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Das Licht im Rücken

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
496 Seiten
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am16.05.20231. Auflage
Ein groß angelegter Gesellschafts- und Familienroman über die Revolution der Fotografie im 20. Jahrhundert. Bestsellerautorin Sandra Lüpkes erzählt die Geschichte der Leica, von der Zeit des geduldigen Tüftelns Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts bis zu ihrem Siegeszug um die Welt. Und davon, wie diese bahnbrechende Erfindung das Schicksal zweier Familien prägte, die bereit sind, alles zu riskieren. Ernst Leitz, der Sohn des Werkgründers, erkennt das Potenzial der Kamera - und treibt die Produktion der Leica gegen alle Widerstände voran. Die nächste Generation steht schon in den Startlöchern: Tochter Elsie hat das Zeug, die Firma zu übernehmen - aber die Brüder werden ihr vorgezogen. Als die Enteignung der Leitz-Werke durch die Nazis droht, bietet Elsie dem Unrechtssystem die Stirn. Auch Dana und Milan stehen vor dem Nichts: Als Kinder eines jüdischen Ladenbesitzers ist ihnen ein Studium verwehrt, das familiengeführte Geschäft wird geplündert. Aber die Kamera taugt auch als Waffe der Nazis im Krieg und als Währung der Juden im Exil. Und sie besiegelt das Schicksal von zwei Familien: Der Roman verbindet die Lebenswege der Industriellenfamilie Leitz aus Wetzlar mit denen einer fiktiven jüdischen Familie. Eine Geschichte von Mut und Scheitern, Leidenschaft und Missgunst, von Träumen und Verrat - hervorragend recherchiert und packend erzählt.

Sandra Lüpkes wurde 1971 in Göttingen geboren und lebte viele Jahre auf der Nordseeinsel Juist. Sie ist Autorin zahlreicher Romane, Sachbücher, Erzählungen und Drehbücher. Heute wohnt sie gemeinsam mit ihrem Mann Jürgen Kehrer in Berlin.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR23,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR4,99

Produkt

KlappentextEin groß angelegter Gesellschafts- und Familienroman über die Revolution der Fotografie im 20. Jahrhundert. Bestsellerautorin Sandra Lüpkes erzählt die Geschichte der Leica, von der Zeit des geduldigen Tüftelns Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts bis zu ihrem Siegeszug um die Welt. Und davon, wie diese bahnbrechende Erfindung das Schicksal zweier Familien prägte, die bereit sind, alles zu riskieren. Ernst Leitz, der Sohn des Werkgründers, erkennt das Potenzial der Kamera - und treibt die Produktion der Leica gegen alle Widerstände voran. Die nächste Generation steht schon in den Startlöchern: Tochter Elsie hat das Zeug, die Firma zu übernehmen - aber die Brüder werden ihr vorgezogen. Als die Enteignung der Leitz-Werke durch die Nazis droht, bietet Elsie dem Unrechtssystem die Stirn. Auch Dana und Milan stehen vor dem Nichts: Als Kinder eines jüdischen Ladenbesitzers ist ihnen ein Studium verwehrt, das familiengeführte Geschäft wird geplündert. Aber die Kamera taugt auch als Waffe der Nazis im Krieg und als Währung der Juden im Exil. Und sie besiegelt das Schicksal von zwei Familien: Der Roman verbindet die Lebenswege der Industriellenfamilie Leitz aus Wetzlar mit denen einer fiktiven jüdischen Familie. Eine Geschichte von Mut und Scheitern, Leidenschaft und Missgunst, von Träumen und Verrat - hervorragend recherchiert und packend erzählt.

Sandra Lüpkes wurde 1971 in Göttingen geboren und lebte viele Jahre auf der Nordseeinsel Juist. Sie ist Autorin zahlreicher Romane, Sachbücher, Erzählungen und Drehbücher. Heute wohnt sie gemeinsam mit ihrem Mann Jürgen Kehrer in Berlin.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783644010307
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum16.05.2023
Auflage1. Auflage
Seiten496 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse11129 Kbytes
Artikel-Nr.9996068
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Wetzlar, Schleusenbrücke, derselbe Tag

Elsie hat die Speisekammer geplündert. Wacholderschinken, Heidelbeerkompott, eine Flasche Milch und eine mit saurer Limonade. Zudem konnte sie nicht widerstehen, drei frisch gebackene Brezeln mitzunehmen. Zwei für sich und eine zum Abgeben.

