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Die Frau, die die Welt zusammenfügte

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
480 Seiten
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am14.03.20231. Auflage
Ein epochales Forscherinnenleben - und der Alltag einer Mutter von vier Kindern. Kopenhagen 1948: Maries kleiner Sohn Peder ist noch ein Baby, der Gedanke, ihn für viele Monate zu verlassen, schmerzt. Aber Marie muss fort, sie wird auf einer strapaziösen Expedition Beweise suchen für ihre These, dass die Kontinente ursprünglich einmal zusammenhingen.Pangaea ist ihr Lebenszweck, von nichts und niemandem lässt sie sich einschränken. Sie ist Forscherin, verheiratet und hat vier Kinder. Ihre Dissertation schreibt sie am Küchentisch, die Kindern um sich - das Familienleben ein ebenso großes Abenteuer wie ihre Expeditionen. Manchmal wird die Sehnsucht nach ihrer Familie übergroß, doch hartnäckig verfolgt Marie ihr Ziel. Dabei erforscht sie nicht etwa die imposantesten Lebewesen, sondern winzig kleine Moosmilben, die die Existenz Pangaeas beweisen sollen. Die Biologin und Zoologin Marie Hammer hat die Geschichte unserer Welt umgeschrieben, trotzdem ist sie heute fast vergessen.Ein mitreißender, lebenspraller und eigensinniger Roman über Kompromisslosigkeit, über ein Leben außerhalb gesellschaftlicher Normen, über eine Frau, die Großartiges erreicht hat.

Eva Tind, geboren 1974 in Südkorea, wuchs als Adoptivtochter dänischer Eltern in Jütland auf und lebt heute in Kopenhagen. Die Autorin, bildende Künstlerin und Filmemacherin hat mehrere Gedichtbände und Romane veröffentlicht. Sie wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Debütantenpreis der Dänischen Akademie und dem dreijährigen Arbeitsstipendium des dänischen Kunstfonds. Die Frau, die die Welt zusammenfügte wurde von der dänischen Kritik hochgelobt und erscheint in mehreren Ländern.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR25,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR19,99

Produkt

KlappentextEin epochales Forscherinnenleben - und der Alltag einer Mutter von vier Kindern. Kopenhagen 1948: Maries kleiner Sohn Peder ist noch ein Baby, der Gedanke, ihn für viele Monate zu verlassen, schmerzt. Aber Marie muss fort, sie wird auf einer strapaziösen Expedition Beweise suchen für ihre These, dass die Kontinente ursprünglich einmal zusammenhingen.Pangaea ist ihr Lebenszweck, von nichts und niemandem lässt sie sich einschränken. Sie ist Forscherin, verheiratet und hat vier Kinder. Ihre Dissertation schreibt sie am Küchentisch, die Kindern um sich - das Familienleben ein ebenso großes Abenteuer wie ihre Expeditionen. Manchmal wird die Sehnsucht nach ihrer Familie übergroß, doch hartnäckig verfolgt Marie ihr Ziel. Dabei erforscht sie nicht etwa die imposantesten Lebewesen, sondern winzig kleine Moosmilben, die die Existenz Pangaeas beweisen sollen. Die Biologin und Zoologin Marie Hammer hat die Geschichte unserer Welt umgeschrieben, trotzdem ist sie heute fast vergessen.Ein mitreißender, lebenspraller und eigensinniger Roman über Kompromisslosigkeit, über ein Leben außerhalb gesellschaftlicher Normen, über eine Frau, die Großartiges erreicht hat.

