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Deine letzte Lüge

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
463 Seiten
Deutsch
Bastei Lübbeerschienen am31.01.20191. Aufl. 2019
Zwei Jahre ist es her, seitdem Tom und Caroline Johnson Selbstmord begangen haben sollen. Ihre Tochter Anna weigert sich zu glauben, dass die Eltern ihrem Leben wissentlich ein Ende gesetzt haben. Und seit sie selbst Mutter geworden ist, quält die Ungewissheit sie mehr denn je. Sie beginnt nachzuforschen, stößt schnell auf Lügen und Ungereimtheiten. Dann aber spürt Anna, dass jemand sie beobachtet, ihr nachstellt. Schon bald muss sie lernen: Manche Dinge sollte man besser ruhen lassen ...


Clare Mackintosh feierte 2015 einen Sensationserfolg mit ihrem Debütroman Meine Seele so kalt. Die Rechte wurden in mehr als 30 Länder verkauft, allein in Großbritannien ging der Thriller mehr als 650 000 Mal über die Ladentheke. Auch der hochgelobte Nachfolger Alleine bist du nie landete wieder auf Platz 1 der Sunday Times-Bestsellerliste. Vor ihrer Karriere als Schriftstellerin arbeitete Clare Mackintosh bei der britischen Polizei und brachte es bis zum CID. Sie lebt mit ihrer Familie in Wales.
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Produkt

KlappentextZwei Jahre ist es her, seitdem Tom und Caroline Johnson Selbstmord begangen haben sollen. Ihre Tochter Anna weigert sich zu glauben, dass die Eltern ihrem Leben wissentlich ein Ende gesetzt haben. Und seit sie selbst Mutter geworden ist, quält die Ungewissheit sie mehr denn je. Sie beginnt nachzuforschen, stößt schnell auf Lügen und Ungereimtheiten. Dann aber spürt Anna, dass jemand sie beobachtet, ihr nachstellt. Schon bald muss sie lernen: Manche Dinge sollte man besser ruhen lassen ...


Clare Mackintosh feierte 2015 einen Sensationserfolg mit ihrem Debütroman Meine Seele so kalt. Die Rechte wurden in mehr als 30 Länder verkauft, allein in Großbritannien ging der Thriller mehr als 650 000 Mal über die Ladentheke. Auch der hochgelobte Nachfolger Alleine bist du nie landete wieder auf Platz 1 der Sunday Times-Bestsellerliste. Vor ihrer Karriere als Schriftstellerin arbeitete Clare Mackintosh bei der britischen Polizei und brachte es bis zum CID. Sie lebt mit ihrer Familie in Wales.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783732561230
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum31.01.2019
Auflage1. Aufl. 2019
Seiten463 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.3425968
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe
Zwei

Anna

Ella ist acht Wochen alt. Ihre Augen sind geschlossen, und ihre langen dunkeln Wimpern fächern sich auf den Pausbacken, die sich beim Trinken auf und ab bewegen. Eine winzige Hand spreizt sich einem Seestern gleich auf meiner Brust. Ich sitze auf dem Sofa und denke an all die Dinge, die ich tun könnte, solange sie trinkt. Lesen. Fernsehen. In einem Online-Supermarkt stöbern.

Heute nicht.

Heute ist kein gewöhnlicher Tag.

Ich beobachte meine Tochter, und nach einer Weile heben sich ihre Augenlider, und sie fixiert mich mit ihrem Blick, ernst und vertrauensvoll. Ihre Pupillen sind tiefe Seen bedingungsloser Liebe. Mein Spiegelbild darin ist klein, aber klar.

Ellas Saugen wird langsamer. Wir sehen einander an, und mir kommt in den Sinn, dass Muttersein das bestgehütete Geheimnis von allen ist. All die Bücher, die Filme, die Ratschläge in der Welt bereiten einen nicht annähernd auf dieses überwältigende Gefühl vor, alles für ein winziges Wesen zu sein. Oder dass dieses Wesen alles für einen ist. Ich wahre das Geheimnis, verrate es keinem, denn wem soll ich es schon erzählen? Keine zehn Jahre nach der Schule teilen meine Freundinnen das Bett mit Liebhabern, nicht mit Babys.

Ella sieht mich immer noch an, doch allmählich verschwimmt der Fokus ihres Blicks, ähnlich Morgennebel, der sich über eine Landschaft schiebt. Ihre Lider sinken ein wenig, ein bisschen mehr, fallen zu. Ihr Saugen - anfangs immer so ungeduldig, dann rhythmisch, entspannt, wird träger, bis mehrere Sekunden zwischen zwei Schlucken vergehen. Schließlich hört es ganz auf. Sie schläft.

Ich hebe eine Hand und drücke behutsam mit dem Zeigefinger auf meine Brust, um den Kontakt zwischen meiner Brustwarze und Ellas Lippen zu lösen. Dann hake ich meinen Still-BH zu. Ellas Mund setzt die Saugbewegungen noch ein wenig fort, bis sie richtig eingeschlafen ist. Ihre Lippen erstarren in einem vollkommenen »O«.

