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Ein Jahr hinterm Deich

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
448 Seiten
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am01.07.20231. Auflage
Nordseeluft und weiter Himmel. Eine Rückkehr. Ein Neuanfang. Nach überstandener Krankheit zieht Elli Markwort mit Anfang fünfzig zurück an die Nordseeküste. Doch mit dem Idyll ihrer Kindheit hat Katharinensiel nicht mehr viel gemein: Der unendliche Himmel über Ostfriesland ist grau, durch das Häuschen hinterm Deich zieht der Wind - und dann sind da noch die bockigen Schafe ihrer betagten Vermieterin Käthe Reents, um die sich Elli kümmern soll. Erst als sie sich der örtlichen Selbsthilfegruppe anschließt, bessert sich ihre Stimmung. Mit der patenten Taalke, Vogelfreund Bernd und dem schrulligen Gruppenleiter Onno hat sich hier eine bunte Truppe ostfriesischer Urgesteine versammelt. Wenn da nur nicht der missmutige, leider sehr attraktive Tierarzt Ahrend wäre, der so gar nichts für Großstädterin Elli übrigzuhaben scheint ...

Katja Haase wurde 1966 in Jever geboren. Ihre Eltern stammen aus Ostfriesland. In ihrer Kindheit verbrachte sie jeden Sommer bei ihrer Großmutter dort. Trotz vieler Reisen um die ganze Welt zieht es sie immer wieder an die Nordsee. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Hamburg und arbeitet als Autorin, Übersetzerin und Lektorin. 'Ein Jahr hinterm Deich' ist ihr zweites Buch.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextNordseeluft und weiter Himmel. Eine Rückkehr. Ein Neuanfang. Nach überstandener Krankheit zieht Elli Markwort mit Anfang fünfzig zurück an die Nordseeküste. Doch mit dem Idyll ihrer Kindheit hat Katharinensiel nicht mehr viel gemein: Der unendliche Himmel über Ostfriesland ist grau, durch das Häuschen hinterm Deich zieht der Wind - und dann sind da noch die bockigen Schafe ihrer betagten Vermieterin Käthe Reents, um die sich Elli kümmern soll. Erst als sie sich der örtlichen Selbsthilfegruppe anschließt, bessert sich ihre Stimmung. Mit der patenten Taalke, Vogelfreund Bernd und dem schrulligen Gruppenleiter Onno hat sich hier eine bunte Truppe ostfriesischer Urgesteine versammelt. Wenn da nur nicht der missmutige, leider sehr attraktive Tierarzt Ahrend wäre, der so gar nichts für Großstädterin Elli übrigzuhaben scheint ...

Katja Haase wurde 1966 in Jever geboren. Ihre Eltern stammen aus Ostfriesland. In ihrer Kindheit verbrachte sie jeden Sommer bei ihrer Großmutter dort. Trotz vieler Reisen um die ganze Welt zieht es sie immer wieder an die Nordsee. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Hamburg und arbeitet als Autorin, Übersetzerin und Lektorin. 'Ein Jahr hinterm Deich' ist ihr zweites Buch.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783644015104
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum01.07.2023
Auflage1. Auflage
Seiten448 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.9996098
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1 Katharinensiel

Heute

Das Haus sah ganz anders aus als in der Anzeige. Elli hätte es nicht wiedererkannt, wenn sie nicht genau gewusst hätte, dass es nur das hier sein konnte. Auf dem Bild im Internet rahmten blühende Apfelbaumzweige ein geducktes weißes Landarbeiter-Häuschen mit rotem Ziegeldach ein, bunte Stockrosen und üppige Heckenrosen schmiegten sich an die Mauern mit den roten Fensterrahmen.

Aber das, was sie hier vor sich sah, glich eher einer verschwommenen Schwarz-Weiß-Aufnahme. Das Dach des einsam stehenden Hauses glänzte dunkel im Regen, das Weiß der Mauern wirkte grau und fleckig, die Bäume und Büsche waren kahl, die Wiese dahinter struppig und bräunlich.

Elli spürte, wie ihr Mut sank. Sie hatte dieses Haus praktisch blind gemietet, auf die Anzeige mit dem hübschen Foto hin. Es hatte sich so gut angefühlt, die Möbel einzulagern, all den Ballast loszuwerden, der sich in den Jahren in der Großstadt angesammelt hatte. Es war schön gewesen, mit nichts als ein paar Koffern in ihren klapprigen Twingo zu steigen und einfach loszufahren, in Richtung Küste, in ein Haus mit dem romantischen Namen «Achtern Diek». Hinterm Deich.

Nun war sie schon einmal hier, da konnte sie auch aussteigen. Elli zog sich auf dem Fahrersitz umständlich den stilechten gelben Friesennerz an, den sie voller Vorfreude und mit ein wenig Verachtung für die verzärtelten Großstädter im Hamburger Karolinenviertel erstanden hatte, setzte die Kapuze auf und stieg aus, um ihr Gepäck aus dem Kofferraum zu holen.

