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Palais Heiligendamm - Tage der Entscheidung

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
Deutsch
Bastei Entertainmenterschienen am28.01.20221. Aufl. 2022
Dunkle Wolken über der weißen Stadt am Meer

Ostsee, 1935: Ins Palais Heiligendamm kommen jetzt verdiente Volksgenossen und Parteigrößen, darunter auch Hitler und Goebbels. Eine schwierige Aufgabe für Elisabeth und ihre Tochter Julia, die nun in der 3. Generation im familieneigenen Hotel arbeitet. In Hitlers Gefolge lernt sie den charmanten Hugo kennen, ein Abenteurer, der Julias Herz schneller schlagen lässt. Paul kämpft derweil mit schweren Zweifeln. Hin und her gerissen zwischen Liebe und Moral wird er zu einem Schritt gezwungen, der sich als schicksalhaft erweist ...



Michaela Grünig, geboren und seelisch beheimatet in Köln, war lange Jahre im Ausland tätig. Dort kam sie nicht nur mit interessanten Menschen und ihren Geschichten zusammen, sie entdeckte auch ihre große Liebe zum Reisen, das sie aber immer wieder zu ihren Lieblingsorten an der Ostseeküste zurückführte. Seit 2010 hat sie ihr Hobby, das Schreiben, zum Beruf gemacht.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR14,90
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,99
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextDunkle Wolken über der weißen Stadt am Meer

Ostsee, 1935: Ins Palais Heiligendamm kommen jetzt verdiente Volksgenossen und Parteigrößen, darunter auch Hitler und Goebbels. Eine schwierige Aufgabe für Elisabeth und ihre Tochter Julia, die nun in der 3. Generation im familieneigenen Hotel arbeitet. In Hitlers Gefolge lernt sie den charmanten Hugo kennen, ein Abenteurer, der Julias Herz schneller schlagen lässt. Paul kämpft derweil mit schweren Zweifeln. Hin und her gerissen zwischen Liebe und Moral wird er zu einem Schritt gezwungen, der sich als schicksalhaft erweist ...



Michaela Grünig, geboren und seelisch beheimatet in Köln, war lange Jahre im Ausland tätig. Dort kam sie nicht nur mit interessanten Menschen und ihren Geschichten zusammen, sie entdeckte auch ihre große Liebe zum Reisen, das sie aber immer wieder zu ihren Lieblingsorten an der Ostseeküste zurückführte. Seit 2010 hat sie ihr Hobby, das Schreiben, zum Beruf gemacht.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783751715096
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum28.01.2022
Auflage1. Aufl. 2022
Reihen-Nr.3
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.5708782
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


2. Kapitel

Ihr kleiner Bruder brüllte schon seit Stunden das ganze Haus zusammen. Julias Mutter, ihr Vater und die eigens engagierte Kinderschwester ließen nichts unversucht, um den kleinen Schreihals zu beruhigen. Er wurde in Decken gewickelt, die Treppe hinauf- und wieder hinuntergetragen, und zu guter Letzt hatte ihre Mama ihm sogar etwas vorgesungen. Was den Tumult nur noch schlimmer gemacht hatte. Oskar schien eine harte Nuss zu sein.

Selbst Fräulein Esser, die Kinderschwester aus Bad Doberan, wirkte überfordert. »In zwanzig Jahren habe ich noch keinen Säugling gesehen, der sich auf diese Weise beträgt«, beschwerte sie sich, nachdem ihre professionellen Kniffe sämtlich fehlgeschlagen waren.

»Ich glaube kaum, dass er absichtlich unartig ist«, meinte ihr Vater. »Ich vermute vielmehr, dass ihm etwas wehtut.«

»Oh nein, Julius!« Ihre Mutter wurde vor Schreck ganz blass.

»Bitte mach dir keine Sorgen, Liebling. Der Kinderarzt wird uns bestimmt weiterhelfen können. Ich vereinbare gleich einen Termin.« Tröstend nahm er sie in den Arm und küsste ihre Stirn. Doch Julia konnte er nichts vormachen: Auch er war beunruhigt. Sonst wäre er nicht umgehend zum Telefon geeilt.

»Vielleicht solltet ihr Sophie aus Bad Doberan holen. Sie hat ihn neulich auf den Arm genommen und â¦«, begann Julia.

»Schatz, das ist eine gute Idee. Aber wir können deine Cousine jetzt nicht stören. Sie braucht die Wochenenden mit ihrem Vater«, meinte ihre Mutter und beugte sich erneut über die Wiege, in der Oskar weinte.

