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Das Ende von gestern ist der Anfang von morgen

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
430 Seiten
Deutsch
Bastei Entertainmenterschienen am26.04.20241. Aufl. 2024
Ist es jemals zu spät für zweite Chancen?

London, 1974: Die 17-jährige Pippa St George, Tochter aus gutem Hause, trifft bei einem Punkkonzert Oz, den Sänger der Band. Oz steht für alles, was ihre Familie verachtet. Gegen alle Konventionen und gegen jede Logik verlieben sich die beiden ineinander, doch dann werden sie von der harten Realität eingeholt.

London, Gegenwart: Online-Redakteurin Gilly ist überglücklich, als sie eine erschwingliche Wohnung in einem viktorianischen Mietshaus findet. Doch das Haus soll verkauft und luxussaniert werden. Um das zu verhindern, tut Gilly sich mit ihrem Nachbarn, dem Dokumentarfilmer Owen, zusammen. Während ihrer Recherche stoßen die beiden auf eine Geschichte, die sie weit in die Vergangenheit führt ...



Als leidenschaftliche Leserin studierte Kathinka Engel allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft und arbeitete im In- und Ausland für eine Literaturagentur, ein Literaturmagazin sowie als Übersetzerin und Lektorin für verschiedene Verlage. Sie lebt in Berlin, ist aber in London zu Hause. Unter @kathinka.engel teilt sie auf Instagram und Tiktok ihre Begeisterung für Bücher und das Schreiben.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR16,99
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextIst es jemals zu spät für zweite Chancen?

London, 1974: Die 17-jährige Pippa St George, Tochter aus gutem Hause, trifft bei einem Punkkonzert Oz, den Sänger der Band. Oz steht für alles, was ihre Familie verachtet. Gegen alle Konventionen und gegen jede Logik verlieben sich die beiden ineinander, doch dann werden sie von der harten Realität eingeholt.

London, Gegenwart: Online-Redakteurin Gilly ist überglücklich, als sie eine erschwingliche Wohnung in einem viktorianischen Mietshaus findet. Doch das Haus soll verkauft und luxussaniert werden. Um das zu verhindern, tut Gilly sich mit ihrem Nachbarn, dem Dokumentarfilmer Owen, zusammen. Während ihrer Recherche stoßen die beiden auf eine Geschichte, die sie weit in die Vergangenheit führt ...



Als leidenschaftliche Leserin studierte Kathinka Engel allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft und arbeitete im In- und Ausland für eine Literaturagentur, ein Literaturmagazin sowie als Übersetzerin und Lektorin für verschiedene Verlage. Sie lebt in Berlin, ist aber in London zu Hause. Unter @kathinka.engel teilt sie auf Instagram und Tiktok ihre Begeisterung für Bücher und das Schreiben.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783751756006
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum26.04.2024
Auflage1. Aufl. 2024
Seiten430 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2181 Kbytes
Artikel-Nr.12611503
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


1

Wenn es eine Sache gibt, die man über mich wissen sollte, dann diese: Ich verliebe mich schnell und entliebe mich langsam. Das war schon immer so und entzieht sich sowohl meiner Kontrolle als auch meinem Verständnis. Ich hänge mein Herz in null Komma nichts an Menschen wie Dinge gleichermaßen, an Orte und Momente. Und da baumelt es dann - meistens über den Zeitpunkt hinaus, an dem es noch gut für mich ist.

Vor siebeneinhalb Minuten habe ich mich beispielsweise auf den ersten Blick und Hals über Kopf und mit Haut und Haar in eine Wohnung in der 19 Tolpuddle Street im Londoner Borough Camden verliebt. Und nicht nur in die Wohnung, sondern auch in das viktorianische Haus mit roter Ziegelfassade. In die weißen Fensterrahmen und ihre Verschnörkelungen, die kleinen Erker im Erdgeschoss und ersten Stock. In die Glyzinie über dem überdachten Eingangsbereich, in die rostrote Tür mit der messingfarbenen Nummer 19, deren Neun leicht schief hängt. In das quietschende Gartentor und den knorrigen Apfelbaum im Vorgarten. Und - und das vielleicht am allermeisten - in die geforderte Monatsmiete, die im Gegensatz zu allen anderen Löchern, die ich in den letzten Wochen besichtigt habe, nicht zwei Drittel meines Gehalts verschlingt.

»Ich melde mich bei Ihnen, Gillian«, sagt Andrew, der Makler, und schüttelt mir die Hand.

»Ich bin wirklich sehr, sehr interessiert«, erwidere ich und lächle ihn - wie ich hoffe - auf eine charmante Weise an. Dann schiebe ich ein weiteres »sehr« hinterher.

»Ist notiert.«

Als ich mich bereits ein paar Schritte entfernt habe, drehe ich mich noch einmal um. »Sehr!«, rufe ich erneut, nur für den Fall, dass er noch nicht restlos von meinem Interesse überzeugt ist.

