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Todesglut

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
528 Seiten
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am01.05.20221. Auflage
Ein besonderes Institut, eine grausam verbrannte Leiche, ein krankes Spiel auf Leben und Tod. «Denkt wie die Mörder!» Das predigt der eigenwillige Kriminologe und Ex-Kommissar Zornik an der «Akademie des Verbrechens» in einem Gutshaus auf Rügen. In seinem Kurs lernen die Studierenden an echten, ungelösten Fällen. Dieses Semester: eine grausig verbrannte Leiche in der Stadtbibliothek von Bergen. Der Wettkampf beginnt: Wer ermittelt besser, Zornik oder die Neulinge? Doch aus dem Lehrplan wird gefährlicher Ernst. Als ihm ein brutaler Straftäter von früher das Messer an die Kehle setzt, weiß er: Sie kommen dem Täter oder der Täterin nah - zu nah. Nun muss er alles tun, sein Leben und das der Studierenden zu retten. Denn das grausame Spiel auf Leben und Tod hat gerade erst begonnen.  

Cathrin Moeller, Diplomsozialpädagogin, arbeitete unter anderem in Resozialisierungsprojekten. Neben der Arbeit an den eigenen Texten, u.?a. dem Spiegel-Bestseller «Wolfgang muss weg», coacht sie kulturelle Bildungsprojekte. Sie wohnt mit ihrem Mann, einem Kriminalhauptkommissar, in der Nähe von Leipzig.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextEin besonderes Institut, eine grausam verbrannte Leiche, ein krankes Spiel auf Leben und Tod. «Denkt wie die Mörder!» Das predigt der eigenwillige Kriminologe und Ex-Kommissar Zornik an der «Akademie des Verbrechens» in einem Gutshaus auf Rügen. In seinem Kurs lernen die Studierenden an echten, ungelösten Fällen. Dieses Semester: eine grausig verbrannte Leiche in der Stadtbibliothek von Bergen. Der Wettkampf beginnt: Wer ermittelt besser, Zornik oder die Neulinge? Doch aus dem Lehrplan wird gefährlicher Ernst. Als ihm ein brutaler Straftäter von früher das Messer an die Kehle setzt, weiß er: Sie kommen dem Täter oder der Täterin nah - zu nah. Nun muss er alles tun, sein Leben und das der Studierenden zu retten. Denn das grausame Spiel auf Leben und Tod hat gerade erst begonnen.  

Cathrin Moeller, Diplomsozialpädagogin, arbeitete unter anderem in Resozialisierungsprojekten. Neben der Arbeit an den eigenen Texten, u.?a. dem Spiegel-Bestseller «Wolfgang muss weg», coacht sie kulturelle Bildungsprojekte. Sie wohnt mit ihrem Mann, einem Kriminalhauptkommissar, in der Nähe von Leipzig.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783644012042
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum01.05.2022
Auflage1. Auflage
Reihen-Nr.1
Seiten528 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse5079 Kbytes
Artikel-Nr.8454162
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Mittwoch, 11. September 2019
Kapitel 3

Henry knallte Professorin Wellers Dossier wütend auf den langen Eichentisch im Lehrerzimmer. Die Krawatte schnürte ihm den Hals zu. Er zog den Knoten auf, nahm sie ab und riss sich das Jackett vom Leib, das ihn wie ein Korsett einzwängte. Am raumhohen Bücherregal blätterte Strafrechtsprofessor Tatter in einem Wälzer. Seinen Mund umspielte ein hämisches Lächeln. Er trug wieder die alberne Fliege um den Hals, und eine Hand zwirbelte die Spitze seines Ziegenbartes, während er Henry abschätzig musterte. Henry Zornik lächelte übertrieben offen und warm zurück. Es war nicht das erste Mal, dass man ihm so arrogant begegnete. Ertappt schloss Tatter das Buch und verließ den Raum. Henry hängte das Jackett über die Stuhllehne an seinem Platz. Er ärgerte sich über Tatter und über sich selbst.

Professorin Lucia Bertolli, die am anderen Ende des Tisches saß, schaute über den Rand ihres Laptops zu ihm herüber. Die Italienerin mit der schwarzen Mähne schenkte ihm einen ehrlich interessierten Blick aus ihren unterschiedlich gefärbten Augen, eins blau und das andere braun. Die Iris-Heterochromie, eine seltene Laune der Natur, sah faszinierend aus.

«Schlecht gelaufen?», fragte sie mit diesem schönen italienischen Akzent.

«Das kann man wohl sagen.»

Es war erst sein zweiter Tag an der Akademie, und Professorin Bertolli, die forensische Pathologin, die er auf Anfang dreißig schätzte, war die einzige von den ehrwürdigen Professoren, die ihm bei den kurzen Begegnungen im Haus freundlich zugelächelt hatte. Die anderen hatten keinen Zweifel an ihrer Auffassung gelassen, dass er mangels Doktortitel ein unwürdiger Nachfolger von Dorothea Weller sei.