Julia nickte beklommen. Ihr Bruder war doch noch so klein! Hoffentlich täuschte ihr Vater sich. Es wäre schrecklich, wenn dem Winzling tatsächlich etwas fehlen würde. Plötzlich hielt sie das Geschrei nicht länger aus. Sie schnappte sich den Brief, der heute früh für sie eingetroffen war, und meinte: »Ich gehe eine Runde spazieren, einverstanden?«

Ohne aufzusehen, antwortete ihre Mutter: »Sicher, aber bitte zieh dir etwas Warmes an.«

Trotz der Kälte hatte sich Julia in die Scheune verzogen, um Minnas Brief zu lesen. Sie war dabei lieber allein. Während sie sich die Leiter zurechtrückte, um auf den Heuboden zu klettern, musste sie unwillkürlich an ihre eigene Kindheit denken. Ob sie ebenfalls so ein kleiner Schreihals gewesen war? Diese Frage würde ihr Minna beantworten müssen, denn die ersten Jahre ihres Lebens hatte sie von ihren Eltern getrennt gelebt und war, ohne deren Wissen, bei der ehemaligen Köchin des Hotels in Berlin aufgewachsen. Dieses Arrangement verdankte sie ihrer inzwischen verstorbenen Großmutter Ottilie, die Minna - unter der Androhung, Julia andernfalls ins Waisenhaus zu geben - dazu gedrängt hatte. Offenbar war ihre Großmutter der Meinung gewesen, dass die von ihr gewählte Lösung für alle Beteiligten das Beste war, insbesondere für ihre damals unverheiratete und an Kindsbettfieber lebensgefährlich erkrankte Tochter Elisabeth. Julias Interessen - immerhin war sie zu der Zeit das einzige Enkelkind - hatte Ottilie dabei nicht berücksichtigt.

Es war sehr verwirrend gewesen, in so einem Durcheinander aufzuwachsen: Zuerst hatte Julia zu Minna »Mama« gesagt, doch irgendwann war dieser vergötterte Mensch völlig unvermittelt zu ihrem Kindermädchen und später wieder zur Hotelköchin herabgewürdigt worden. Quasi über Nacht hatte Julia ihre unbekannte leibliche Mutter lieb haben sollen, wogegen sie sich anfänglich sehr gesträubt hatte. Es war leichter gewesen, ihren Papa ins Herz zu schließen. Immerhin war er die erste richtige Vaterfigur in ihrem Leben und musste niemand anderen aus dieser Position verdrängen. Außerdem lag ihr seine ruhige und besonnene Art mehr als die hektische Energie ihrer Mutter, die ständig mit irgendwelchen Problemen des Hotels beschäftigt zu sein schien. Es musste erst eine ganze Weile vergehen, bis Julia sie ebenfalls lieb gewinnen konnte.

Mit den neuen Eltern hatte das Chaos jedoch noch längst nicht aufgehört. Auch Julias Wohnort hatte sich fortlaufend geändert. Kaum hatte sie sich irgendwo eingelebt, musste sie auch schon wieder ihre Koffer packen. Zuerst hatte sie bei Minna, dann bei Papa in Berlin und zu guter Letzt bei ihrer Mutter in Bad Doberan gewohnt. Zu allem Überfluss waren die Mädchen in ihrer dortigen Schule gemein zu ihr gewesen und hatten laut darüber getuschelt, dass sie ein »unehelicher Bastard« sei. Nur ihre Freundin Ava und noch ein anderes Mädchen, das inzwischen weggezogen war, hatten sie damals verteidigt. Erst nachdem ihre Eltern geheiratet hatten, war auch dieser Spuk vorbei.

Manchmal ertappte sie sich dabei, wie sie kurz vor dem Einschlafen Fragen an ihre verstorbene Großmutter formulierte: Ob sie sich bewusst sei, wie wurzellos ihre Enkelin sich als Kind gefühlt habe? Wie hin- und hergerissen zwischen den Gefühlen für ihre beiden Mütter. Je mehr sie ihre richtige Mutter lieb gewonnen hatte, desto schäbiger hatte sie sich Minna gegenüber gefühlt. Wie eine Verräterin war sie sich vorgekommen. Doch ihre Oma war gestorben, bevor ihre Eltern sie für alt genug gehalten hatten, ihr die ganzen Umstände zu erklären. Und so erinnerte sie sich lediglich an eine nach kostbarem Parfüm duftende ältere Dame, die ihr heimlich Süßigkeiten zugesteckt hatte, und konnte diese Person nicht mit der manipulativen, herrischen Frau in Einklang bringen, die ihre Großmutter zur Zeit ihrer Geburt gewesen sein musste.

