine Chance geboten, wirklich nicht. Hier, Bo, das ist für dich. Und iss ordentlich, hörst du? Nicht mit dem Essen spielen.«

»Wann soll´s denn losgehen?«, fragte Matt. »Und wohin? Toronto?«

»Mhm. Ende September.«

Bo angelte sich eine Hand voll Bohnen von ihrem Teller und presste sie sich quietschvergnügt an die Brust.

»Wir werden dir wohl einen Anzug kaufen müssen«, sagte meine Mutter zu Luke. Sie sah meinen Vater an. »Er braucht doch einen Anzug, oder?«

»Ich weiß nicht«, sagte mein Vater.

»Aber natürlich braucht er einen«, mischte sich Matt ein. »Er wird ganz allerliebst aussehen im Anzug.«

Luke schnaubte bloß. Trotz ihrer Verschiedenheit, trotz der Tatsache, dass Luke ständig in Schwierigkeiten geriet und...
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Mary Lawson, aufgewachsen in Ontario, lebt seit 1968 in Surrey, England. Mindestens einmal im Jahr reist sie in ihre Heimat Kanada. Sie ist verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne. Ihr Debüt »Rückkehr nach Crow Lake« war ein internationaler Erfolg und wurde in 20 Länder verkauft. 2006 wurde sie für den Booker Prize nominiert. Ihr neuester Roman, »Im letzten Licht des Herbstes«, ist in Kanada ein Bestseller.