«Domani ti sentirai meglio. Wie sagt man? Morgen wirst du dich besser fühlen.»

«Leicht gesagt.» Henry massierte sich die Stirn.

«Wo ist das Problem?»

Er zeigte auf das Dossier. «Die Studierenden langweilen sich, wenn ich die Aufzeichnungen von Weller für meine Vorlesung nutze. Das ist zu verkopft. Zu wissen, dass Kriminalitätsopfer in der Definition von Sutherland & Cressey nicht auftauchen, wird ihnen später im Job nichts nützen.»

«Verstehe.» Lucia Bertolli kaute auf ihrer Unterlippe.

Henry trat ans Fenster und schaute in den weiten Garten im englischen Cottage-Stil. Die Sonne schien von einem strahlend blauen Spätsommerhimmel. Schwarze Wolken und Regen hätten besser zu seiner Stimmung gepasst. Wahrscheinlich war er zu blauäugig gewesen, als er sich vorgestern innerhalb weniger Minuten von der Rektorin überreden ließ, den Lehrauftrag an der Akademie zu übernehmen. Sie hatte ihm die Unterrichtsvorbereitungen seiner Vorgängerin übergeben. Erst nachdem er das Material nachts in seinem Wohnwagen durchgearbeitet hatte, war ihm bewusst geworden, was man von ihm erwartete. Kriminologie in rein theoretischen Abhandlungen zu vermitteln. Das war er nicht. Er war hier schlichtweg falsch.

Natürlich glich es einem Ritterschlag, an der Academy of Criminal Investigation Kriminologie unterrichten zu dürfen. Nie hätte er gedacht, dass man ihn als Lehrkraft an die kleine private Hochschule mit internationalem Renommee holen könnte, die nur fünf Kilometer von seiner Heimatstadt Bergen entfernt lag. Von dem einmaligen Curriculum mit seiner innovativen Fächerzusammenstellung, die von Kriminologie über Forensik, Kriminalpsychologie, Strafrecht, Cyberkriminalität, Selbstverteidigung, Schießtraining, Waffenkunde und Rechtsmedizin bis hin zur verdeckten Informationsbeschaffung reichte, hatte er schon vorher gehört. Mit diesem ganzheitlichen Ansatz konnte er sich vorstellen, dass hier eine neue Generation von Verbrechensbekämpfern ausgebildet würde. Spezialkräfte, die nicht nur Formalien und Gesetzesvorschriften auswendig lernen, sondern auf der Höhe der Zeit stehen. Auch deshalb hatte er vorgestern nicht lange überlegt, als die Rektorin sich überraschend bei ihm gemeldet hatte, weil sie kurzfristig einen Ersatz für ihre Kriminologie-Professorin brauchte. Dorothea Weller war am Samstag bei einem tragischen Unfall auf der Baustelle ihres Hauses ums Leben gekommen. Auch wenn Henry noch nie unterrichtet hatte, erschien ihm dieser Dozentenjob ideal. Die Aufgabe entsprach seinem Fachgebiet und löste eines seiner zwei dringlichsten Probleme. Aber so mies, wie gestern und heute die ersten Veranstaltungen gelaufen waren, musste er sich schleunigst etwas überlegen.

Henrys Smartphone vibrierte in der Hosentasche. Er nahm es heraus und schaute auf das gesprungene Display. Das Jugendamt. Er ahnte, was sie von ihm wollten. Nervös fuhr er sich durchs Haar, eilte nach draußen auf den Flur und suchte sich eine Ecke, wo er ungestört reden konnte.

«Guten Tag, Herr Zornik. Mein Name ist Jakob, ich bin die Sachbearbeiterin der Adoptionsvermittlungsstelle. Ihr Antrag auf Adoption von Matti Grabner ist vor drei Wochen bei uns eingegangen.»

Seitdem hatte er täglich mit einer Rückmeldung gerechnet. Das diese nun telefonisch erfolgte, war ein gutes Zeichen. Hätten sie seinen Antrag von vornherein abgelehnt, hätten sie ihn wahrscheinlich schriftlich informiert. Henry spürte leise Hoffnung in sich aufsteigen.

«Es geht zunächst um Formalien. Sie haben vergessen, Ihre Adresse in das Formular einzutragen, und Sie haben Ihre wirtschaftlichen Verhältnisse unzureichend dargelegt.»

«Ich habe im Antrag geschildert, dass ich die letzten fünf Jahre in Brasilien gelebt habe und erst seit vier Wochen wieder in Bergen bin», antwortete er. «Natürlich gibt es da noch ein paar Dinge zu regeln. Aber es ist mir ernst. Ich will Matti adoptieren.»