Er reckt den Daumen in die Höhe, und in dem Moment, da ich meinen Blick wieder nach vorne richten will, rempelt mich ein Kerl an.

»Sorry«, nuschelt er, während ich überschwänglich: »Ups, sorry, keine Absicht«, sage. Er trägt eine Beanie-Mütze, aber mehr sehe ich nicht, weil er bereits mit großen Schritten an mir vorbeigeeilt ist.

Ich reibe mir meine Schulter. Das gibt einen blauen Fleck. Aber auf eine seltsame Weise habe ich auf einmal das Gefühl, dass genau dieser blaue Fleck ein gutes Omen sein könnte. Dass dieser blaue Fleck Glück bringt. Dieser blaue Fleck ist eine Botschaft an das Schicksal oder an was auch immer, dass Gillian Sallow jetzt für eine Weile genug Pech hatte und diese Wohnung verdient.

Als ich dann auch noch sehe, dass der Beanie-Typ das Gartentor der Nummer 19 aufschiebt, Andrew knapp zunickt und seinen Schlüssel zückt, bin ich mir sicher. Diesmal wird es klappen. Diesmal muss es klappen.

Auf dem Weg nach Hause verliebe ich mich in einen Song. Zackbumm. Herz drangehängt. Ich höre ihn in Dauerschleife. Auf dem Weg von der Tolpuddle Street zur Tube-Station Chalk Farm. In der Tube, während ich meinen Kopf einziehe, damit die brechend volle Feierabend-Northern-Line ihre Türen schließen kann. Er übertönt das laute Rattern des Zugs und unterstreicht zusammen mit meiner schmerzenden Schulter das Gefühl der Hoffnung, dass diese Wohnung vielleicht endlich die ist, die Luke und mich aus unserer emotionalen Zwickmühle befreit.

Ich höre den Song immer noch, als ich bei Sainsbury´s die Gänge nach einem genießbaren Fertiggericht durchkämme, das sich mit Lukes neuen Ernährungsgewohnheiten verträgt.

Sobald ich die Wohnung betrete, verbinde ich mein Handy mit Lukes Bluetooth-Box, um den Song auch im Badezimmer hören zu können. Unter der Dusche höre ich zwar nur die Hälfte, aber der Songtext hat sich in meinem Kopf verselbständigt, und inzwischen singe ich lautstark mit. Beim Abtrocknen, beim Trockenrubbeln meiner Haare.

Ich sehe mich nach meinem Bademantel um, kann ihn aber nirgends finden. Und dann fällt mir ein, dass ich ihn in einem Anfall von Aktionismus gewaschen habe und er im Wohnzimmer auf dem Wäscheständer hängt.

Also trete ich mit Handtuchturban auf dem Kopf in den Flur, just in dem Moment, als ein Schlüssel in der Wohnungstür herumgedreht und die Tür aufgeschoben wird. Luke ist hier. Luke hat früher Feierabend gemacht, ist jetzt hier und blickt mich an.

In Luke habe ich mich auch in null Komma nichts verliebt. Drittes Jahr im College, ein feuchtfröhlicher Clubabend, er stand an der Bar und sah umwerfend aus in seiner Lederjacke. Ich war auf diese euphorische Weise betrunken, die einem mit Anfang zwanzig vorgaukelt, die Welt sei eine große Wundertüte aus Möglichkeiten, die nur darauf warten, ergriffen zu werden. Man macht ein Auslandssemester in Spanien oder ein unterbezahltes Praktikum in New York. Oder man stolpert eben in eine siebenjährige Beziehung.

Und jetzt ist Luke hier, in seinem engen, verschwitzten Sportsdress, blickt mich an, und ich bin wie ein sehr nacktes Reh im Scheinwerferlicht. Erstarrt in unserem Flur. Oder besser gesagt, in seinem Flur. Denn Luke ist mein Ex. Und die Wohnung ist seine Wohnung.

»Hi«, sagt er außer Atem über die Musik hinweg. Seit wir nicht mehr zusammen sind, joggt er jeden Abend sechs Meilen von der Arbeit nach Hause. Und ich habe schnell festgestellt, dass es weniger lang dauert, sich von menschlichen Gerüchen zu entlieben als von dem Menschen selbst.

Ich will etwas erwidern, aber mein Mund klappt einfach nur auf und dann wieder zu. Obwohl Luke und ich sieben Jahre ein Bett und alles, was dazugehört, miteinander geteilt haben, kehrt die Scham zurück, wenn man Schluss macht. Vor allem, weil er sich in Form bringt - vermutlich, um sein Dating-Game erstligatauglich zu machen -, während ich mich nicht einmal mehr daran erinnern kann, wann ich zum letzten Mal meine Beine rasiert habe.

»Ich ... äh ... hi ... ich ...«, stottere ich und halte mir unbeholfen die Arme vor die Brust.

