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Weil die Zukunft uns gehört

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
272 Seiten
Deutsch
HarperCollinserschienen am22.11.20221. Auflage
Die Welt gehört denen, die sie verändern


Süddeutschland, 1919: Als Toni in der Stadt ankommt, ist sie voller Hoffnung, voller Tatendrang und voller Träume. Toni hat ein Ziel - sie möchte Medizin an der Universität studieren und Ärztin werden. Sie möchte endlich in der Lage sein Frauen und Kindern zu helfen. Schnell freundet Toni sich mit anderen Frauen an, die ebenfalls nach Wissen und Bildung streben. Doch nicht jeder ist mit ihrer Anwesenheit an der Hochschule einverstanden. Anfeindungen, Spott und Hohn gehören zur Tagesordnung. Und lohnt es sich, all das hinzunehmen, für den Traum einer besseren Zukunft?


Ilona Einwohlt wollte eigentlich Ernährungswissenschaftlerin werden, hat sich dann aber nach der Lektüre von Simone de Beauvoir doch lieber für ein Literaturstudium entschieden. Längst ist sie erfolgreiche Autorin zahlreicher (Kinder- und Jugend-)Bücher. Sie interessiert sich für Themen mitten aus dem Leben, insbesondere dem von Mädchen und Frauen, und findet es immer wieder spannend, wie historische Ereignisse mit dem Schicksal von heute verknüpft sind. Ilona Einwohlt wurde 1968 in Pinneberg geboren und lebt mittlerweile mit ihrer Familie in Darmstadt.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR16,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR12,99

Produkt

KlappentextDie Welt gehört denen, die sie verändern


Süddeutschland, 1919: Als Toni in der Stadt ankommt, ist sie voller Hoffnung, voller Tatendrang und voller Träume. Toni hat ein Ziel - sie möchte Medizin an der Universität studieren und Ärztin werden. Sie möchte endlich in der Lage sein Frauen und Kindern zu helfen. Schnell freundet Toni sich mit anderen Frauen an, die ebenfalls nach Wissen und Bildung streben. Doch nicht jeder ist mit ihrer Anwesenheit an der Hochschule einverstanden. Anfeindungen, Spott und Hohn gehören zur Tagesordnung. Und lohnt es sich, all das hinzunehmen, für den Traum einer besseren Zukunft?


Ilona Einwohlt wollte eigentlich Ernährungswissenschaftlerin werden, hat sich dann aber nach der Lektüre von Simone de Beauvoir doch lieber für ein Literaturstudium entschieden. Längst ist sie erfolgreiche Autorin zahlreicher (Kinder- und Jugend-)Bücher. Sie interessiert sich für Themen mitten aus dem Leben, insbesondere dem von Mädchen und Frauen, und findet es immer wieder spannend, wie historische Ereignisse mit dem Schicksal von heute verknüpft sind. Ilona Einwohlt wurde 1968 in Pinneberg geboren und lebt mittlerweile mit ihrer Familie in Darmstadt.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783749904716
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum22.11.2022
Auflage1. Auflage
Seiten272 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.9013131
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1

Koffer voller Ungewissheit

Es gibt nur eine Moral, und die gilt für Mann und Frau.

LIDA GUSTAVA HEYMANN (1868-1943)

Mitten im Regen durch München zu laufen, war keine Freude. Erst recht nicht, wenn die Füße klamm in durchnässten Schuhen steckten und die Koffer viel zu schwer an den Armen hingen. Toni machte das nichts aus. Sie hatte ein Ziel, und das ließ aus lauter Vorfreude ihr Herz höherschlagen und sie über Pfützen des Bahnhofvorplatzes springen: die Universität. Wochenlang, ach was, Monate, hatte sie diesen Moment herbeigesehnt. Jetzt war es endlich so weit. Endlich würde sie sich für das Medizinstudium einschreiben. Endlich würde sie das Versprechen einlösen, das sie ihrer Mutter vor so vielen Jahren am Sterbebett gegeben hatte.

Schnell wischte Toni die traurigen Gedanken beiseite, der Tod der Mutter hatte Spuren hinterlassen. Wie der gerade verlorene Krieg, die Schmach der Niederlage, sie spürten, sie alle, und hier in der Stadt spiegelten die Fassaden die Trostlosigkeit. Auch zu Hause in den Bergen waren sie nicht verschont geblieben, beide Brüder gefallen und der Vater seitdem ein einsamer Mann, der mit seinen drei Töchtern nichts anzufangen wusste. Als Älteste hatte sich Toni von klein auf um alles kümmern müssen, was Haus und Hof anging, viel zu früh gelernt, Verantwortung zu tragen, Tag sind und Nacht geschuftet und nebenbei in ihren Büchern gelernt.

