Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

L(i)ebe, wie du willst

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
208 Seiten
Deutsch
riva Verlagerschienen am21.05.2023
Ich bin schwul, darf ich das empfinden? Was, wenn meine Eltern nicht unterstützen, dass ich trans*-identitär bin? Muss ich mich outen und wenn ja, wie? Sich selbst zu akzeptieren, so zu leben und zu lieben, wie man will, ist eine große Herausforderung. Labels und heteronormative Strukturen geben Schubladen vor und besonders junge Menschen müssen oft Mut aufbringen, wenn sie aufgrund ihrer Sexualität oder ihres Gender-Ausdrucks anecken. Lehrer und DragQueen Gracia Gracioso kennt diese Ängste und zeigt mit seinem Buch, dass 'anders sein' nicht schlimm ist. Im Gegenteil - die Welt ist bunt und es lohnt sich immer, man selbst zu sein.

Gracia Gracioso (dt. DragQueen) ist Förderschullehrer, verheiratet und lebt offen schwul. Er setzt sich seit Jahren für Aufklärung, Gleichberechtigung in Bezug auf LGBTQIA+ ein. Für sein Engagement wurde er 2021 von der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer geehrt und wurde von der Akademie Proud at work als einer der 30 wichtigsten Künstler*innen des Jahres gelistet. Ariane Novel ist freie Lektorin, Ghostwriterin und Übersetzerin. Sie arbeitete über zehn Jahre als Sachbuch-Lektorin in großen Publikumsverlagen, bevor sie sich selbstständig gemacht hat. Sie lebt in St. Gallen.
mehr
Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR17,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR12,99
E-BookPDF1 - PDF WatermarkE-Book
EUR12,99

Produkt

KlappentextIch bin schwul, darf ich das empfinden? Was, wenn meine Eltern nicht unterstützen, dass ich trans*-identitär bin? Muss ich mich outen und wenn ja, wie? Sich selbst zu akzeptieren, so zu leben und zu lieben, wie man will, ist eine große Herausforderung. Labels und heteronormative Strukturen geben Schubladen vor und besonders junge Menschen müssen oft Mut aufbringen, wenn sie aufgrund ihrer Sexualität oder ihres Gender-Ausdrucks anecken. Lehrer und DragQueen Gracia Gracioso kennt diese Ängste und zeigt mit seinem Buch, dass 'anders sein' nicht schlimm ist. Im Gegenteil - die Welt ist bunt und es lohnt sich immer, man selbst zu sein.

Gracia Gracioso (dt. DragQueen) ist Förderschullehrer, verheiratet und lebt offen schwul. Er setzt sich seit Jahren für Aufklärung, Gleichberechtigung in Bezug auf LGBTQIA+ ein. Für sein Engagement wurde er 2021 von der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer geehrt und wurde von der Akademie Proud at work als einer der 30 wichtigsten Künstler*innen des Jahres gelistet. Ariane Novel ist freie Lektorin, Ghostwriterin und Übersetzerin. Sie arbeitete über zehn Jahre als Sachbuch-Lektorin in großen Publikumsverlagen, bevor sie sich selbstständig gemacht hat. Sie lebt in St. Gallen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783745318395
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum21.05.2023
Seiten208 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse5397 Kbytes
Artikel-Nr.8385078
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

2. Kapitel
Lerne deine Geschlechtsidentität kennen

 
Rollenspiele

In der Grundschule spielte ich am liebsten mit Mädchen. Mit Jungs war ich eigentlich kaum befreundet, außer einiger gelegentlicher Tischtennispartien verband mich wenig mit ihnen. Immer wieder stellte ich fest, dass mein Verhalten nicht sehr typisch für Jungs war, weshalb ich schon früh versuchte, diese Seite zu verstecken und mich anzustrengen, das zu zeigen, was von Jungs eben so erwartet und erwünscht wurde.

Ich versuchte, eine Rolle einzunehmen, die ich gar nicht fühlte.

Als Hans, einer meiner jüngeren Brüder, anfing, mit sieben Jahren im Verein Fußball zu spielen, meldete ich mich auch zum Probetraining an. And guess what: Es machte mir überhaupt keinen Spaß. Ich probierte es mit Tennis und später mit Basketball. Und surprise - auch das machte mich überhaupt nicht zufrieden. Schließlich bin ich nirgends hängen geblieben, was eine vermeintlich typische Jungsaktivität gewesen wäre. Ballsportarten sind bis heute nichts für mich.