Eva Tind, geboren 1974 in Südkorea, wuchs als Adoptivtochter dänischer Eltern in Jütland auf und lebt heute in Kopenhagen. Die Autorin, bildende Künstlerin und Filmemacherin hat mehrere Gedichtbände und Romane veröffentlicht. Sie wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Debütantenpreis der Dänischen Akademie und dem dreijährigen Arbeitsstipendium des dänischen Kunstfonds. Die Frau, die die Welt zusammenfügte wurde von der dänischen Kritik hochgelobt und erscheint in mehreren Ländern.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783644012707
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum14.03.2023
Auflage1. Auflage
Seiten480 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3066 Kbytes
Artikel-Nr.9996041
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1911

Marie und Aase sind noch klein, als ihre Eltern Niels und Alma mit den fünf Töchtern aus der Großstadt in eine weiße Villa nördlich von Kopenhagen ziehen. In diesem Jahr hat es außergewöhnlich viel geschneit. Der Schnee hat sich gesetzt, der Frost kriecht aber immer noch über die Fenster und zeichnet Muster, die als Schneeblumen zwischen den Scheiben erstarren. Das Haus wurde im italienischen Stil erbaut. An der Nordseite hängen die Eiszapfen wie nadelspitze Zähne von den Dachrinnen. Aus dieser verputzten Villa mit den großen weißen Säulen stammt Maries erste Erinnerung, wie ein etwas unscharfes Foto. Die Konturen von Niels, ihrem Vater, tauchen auf. Marie hat sich dieses Bild so oft in Erinnerung gerufen, dass es sich in ihr Gedächtnis eingebrannt hat, es kann nie wieder gelöscht werden. Ihr Vater, rauchend in einem Sessel. Er hält den Rücken gerade, auf dem einen Oberschenkel ruht ein Buch. Die Kleidung sitzt steif am Körper, sie sieht unbequem aus. Durch die Lippen bläst er blauen Rauch, der wie eine dichte Wolke um seinen Kopf herum aufsteigt.

 

Obwohl Niels ein recht junger Vater ist, hat er einen langen, ergrauenden Bart, seine Augen sind tiefe Löcher, in die man nicht hineinstolpern möchte. Er versucht stets, den Stimmen der Kinder auszuweichen, die in seinen Ohren kratzen und kribbeln, und ihren fettigen Fingern, die seine steife Kleidung beflecken und aus der Form bringen. Wenn er mit den Kindern spricht, verwendet er kühle, nüchterne Wörter; Wörter, die die Pforte zu einem unfassbaren Wissen öffnen, die ihn erheben, bis weit über die blaue Rauchwolke ganz oben unter der Decke. Niels ist Mathematiker. Er unterrichtet am Gymnasium und verteilt sein Wissen an die Kinder wie weiße Zuckerwürfel. Kleine raue Würfel, die sich langsam im Mund auflösen, zu einem süßen Meer verschmelzen, das durch den Körper tobt und die Augen zum Glänzen bringt.

 

Marie wünscht sich nur eins: das Meer im Mund zu behalten.

 

Vor dem Fenster schweben weiche Schneeflocken herab, der Wind bleibt ruhig.

«Komm mit», sagt Løn und bürstet helle kleine Schuppen von Maries dunkelblauem Kleid.

«Wohin?», fragt Marie.

«Es ist Sonntag.»

 

Løn nimmt Marie bei der Hand. Sie flitzen den Gang hinunter. Sonntags dürfen sie in die Hausbibliothek, und die Zeit löst sich wie das Fleisch von den Knochen im Topf, der auf dem Herd in der Küche steht. Aus dem Topf steigt Dampf auf und sammelt sich in Wasserperlen unter der Decke, ein Tropfen nach dem anderen fällt herab: ein Jahr, zwei Jahre, drei Jahre - die Sonntage werden wie Perlen auf eine Schnur gezogen, und Løn, Trolden, Bitten, Aase und Marie werfen sich auf die türkischen Teppiche in der Bibliothek, rollen sich auf den Bauch und stecken ihre Gesichter so tief in die dicken Bücher, dass sich der satte Geruch von Papier und Staub in ihren Nasen festsetzt. Sie blättern sich einmal rings um die Erde, Seite für Seite wandern sie durch die Bilder, hinein in die Sitten und Bräuche anderer Länder und Menschen. Maries Herz klopft im selben Rhythmus wie Aases, zwei Steine, die aneinanderschlagen, Funken sprühen, ein Gedanke nimmt Form an in Marie: Ich werde um die Welt reisen.

