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Planck oder Als das Licht seine Leichtigkeit verlor

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am16.08.20221. Auflage
Oktober 1944. Mit sechsundachtzig Jahren steht Max Planck vor der schwersten Aufgabe seines Lebens. Der Nobelpreisträger soll ein «Bekenntnis zum Führer» verfassen. Viel hängt daran, denn Plancks geliebter Sohn Erwin, der am Hitler-Attentat vom 20. Juli beteiligt war, sitzt im Todestrakt von Tegel. Planck denkt zurück an frohe Tage und die dunkle Zeitenwende. Gefährten sind im Exil, vor allem vermisst er Albert Einstein. Der forscht in Amerika und widmet sich vielem, besonders den Frauen, allerdings gar nicht seinem Sohn Eduard, der in der Zürcher Heilanstalt Burghölzli mit seinen inneren Dämonen und dem fernen Vater ringt. Max Planck schreibt mit der Schwiegertochter Nelly Gnadengesuche für Erwin; dieser entdeckt die Weite des Daseins in einer Gefängniszelle. In der Berliner Reichskanzlei träumt Adolf Hitler vor einem Gemälde. Und Eduard Einstein erkennt, was die Welt im Innersten zusammenhält, während sein genialer Vater das Doppelspiel seiner russischen Geliebten nicht einmal ahnt. Steffen Schroeder erzählt von der Freundschaft zwischen Max Planck und Albert Einstein, vom Verhältnis berühmter Väter zu ihren Söhnen, von der Liebe in aufgewühlten Zeiten. Und davon, wie die Musik von Johannes Brahms alles miteinander verbindet.

Steffen Schroeder, geboren 1974 in München, ist Schauspieler und Schriftsteller. Er war Ensemblemitglied am Wiener Burgtheater, bevor er Claus Peymann ans Berliner Ensemble folgte. Er spielte in zahlreichen Fernsehserien und Kinofilmen, wie etwa «SOKO Leipzig» oder «Der rote Baron». Schroeder engagiert sich für den Weißen Ring und gegen Rechtsextremismus, seit 2017 ist er Botschafter der Organisation Exit-Deutschland. Sein Buch «Was alles in einem Menschen sein kann. Begegnung mit einem Mörder» (2017) löste großes Echo aus. 2020 erschien sein Debütroman «Mein Sommer mit Anja», 2022 der Roman «Planck oder Als das Licht seine Leichtigkeit verlor». Steffen Schroeder lebt mit seiner Familie in Potsdam.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR22,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR10,99

Produkt

KlappentextOktober 1944. Mit sechsundachtzig Jahren steht Max Planck vor der schwersten Aufgabe seines Lebens. Der Nobelpreisträger soll ein «Bekenntnis zum Führer» verfassen. Viel hängt daran, denn Plancks geliebter Sohn Erwin, der am Hitler-Attentat vom 20. Juli beteiligt war, sitzt im Todestrakt von Tegel. Planck denkt zurück an frohe Tage und die dunkle Zeitenwende. Gefährten sind im Exil, vor allem vermisst er Albert Einstein. Der forscht in Amerika und widmet sich vielem, besonders den Frauen, allerdings gar nicht seinem Sohn Eduard, der in der Zürcher Heilanstalt Burghölzli mit seinen inneren Dämonen und dem fernen Vater ringt. Max Planck schreibt mit der Schwiegertochter Nelly Gnadengesuche für Erwin; dieser entdeckt die Weite des Daseins in einer Gefängniszelle. In der Berliner Reichskanzlei träumt Adolf Hitler vor einem Gemälde. Und Eduard Einstein erkennt, was die Welt im Innersten zusammenhält, während sein genialer Vater das Doppelspiel seiner russischen Geliebten nicht einmal ahnt. Steffen Schroeder erzählt von der Freundschaft zwischen Max Planck und Albert Einstein, vom Verhältnis berühmter Väter zu ihren Söhnen, von der Liebe in aufgewühlten Zeiten. Und davon, wie die Musik von Johannes Brahms alles miteinander verbindet.