In dem Augenblick sah sie durch den dichten Regenschleier, wie eine mit Wachsjacke bekleidete Gestalt um das Haus ging und dann an der Tür rüttelte. Wer war das denn? Und was wollte er an ihrem Häuschen? Von Mitbewohnern hatte im Vertrag nichts gestanden, da war sie sich ziemlich sicher, auch wenn sie ihn nicht besonders aufmerksam durchgelesen hatte. Die winzige Mietsumme von zweihundertfünfzig Euro war einfach zu bestechend gewesen.

Sie knallte die Kofferraumtür zu. Die Gestalt wandte sich um, schaute unter der Schiebermütze zu ihr herüber und floh um die Hausecke, wo sie hergekommen war.

«Hallo!?», rief sie dem Mann hinterher. Geduckt lief sie zum niedrigen Gartentor, trat in eine tiefe Pfütze und kam pitschnass vor der Haustür an. Ein verblichenes Holzschild mit der schlampig gepinselten Aufschrift «Achtern Diek» bestätigte ihr, dass sie hier richtig war.

Merkwürdige Sache. Sie schaute um die Hausecke, aber von dem Mann war keine Spur mehr zu sehen.

Wasser war in ihre Schuhe gedrungen, ihre Füße fühlten sich klamm an. War das ein Zeichen des grauen, tristen, nassen Himmels? Ein Zeichen, dass sie wieder ins Auto steigen und nach Hause fahren sollte? Weg von diesem regnerischen, unwirtlichen Ort mit den finsteren Gestalten?

Leider war das aus rein praktischen Gründen unmöglich. Sie hatte nach den beiden Schicksalsschlägen - nachdem Jan-Hendrik sie verlassen hatte und der Brustkrebs gekommen war -ihr Leben so gründlich neu anfangen wollen, dass ihr der Rückweg versperrt war. Ihre kleine gemütliche Wohnung in Eimsbüttel war für ein Jahr untervermietet, an eine begeisterte junge Frau, die in Hamburg ihren ersten Job anfing. Die Elli so sehran sich selbst erinnerte, damals vor fünfundzwanzig Jahren, als sie selbst voller Hoffnungen und Pläne in die große Stadt gezogen war.

Sie tastete vor der Tür unter der zerschlissenen und schmutzigen Fußmatte nach dem Schlüssel. Da war er, am fantasielosesten Ort der Welt, genau wie es ihre neue Vermieterin, Frau Reents, gesagt hatte. Erstaunlich, dass der Mann nicht auf die Idee gekommen war, dort nachzuschauen, wenn er offenbar so dringend in das Häuschen wollte.

Sie manövrierte den Schlüssel in das rostige Schloss, und nach einigem Ruckeln öffnete sich die Tür. Elli trat ein und schob den großen Riegel vor, zur Sicherheit, falls der komische Kerl wiederkam.

Drinnen roch es nach klammen Wänden und nach Kohleofen. Ein Geruch, der sie an früher erinnerte. Sie trat in einen winzigen Flur und von dort aus direkt in die Wohnküche und zum Fenster, um die senfgelb geblümten Vorhänge aufzuziehen und etwas Licht hereinzulassen. Auf dem Pfosten des Gartentors hatte sich eine schwarze Krähe niedergelassen. Schon wieder ein schlechtes Zeichen.

Es war eiskalt hier drinnen. In der Ecke der Küche stand ein alter Ofen mit einer Herdfläche darauf. Ein Schürhaken steckte in einem Korb mit Feuerholz.

Hinter dem halb blinden Glas eines alten Küchenschrankes konnte Elli ein Teegeschirr mit der typischen Ostfriesenrose darauf erkennen. Ansonsten bestand das Mobiliar hier noch aus einem Resopaltisch mit drei Stühlen und einem kleinen Regal, an dem ein mit rotem Kreuzstich auf weißem Stoff besticktes Band hing. Die Aufschrift lautete: De Gast is as´n Fisch, de blifft nich lang frisch. Die typisch ostfriesische Herzlichkeit, dachte Elli. Die unzähligen Witze und Anekdoten über das schroffe Wesen der Ostfriesen hatten schon einen wahren Kern. Ihre Mutter hatte kaum je ein gutes Wort über den Landstrich zu sagen gehabt, in dem sie aufgewachsen war. Aber durch Ellis Großmutter Trientje, die nie woanders gewohnt hatte als in Katharinensiel, hatte Elli auch ganz anderes erlebt: endlose Skatabende in Ennos Kneipe «Seebär», bei denen Elli selig auf der Bank einschlief, den Kopf auf Omas Blümchenkleid gebettet, Nachmittage bei Tee und Torte bei Trientjes Großtante Eleonore, ihrer Namenspatin, bei denen endlos Halma gespielt wurde, und lange Wanderungen beim Boßeln, bei denen sie im Bollerwagen sitzen durfte, während die Erwachsenen die Kugeln warfen und Doornkaat tranken.

