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Der Mensch im Tier

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
256 Seiten
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am26.06.20181. Auflage
Säugetiere trauern und sie tricksen; sie sind einfühlsam, lernen und kommunizieren oft auf hohem Niveau. Sie freuen und sie ärgern sich - mit denselben Reaktionen von Körper und Gehirn wie bei uns Menschen. Tiere haben eine Persönlichkeit. Was unterscheidet uns eigentlich noch von ihnen? Und was können wir von ihnen lernen? Norbert Sachser, einer der weltweit führenden Tierverhaltensforscher, präsentiert darüber seine eigenen, bedeutenden Forschungen und insgesamt den letzten Stand des Wissens. Wir erfahren, wie Hunde Empathie zeigen, Mäuse Alzheimer entkommen, Meerschweinchen sozialen Stress vermeiden und zu welch bemerkenswerten Leistungen Menschenaffen, aber auch Raben fähig sind. Weltbild und Forschungslage in der Tierverhaltensforschung haben sich dramatisch verändert. Der berühmte Gegensatz nature or nurture, ererbt oder erworben, ist längst ein alter Hut. Wichtig ist heute die Erforschung des Zusammenspiels von Genen und Umwelt. Sachser spricht von einer «Revolution im Tierbild» - und ihren Folgen für unseren Umgang mit Wildtieren und Haustieren. «Einer der bedeutendsten deutschen Verhaltensbiologen. Seine Erkenntnisse haben das wissenschaftliche Bild vom Tier wesentlich verändert.» Deutschlandfunk

Norbert Sachser, geboren 1954, ist Professor für Zoologie und leitet das Zentrum für Verhaltensbiologie an der Universität Münster. Er studierte Biologie, Chemie und Soziologie, promovierte in Bielefeld und habilitierte sich am Lehrstuhl für Tierphysiologie in Bayreuth. Er ist einer der international renommiertesten Wissenschaftler seines Faches. Unter anderem war er Präsident der Ethologischen Gesellschaft, deren Ehrenmitglied er heute ist. Seine Forschung beschäftigt sich mit der Evolution und Entwicklung des Sozialverhaltens von Säugetieren und geht aktuell der Frage nach, wie sich Umwelt- und genetische Faktoren gegenseitig beeinflussen.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR22,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextSäugetiere trauern und sie tricksen; sie sind einfühlsam, lernen und kommunizieren oft auf hohem Niveau. Sie freuen und sie ärgern sich - mit denselben Reaktionen von Körper und Gehirn wie bei uns Menschen. Tiere haben eine Persönlichkeit. Was unterscheidet uns eigentlich noch von ihnen? Und was können wir von ihnen lernen? Norbert Sachser, einer der weltweit führenden Tierverhaltensforscher, präsentiert darüber seine eigenen, bedeutenden Forschungen und insgesamt den letzten Stand des Wissens. Wir erfahren, wie Hunde Empathie zeigen, Mäuse Alzheimer entkommen, Meerschweinchen sozialen Stress vermeiden und zu welch bemerkenswerten Leistungen Menschenaffen, aber auch Raben fähig sind. Weltbild und Forschungslage in der Tierverhaltensforschung haben sich dramatisch verändert. Der berühmte Gegensatz nature or nurture, ererbt oder erworben, ist längst ein alter Hut. Wichtig ist heute die Erforschung des Zusammenspiels von Genen und Umwelt. Sachser spricht von einer «Revolution im Tierbild» - und ihren Folgen für unseren Umgang mit Wildtieren und Haustieren. «Einer der bedeutendsten deutschen Verhaltensbiologen. Seine Erkenntnisse haben das wissenschaftliche Bild vom Tier wesentlich verändert.» Deutschlandfunk