Ich wusste allerdings genau, was mir Freude bereitete: Wenn ich zusammen mit Inka und ihren Barbies spielen konnte. Mein Herz ging auf, und ich fühlte mich wie im Himmel. Ich wollte den Puppen hübsche Kleidung anziehen, ihre Haare flechten und ihnen diese kleinen Plastik-High-Heels an die Füße stecken. Doch natürlich konnte ich mich auch hier nicht komplett ausleben, weil - na ja, ihr ahnt es: Für einen »typischen Jungen gehört sich so etwas nicht«. Es ist nicht so, dass ich das von allen Seiten hörte, aber ich fühlte die Blicke der anderen.

Heute weiß ich, dass es mir damals von der Gesellschaft so vorgelebt wurde: In der Schule, im Fernsehen, in der Familie - überall wird ein bestimmtes Bild propagiert, das ich für mich übernommen habe.

Also habe ich oft den Ken gespielt, damit ich mit meinem Verhalten nicht weiter auffiel. Oh man, aber das war soo boring! Ich hatte ja schon in echt immer nur meine langweilige Jungskleidung mit Pulli, Hosen, T-Shirt - wie eine Uniform. Ich wollte lieber mit den Barbies spielen, denn ich habe die unterschiedlichen Outfits so geliebt!

Einmal erzählte unsere Grundschullehrerin eine Weihnachtsgeschichte, die ich sehr faszinierend fand. Es ging um einen Jungen, dessen Schuhe kaputt gingen. Leider war seine Familie so arm, dass sie sich keine neuen Schuhe leisten konnten und er die Schuhe seiner Schwester tragen musste. Alle in meiner Klasse bedauerten diesen Jungen und waren betroffen über sein Schicksal. Aber bitte, welches Schicksal? Er durfte die Schuhe seiner Schwester tragen, wie cool ist das denn! Ich hätte alles darum gegeben, die schwarzen Lackschuhe meiner Schwester tragen zu dürfen. An die Moral von der Geschichte kann ich mich nullkommanull erinnern - nur die Schuhe haben sich in mein Gedächtnis gebrannt.

Ich merkte, wie sehr sich mein Verhalten von dem der anderen unterschied, und zog mich zurück. Ich entschied, mich nicht so zu zeigen, wie ich mich fühlte.

Wenn ich mich so zeigte, wie ich wirklich war, gab es immer wieder unangenehme Situationen, in denen ich die Blicke der anderen aushalten musste. Sie vermittelten mir das Gefühl: Wie uncool. Mit der Zeit habe ich gelernt, diese Blicke zu akzeptieren, und fand meinen eigenen, versteckten Weg, damit umzugehen. Was die anderen dachten oder wie sie sich verhielten, spielte für mich eine Rolle. Aber dafür konnte ich mich zu Hause frei ausleben, wo ich meinen Safe Space hatte - ich hatte Menschen um mich herum, die mich nicht infrage stellten und mich so hinnahmen, wie ich war. Ich fing an, mich zu verkleiden und Schminke auszuprobieren, doch darüber erzähle ich später mehr, wenn es um den Ausdruck geht.

Heute weiß ich es sehr, sehr zu schätzen und bin unglaublich dankbar für meine Familie, die mich immer unterstützte. Ich weiß aber, wie schlimm es ist, wenn man dieses Umfeld nicht hat, deshalb bin ich für dich da und schreibe für dich dieses Buch. Damit du wenigstens eine Stimme hörst, die dir sagt: Hey, du bist so cool! Und weißt du was? Mit dir stimmt einfach alles.

Was ich wirklich unfair fand, war, wenn ich mit meinen Freund*innen Vater-Mutter-Kind gespielt habe.[6]

Wahrscheinlich hast du das als Kind auch mal gespielt - über dieses Rollenspiel verarbeitet man, was man selbst in der Familie erfährt, und hat die Möglichkeit, die Fantasie anzukurbeln und eigene Wünsche auszusprechen.

Ich wollte so gerne auch mal die Mutter spielen, wurde dafür aber immer ausgelacht! Ich wollte mit den verschiedenen Rollen spielen, doch es war schwer, aus den vorgegebenen Mustern auszubrechen, was mich echt frustrierte. Trotzdem blieb die Neugier, ich wollte gerne wissen, wie es sich anfühlt, ein Mädchen zu sein - auch wenn ich mich in meinem Geschlecht immer pudelwohl gefühlt habe (aber dazu später mehr!).