Sprosse für Sprosse kletterte Julia die Leiter hoch und ließ sich, oben angekommen, ins weiche Heu fallen. Es nützte nichts, über die Vergangenheit nachzugrübeln. Das hatte sie schon früh gelernt. Es war besser, nach vorn zu schauen. Sie zog den Brief mit der hübschen französischen Briefmarke aus ihrer Manteltasche und öffnete ihn. Neugierig begann sie zu lesen:

Mein liebes Julia-Kind,

ich hoffe, es geht dir gut, und du strengst dich ordentlich in der Schule an. Wie geht es deinem Brüderchen? Schläft er inzwischen die Nächte durch? Ist es bei euch genauso kalt wie hier in Paris?

Ich habe vor zwei Tagen eine eigene Wohnung in der Nähe des Restaurants bezogen und muss erst noch lernen, wie man diesem altmodischen Ofen etwas Wärme entlockt. Momentan sitze ich im Wintermantel auf meinem Bett und halte den Füllhalter mit behandschuhten Fingern. Aber weißt du, wer morgen vorbeischauen will, um mir mit dem nicht heizenden Scheusal zu helfen? Herr Schulze, der ehemalige Empfangschef aus dem Palais! Er ist vor Kurzem im Restaurant aufgetaucht und hat mir erzählt, dass er ebenfalls der deutschen Heimat den Rücken gekehrt hat. Kein Wunder, die neue Regierung will ihm bestimmt auch an den Kragen, er ist schließlich Sozialdemokrat.

Überhaupt wimmelt es hier in Paris von emigrierten Deutschen. Das Restaurant brummt deswegen regelrecht. In der Fremde hat eben jedermann Sehnsucht nach den altbekannten Speisen. Inzwischen bieten wir auch eine zweite Karte mit nordischen und rheinischen Spezialitäten an. Es ist meiner Chefin Helga zwar eigentlich nicht recht, weil ihr Restaurant doch »Le Relais de Bavière« heißt und auf die bayerische Küche spezialisiert ist. Aber warum sollte ich einem netten Kölner nicht einen Rheinischen Sauerbraten zubereiten oder einem Hamburger das geliebte Labskaus verweigern? Heimisches Essen füllt ja nicht nur den Magen, sondern macht auch die Seele glücklich. Und mit dem zusätzlichen Gewinn können wir endlich einige der alten Kochgeräte erneuern. Das tut auch dringend Not.

Wie eigensüchtig von mir â¦ da schreibe ich nur von meinen Belangen. Dabei interessiert dich doch sicherlich, wie es deiner hiesigen Verwandtschaft ergeht. Nun, es wird dich wundern â¦ dein Cousin Gabriel weigert sich inzwischen, auch nur ein einziges Wort Deutsch zu reden! Er parliert nur noch auf Französisch. Und wenn ich ihn und seine Eltern besuche, muss ich mich arg anstrengen, um zu verstehen, was er sagt. Aber dafür hat er nette Freunde gefunden, mit denen er, so oft es geht, Fußball spielt. Seitdem dein Onkel tagsüber wieder arbeitet, öffnet deine Tante Johanna ihre Türen für alle Geflohenen, die in Paris Anschluss und Hilfe suchen. Sie übersetzt notwendige Papiere und schenkt jedem ein freundliches Lächeln. Deine Tante hatte eben schon immer ein gutes Herz! Auch Herrn Schulze war sie bei der Suche nach einem erschwinglichen Zimmer behilflich. Ihre Schwiegereltern, die anfangs lange Gesichter gezogen haben, sind jetzt übrigens ganz auf ihrer Seite. An manchen Tagen geht es in der Wohnung zu wie in einem Kaffeehaus. Alle paar Minuten kommt jemand Neues zur Tür hereingeschneit!

So, jetzt muss ich mir ganz schnell eine Tasse Tee zubereiten, damit meine erfrorene Nase wieder auftaut. Aber sobald ich meine Wohnung anständig beheizen kann, musst du mich besuchen kommen. Versprochen?

Grüß mir deine Eltern und den kleinen Oskar! Pass gut auf dich auf. Sei brav und schreib mir bald wieder. Ich freue mich über jeden deiner Briefe!

Es drückt dich ganz fest,

Deine Minna

Nachdenklich legte Julia den Brief zur Seite. Das Herz tat ihr weh, wenn sie diese Zeilen las. Sie vermisste Minna. Es war so tröstlich, wenn man seine Arme um ihre weiche, runde Taille schlingen konnte. Ganz anders, als wenn sie ihre kleine, zierliche Mutter umarmte. Das war auch schön, aber eben auf andere Art. Sie hätte Minna auch gern von ihrem Alltag erzählt: dass Ava und sie nicht fürs Schwänzen bestraft worden waren, weil Frau Cohen und ihr Vater eine offizielle Entschuldigung geschrieben hatten. Dass sie aber seitdem trotzdem diesen dummen...

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