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Wo die Liebe schläft

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
400 Seiten
Deutsch
Verlag Freies Geisteslebenerschienen am12.10.2022Novität
Wie lieben wir? Und wie verändert sich die Liebe im Laufe unseres Lebens? Iris, eine Museumskonservatorin in den mittleren Vierzigern, lernt auf einem Empfang den Historiker Raif kennen. Es scheint Liebe auf den ersten Blick - und mit ihrer Begegnung stellt sich die Frage nach einem glücklichen Leben für beide noch einmal ganz neu. Wann sind wir bereit, ein neues Kapitel aufzuschlagen, und wie viel Intensität, Risiko und Schmerz lassen wir zu, wenn es um unsere Gefühle und Beziehungen geht? Mit erzählerischer Raffinesse entwickelt Lavinia Greenlaw ein komplexes Szenario von Liebe. Ein lebenskluger und ein durch und durch gegenwärtiger Roman.

Lavinia Greenlaw, 1962 in London geboren, unterrichtet als Professorin Kreatives Schreiben in London. Mit ihren Gedichten stand sie u.a. auf der Shortlist des T.S. Eliot Prize und des Whitbread Book Award. Im Frühjahr 2022 erschien bei Freies Geistesleben ihr Erinnerungsband ?Tonspuren. Erinnerungen an eine Jugend?.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR29,90
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR24,99

Produkt

KlappentextWie lieben wir? Und wie verändert sich die Liebe im Laufe unseres Lebens? Iris, eine Museumskonservatorin in den mittleren Vierzigern, lernt auf einem Empfang den Historiker Raif kennen. Es scheint Liebe auf den ersten Blick - und mit ihrer Begegnung stellt sich die Frage nach einem glücklichen Leben für beide noch einmal ganz neu. Wann sind wir bereit, ein neues Kapitel aufzuschlagen, und wie viel Intensität, Risiko und Schmerz lassen wir zu, wenn es um unsere Gefühle und Beziehungen geht? Mit erzählerischer Raffinesse entwickelt Lavinia Greenlaw ein komplexes Szenario von Liebe. Ein lebenskluger und ein durch und durch gegenwärtiger Roman.

Lavinia Greenlaw, 1962 in London geboren, unterrichtet als Professorin Kreatives Schreiben in London. Mit ihren Gedichten stand sie u.a. auf der Shortlist des T.S. Eliot Prize und des Whitbread Book Award. Im Frühjahr 2022 erschien bei Freies Geistesleben ihr Erinnerungsband ?Tonspuren. Erinnerungen an eine Jugend?.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783772544330
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum12.10.2022
AuflageNovität
ReiheOktaven
Seiten400 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1419 Kbytes
Artikel-Nr.9957474
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Inhaltsverzeichnis
Ja
Folgen
Die Schlittknochen
Die einzige Möglichkeit
Ein versagendes Werkzeug
Wer bist du?
Irgendwo
Flirtet er mit ihr?
Der Wolkenspiegel
Treffpunkt
Lack
Eine zurückgezogene Erinnerung
Neugier
Ich bin nicht, was ich bin
Schwarzer Dunst
Die kleinen Aufstände
Ein Muster
Die unterbrochene Stadt
Der Meermann
Ein überfüllter Raum
Etwas drängt
Wie ein Herz gebrochen wird
Ich bin nicht, ich fühle mich nicht
Eine Klinge
Unsere Schokoladenseite
Der Stich
Anatomie-Modell eines Pferdes
Eine Verständigung über seine Körperteile
Er Möchte etwas sagen
Raum, so einfach auf den Kopf gestellt
Ausgestellt
Ein Yardstock
Regen
Ein kleiner grüner Ort
Wie es wirklich war
Dann verlasse ich dich jetzt?
Die Türme
Das Herz
Blendend
Wo bist du wo ich bin?
Ablenkung vom Abschluss
All das trifft zu
Liebe
Der Mortsafe
Das Neue
Ein Aussetzer
Das kann ich nicht sagen
Das Objekt ermahnt uns
Alarm
Die eiserne Lunge
Fragen
Was fehlt, was bleibt
Der Wallgucker
Wessen Geschichte?
Der dunkle Ort
Benutzt, kaputt, verloren
Ein Schalter
Blüte
Ein praktischer Impuls
Geschichte
Küssen
Tageslicht
Ein Museum
Die Wunderkiste
Und wenn sie stürzt?
Wo Gewissheit liegt
Die Form, die sie annimmt
Eine Stärkung
Der Zauber des Objekts
Das Skelett
Eine Provokation
Sex
Glück
Das unbekannte Objekt
Ein Faible, das bleiben darf
Nichts wird sich ändern
Manchmal sind wir in derselben Stadt
Danksagung und Quellen
Impressum
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Leseprobe


Ein versagendes Werkzeug

In ihrem Alter ist Iris bewusst, dass sowohl Entscheidungen als auch die zugrundeliegenden Gefühle viele Komponenten haben. Es geht darum, die Dinge ins Gleichgewicht zu bringen, und das kann sie gut. Sie geht gern methodisch, sorgfältig und unbeteiligt vor. Und doch hindert die Begegnung mit einem Fremden sie daran, die Entscheidung hinsichtlich der Wiederherstellung ihrer Familie in die Tat umzusetzen. Obwohl ihr die Vorstellung, dass man sie so leicht von ihrem Weg abbringen kann, überhaupt nicht gefällt, weiß sie, dass es mit Raif zu tun hat, wie sie sich gerade fühlt, nämlich unterschwellig sehr viel ambitionierter und lebendiger.