Norbert Sachser, geboren 1954, ist Professor für Zoologie und leitet das Zentrum für Verhaltensbiologie an der Universität Münster. Er studierte Biologie, Chemie und Soziologie, promovierte in Bielefeld und habilitierte sich am Lehrstuhl für Tierphysiologie in Bayreuth. Er ist einer der international renommiertesten Wissenschaftler seines Faches. Unter anderem war er Präsident der Ethologischen Gesellschaft, deren Ehrenmitglied er heute ist. Seine Forschung beschäftigt sich mit der Evolution und Entwicklung des Sozialverhaltens von Säugetieren und geht aktuell der Frage nach, wie sich Umwelt- und genetische Faktoren gegenseitig beeinflussen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783644047617
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum26.06.2018
Auflage1. Auflage
Seiten256 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2117 Kbytes
Artikel-Nr.2530664
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Das Studium des Verhaltens mit biologischen Methoden

Was diese Definition besagt, lässt sich sehr einfach am Verhältnis von Tierkenntnis und verhaltensbiologischem Wissen verdeutlichen: Tierkenntnis ist sicher eine notwendige Voraussetzung für verhaltensbiologische Untersuchungen; sie ist aber keine hinreichende Fähigkeit, um wissenschaftliche Aussagen über das Verhalten der Tiere zu treffen. Die beiden Begriffe sind also keineswegs gleichbedeutend. Nicht jeder, der mit Tieren umgeht und Aussagen über das Verhalten von Tieren macht, ist damit ein Verhaltensforscher, wenngleich Menschen mit engem Kontakt zu Tieren über eine ausgezeichnete Kenntnis des Verhaltens ihrer Tiere verfügen können. Meine Großmutter zum Beispiel lag mit den Prognosen über das Verhalten unseres Hundes immer richtig. Man tat gut daran, Warnungen wie «Pass auf, gleich wird er beißen» ernst zu nehmen. Ihr Wissen war aber keineswegs Wissen in einem verhaltensbiologischen Sinne. Wenn ich sie gefragt hätte, woher sie es bezieht, hätte sie gesagt: «Das weiß ich eben», oder: «Das sieht man doch.» Es handelte sich um intuitives Erkennen, das durch Erfahrung erworben wurde. Natürlich können Erfahrungs- und intuitives Wissen genauso zutreffen wie wissenschaftliche Erkenntnis. Das Problem ist nur: Es muss nicht so sein, und es ist sehr schwer zu entscheiden, wann es so ist und wann nicht. Nehmen wir nur einmal Eigenschaften, die der Volksmund vielen Tieren zuordnet und die als Beleidigung Eingang in den menschlichen Wortschatz gefunden haben: die diebische Elster, die dumme Gans, die falsche Schlange oder die Rabenmutter. Ob solche Zuschreibungen zutreffend sind oder nicht, kann letztlich nur durch verhaltensbiologische Untersuchungen geklärt werden. Und diese zeigen: Es handelt sich um Vorurteile. Wissenschaftlich belegen lassen sich diese Aussagen nicht.

Was genau zeichnet verhaltensbiologisches Wissen also aus? Wie bei jeder wissenschaftlichen Erkenntnis muss vermittelt werden können, mit welchem Vorgehen und welchen Methoden diese Erkenntnis erzielt worden ist. Das traf auf die Tierkenntnis meiner Großmutter eben nicht zu. Es reicht für verhaltensbiologische Untersuchungen nicht aus, sich vor eine Gruppe von Tieren zu setzen, ihr Verhalten auf sich einwirken zu lassen und danach seine subjektiven Eindrücke zu schildern. Zunächst einmal müssen die Verhaltensweisen der Tierart, die wir untersuchen, in einem sogenannten Ethogramm aufgelistet und definiert werden. Anschließend werden die für die jeweilige Fragestellung geeigneten Verhaltensweisen mit einer angemessenen Datenerfassungsmethode registriert. In Untersuchungen zum sozialen Leben der Tiere würde beispielsweise festgehalten, wie häufig und wie lange jedes Tier soziopositives, das heißt freundliches Verhalten gegenüber jedem anderen Gruppenmitglied, zeigt, wie häufig es zum Initiator oder Ziel von aggressivem Verhalten wird, welches Tier wie häufig der nächste Nachbar anderer Tiere ist und welches Männchen sich mit welchem Weibchen paart. Früher ausschließlich mit Bleistift und Papier festgehalten, erfolgt die Aufnahme der Verhaltensdaten heute computergestützt mit Hilfe anspruchsvoller Software, ebenso wie die Auswertung der Daten und die statistische Absicherung der Ergebnisse.