«Wie lange genau bleibst du weg?», fragt Julie nach einem skeptischen Blick auf den Proviant.

«Das weiß ich noch nicht.» Elsie will gerade die karierte Decke auf dem Rasen ausbreiten, doch dann stellt sie fest, dass die Stelle viel zu gut einsehbar ist. Sollte ihr Vater die Suchtrupps losschicken, brauchen die nur einmal über die Brüstung der Schleusenbrücke zu schauen, und schon haben sich alle Pläne zerschlagen.

Dazu müsste der Vater jedoch erst einmal ihr Fehlen bemerken. Heute ist das Haus voller großer Männer mit lauten Stimmen und breiten Rücken. Die keilen den Vater ein und vernebeln mit ihrem Zigarrenqualm auch noch die Sicht. Normalerweise schleicht sich Elsie trotzdem in den Saal und gibt ihrem Vater einen Gutenachtkuss. Ob der das überhaupt mitbekommt?

Vielleicht wird sie auch erst morgen beim Frühstück vermisst. Doch da toben Elsies Brüder über Tische und Bänke, zerbröseln das Brot, kleckern mit Kakao, verschmieren die Konfitüre. Sobald die Jungen zur Schule aufgebrochen sind, könnte auffallen, dass niemand das Chaos beseitigt. Der Vater wird nach Rosi rufen - und die putzt schnell alles sauber, ohne zu erwähnen, dass normalerweise Elsie allmorgendlich diese Aufgabe übernimmt. Es kann also dauern, bis irgendjemand gewahr wird, dass sie fortgelaufen ist.

Elsie entscheidet sich für einen Platz unter dem steinernen Bogen und breitet dort die Decke aus. Es ist klamm und deutlich kühler als auf der von der späten Märzsonne beschienenen Wiese am Kanal, aber das hier ist schließlich kein Picknick. «Vielleicht ist es ein Abschied für immer.»

«Dann esse ich lieber nichts davon», verkündet Julie. «Mit dem bisschen überlebst du allerhöchstens zwei Tage.»

Elsie seufzt. «Mehr ging nicht, sonst wäre mein Rucksack zu voll gewesen, und Rosi hätte mich gefragt, was drin ist, und dann ...»

«Ich verstehe», sagt Julie. Das ist das Wunderbare an ihrer neuen Freundin: Sie hört zu, sie versteht, sie macht einem keine Vorwürfe, und vor allem erteilt sie keine klugen Ratschläge. Einziger Nachteil: An ihrer Seite wird Elsie noch unsichtbarer als ohnehin schon. Denn Julie ist nicht nur älter, sondern außerdem besonders hübsch mit ihren honigblonden Zöpfen, den hellgrünen Augen, den Sommersprossen, die sich jetzt im März noch nicht zeigen, aber ein paar sonnige Wochen später um ihre Nasenspitze tanzen werden. Elsie hingegen hat Haare wie Stroh, sowohl in Farbe als auch Beschaffenheit. Blassblaue Augen. Blassrosa Haut. Wäre Elsie nicht die mit Abstand Klassenbeste, würde selbst die Lehrerin sie beim Morgenappell glatt übersehen. Ach ja, und wäre Elsie nicht die Tochter von Leitz dem Zweiten. Das allein reicht in Wetzlar aus, um von allen Seiten begafft zu werden wie ein Menschenaffenjunges im Frankfurter Zoo.

Elsie schaut sich um. Etwas weiter hinten, direkt am Brückenpfeiler, liegt ein einzelner ausgetretener Schuh neben einer Weinflasche. Es riecht eklig. Sie ist anscheinend nicht die Erste, die hier ihr Nachtlager aufschlagen will.