Steffen Schroeder, geboren 1974 in München, ist Schauspieler und Schriftsteller. Er war Ensemblemitglied am Wiener Burgtheater, bevor er Claus Peymann ans Berliner Ensemble folgte. Er spielte in zahlreichen Fernsehserien und Kinofilmen, wie etwa «SOKO Leipzig» oder «Der rote Baron». Schroeder engagiert sich für den Weißen Ring und gegen Rechtsextremismus, seit 2017 ist er Botschafter der Organisation Exit-Deutschland. Sein Buch «Was alles in einem Menschen sein kann. Begegnung mit einem Mörder» (2017) löste großes Echo aus. 2020 erschien sein Debütroman «Mein Sommer mit Anja», 2022 der Roman «Planck oder Als das Licht seine Leichtigkeit verlor». Steffen Schroeder lebt mit seiner Familie in Potsdam.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783644013568
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum16.08.2022
Auflage1. Auflage
SpracheDeutsch
Dateigrösse8134 Kbytes
Artikel-Nr.9141052
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Das Bekenntnis

6. Oktober 1944, Rogätz

All die Jahre hat er versucht, nicht anzuecken. Hat versucht, in diesen schwierigen Zeiten nicht viel Aufhebens zu machen. Immer in der Hoffnung, dass man ihn und seine Kollegen würde gewähren lassen.

Wissenschaft und Politik, das waren zwei Dinge, die man trennen musste. Wissenschaftler sollten sich aus der Politik heraushalten. Und im Gegenzug sollte die Politik die Wissenschaftler in Ruhe forschen lassen. Der Meinung ist er immer gewesen. Dass mit dem Regierungswechsel ein Unglück über Deutschland hereingebrochen ist, hat er hingegen von Anfang an so empfunden. Sicher, er hat es nicht so düster kommen sehen, wie es sein Sohn von Beginn an prophezeit hat. Erwin hat es wissen müssen.

Sein Blick fällt wieder auf den Brief, der vor ihm auf dem Schreibtisch liegt. Er rückt die Brille zurecht.

Der Präsident der Reichskulturkammer steht als Absender groß im Briefkopf.

Sehr geehrter Herr Geheimrat!

Mit diesem Brief erlaube ich mir, Sie an die Beantwortung meines Schreibens zu erinnern,

beginnt der Text, den er schon Dutzende Male gelesen hat. Für gewöhnlich benötigt er keine Erinnerung. Für gewöhnlich ist er von preußischer Pünktlichkeit. Und selbstverständlich beantwortet er normalerweise jeden Brief sorgsam und ohne viel Zeit verstreichen zu lassen.

Aber auch dieses Erinnerungsschreiben liegt bereits seit über einer Woche hier. Erneut erinnere man ihn, heißt es weiter darin, den bereits früher angeforderten Beitrag zu der Broschüre «Bekenntnis zum Führer» zu liefern.

 

Max Planck sitzt am Schreibtisch des Gästezimmers eines Gutshauses in Rogätz, dem kleinen Dorf in der südlichen Altmark, fern seiner Berliner Heimat. Und weiß nicht mehr weiter. Zum Führer bekennen soll er sich. Dabei hat er das noch nie getan. Ein Freund des Nationalsozialismus ist er von Anfang an nicht gewesen.

Er sieht aus dem Fenster. Vor ihm erstreckt sich der weitläufige Park, der das Gutshaus umgibt. Mächtige Linden und Ahornbäume, rechter Hand die Gutskirche, mit ihrem aus Feld- und Granitsteinen erbauten massigen Turm. Auf der Straße vor dem Torhaus spielen ein paar Kinder. Es ist später Nachmittag, die Sonne steht bereits sehr tief. Auch wenn es heute recht warm ist, macht sich der Herbst allmählich bemerkbar.

 

Erwin sitzt inzwischen im Gefängnis. Gottlob, im Gefängnis!

Dass man dafür einmal dankbar sein würde, hätte er sich auch nie träumen lassen. Aber nach acht Wochen Ravensbrück, nach acht Wochen Konzentrationslager, da ist man als Vater erst einmal in höchstem Maße erleichtert, wenn man erfährt, der Sohn sei in die Justizvollzugsanstalt Tegel verlegt worden. Schließlich hört man so einiges, wie es in den Konzentrationslagern zugehen soll.

Hochverrat wirft man seinem Sohn vor. Beteiligung an den Machenschaften des 20. Juli. Am Versuch, «den Führer seiner verfassungsgemäßen Gewalt zu berauben». Sagen sie.

