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Ich will dein Leben

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
447 Seiten
Deutsch
Bastei Lübbeerschienen am28.07.20201. Aufl. 2020
Cornwall im Sommer 1986. Fasziniert beobachtet die sechzehnjährige Tamsyn ihre neuen Nachbarn: den attraktiven Mr. Davenport, seine wunderschöne Ehefrau und ihre schillernde Tochter Edie, die etwa in Tamsyns Alter ist. Als sich die ungleichen Mädchen schließlich kennenlernen, hat dies ungeahnte Folgen. Denn hinter dem scheinbar perfekten Familienidyll der Davenports verbergen sich dunkle Abgründe, und Tamsyns neidvoller Blick auf ihre Nachbarn wird immer mehr zur unheilvollen Obsession ...


Amanda Jennings unterrichtete Kunstgeschichte an der Cambridge University und arbeitete bei der BBC. Sie hat mehrere psychologische Spannungsromane geschrieben, von denen einige international veröffentlicht wurden. Ihr neuester Roman Ich will dein Leben spielt in Cornwall, wo Jennings viel Zeit während ihrer Kindheit verbrachte. Heute lebt sie in Henley mit ihrem Mann und ihren drei Töchtern.
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Produkt

KlappentextCornwall im Sommer 1986. Fasziniert beobachtet die sechzehnjährige Tamsyn ihre neuen Nachbarn: den attraktiven Mr. Davenport, seine wunderschöne Ehefrau und ihre schillernde Tochter Edie, die etwa in Tamsyns Alter ist. Als sich die ungleichen Mädchen schließlich kennenlernen, hat dies ungeahnte Folgen. Denn hinter dem scheinbar perfekten Familienidyll der Davenports verbergen sich dunkle Abgründe, und Tamsyns neidvoller Blick auf ihre Nachbarn wird immer mehr zur unheilvollen Obsession ...


Amanda Jennings unterrichtete Kunstgeschichte an der Cambridge University und arbeitete bei der BBC. Sie hat mehrere psychologische Spannungsromane geschrieben, von denen einige international veröffentlicht wurden. Ihr neuester Roman Ich will dein Leben spielt in Cornwall, wo Jennings viel Zeit während ihrer Kindheit verbrachte. Heute lebt sie in Henley mit ihrem Mann und ihren drei Töchtern.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783732586325
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum28.07.2020
Auflage1. Aufl. 2020
Seiten447 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.4937783
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

ZWEI
Tamsyn - Juli 1986

Als ich wach wurde, sprang ich sofort aus dem Bett. Es war der erste Tag der Ferien, und ich konnte es kaum erwarten, von hier zu verschwinden.

Ruhig lag das Haus da, die Stille, die mich umgab, war dick wie Erbsensuppe. Mum war schon bei der Arbeit, und mein Bruder befand sich in seinem Zimmer, hinter fest verschlossenen Türen. Ich wusste, er schlief noch, dazu musste ich nicht mal nachsehen. Schlafen war so ziemlich alles, was er tat, seit die Zinnmine geschlossen worden war. Auch Grandpa war auf seinem Zimmer. Obwohl es eigentlich nicht sein Zimmer war, sondern das von Mum und Dad. Aber nachdem mein Großvater bei uns eingezogen war, hatte Mum sich ein Klappbett ins Wohnzimmer gestellt. Sie wollte, dass er es gemütlich bei uns hatte. Wegen seiner Lungenkrankheit, erklärte sie. Ich weiß noch, wie der Mann von der Halde kam, um das Bett meiner Eltern abzuholen. Jago hatte es auf die Straße geschleppt, dann sahen wir drei zu, wie der Mann und sein Kumpel es auf den Laster wuchteten. Im Austausch gegen ein Sixpack Bier. Auch wenn Mum das Ganze nicht kommentierte, war ihr doch anzusehen, dass sie traurig darüber war. Aber, wie sie sagte, Grandpa brauchte den Platz, und ein Sessel nützte ihm mehr als ein Doppelbett.

Seine Tür stand einen Spalt weit offen, und da saß er in seinem Sessel, nachdenklich über ein Puzzle gebeugt, dessen Teile auf dem kleinen Tisch vor ihm verstreut waren. Ich beobachtete ihn ein paar Minuten, bereit zu lächeln, falls er mich bemerkte, aber er rührte sich kein bisschen, starrte nur unverwandt auf den Tisch.

Ich wandte mich ab und ging hinüber zu dem Wäscheschrank auf dem Treppenabsatz. Den benutzte Mum nun für ihre Sachen. Die früher darin aufbewahrten Laken und Handtücher hatte sie in einem Karton verstaut, der nun in einer Ecke von Grandpas Zimmer stand. Dann hatte sie die unteren Regalbretter herausgenommen und eine Kleiderstange in den Schrank eingebaut. Die bestand aus einer langen Kiefernstange aus dem Baumarkt, die sie mit unserer rostigen Säge auf die richtige Länge gebracht hatte. Damals dachte ich, dass sie das wirklich gut hingekriegt hat, wo sie doch nicht Dad ist.