Matti war der Sohn seiner ehemaligen Kollegin Hanna. Der besten Kollegin, die er je gehabt hatte. Sie war vor fünf Jahren bei einem Einsatz umgekommen. Danach war Henry regelrecht aus Deutschland geflüchtet. Der Kleine lebte seitdem bei seiner Großmutter. Nun war auch die Oma gestorben, und Matti war ins Heim gekommen, weil es keine weiteren Verwandten gab. Vater unbekannt. Zu wissen, dass der Junge ganz allein war, ließ Henry nachts nicht schlafen. Wenn er darüber nachdachte, erinnerte er sich an seine eigene Kindheit ohne Zuwendung und Geborgenheit. Dass Matti dasselbe widerfahren könnte, ertrug er nicht. Deshalb war er aus Brasilien zurückgekehrt.

«Ich kenne die Kriterien für eine Adoption und bin bemüht, alle zu erfüllen.»

«Sehr gut. Ich würde dann gerne einen Termin wegen der Überprüfung Ihrer Wohnverhältnisse machen. Passt es Ihnen in einer Woche, am 18. September gegen 10 Uhr?»

Er wohnte in einem Camper auf dem Naturcampingplatz am Nonnensee. Kaum ein Ort, der das Amt davon überzeugen würde, dass Henry sein Leben im Griff hatte und angemessen für Matti sorgen konnte.

«Ja, die Adresse schicke ich Ihnen dann per E-Mail.» Er beendete das Gespräch.

Sie hatten den Antrag nicht grundsätzlich abgelehnt, dachte er hoffnungsvoll. Aber eine Woche Zeit, um eine Wohnung zu finden, das könnte schwierig werden. Henry spürte die aufsteigende Unruhe. Hätte er den Termin besser hinausgezögert? Er schüttelte den Kopf. Nein, das hätte bei der Dame vom Amt vielleicht Zweifel geweckt. Er würde schon eine Lösung finden, beruhigte er sich und lief ins Lehrerzimmer.

Dort stand Lucia Bertolli am Bücherregal und schien nach einem Buch zu suchen. Henry setzte sich nachdenklich an seinen Platz. Wie sollte er nur an eine passende Wohnung kommen und gleichzeitig seinen Unterricht stemmen?

Die Tür ging auf, und Borowski, der Dozent im Fach Tarnen und Täuschen, trat in steifem Schritt herein. Er war Mitte dreißig und gelernter Schauspieler. Heute trug er eine auffällige Brille, das braune Haar war glatt gescheitelt und nach hinten gegelt. Mit der grauen Stoffhose und dem zugeknöpften kurzärmeligen Hemd unter dem Westover sah er aus wie ein Mitarbeiter aus dem Stadtarchiv. Vielleicht kam er gerade von einem Außeneinsatz zurück, bei dem er mit den Studierenden die verdeckte Informationsbeschaffung in einer Behörde geübt hatte.

Noch voll in seiner Rolle, richtete er förmlich das Wort an Henry und verbeugte sich leicht. «Die Chefin verlangt nach dir.»

Henry hörte einen Unterton heraus, den man als Warnung verstehen konnte. Borowski war der einzige Dozent, der ihm bei der ersten Begegnung gestern das Du angeboten hatte. Henry vermutete, dass Borowski in ihm einen Verbündeten in der feindlichen Welt der Intellektuellen sah, weil auch er keinen Doktortitel besaß. Er zog sich sein Jackett wieder an. Den Schlips ließ er weg.

 

Mit ungutem Gefühl schob Henry die schwere Eichentür zum ehemaligen Herrenzimmer auf. Sein Blick glitt durch den Raum, binnen Zehntelsekunden nahm er jedes Detail auf. Die Rektorin thronte hinter dem überdimensionalen Schreibtisch, auf dem farblich sortierte Mappen lagen. Der dreiarmige Leuchter an der Decke spendete trübes Licht. Beatrice Krohn, eine elegant gekleidete Frau, die er auf Anfang vierzig schätzte, wirkte strukturiert. Genau den Eindruck hatte er schon bei seiner ersten Begegnung mit ihr vor zwei Tagen gehabt. Sie hasste Chaos und hatte gerne alles unter Kontrolle. Garantiert schlief sie immer erst eine Nacht über eine Entscheidung, bevor sie sie traf. Nun grub sich eine Zornesfalte in die Stirn der dezent geschminkten Frau. Trotz ihrer geringen Körpergröße füllte sie den Raum mit einem Selbstbewusstsein, hinter dem eine hohe Kompetenz und Menschenkenntnis steckte, so wie Führungskräfte sie haben sollten. Doch der ernste Blick sah nach Ärger aus. Henry sah das leichte Zucken um ihre Mundwinkel. Vermutlich wog sie ab, wie sie ihm beibringen...
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