Ich sollte sie hinlegen und die Zeit nutzen, solange sie schläft. Zehn Minuten? Eine Stunde? Wir sind noch weit von jedweder Routine entfernt. Routine. Das war das Losungswort für die neue Mutter, das einzige Gesprächsthema bei den Kaffeetreffen, zu denen mich die Gemeindeschwester verdonnert. Schläft sie schon durch? Du musst versuchen, ihr Schreien zu kontrollieren. Hast du Gina Ford gelesen?

Ich nicke, lächle und sage, ja, ich versuch s, ehe ich mich einer der anderen jungen Mütter zuwende. Jemand anderem. Weniger herrischem. Denn Routine ist mir egal. Ich will Ella nicht schreien lassen, während ich unten sitze und auf Facebook Beiträge zu »Albtraum Elternschaft« poste!

Es tut weh, nach einer Mutter zu schreien, die nicht kommt.

Das muss Ella noch nicht erleben.

Sie regt sich im Schlaf, und der permanente Kloß in meinem Hals schwillt an. Wach ist Ella meine Tochter. Wenn Freunde behaupten, Ähnlichkeiten mit mir zu sehen, oder sagen, wie sehr sie Mark ähnelt, erkenne ich es nie. Ich sehe Ella an und erkenne schlicht Ella. Schläft sie jedoch ⦠dann sehe ich meine Mutter. Unter diesen Babybäckchen verbirgt sich ein herzförmiges Gesicht, und der Haaransatz ist so ähnlich, dass ich schon vorhersehen kann, wie meine Tochter in Jahren stundenlang vor dem Spiegel stehen und versuchen wird, diesen einen kleinen Wirbel zu korrigieren.

Träumen Babys? Wovon können sie träumen, wenn sie so wenig von der Welt wissen? Ich beneide Ella um ihren Schlaf, und das nicht bloß, weil ich so müde bin, wie ich es vor meinem Baby nie erlebt habe, sondern weil mit dem Schlaf meine Albträume kommen. Sie zeigen mir, was ich unmöglich wissen kann. Mutmaßungen aus Polizeiberichten und den Akten des Untersuchungsgerichts. Ich sehe meine Eltern, ihre Gesichter vom Wasser aufgedunsen und entstellt. Ich sehe Angst in ihren Zügen, als sie von der Klippe stürzen. Ich höre ihre Schreie.

Manchmal ist mein Unterbewusstsein nett zu mir. Ich sehe meine Eltern nicht immer fallen; manchmal sehe ich sie auch fliegen. Ich sehe, wie sie ins Nichts treten, ihre Arme ausbreiten und über das blaue Meer segeln, wo die Gischt in ihre lachenden Gesichter aufsprüht. Dann wache ich sanft auf, mit einem Lächeln auf den Lippen, bis ich meine Augen öffne und mir klar wird, dass alles noch genauso ist, wie es war, als ich sie schloss.

Neunzehn Monate ist es her, dass mein Vater einen Wagen vom Hof seines eigenen Geschäfts nahm - den neuesten und teuersten. Er fuhr die zehn Minuten von Eastbourne nach Beachy Head, wo er das Auto auf dem Parkplatz abstellte, die Türen unverriegelt, und hinauf zur Klippe ging. Auf dem Weg sammelte er Steine, um sich zu beschweren. Dann, als die Flut ihren Höchststand erreicht hatte, warf er sich von der Klippe.

Sieben Monate später, von Sinnen vor Trauer, tat es meine Mutter ihm mit solcher Präzision gleich, dass die Lokalzeitungen von einem »Nachahmungssuizid« sprachen.

Das alles weiß ich so genau, weil ich bei zwei unterschiedlichen Gelegenheiten mitanhören musste, wie uns der Coroner diese Abläufe Schritt für Schritt schilderte. Ich saß mit Onkel Billy da und lauschte dem ruhigen, aber schmerzlich gründlichen Bericht von zwei gescheiterten Rettungseinsätzen der Küstenwache. Ich starrte auf meinen Schoß, während Experten ihre Angaben zum Tidenwechsel, zu Überlebensraten und Sterbestatistiken machten. Und ich schloss meine Augen, als der Coroner Suizid als Todesursache festlegte.

Meine Eltern starben im Abstand von sieben Monaten, doch weil die Taten miteinander in Verbindung standen, fanden die Anhörungen vorm Untersuchungsgericht in derselben Woche statt. In jenen zwei Tagen erfuhr ich eine Menge, nur nicht das, worauf es wirklich ankam.

Warum sie es taten. Vorausgesetzt, sie hatten es getan.

Die Fakten sind unanfechtbar. Abgesehen von der Tatsache, dass meine Eltern nicht suizidgefährdet gewesen waren. Sie waren nicht depressiv, litten nicht unter Angststörungen. Sie waren die letzten Menschen, von denen ich jemals erwartet hätte, dass sie ihr Leben aufgeben würden.