Luke wendet sich mit einem leisen Lachen ab - das Lachen, an dem früher mal mein Herz hing -, und auch mir entfährt ein Prusten, weil das alles so bescheuert ist. Nicht nur meine Nacktheit oder seine keuchenden Dehnübungen. Diese gesamte Situation, in die wir uns über Jahre manövriert haben, weil unsere Beziehung mit familiären und gesellschaftlichen Erwartungen (oder Konventionen) so überladen wurde, dass wir erst uns verloren und dann irgendwie den Absprung verpasst haben.

Mich von Luke zu entlieben dauerte lange. Es war ein schleichender Prozess. Als Erstes kamen die Zweifel. Genau benennen kann ich den Moment nicht, aber es muss nachts gewesen sein, denn diese Dinge passieren immer nachts, wenn man mit seinen Gedanken allein ist und nichts hört als das Rattern des eigenen Kopfs und das Schnarchen desjenigen Menschen, mit dem man viel zu betrunken und so jung zusammengekommen ist, dass vor jugendlicher Unsicherheit die Aussicht, irgendjemandes Freundin zu sein, erstrebenswerter schien, als allein zu bleiben.

Dann sprach ich die Zweifel eines Abends laut aus. Erst einmal nur vor meiner kreditwürdigsten Freundin Sameena, die ich seit der Grundschule kenne. Die, die ihre frühen Zwanziger tatsächlich für ein Auslandssemester und Praktika in den Metropolen der Welt genutzt hat.

Aber sobald man etwas laut ausspricht, ist es da, ist es real und verschwindet nicht mehr. Auch nicht, wenn man sieben Jahre lang ein Paar war, auch nicht, wenn man heiraten, eine Familie gründen und ein Haus in einem Vorort kaufen wollte - oder sollte (in der Erinnerung verschwimmt es). Auch nicht, wenn man auf »die große Drei« zugeht, wie mein Vater es nennt und dabei klingt, als wäre das der Anfang vom Ende.

Als ich mich schließlich überwand, mit Luke zu sprechen, reagierte er wider Erwarten weder schockiert noch verzweifelt. Im Gegenteil, er war regelrecht erleichtert und schlug sofort bereitwillig vor, getrennte Wege zu gehen, aber Freunde zu bleiben. Einen kurzen Moment war ich unschlüssig, ob ich vielleicht beleidigt sein sollte, schließlich war ich sieben Jahre lang eine ziemlich tolle feste Freundin gewesen. Doch dann fiel mir ein, dass Luke auf dem Papier auch ein ziemlich toller fester Freund gewesen war. An diesem Abend beendeten wir unsere Beziehung. Nur der Punkt mit den getrennten Wegen ist noch so eine Sache.

Vor zwei Monaten erzählten wir es immerhin unseren Familien, die mit Enttäuschung und Unverständnis (auf meiner Seite, denn jemand, der erfolgreich ein IT-Start-up für medizinische Datenbanken ins Leben gerufen hat, ist wohl der Inbegriff einer guten Partie) und den besten Wünschen und Verständnis (auf seiner Seite) reagierten.

Hinter dem Sofa in der Wohnküche, das seit der Trennung außerdem mein Bett ist, suche ich nun versteckt vor Lukes Blicken nach frischer Unterwäsche.

Luke hat sich zu Ende gedehnt und ext ein Pintglas mit Wasser, das wir vor Jahren aus unserem Local mitgenommen haben, als zwar schon Sperrstunde, aber das Glas noch halbvoll war. Damals, als alle Gläser noch halbvoll wirkten. Seine Haare kleben auf der verschwitzten Stirn. »Wie war denn die Wohnung?«, fragt er und schaltet energisch die Bluetooth-Box aus. In angezogenerem Zustand wäre ich ihm längst zuvorgekommen, schon um des fragilen Haussegens willen. Aber auch, weil der Song nicht Lukes Geschmack entspricht.

Der Moment, in dem Luke anfing zu joggen, war der Moment, in dem ich mich in die frustrierende Wohnungssuche stürzte. Dass der Londoner Mietmarkt ein Arschloch ist, war mir natürlich klar. Aber dass mein eigentlich okayes Redakteurinnengehalt so wenig wert ist, fühlt sich an guten Tagen ernüchternd an. An schlechten ... Sagen wir, ich habe mehr als einmal in...

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Als leidenschaftliche Leserin studierte Kathinka Engel allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft und arbeitete im In- und Ausland für eine Literaturagentur, ein Literaturmagazin sowie als Übersetzerin und Lektorin für verschiedene Verlage. Sie lebt in Berlin, ist aber in London zu Hause. Unter @kathinka.engel teilt sie auf Instagram und Tiktok ihre Begeisterung für Bücher und das Schreiben.
Das Ende von gestern ist der Anfang von morgen