Sie blickt zu dem Globus auf dem Schreibtisch.

«Kann man um die Erde laufen?»

«Nein», murmelt Trolden, «zwischen den Kontinenten liegt Meer.»

«Was sind Kontinente?»

«Riesige Inseln, die aus dem Wasser aufragen», antwortet Trolden.

Marie schließt die Augen, sie drehen sich unter den Augenlidern. Die Erde ist eine leuchtende Kugel, die direkt hinter ihrer Stirn hängt. Sie prägt sich alles ein, öffnet die Augen, schließt sie. So macht sie weiter, öffnet die Augen, blättert, schließt sie wieder und speichert alle Bilder aus Brehms Tierleben im Kopf ab, um sie jederzeit auf der Innenseite ihrer Lider heraufbeschwören zu können.

«Siehst du, was ich sehe?», fragt sie Aase.

«Ja.»

Hinter ihren Augenlidern sieht Marie direkt in einen Traum hinein: Sie geht allein, den ganzen Weg um die Erde herum.

«Ich will nicht allein um die Welt reisen», sagt Aase.

«Warum nicht?»

Ihre Augen bewegen sich unruhig unter den Lidern. Aber sie bleiben geschlossen.

«Ich möchte nur mit jemandem zusammen reisen.»

«Du zerstörst meinen Traum», sagt Marie.

«Du zerstörst meinen Traum», wiederholt Aase.

Jetzt dreht sich die Erdkugel schneller.

«Ich sehe grünes Wasser, Korallen und Pilze mit dicken braunen Stielen, runzelig wie Palmenstämme, einige haben orangefarbene Flecken, andere sind hautfarben oder genoppt und mit Haarmähnen.»

Marie schwimmt.

«Zwischen den Steinen liegen Seesterne und Wasserblumen und schmücken sie, sie sickern hervor wie Aquakorallen», sagt Aase.

«Aquarelle oder Korallen», sagt Trolden.

«Korallen», wiederholt Marie. Das Wort schmeckt wie Eiscreme. Die Erde dreht sich noch schneller.

«Wenn du reist, komme ich mit. Wir müssen immer zusammenbleiben», sagt Aase.

Marie blickt in Aases Augen, als wären es ihre eigenen.

«Ja», sagt Marie.

Aber sie sieht Aase und sich nicht zusammen gehen, sie ist allein.

 

«Wer ist das?», fragt Aase und deutet auf ein Bild von einer Marmorbüste.

«Thales von Milet, der ungefähr 500 Jahre vor Jesus lebte», erklärt Niels und beugt sich über sie.

Der Bart des Vaters kitzelt, ein weiches Kissen, an dem man sein Gesicht ausruhen kann.

«Thales von Milet hat gesagt: Aus Wasser ist alles! Statt die Natur für etwas Mystisches zu halten, hat er sie als etwas betrachtet, das beobachtet werden muss, damit man es verstehen kann.»

Marie starrt das Bild von Thales von Milet an, dessen Augen weiß und rund sind wie gepellte Eier, und jetzt riecht es im Zimmer danach.

«Es riecht nach Ei», sagt Aase.

«Ist er blind?», fragt Marie.

«Alle Statuen sind blind», antwortet Løn.