Julie schaudert. «Du bleibst dabei?»

Elsie nickt.

«Aber es sieht nach Regen aus.»

Elsie winkt ab. Es gibt keinen anderen Ausweg. Der Vater hat es ihr einfach so hingeklatscht. Er und Hedwig werden für mehrere Wochen nach Amerika reisen, und wenn sie zurückkommen, ziehen sie alle bald um in eine Villa, die er gerade bauen lässt, weil es einen Neuanfang geben soll nach den traurigen Jahren und weil doch Haus Rosenburg zu sehr an die Mutter erinnert, die ja Hedwigs beste Freundin gewesen ist, außerdem wünsche Hedwig, die gern Klavier spielt, sich ein Musikzimmer. So viele Gemeinheiten in nur einem einzigen Satz. Elsie jedenfalls holte mehrfach Luft, um etwas zu erwidern. «Aber Paps ...» Sie war nicht gegen ihn angekommen, konnte nicht fragen, ob das wirklich nötig sei, mit der langen Reise und dem neuen Haus und der Klavier spielenden Hedwig. Aber die Sätze kamen erst nicht an Vaters Bandwurmsatz vorbei und dann nicht am Kloß in Elsies Hals. Schließlich endete der Vater mit: «... bald gehst du ja sowieso auf die höhere Schule, Elsie. Ich hörte von einem Landschulheim in Thüringen, in Wickersdorf, in dem du tanzen und singen kannst. Dort wirst du dich wohlfühlen, versprochen.»

Wickersdorf? Nach einer scheußlich langen Minute des Schweigens hat Elsie viel zu piepsig gefragt: «Aber Ernst der Dritte und der Ludi dürfen bleiben?»

«Sie übernehmen doch später die Firma, da müssen Sie lernen, wie es läuft.»

«Ich könnte die Firma übernehmen.»

«Du?» Der Vater hat sie angeschaut. Ganz ohne ein Lächeln. «Das kannst du sicher, Elsie. Daran habe ich nicht den geringsten Zweifel. Allein, es würde dich nicht glücklich machen.»

Von Mikroskopen versteht er vielleicht etwas, der Vater, von Linsen und Okularen. Aber vom Glück seiner Tochter hat er keinen blassen Schimmer. Jedenfalls hat Elsie am Abend nach ein bisschen Rumgeheule (für das sie sich genierte, obwohl es keiner mitbekam) entschieden, ihr Glück selbst in die Hand zu nehmen. Sie ist zehn Jahre und drei Monate alt. Manche mögen denken, ein bisschen zu jung. Aber sie hat in allen Schulfächern ein Sehr Gut. Und hat ihr Sparschwein geschlachtet. Nur den Familiennamen wird sie verschweigen müssen auf ihrer Reise ins Ungewisse. Die Menschen wüssten sofort, wohin sie zurückzuschicken wäre.

Elsie setzt sich. Der Boden ist hart, aber das wird sie überleben. Julie bleibt lieber stehen. Sie zieht einen kleinen Stoffbeutel hervor, den sie Elsie mit feierlicher Geste reicht. «Ich habe was für dich.»

Es klimpert im Beutel, Elsies Finger ertasten ein paar Münzen. «Geld?»

Julie nickt. «Unser Garten steht voller Krokusse. Die hab ich gepflückt, gebunden und am Nachmittag auf dem Eisenmarkt verkauft. Fast zwei Mark sind dabei herausgekommen.»

Elsie klopft auf den Platz neben sich, und als Julie sich gesetzt hat, legt Elsie den Arm um ihre neue, ihre beste, ihre allerbeste Freundin. «Danke!»

«Ich mach mir Sorgen um dich.» Julie wischt sich die Augen mit dem Zipfel ihrer Schürze trocken. «Wenn mich jemand fragt, wo du steckst, Elsie, soll ich dann lügen?»

«Nein, dazu mag ich dich nicht auffordern. Sag ihnen, du hast beim Grab meiner Mutter schwören müssen, nichts zu verraten.»

«Beim Grab deiner Mutter?» Julie verzieht das Gesicht. «Das ist ja scheußlich!»