Ihre Mutter Annette war mit Elli gleich nach ihrer Geburt weggezogen, nach Bremen, um «nicht weiter lebendig hinterm Deich begraben zu sein», wie sie es ausdrückte. Einige Jahre lang hatte sie in einem großen Supermarkt als Kassiererin gearbeitet und Elli regelmäßig für einige Wochen bei Oma Trientje abgegeben, wann immer sie «den Kopf freibekommen» und «auch mal etwas von der Welt sehen» musste. Daher waren ihre Oma und ihr kleines Häuschen in der Gerverlohne in Katharinensiel für Elli immer eine Konstante gewesen. Die Sommer in Ostfriesland erschienen ihr im Rückblick wie eine Abfolge unendlich langer Sonnentage mit Picknicken am Deich oder Spaziergängen im Watt, wo sie Wattwürmer und Krebse untersuchte, Buhnen entlangbalancierte, Möwen jagte oder kreischend in die eiskalten, graugrünen Wellen sprang.

Bis Oma Trientje starb. Sechs Jahre war Elli damals gewesen, und ihre Kindheit war danach noch unsteter geworden. Annette hielt es nie länger als ein Jahr an einem Ort aus, das war bis heute so.

Im Nachhinein konnte sie schon verstehen, dass ihre Mutter, die sie schon mit achtzehn Jahren auf die Welt gebracht hatte, ihr Leben nicht in der kargen Landschaft am Wattenmeer hatte verbringen wollen. Denn was hatte das platte Land einer jungen, lebenslustigen Frau schon zu bieten? Neben dem Tourismus nur Kühe. Weideland. Unzählige Schafe. Bauernhöfe. Und Wind, immer und überall Wind. Aber hätte sie sich nicht für einen Ort entscheiden und ihrer Tochter eine stabile Kindheit bescheren können?

Elli ging in den Wohnraum, der so groß war wie die Küche und in dessen Ecke ebenfalls ein Ofen stand. Auch hier öffnete sie die Vorhänge und schaute hinaus auf den hinteren Teil des Grundstückes, auf dem eine kahle Weide ihre schwarzen, nassen Zweige traurig hängen ließ.

Als sie am Spiegel an der Wand zum Flur vorbeiging, stutzte sie und blieb stehen. Sie hatte sich an ihr neues Aussehen mit den kurzen Haaren noch immer nicht gewöhnt, vielleicht würde sie das auch nie. Automatisch versuchte sie, die borstigen, angegrauten Locken glatt zu streichen, die sich so fremd anfühlten, so gar nicht nach ihr selbst. Und dann das Gesicht, das viel blasser war als früher und immer noch mitgenommen wirkte, kantiger irgendwie. Früher hatte sie die Haare schulterlang getragen, aber während der Chemotherapie waren sie ausgefallen.

Die Augen mit den dunklen Schatten darunter waren groß und - traurig. Sie wandte sich ab. Nicht zu genau hingucken. Das hatte sie sich während ihrer Krankheit angewöhnt. All die körperlichen Veränderungen, der Gewichtsverlust, die Hautveränderungen durch die Chemo, der Haarausfall, die Narben auf der rechten Brust - das alles war so überwältigend gewesen, so fremd, dass sie lange gebraucht hatte, um damit zurechtzukommen, es zu sich selbst in Beziehung zu setzen. Der Verlust der Unverletzlichkeit. Das neue Wissen um die Endlichkeit des Daseins. Nicht so genau hingucken.

Sie fröstelte und hockte sich vor den Ofen in der Küche. Daneben stand ein Korb mit allerlei alten Zeitungen zum Anzünden. Sie zerknüllte eine davon und steckte die Seiten in den Ofen, um Feuer zu machen. Es begann sofort zu rauchen.

«Hallo?»

Elli erschrak. Sie stand mit knackenden Knien auf und lief in die Küche. Vor dem offenen Fenster stand eine Frau. Mitte vierzig, schätzte Elli. Mit einem Kopf voller sehr nasser, sehr blonder Locken.

«Hallo, guten Tag, Eleonore Markwort?»

«Ja, das bin ich. Und Sie sind ...?»

«Ich bin Taalke Gosselaar. Herzlich willkommen bei uns in Ostfriesland.» Sie lächelte ein überwältigend strahlendes Lächeln und zeigte dabei ihre kreuz und quer gewachsenen Zähne. «Käthe Reents schickt mich. Ihre Vermieterin?» Sie sah Elli fragend an.

«Ja, natürlich, Frau Reents. Wir haben uns nur telefonisch abgesprochen, und das war, na ja, gar nicht so einfach.»

«Ha, das kann ich mir denken. Unsere Käthe ist stocktaub. Sie glaubt, es liege an den vielen...
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Katja Haase wurde 1966 in Jever geboren. Ihre Eltern stammen aus Ostfriesland. In ihrer Kindheit verbrachte sie jeden Sommer bei ihrer Großmutter dort. Trotz vieler Reisen um die ganze Welt zieht es sie immer wieder an die Nordsee. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Hamburg und arbeitet als Autorin, Übersetzerin und Lektorin. "Ein Jahr hinterm Deich" ist ihr zweites Buch.