Ich öffnete den Schrank und starrte auf die Kleider und die Schuhe, die sorgsam darunter aufgereiht standen. Auf dem obersten Brett lagen einige Schachteln, in denen Mum Gürtel und Ohrringe, ihre Wintermütze und einen Schal aufbewahrte. Ich fuhr mit den Fingern über die Kleider auf den Bügeln, genoss es, die unterschiedlichen Stoffe zu fühlen, während ich nach etwas Hübschem Ausschau hielt. Etwas Passendem.

Mein Blick blieb an ihrem Regenbogenkleid hängen, und ich lächelte. »Perfekt.«

Ein Schauer der Erregung erfasste mich, als ich das gute Stück mit ins Badezimmer nahm und hinter mir die Tür schloss. Ich ließ meinen Morgenmantel zu Boden fallen und schlüpfte in das Kleid. Zog es an den Hüften und der Taille glatt. Spürte, wie der Kreppstoff dabei rau über meine Haut strich. Mum bewahrte ihre Kosmetika in einer geblümten Kulturtasche auf. Diese stand auf einem metallenen Rollwagen unter dem Waschbecken gleich neben der Duschhaube, der Kordelseife, die niemand benutzte, und einer Flasche Oil of Olaz, die Jago und ich ihr zum letzten Geburtstag geschenkt hatten. In der Tasche fanden sich ein Döschen Kompaktpuder, den sie nie auflegte, eine eingetrocknete Mascara und ihr Lippenstift. Den nahm ich heraus und hob den Verschluss ab. Dann drehte ich das scharlachrote Innere aus der Hülse, hielt den Lippenstift an meine Nase und atmete tief ein. Der Geruch weckte Erinnerungen an eine Zeit, als ich noch jünger war und meine Eltern sich fein gemacht hatten, um vielleicht - wenn es eine besondere Gelegenheit war - zu dem Italiener in Porthleven zu fahren, den sie so sehr liebten. Ich stellte mir vor, wie Mum sich für Dad leicht im Kreis drehte, sah ihn mit leuchtenden Augen lächeln und ihr einen Kuss auf die Wange drücken. Sie war schmerzhaft, die Erinnerung an damals. Damals, als sich unser Haus noch wie ein Zuhause angefühlt hatte.

Zuhause.

Nicht mehr als eine Erinnerung. Undeutlich und verblassend. Ich betrachtete mich im Spiegel über dem Waschtisch und suchte nach dem zehnjährigen Mädchen, das an diesem einst glücklichen Ort gelebt hatte. Aber das war lange her. Ich holte tief Luft und strich mit der Fingerspitze über den blutroten Lippenstift, nahm etwas von der wachsartigen Substanz ab und verteilte einen Hauch davon auf meinen Lippen. Ich ließ den Lippenstift zurück in die Kosmetiktasche fallen und schloss den Reißverschluss. Dann bewegte ich mich hin und her, um das Regenbogenkleid zum Schwingen zu bringen, und stellte mir vor, wie mein Vater bei dem Anblick lächelte.

Ich ging nach unten und warf einen Blick ins Wohnzimmer. Ihr Bett hinter dem Sofa war ordentlich gemacht. Die gefaltete Zudecke und das Kissen lagen obenauf. Durch einen Spalt in den Vorhängen fiel ein Sonnenstrahl darauf. Ich ging weiter in die Küche. Auf dem Tisch standen zwei Tassen. Eine wies am Rand einen Hauch von Lippenstift auf, die andere nicht. Der Anblick machte mich wütend. Ich schnappte mir beide Tassen und ging zum Spülbecken. Dort öffnete ich den Wasserhahn, spritzte Spülmittel in jede Tasse und nahm den Schwamm zur Hand. Die ohne die Lippenstiftspuren bearbeitete ich am heftigsten. Wie hatte er es bloß in diese Küche hineingeschafft? Ich schrubbte, wollte jede Spur von ihm auslöschen, dann trocknete ich die Tassen ab und stellte sie zurück in den Schrank. Gleich darauf verteilte ich Bleichmittel auf dem Tisch und scheuerte sorgfältig jeden Zentimeter der Platte, jede Kante und jede Ecke.

Der stechende Geruch des Bleichmittels hing in der Küche, doch meine Gedanken kreisten schon wieder darum, von hier zu verschwinden. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und angelte nach der verbeulten alten Keksdose auf dem Kühlschrank. Darin befand sich der hauseigene Krimskrams, wie Mum die Sammlung immer nannte: Sicherheitsnadeln, Bleistiftstummel, ein paar verrostete Schrauben und Nägel sowie eine Reihe von Schlüsseln. Die kribbelnde Aufregung breitete sich von meinem Arm bis in meine Magengrube aus. Ich nahm den Schlüssel mit dem grünen Anhänger, schob ihn in die Tasche des Regenbogenkleides, stellte die Dose wieder an ihren Platz und schnappte mir meine Tasche vom Haken im Flur.