Ein Haftbefehl liegt immer noch nicht vor. Aber den braucht man in diesem Land schon länger nicht mehr. Leute, die es wissen müssen, haben ihm vorsichtig zu verstehen gegeben, man müsse mit dem Schlimmsten rechnen. Seitdem versucht er, alles in seiner Macht Stehende zu unternehmen, um seinen Sohn zu retten. An das Reichssicherheitshauptamt, zu Händen des Reichsführers Himmler, hat er einen Brief geschrieben. Er könne sich nicht vorstellen, dass Erwin irgendetwas mit den Geschehnissen des 20. Juli zu tun habe. Er sei auf seinen Sohn angewiesen. Sein Leben lang habe er sich bemüht, nur für seine Wissenschaft und seine Ehrenämter da zu sein und eben auf diese Weise dem Vaterland zu dienen. Er bitte darum, sich in seine Lage zu versetzen.

Maria, die Schwester von Erwins Ehefrau Nelly, hat gleichzeitig an eine Freundin geschrieben, die Himmlers Frau kennt. Sie hatten sich beim Roten Kreuz kennengelernt. Frau Himmler möge doch bitte ihren Mann auf das Gesuch von Max Planck aufmerksam machen.

Das Ergebnis war ernüchternd gewesen. Vor drei Wochen erhielt er einen kurzen Antwortbrief von einem Adjutant Schlauch: Die Belastung seines Sohnes Erwin sei so groß, dass eine Entlassung nicht möglich sei.

Drei Wochen ist Erwin nun schon in Tegel. Wenn man seinem letzten Brief Glauben schenken darf, scheint es ihm recht gut zu gehen. Aber vielleicht will er seinen alten Vater nur schonen? Will vermeiden, dass er sich allzu große Sorgen macht?

Bis zum Machtwechsel ist sein Sohn in der Politik tätig gewesen, als Staatssekretär der Reichskanzlei. Die rechte Hand des Kanzlers sozusagen, das ist Erwin gewesen. Unter Schleicher und Papen, den letzten Kanzlern der Weimarer Republik. Und auch schon zuvor, als persönlicher Sekretär von Heinrich Brüning. Bevor Hitler an die Macht gekommen ist, haben sich die Staatslenker in der Reichskanzlei ja quasi die Klinke in die Hand gegeben. Er selbst hat daher anfangs gedacht, auch die Episode Hitler werde nur von kurzer Dauer sein. Aber da hat er sich getäuscht.

 

Er blickt auf das Schreiben vor sich. Ein Bekenntnis zum Führer? Ausgerechnet von ihm? Eigenartig. Noch nicht einmal ein Jahr ist es her, das kommt ihm jetzt in den Sinn, da hat man ihn für seine Verdienste mit der Goethe-Medaille auszeichnen wollen. Dann war die Verleihung allerdings abgesagt worden. Auf Umwegen hat er schließlich erfahren, es gebe Bedenken vonseiten des Reichspropagandaministeriums. «Weil Planck sich bis in die letzte Zeit hinein für den Juden Albert Einstein eingesetzt habe», hat es geheißen. Als «weißen Juden» haben sie ihn, Planck, beschimpft.

Er sieht aus dem Fenster. Die Mauersegler, die den ganzen Sommer hindurch um und über das Gebäude geflogen sind, sind alle verschwunden. Seit ein paar Tagen hat er auch keine Mehlschwalben mehr gesehen. Das Laub des wilden Weins, der die Gutsmauer hochrankt, beginnt sich bereits rot zu färben.

 

Auch sein Freund Albert Einstein hatte das Ausmaß der Katastrophe von Anfang an vorhergesehen und allen verkündet, in seiner unverblümten, direkten Art. Einer Art, die es ihm und seinen Kollegen in der aufgeheizten antisemitischen Stimmung nach Hitlers Regierungsantritt unmöglich gemacht hatte, weiter für Einstein einzustehen. Froh war er gewesen, dass Einstein schließlich selbst den Entschluss gefasst hatte, aus der Akademie auszutreten, er hatte ihn gar darin bestätigt. Denn den Freund eines Tages aus der Akademie ausschließen zu müssen, das hätte er nicht übers Herz gebracht. Gut elf Jahre ist das her. Einstein ist seitdem fort. Nie wieder ist er nach Deutschland zurückgekehrt.

Stattdessen forscht und lehrt er jetzt in Princeton, einem kleinen Universitätsstädtchen an der Ostküste der Vereinigten Staaten von Amerika.