Das stimmt. Das Grab ihrer Mutter ist scheußlich. Auf dem Friedhof oberhalb der Stadt liegt ihr Sarg neben denen vom Onkel und der Großmutter. Zwei verhüllte Steingestalten beweinen die Namen, die unter ihnen eingraviert sind. Wenn sie dort ist, hat Elsie jedes Mal Angst, dass es vielleicht doch etwas Ansteckendes gewesen ist, was ihr die Mutter nahm, so plötzlich, von einem Tag auf den anderen, und alle haben sich weggedreht, sobald Elsie Fragen gestellt hat. Es muss eine furchtbare Krankheit gewesen sein, sonst hätte die Mutter doch darum gekämpft, am Leben zu bleiben, bei ihren Kindern, bei Elsie. Wenn sie nun selbst auch an dieser Krankheit sterben würde, würde man auch ihren Namen in den Stein unter den weinenden Gestalten meißeln.

«Du musst es mir schwören, Julie. Bis morgen Mittag hältst du dicht!»

«Warum bis morgen Mittag?»

«Bis dahin bin ich über alle Berge.»

«Wo willst du denn hin?»

Elsie zuckt mit den Schultern. Vielleicht wird das Schicksal sie in ein Kloster führen, wo sie als Nonne den Armen und Kranken in ihrer Not hilft. Vielleicht wird sie auch von einem Bauernehepaar aufgenommen und sich auf dem Feld die Hände blutig arbeiten für ein karges Lager im Heu und eine wässrige Suppe. Oder an Bord eines Atlantikdampfers als Küchenmädchen ... Elsie schluckt die Tränen runter. Jedenfalls wird es besser sein, als mit dem Vater und den kleinen Brüdern in diese neue Villa zu ziehen, in der Hedwig ständig Klavier spielt.

«Geh bloß nicht nach Frankfurt. Dort herrscht das Verbrechen», warnt Julie und bricht sich nun doch ein Stück von der Brezel ab. Man kann es ihr nicht verübeln, Rosi backt sie mit Laugenkruste. Sie sind noch lauwarm und duften.

Beide kauen an ihren Brezeln und schweigen. Eine Sonnenspiegelung tanzt auf den Wellen des Schleusenkanals, dann schieben sich Wolken dazwischen. Die letzten Strahlen blinken auf wie eine Glühbirne, kurz bevor sie durchbrennt. Der letzte Tag in ihrer Heimat, denkt Elsie, er fängt an, zu Ende zu gehen.

Plötzlich hören sie eilige Schritte wie von einem, dem jemand auf den Fersen ist. Elsie versucht, sich nicht anmerken zu lassen, wie beängstigend sie das findet. Das Keuchen, das Hasten, vor allem das Näherkommen.

«Was machen wir jetzt?», fragt Julie ängstlich.

«Verkriechen wir uns erst mal in die dunkle Ecke.»

«Dahin, wo der Schuh liegt?»

«Da sieht uns keiner.»

«Es sei denn, der Besitzer des Schuhs kommt, ihn zu holen.»

«Red keinen Unsinn, das würde man hören, wenn er auf einer Seite barfuß liefe.»

Sie ducken sich unter die Brücke. Der Uringestank verschlägt ihnen den Atem. Das Leben auf der Straße stellt sich gerade in seiner ganzen Unbarmherzigkeit...
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Autor

Sandra Lüpkes, Autorin zahlreicher Romane, Sachbücher und Drehbücher, verwebt leichthändig Authentisches und Fiktives zu großen Geschichten. Die Idee für diesen Roman ergab sich bereits bei ihren Recherchen zu dem Spiegel-Bestseller «Die Schule am Meer». Denn der Enkel des Firmengründers besuchte in den 1920er-Jahren das Inselinternat und verteilte die ersten Exemplare der Leica an Lehrer und Schüler. Fasziniert von der Sogwirkung der lebensnahen Fotografien, vertiefte sich Lüpkes in die Historie der Leitz-Werke - und die menschlichen Schicksale dahinter.