»Psychische Probleme sind nicht immer offensichtlich«, sagt Mark, wenn ich es anspreche, wobei keine Spur von Ungeduld durchklingt, weil das Gespräch - mal wieder - darauf kommt. »Die fähigsten, heitersten Leute können Depressionen haben.«

Im Laufe des letzten Jahres habe ich gelernt, meine Theorien für mich zu behalten; nichts vom Zynismus durchblicken zu lassen, der unter meiner Trauer schlummert. Niemand sonst hat irgendwelche Zweifel. Niemand sonst ist beunruhigt.

Andererseits kannte wohl auch keiner meine Eltern so wie ich.

Das Telefon läutet. Ich lasse den Anrufbeantworter anspringen, aber der Anrufer spricht nicht aufs Band. Stattdessen vibriert das Handy in meiner Tasche, und ich weiß schon, bevor ich hinsehe, dass es Mark ist.

»Zufällig unter einem schlafenden Baby?«

»Wie hast du das bloß erraten?«

»Wie geht es ihr?«

»Sie trinkt quasi alle halbe Stunde. Ich versuche dauernd, mit dem Kochen anzufangen, und komme keinen Schritt weiter.«

»Lass ruhig, das kann ich übernehmen, wenn ich zu Hause bin. Wie fühlst du dich?« Sein Ton verändert sich so minimal, dass es keinem außer mir auffallen würde. Da schwingt noch etwas anderes mit. Wie fühlst du dich heute, an diesem Tag?

»Ganz okay.«

»Ich kann nach Hause kommen ⦫

»Nein, mir geht es gut, ehrlich.«

Mark würde nur sehr ungern seinen Kurs nach der ersten Hälfte abbrechen. Er sammelt Fortbildungen wie andere Leute Bierdeckel oder ausländische Münzen; inzwischen hat er so viele Abkürzungen zusammen, dass sie nicht mehr hinter seinen Namen passen. Alle paar Monate druckt er neue Visitenkarten, und die unwichtigsten Buchstabenkombinationen fallen hinten raus, geraten in Vergessenheit. Der heutige Kurs heißt »Der Wert der Empathie in der Klient-Therapeut-Beziehung«. Mark braucht ihn nicht; seine Empathiefähigkeit war in dem Moment offensichtlich, in dem ich durch seine Tür trat.

Er ließ mich weinen. Schob mir eine Schachtel Papiertaschentücher hin und sagte, ich solle mir Zeit lassen. Anfangen, wenn ich so weit bin, keine Sekunde früher. Und als ich aufhörte zu weinen, aber immer noch keine Worte fand, erzählte er mir von den Stadien der Trauer - Leugnen, Wut, Verhandeln, Depression, Akzeptanz -, und mir wurde bewusst, dass ich noch im ersten Stadium festhing.

Wir hatten vier Sitzungen hinter uns, da holte Mark tief Luft und sagte mir, dass er mich nicht mehr behandeln könne. Ich fragte ihn, ob es an mir läge, und er antwortete, es gäbe einen Interessenkonflikt und dies hier wäre schrecklich unprofessionell, aber ob ich eventuell mal mit ihm essen gehen würde.

Er war älter als ich - altersmäßig näher an meiner Mutter als mir - und mir immer dementsprechend selbstbewusst erschienen. Doch nun konnte ich auch die sorgfältig beherrschte Nervosität wahrnehmen.

Ich zögerte nicht. »Ja, sehr gerne.«

Hinterher sagte er, ihn würde der Abbruch meiner Therapie stärker belasten als das ethische Dilemma, etwas mit einer Klientin anzufangen. Früheren Klientin, hatte ich erwidert.

Ihm ist bis heute nicht ganz wohl dabei. Ich erinnere ihn jedes Mal, dass Menschen sich an allen erdenklichen Orten begegnen. Meine Eltern lernten sich in einem Londoner Nachtclub kennen; seine sich in der Tiefkühlabteilung von Marks & Spencer. Und er und ich begegneten uns in einer Wohnung im siebten Stock eines Hochhauses in Putney, in einem Sprechzimmer mit Ledersesseln, weichen Wolldecken und mit einem Schild an der Tür: MARK HEMMINGS. PSYCHOTHERAPEUT. TERMINE NUR NACH VEREINBARUNG.

»Wenn du meinst. Gib...
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Clare Mackintosh feierte 2015 einen Sensationserfolg mit ihrem Debütroman Meine Seele so kalt. Die Rechte wurden in mehr als 30 Länder verkauft, allein in Großbritannien ging der Thriller mehr als 650 000 Mal über die Ladentheke. Auch der hochgelobte Nachfolger Alleine bist du nie landete wieder auf Platz 1 der Sunday Times-Bestsellerliste. Vor ihrer Karriere als Schriftstellerin arbeitete Clare Mackintosh bei der britischen Polizei und brachte es bis zum CID. Sie lebt mit ihrer Familie in Wales.