 

Der Termin für die Schlussredaktion ist auf den 15. Oktober festgesetzt worden, und ich wäre Ihnen sehr zu Dank verpflichtet, wenn Sie mir Ihre Entscheidung über Ihre Mitarbeit beziehungsweise Ihren Beitrag in nächster Zeit zugänglich machen würden, heißt es im Brief.

6. Oktober steht auf dem kleinen Drehkalender neben dem Tintenfass vor ihm auf dem Schreibtisch. 23. September lautet das Datum oben auf dem Brief. Allmählich muss er eine Antwort finden. Letzte Woche hat er erfahren, dass sie den Diplomaten Ulrich von Hassell hingerichtet haben. Auch ein Freund von Erwin. Zwei Stunden nachdem er vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt wurde. Schockierend, wie schnell es gehen kann. Vor wenigen Tagen wurde auch Wilhelm Leuschner gehängt, der ehemalige hessische Innenminister. Seit dem 20. Juli finden mehrmals die Woche Hinrichtungen statt. Und augenscheinlich schreckt man vor nichts mehr zurück.

Heil Hitler! steht unter dem Brief, der beharrlich auf eine Antwort wartet.

 

Letztes Jahr, zu seinem fünfundachtzigsten Geburtstag, hat ihm Hitler ein Telegramm mit Glückwünschen geschickt. Völlig überraschend. Pflichtgemäß hat er sich mit einem Zweizeiler dafür bedankt. Es war der erste Kontakt seit einer kurzen persönlichen Begegnung im Mai 1933. Damals stattete er in seiner Eigenschaft als Präsident der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, wie es so üblich war, dem neuen Reichskanzler einen Antrittsbesuch ab. Auch, um über die jüdischen Kollegen zu sprechen. Hitler war erst wenige Monate im Amt gewesen, und doch hatte er das Land bereits tiefgreifend verändert. Mit dem Ermächtigungsgesetz hatte er die Gewaltenteilung aufgehoben, mit dem wenige Wochen zuvor erlassenen «Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums» wurden Plancks jüdische Freunde und Kollegen aus ihren Ämtern gedrängt.

Selbst die Alte Reichskanzlei hatte plötzlich ganz anders auf ihn gewirkt. Das Gebäude war ihm bestens vertraut. Als oberster Vertreter der deutschen Wissenschaft hatte er in den Jahren zuvor so manche Einladung hierher erhalten. Und auch Erwin hatte er hier häufig besucht, denn schließlich war dies nicht nur der Arbeitsplatz seines Sohnes gewesen, als Staatssekretär hatte Erwin auch eine stattliche Dienstwohnung in dem ehrwürdigen Gebäude bewohnt.

Nun aber leuchtete alles rot. Nicht nur die Reichskanzlei, die ganze Wilhelmstraße versank in einem Meer von Hakenkreuzfahnen. Ein SS-Mann hatte ihn in Bismarcks früheres Arbeitszimmer geleitet, das man jetzt als «Rauchsalon» bezeichnete, und ihm einen Sessel zugewiesen. Dort saß er geduldig wartend und starrte an die dunkle hölzerne Kassettendecke.

Auf den ersten Blick sah alles aus wie früher. Nur über dem Kamin prangte nun ein großer Reichsadler, der ein mit Eichenlaub umkränztes Hakenkreuz in seinen Klauen hielt. Reichlich fehl am Platz wirkte der...
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Autor

Steffen Schroeder, geboren 1974 in München, ist Schauspieler und Schriftsteller. Er war Ensemblemitglied am Wiener Burgtheater, bevor er Claus Peymann ans Berliner Ensemble folgte, und spielte in zahlreichen Fernsehserien und Kinofilmen. Schroeder engagiert sich für den Weißen Ring und gegen Rechtsextremismus, seit 2017 ist er Botschafter der Organisation Exit-Deutschland. Sein Buch «Was alles in einem Menschen sein kann. Begegnung mit einem Mörder» (2017) löste großes Echo aus. 2020 erschien sein Debütroman «Mein Sommer mit Anja». Steffen Schroeder, der väterlicherseits mit Max Planck verwandt ist und diesen Roman auf viele bislang der Öffentlichkeit unbekannte Briefe und Dokumente stützt, lebt mit seiner Familie in Potsdam.