Dann war wie durch ein Wunder Gitti auf der Alm erschienen und hatte mit ihrer erfrischenden, jungen Art dem Berghof neues Leben eingehaucht. Vergessen die kargen entbehrungsreichen Jahre, Gitti ackerte von früh bis spät, schenkte dem Vater wieder einen Sohn - und Toni durfte zum Studieren in die Stadt. Ein Geschenk des Himmels für eine Bauerstochter, die außer ein paar Kleidungsstücken und der Kräuterfibel im Koffer nichts besaß, auch keine Mitgift. Dafür saugte Toni lernbegierig jedes Wissen ein und lernte für drei, hatte ihr Abitur mit Auszeichnung bestanden. Jetzt konnte sie das Studium kaum erwarten, ganz bestimmt würde sie eine gute Ärztin werden. Dann würde sie wie versprochen in den Weiler zurückkehren und Frauen und Kindern zu einem gesünderen Leben verhelfen.

Zuversichtlich blinzelte Toni in den wolkenverhangenen Himmel, dahinter schien gewiss die Sonne. Es würde schon alles gut werden, davon war sie zutiefst überzeugt, das Leben hatte es trotz allem bisher immer gut mit ihr gemeint. Und auch wenn München sie nicht sonderlich freundlich empfing, würde sie sich hier rasch zu Hause fühlen. Langsam lief Toni über den Karlsplatz, kaum eine Menschenseele war unterwegs. Auch sie wäre lieber im Warmen gewesen, obwohl ihr das Wetter sonst nichts ausmachte. Ob Regen, Schnee oder heißeste Sonne, die Arbeit auf dem Berghof hatte sie abgehärtet. Heute trug sie einen dünnen Mantel statt ihrer geliebten Lodenjacke und dazu einen Hut, von dessen Krempe das Wasser beständig in ihren Kragen tropfte und ihr seit geraumer Zeit den Rücken hinunterrann. Für einen kurzen Moment bereute Toni, nicht doch zuerst Tante Cilli in der Villa Libertas aufgesucht zu haben. Die hätte ihr sicher Überschuhe gegeben. Oder ihr eine Droschke spendiert, Toni war noch nie mit einem Auto gefahren. Sie kannte nur Kutschen und Fuhrwerke, meistens lief sie selbst neben den Gespannen her, um den Tieren die Arbeit zu erleichtern.

Später, tröstete sich Toni, später würde sie zu Tante Cilli in der Maxvorstadt gehen und ihr alles erzählen. Cilli würde verstehen und helfen, und bei diesem Gedanken wurde ihr sofort warm ums Herz. Wie sehr freute sie sich auf die alte Dame, die sie seit Kriegsbeginn nicht mehr gesehen hatte. Davor war Cilli regelmäßig zu Besuch gekommen und hatte mit ihrem imposanten Hut ein Gefühl von Großstadt in die karge Blockhütte gebracht. Jedes Mal hing Toni an ihren Lippen, wenn Cilli von ihrem Frauenverein erzählte und wie wichtig es war, dass Mädchen eine anständige Ausbildung bekamen. »Du bist wertvoll«, hatte ihr Cilli jedes Mal beim Abschied ins Ohr geflüstert. »Lass dir bloß nichts anderes einreden!« In den letzten Jahren hatte Cilli alles dafür getan, damit die Tochter ihrer Schwester zu ihr nach München in die Villa Libertas kommen konnte. Und jetzt war es endlich so weit. Jetzt war Toni hier zum Studieren!

Eilig lief sie weiter, die Ottostraße entlang - und wäre beinahe gestolpert. Das Kätzchen sprang direkt vor ihre Füße, leckte sich die Pfote und schaute Toni erwartungsvoll an.

»Mei, was machst du denn hier draußen, du bist ja ganz nass? Hast du etwa kein Zuhause?« Ungeachtet des Regens ging Toni in die Hocke, um dem kleinen Kater über das schwarze Fell zu streicheln. Vertrauensvoll schmiegte er seinen Kopf in ihre Hand und blinzelte sie an. »Von links kommst du gesprungen, soso«, murmelte sie halb belustigt, halb entsetzt und griff wieder nach ihren Koffern. Wer in den Bergen wohnte, besaß entweder tiefes Gottvertrauen oder folgte Brauchtum und Aberglaube. In Tonis Herz hatte beides Platz.

»Schick dich. Geh nach Hause, Kleiner!«, versuchte sie das Katerchen abzuwimmeln, das ihr jetzt auf Schritt und Tritt folgte. »An der Universität sind Tiere sicher nicht willkommen!«

Und Frauen vielleicht auch nicht, fügte sie in Gedanken hinzu. Es gehörte zu den Neuerungen der Zeit, dass Frauen studieren durften, doch die meisten waren der Meinung, dass Frauen bitte ihre gottgegebenen Aufgaben zu erfüllen hätten. Kinderkriegen, Wäsche waschen, warme Mahlzeiten und dem Manne ein heimeliges Heim bereiten. In München und anderswo waren vor dem Krieg Frauen wie Tante Cilli auf die Straße gegangen und hatten für ihre Rechte demonstriert: Sie wollten in der Politik mitreden und wählen, sie wollten über ihre Körper bestimmen dürfen und endlich an die Universität: lernen, wissen, wirken.