Einmal hatte ich mir zwei kleine Flummis von meinem kleinen Bruder gemopst. Da war ich elf oder zwölf Jahre alt und wollte gerne wissen, wie es ist, Brüste zu haben, weil ich beobachtet habe, dass sich die Mädchen um mich herum körperlich veränderten. Also bin in die Rolle geschlüpft, habe mir die Flummis unters T-Shirt gesteckt und bin damit durch das Haus stolziert. Ich weiß noch, wie sehr meine Mutter diese Bälle hasste - ständig flogen sie irgendwo herum, sprangen auf und ab, und so klein sie auch waren: Sie hatten das Potenzial, alles zu zerstören. Jedenfalls hoffte ich, dass sie keiner bemerkte. Ich hatte nicht mit dem messerscharfen Blick meines Vaters gerechnet.

»Was hast du denn da?«, fragte er mich, und ich schrak zusammen. »Ach, das sind die Bälle von Hans«, antwortete ich verlegen. »Ich verstecke sie, damit er sie nicht findet«, wand ich mich heraus. Erst Jahre später kam mir von meiner Oma zu Ohren, dass meinem Vater in diesem Moment zum ersten Mal bewusst wurde, dass ich wahrscheinlich anders bin als seine anderen beiden Söhne.

Es ging mir nicht darum, dass ich mich nicht mit meinem Geschlecht identifizierte - ich fühlte mich in meinem Körper sehr wohl. Doch wenn es von den Erwachsenen schon fertige Rollenbilder gab, an die ich mich halten sollte, dann wollte ich gerne aus der Rolle eines Jungen ausbrechen können und andere Rollen kennenlernen!

Ich wurde als Junge definiert und habe mich selbst auch nie als Mädchen wahrgenommen. Mir war nur nie klar, warum das immer so streng getrennt werden musste. Als wäre »Mädchen sein wollen« oder »Mädchen spielen wollen« etwas Schlimmes. Es war doch auch okay, Räuber zu spielen - und die sind doch um Welten schlimmer als Mädchen â¦

 
It s a mad world

Womit ich als Kind eigentlich zu kämpfen hatte, waren die heteronormativen Strukturen. Das bedeutet, dass unsere Gesellschaft vor allem von der Sichtweise geprägt ist, dass Heterosexualität die Norm ist und es eine binäre Geschlechterordnung gibt, in die sich jeder einzuordnen hat. Die meisten Menschen gehen davon aus, dass es nur zwei Geschlechter gibt, also männlich und weiblich. Sie gehen auch davon aus, dass Männer Frauen begehren und umgekehrt und es nur Paarkonstellation zwischen Männern und Frauen gibt. Zum Glück bricht diese Vorstellung langsam auf, aber ich betone »langsam«, weil diese Vorstellungen so tief verankert sind, dass es vermutlich einige Generationen braucht, bis wir uns von diesen Denkmustern befreien können.

Man sagt auch: Heteronormativität oder heteronormative Denkmuster.

Was bedeutet das für uns queere Menschen? Heißt das, dass wir nicht normal sind? NEIN! Wir sind Menschen, alle Menschen sind normal und dürfen so sein, wie sie sich fühlen und definieren.

Queer umfasst alle Menschen, die sich nicht in die Heteronormativität einordnen wollen oder können. Damit sind die Geschlechtsidentität, die sexuelle Orientierung und die sexuelle Präferenz gemeint.

»Normal sein« bedeutet, dass irgendjemand irgendwann einmal dieses »Normalsein« definiert und festgelegt hat. Diese Vorstellung wurde von vielen Menschen aufgenommen und weitergegeben, man sagt hier auch: reproduziert. Eltern reproduzieren die Bilder und geben sie an ihre Kinder weiter, diese wiederum an ihre Kinder.

Stell dir mal vor, du bekommst ein weißes Blatt Papier, mit der Aufgabe, ein Motiv zu malen. Stell dir jetzt vor, dass du ein Blatt Papier bekommst, in dem die Linien des Motivs schon vorgezeichnet sind und du es bloß noch auszumalen brauchst. Ungleich leichter, oder? Ungefähr so verhält es sich mit unserer Identität: In einer heteronormativen Welt sind die Linien deiner Identität schon vorgegeben; deine Aufgabe ist, sie auszumalen. Was aber, wenn die Form gar nicht zu dir und deinen Gefühlen passt?

Es hat ganz starke, sehr konkrete Auswirkungen auf dich und dein persönliches Umfeld: Wir schauen Filme und Serien, lesen Bücher, beobachten Paare in unserer...
mehr