Bleiben wir noch ein wenig bei den Untersuchungen zum sozialen Leben der Säugetiere. Sie zeigen ebenfalls, wie entscheidend da die richtige Wahl der Datenerfassungsmethode ist. Als vor einigen Jahrzehnten die ersten Studien im natürlichen Habitat der Tiere durchgeführt wurden, kam häufig die Methode der Ad libitum-Datenerfassung zum Einsatz: Alle Tiere einer Gruppe wurden gleichzeitig beobachtet, und die Wissenschaftler registrierten alle Verhaltensweisen, die sie bemerkten. Dies wirft jedoch ein riesiges Problem auf, welches die Wahrnehmungspsychologie seit langem kennt: Wir Menschen richten unsere Aufmerksamkeit vor allem auf das, was laut, auffällig und markant ist, und vernachlässigen Ereignisse, die leise, unauffällig und subtil ablaufen. In vielen Säugetiergesellschaften ist das Verhalten der Männchen, vor allem in Interaktionen mit Artgenossen, hervorstechender, ausdrucksstärker und lauter als das der Weibchen; Auseinandersetzungen mit anderen Männchen sind häufig durch auffällige Vokalisation charakterisiert. Wendet man die Ad libitum-Datenerfassungsmethode an, werden zwangsläufig dazu deutlich mehr Daten von den Männchen als von den Weibchen gesammelt. Dies dürfte wesentlich dazu beigetragen haben, dass die Männchen in vielen Säugetiergesellschaften als dominant und tonangebend, die Weibchen eher als passiv und unterlegen beschrieben worden sind.

Nachdem dieses methodische Problem erkannt worden war, wurde die Ad libitum- durch die Methode der Fokustierbeobachtung ersetzt. Hier wird nach einem zuvor festgelegten Plan jedes Tier der Gruppe gleich lange beobachtet, und zwar unabhängig davon, was die anderen Tiere gerade tun. Auf diese Weise wird erreicht, dass tatsächlich jedes Tier der Gruppe und mit derselben Aufmerksamkeit beobachtet wird. Die so erfassten Daten trugen wesentlich dazu bei, das Bild von der Rolle der Weibchen in Säugetiergesellschaften zu revidieren. Heute wissen wir: Sie sind keineswegs passiv; sie interagieren nur häufig auf subtilere Art und Weise als die Männchen, ohne dabei weniger erfolgreich zu sein. So konstatieren neuere Lehrbücher der Verhaltensbiologie, dass es in Affengesellschaften häufig die Weibchen sind, die die wichtigsten Entscheidungen treffen.

In der Zusammenschau präsentieren verhaltensbiologische Untersuchungen zum sozialen Leben der Säugetiere eine große Vielfalt: Viele Arten, insbesondere der Primaten, leben dauerhaft in festen Gruppen, die aus mehreren erwachsenen Männchen und mehreren erwachsenen Weibchen bestehen. Sehr viele Säugetierarten leben aber auch als Einzelgänger, beispielsweise der Tiger. Einige Arten organisieren sich in Harems, so die Steppenzebras. Bei anderen Arten finden sich enge, zum Teil lebenslange Bindungen zwischen den Weibchen einer Gruppe, wie bei den Elefanten, die deshalb auch als das stärkste Matriarchat im Tierreich bezeichnet werden. Für einige wenige Arten wie die Geparden wurden langfristige Bindungen zwischen Männchen beschrieben. Bei einer kleinen südamerikanischen Affenart, dem Braunrückentamarin, treten regelmäßig Harems aus einem Weibchen und zwei Männchen auf. Interessanterweise kommt die vom Menschen favorisierte Lebensform, die Monogamie, bei den nichtmenschlichen Säugetieren nur selten vor: Nicht mehr als drei bis fünf Prozent der Arten organisieren sich in Paaren, wie beispielsweise die nordamerikanische Präriewühlmaus. Keiner unserer nächsten biologischen Verwandten - Bonobo, Schimpanse, Gorilla, Orang-Utan - lebt dauerhaft in dieser Form.