»Bist du etwa mein Glückskater? Das kann ich wirklich gebrauchen!« Jetzt hatte Toni den Kleinen doch auf den Arm genommen und drückte ihn überschwänglich an sich, sein Fell war ganz nass. Bei aller Freude darüber, dass sie bald Studentin der Medizin sein würde, plagten sie einige Zweifel. Was, wenn sie nicht schlau genug war? Die Schwestern und allen voran Gitti hatten immer wieder gestichelt und sie spüren lassen, dass Toni nur ein dummes Bauernkind war und Frauen wie sie nie im Leben mit den Großkopferten mithalten könnten. »Die Wiege, in die du gelegt wirst, entscheidet eben nicht«, hatte Toni ihnen trotzig entgegengehalten und ihre Koffer gepackt. Froh, der Enge des Holzhauses zu entkommen. Den weiten Blick über die Täler und Schluchten würde sie trotzdem vermissen.

Vorsichtig setzte sie den Kater wieder ab, dann lief sie weiter, nur flüchtig schaute sie an den prächtigen Fassaden hoch, die einen mit ihren Schnörkeln und Goldverzierungen lockten. Wie es den Menschen dahinter ging, wagte sich Toni nicht auszumalen, so viele Männer waren nicht von der Front zurückgekehrt. Wie ihre Brüder. Die Front, von der Toni nicht wusste, wie sie überhaupt aussah. Manchmal stellte sie sie sich als eine Linie aus Soldaten vor, schnurgerade am Waldrand aufgestellt bis zum Horizont. Oder waren es Panzerstellungen, die wie eine Perlenkette aufgereiht waren? Toni erschien die Front als ein konzentriert versammelter Ort des Krieges, und doch hatte sie sich niemals vorstellen können, was es in Wirklichkeit für die Soldaten bedeutete, dort zu sein, mitten im Krieg im täglichen Tod. Auch Franzl galt als vermisst, doch Toni war zutiefst davon überzeugt, dass er lebte und zu ihr zurückkehren würde. Ihr guter, lieber Franzl, Freund und Gefährte aus Kindheitstagen. Aufgewachsen waren sie wie Geschwister und dann verlobt. Es gab keinen besseren Bergführer und Ziegenhüter, erst recht keinen Geigenbauer. Franzl hörte das Holz, bevor er es verbaute, er fühlte seine Klänge. Um seine Geigen zu kaufen, kamen sie aus aller Welt in den kleinen Laden unten im Dorf, den seine Familie bereits in der dritten Generation führte. Vor dem Krieg.

Toni blieb keine Zeit, ihren Erinnerungen nachzuhängen, denn vorne am Karolinenplatz hatte sich eine Menschenmenge versammelt, etwas schien passiert zu sein. Schnell schluckte sie die Traurigkeit hinunter, blinzelte den Regen aus ihren Augen. Dann umklammerte Toni ihre Koffer noch fester und lief weiter, dicht gefolgt von dem schwarzen Kater, der wohl beschlossen hatte, nicht mehr von ihrer Seite zu weichen.

Als sie entdeckte, warum die Leute gafften, zögerte Toni nicht eine Sekunde. Im nächsten Moment kniete sie neben der jungen Frau. Behutsam strich sie ihr eine Strähne aus der Stirn. Pechschwarze Haare, die sich drahtig anfühlten, und später wunderte sich Toni, warum ihr das als Erstes aufgefallen war. Grüne Augen verfolgten derweil aufmerksam jede ihrer Bewegungen, ihnen entging nichts. Der Kater leckte der Verletzten die Hand, die sich vor Schmerzen krümmte. Niemand von den Umstehenden machte Anstalten zu helfen, im Gegenteil. Abfällige Bemerkungen wie »Das geschieht einer wie der nur recht« oder »Ein Bankert weniger« drangen an ihr Ohr.

»Keine Sorge, ich bin da â¦ Ich bin Toni Gruber und helfe Ihnen. Wie heißen Sie? Was ist passiert? Wo tut es Ihnen weh?« Die letzte Frage hätte sich Toni sparen können. Ein blutiger Fleck prangte unübersehbar in ihrem Schoß.

»Emilia«, kam es wimmernd, kaum hörbar, und Toni musste sich noch tiefer über sie beugen. »Ay, qué dolor â¦ Es tut so weh â¦«

»Wo ist Ihr Mann?« Hastig zog Toni ihren Mantel aus, um die junge Frau vor den neugierigen Blicken der anderen zu schützen, unangenehm berührt von dem, was sie gerade mit ansehen musste.

Welch ungeschickte Frage von ihr!...
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Ilona Einwohlt wollte eigentlich Ernährungswissenschaftlerin werden, hat sich dann aber nach der Lektüre von Simone de Beauvoir doch lieber für ein Literaturstudium entschieden. Längst ist sie erfolgreiche Autorin zahlreicher (Kinder- und Jugend-)Bücher. Sie interessiert sich für Themen mitten aus dem Leben, insbesondere dem von Mädchen und Frauen, und findet es immer wieder spannend, wie historische Ereignisse mit dem Schicksal von heute verknüpft sind. Ilona Einwohlt wurde 1968 in Pinneberg geboren und lebt mittlerweile mit ihrer Familie in Darmstadt.