Als ich die Haustür hinter mir zugezogen hatte, entspannte sich jeder Muskel meines Körpers. Ich ließ unsere Straße hinter mir und machte mich auf den Weg zur Landspitze. Ich lächelte, als mir der Wind spielerisch das Haar ins Gesicht wehte. An diesem Tag hatte das Meer exakt die gleiche Farbe wie Grandpas liebster Guernsey-Pullover, dazu war es mit Diamanten aus Sonnenlicht gesprenkelt. Hoch über mir zog eine Handvoll Seemöwen ihre ausgedehnten Runden, ihre entfernten Schreie klangen geradezu frohlockend. Ein fast perfekter Tag.

Wie immer musste ich an meinen Vater denken. Es war mir unmöglich, diesen Weg zu gehen, ohne mich nicht daran zu erinnern, wie er mich auf unseren Spaziergängen zum Cape Cornwall an der Hand gehalten hatte. Oder wie ich oft fast rennen musste, um den Anschluss nicht zu verlieren. Noch immer sehe ich das Buch vor mir, das er stets in seiner Gesäßtasche bei sich trug. Das mit den vielen Eselsohren und dem Abdruck einer feuchten Teetasse auf dem Einband. Ich erinnere mich, wie er es hervorholte, sobald er einen Vogel erspähte, es rasch durchblätterte, bevor er mich zu sich heranzog.

Siehst du den da?

Er deutete auf den Vogel, und meine Wange berührte sein stoppeliges Gesicht. Der Vogel war mir egal, wichtig war nur das Gefühl, Dad nahe zu sein.

Ein Goldregenpfeifer.

Andächtig lauschte ich, während er mir alles zu dem Tier erzählte. Dass sein zoologischer Name aus dem Lateinischen - oder war es aus dem Griechischen? - stamme, weil sich die Regenpfeifer bei Wetterumschwung zusammenscharen. Nach seinem Tod ist auch der letzte Hauch von Interesse an Seevögeln mit ihm gegangen. Aber manchmal, wenn ich ihn am meisten vermisse, tue ich so, als hätte ich sie ebenso sehr geliebt wie er. Dann beobachte ich sie durch das Fernglas, wie sie auf den Felsvorsprüngen balancieren oder sich auf der Jagd nach Fischen kopfüber in die Fluten stürzen. Dann versuche ich, mich an ihre Namen zu erinnern, die Größe ihrer Population und die Farbe ihrer Eier.

Auf dem Parkplatz von Cape Cornwall standen nur vier Autos. Aber es war ja auch noch früh am Tag. Später würden hier die Wagen Stoßstange an Stoßstange stehen, alle mit einem National-Trust-Aufkleber an der Windschutzscheibe und wollenen Picknickdecken und Regenmänteln im Kofferraum. Ich bog auf den Küstenpfad ein und stieg hinauf zur Klippe, wo der Wind heftiger wehte und mir eine Gänsehaut bescherte. Ich schlang die Arme um meinen Körper und ärgerte mich, dass ich keinen Pulli mitgenommen hatte.

Durch die vielen Spaziergänger, die von Botallack zum Cape wanderten und dann in den seitlich mit Segeltuch geschützten und mit Sicherheitsleinen ausgerüsteten Ausflugsbooten nach Sennen Cove weiterfuhren, war der Fußweg ziemlich ausgetreten. Mein Körper vibrierte vor Erregung, als die saftigen Weiden zu meiner Linken in wildes Heideland übergingen. Das Violett des Heidekrauts, das Grün des Farns und das Gelb der stacheligen Ginsterbüsche lagen wie ein farbenfroher Teppich zu meinen Füßen. Als ich innehielt und die Augen schloss, konnte ich das Rascheln der Wühlmäuse hören. Sie versteckten sich wohl vor dem Sperber, der mithilfe der Thermik über uns seine Kreise zog.

Als der Fußweg eine scharfe Linkskurve machte, durchlief mich ein erwartungsvolles Prickeln. Noch vier Stufen bis...

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Autor

Amanda Jennings unterrichtete Kunstgeschichte an der Cambridge University und arbeitete bei der BBC. Sie hat mehrere psychologische Spannungsromane geschrieben, von denen einige international veröffentlicht wurden. Ihr neuester Roman Ich will dein Leben spielt in Cornwall, wo Jennings viel Zeit während ihrer Kindheit verbrachte. Heute lebt sie in Henley mit ihrem Mann und ihren drei Töchtern.
Ich will dein Leben

Bei diesen Artikeln hat der Autor auch mitgewirkt