Verhaltensbiologische Erkenntnis erfordert nicht nur, dass die Untersuchungen methodisch sauber durchgeführt werden. Die ermittelten Ergebnisse müssen auch reproduzierbar sein. Wenn eine Arbeitsgruppe in einem Experiment in Berlin zeigt, dass Bienen sich am Stand der Sonne orientieren können, dann muss dieses Ergebnis auch für andere Forscher in London oder Tokio mit demselben Experiment nachweisbar sein.

Wie wichtig das Kriterium der Reproduzierbarkeit ist, lässt sich wunderbar an einer historischen Studie zeigen, in der es um die kognitiven Fähigkeiten eines Pferdes ging. Vor dem Ersten Weltkrieg erregte Wilhelm von Osten großes Aufsehen mit seinem Pferd, dem klugen Hans. Es konnte scheinbar einfache arithmetische Aufgaben bewältigen, die ihm von seinem Besitzer gestellt wurden - addieren, subtrahieren, dividieren -, und die Lösungen durch Hufscharren oder Kopfnicken korrekt anzeigen. Dass ein Pferd eine solche geistige Leistung erbringen könnte, wurde bald von den damaligen Wissenschaftlern angezweifelt. Sie forderten eine Untersuchung, der Wilhelm von Osten auch zustimmte. In dieser Studie zeigte sich zunächst: Der kluge Hans war in der Lage, die Rechenaufgaben auch dann zu lösen, wenn sie nicht von seinem Besitzer, sondern von fremden Personen gestellt wurden. Wenn allerdings keine der anwesenden Personen das Ergebnis der Rechenaufgabe kannte, war auch der kluge Hans nicht mehr in der Lage, die richtige Lösung zu präsentieren. Das Pferd, so stellte sich heraus, verfügte über eine exzellente Sinneswahrnehmung, die es ihm erlaubte, feinste Nuancen in der Körperspannung der anwesenden Personen wahrzunehmen und hieraus zu schließen, wann es mit dem Hufscharren oder Kopfnicken aufhören musste. Rechnen konnte es aber nicht.

Dennoch hat der schlaue Hans die Forschung nachhaltig geprägt. Heute ist allgemein akzeptiert: Kognitive Leistungen von Tieren lassen sich nur dann wissenschaftlich sauber nachweisen, wenn sie als sogenannte Blindstudien durchgeführt werden: Der Experimentator darf die Lösung der Aufgabe, die dem Tier gestellt wird, nicht kennen. Nur so ist gewährleistet, dass es zu keiner unbewussten Hilfestellung kommt - dem «Clever-Hans-Effekt». Wilhelm von Osten war sicher kein Scharlatan. Er war von den kognitiven Fähigkeiten seines Pferdes fest überzeugt. Auch heute schreiben viele Haustierbesitzer ihren Hunden oder Katzen herausragende kognitive Fähigkeiten zu, zum Beispiel: «Mein Hund versteht jedes Wort.» Ob dem tatsächlich so ist, kann aus der Alltagserfahrung allein jedoch nicht beurteilt werden. Diese Lektion hat der schlaue Hans uns eindrucksvoll gelehrt.

Die ureigene Methode der Verhaltensbiologie ist also die objektive und reproduzierbare Erfassung...
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Autor

Norbert Sachser, geboren 1954, ist Professor für Zoologie und leitet das Zentrum für Verhaltensbiologie an der Universität Münster. Er studierte Biologie, Chemie und Soziologie, promovierte in Bielefeld und habilitierte sich am Lehrstuhl für Tierphysiologie in Bayreuth. Er ist einer der international renommiertesten Wissenschaftler seines Faches. Unter anderem war er Präsident der Ethologischen Gesellschaft, deren Ehrenmitglied er heute ist. Seine Forschung beschäftigt sich mit der Evolution und Entwicklung des Sozialverhaltens von Säugetieren und geht aktuell der Frage nach, wie sich Umwelt- und genetische Faktoren gegenseitig beeinflussen.