 

Marie muss mal. Sie verlässt die Bibliothek, geht den Flur entlang, aus der Tür, zur Toilette. Obwohl die Blase drückt, bewegt sie sich langsam und mit geschlossenen Augen. Ihre Fingerspitzen kennen alle Zimmer des Hauses und alle Oberflächen, doch wenn sie wie eine Blinde hier entlanggeht, fühlt es sich an, als ginge sie den Weg zum ersten Mal. Sie beschleunigt das Tempo. Ihre Finger gleiten über die gekalkten Wände. Wie dunkel ist es eigentlich im Kopf eines blinden Mannes? Ein dunkler Schatten fährt in sie hinein, und die Augenlider huschen nach oben. Sie will lieber doch nicht blind sein. Sie öffnet den Klodeckel, der Gestank schießt aus dem Loch empor wie eine Peitsche. Sie atmet durch den Mund und lässt ihren Urin in einem dicken, warmen Strahl hinauslaufen. Der Geruch bleibt in ihren Nasenhaaren hängen. Jetzt rennt sie über den Flur zurück zur Bibliothek, der Luftstrom bläst ihr die Nase sauber. Sie wirft sich neben Aase und bohrt ihr den Finger in die Seite, aber Aase reagiert nicht, rückt nur von ihr ab, und das Buch, in dem sie liest, zieht sie mit.

 

«Was ist ein Strohräuber?», fragt Marie.

«Einer, der anderen Leuten das Stroh raubt?», schlägt Bitten vor.

«Ein Strohräuber ist Bernstein», sagt Løn. «Das steht da.»

«Wenn man Bernstein poliert, wird er magnetisch und zieht kleine Strohhalme an. Deshalb heißt Bernstein auf Persisch Strohräuber », erklärt Niels.

«Was bedeutet magnetisch?», fragt Marie.

Das Wort erinnert sie an Magna, die Nachbarsfrau, unter deren Kinn immer drei lange, störrische Haare wachsen, widerspenstiges Stroh, vom Schatten des Kinns verborgen.

«Wenn sich zwei voneinander getrennte Dinge gegenseitig anziehen, sind sie magnetisch. Stell dir einen kleinen Stab vor, der an der einen Seite einen Nordpol hat und an der anderen einen Südpol. Wenn der Nordpol des Stabs zum Südpol eines anderen solchen Stabs zeigt, wird die Anziehung aufgrund ihrer Gegensätzlichkeit so stark sein, dass sie wie ein einziger Stab zusammenkleben. Dreht man den Stab jedoch um, sodass der eine Südpol zum anderen Südpol zeigt oder der Nordpol zum Nordpol, werden sich die Stäbe abstoßen», sagt Niels.

«So wie ihr», sagt Løn zu Marie und Aase. «Ihr benehmt euch wie zwei kleine Stäbe, ihr klebt die ganze Zeit aneinander.»

«Wenn du sie trennst, werden sie den Rest ihres Lebens damit verbringen, einander zu suchen», sagt Niels zu Løn, als wären Aase und Marie nicht mehr im Zimmer.

Die Wörter flattern von seinen Lippen und Niels hinterher, fast so, als würde er abheben.

«Der griechische Philosoph Empedokles behauptete im 5. Jahrhundert vor Christus, die Erde...
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Autor

Eva Tind, geboren 1974 in Südkorea, wuchs als Adoptivtochter dänischer Eltern in Jütland auf und lebt heute in Kopenhagen. Die Autorin, bildende Künstlerin und Filmemacherin hat mehrere Gedichtbände und Romane veröffentlicht. Sie wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Debütantenpreis der Dänischen Akademie und dem dreijährigen Arbeitsstipendium des dänischen Kunstfonds. Die Frau, die die Welt zusammenfügte wurde von der dänischen Kritik hochgelobt und erscheint in mehreren Ländern. Ursel Allenstein, 1978 geboren, übersetzt u.a. Sara Stridsberg, Johan Harstad und Tove Ditlevsen. 2011 und 2020 erhielt sie den Hamburger Förderpreis, 2013 den Förderpreis der Kunststiftung NRW und 2019 den Jane-Scatcherd-Preis für ihre Übersetzungen aus den skandinavischen Sprachen.