Das Wochenende gestaltet sich öde, ihre Töchter sind quengelig und langweilen sich bei allem, was sie bisher gern getan haben. Iris möchte an einem Bericht arbeiten, doch dafür braucht sie Dokumente, die sie im Depot des Museums gelassen hat. Dieses Gebäude, in dem sie regelmäßig einen Teil ihrer Arbeitszeit verbringt, liegt jedoch im äußersten Westen.

Die Mädchen lungern auf dem Sofa und treten einander sporadisch. Iris drängt sich zwischen sie.

«Wollt ihr mit ins Depot?»

Sie sieht Kate an, die Lou anschaut, die sich noch mehr ins Polster lümmelt, bevor sie antwortet.

«Sachen angucken? Haben wir doch schon gemacht.»

Kate bemüht sich, so gelangweilt zu klingen wie ihre Schwester.

«Haben wir alles schon gesehen.»

«Aber nicht meinen Arbeitsplatz.»

«Was soll daran so interessant sein?»

«Dort lagern dreimal so viele Objekte wie im Museum.»

Während Lou die Information auf sich wirken lässt, fällt ihr etwas anderes ein.

«Das Depot ist privat, oder?»

«Na ja, es ist für die Öffentlichkeit nicht zugänglich.»

«Also ist es ein besonderes Gebäude, in das normale Menschen nicht reindürfen?»

«Genau. Man braucht einen Ausweis und eine Sondergenehmigung.»

«Okay, dann ja.»

«Holt eure Mäntel.»

«Es ist Sommer.»

«Nehmt sie mit.»

Lou und Kate haben ihr ganzes Leben in der Stadt verbracht und wissen wie alle anderen weniger darüber, als sie denken. Sie kennen ihre Wege und Ziele und nehmen wenig Kenntnis von allem, was dazwischen liegt. Im Standard-Stadtplan sind die Attraktionen, Geschäfte und Denkmäler aufgelistet, von denen jeder schon einmal gehört hat. Doch es gibt auch eine ausgetüfteltere Karte mit weniger bekannten Stellen, deren Standorte schwer zu beschreiben wären. Sie finden sich eher dort, wo die City sich ihrer selbst nicht sicher ist, wo nichts ist, wie es scheint und wo das eine das andere abschleift oder bekämpft und nichts zusammenpasst. An solch einem Ort befinden sich Lou und Kate jetzt, sie sind verunsichert und gespannt.

Das Depot war in einem weitläufigen Gebäude, der ehemaligen Hauptverwaltung der Postsparkasse, untergebracht. Um die Wende zum 20. Jahrhundert saßen hier viertausend Menschen nach Frauen und Männern getrennt und bearbeiteten hunderttausend Korrespondenzen am Tag. Das Gebäude war für Menschen gedacht, die einer abstrakten Tätigkeit nachgingen: der Bewegung von Geld. Mittlerweile sind nur noch wenige Menschen hier, dafür aber sehr viele eingelagerte Objekte.

Lou lässt ihren scharfen Blick kurz über das verrußte Backsteinhaus, die veralteten Regenrinnen und den schmuddeligen Eingang schweifen. Es ist ihre Art, mit neuen Begegnungen umzugehen. Man betrachtet jemanden, als würde mit dieser Person etwas nicht stimmen, bevor sie es mit einem selbst tun könnte.

«Wie ein Depot sieht das nicht aus», sagt sie.

Kate nimmt Iris Hand, als müsste eher ihre Mutter getröstet werden.

«Mum», sagt sie. «Können wir uns jetzt etwas ansehen?»

Sie folgen Iris die Treppe hinunter und durch lange Gänge. Als die Wärme des Tages schwindet, ziehen sie ihre Mäntel an. Genauso gut könnten sie in einer Kirche, einem Krankenhaus oder einem Gefängnis sein. Fenster sind rar gesät.

«Schlechte Luft», sagt Kate. «Total verbraucht.»

«Tja, hier lagern auch viele verbrauchte Dinge», erwidert Iris.

Sie beginnt ihren Rundgang mit einem Raum voller Votivgaben, in dem reihenweise Mutterschöße aus Lehm und Phallusse sowie grobe Figuren mit geschwollenen Bäuchen stehen. Die Mädchen gehen ehrfürchtig von einer Schauvitrine zur nächsten und tun so, als würden sie sich alles ansehen, obwohl diese Gegenstände zu klein und zu unbestimmt sind, um tatsächlich ihr Interesse zu wecken.

«Wieso sind sie nicht hergerichtet?», fragt Lou.

«Weil sie hier nicht ausgestellt werden.»

Die Mädchen kennen Museen als Orte, an denen Exponate entweder außer Reichweite hinter Glas liegen oder ihnen in die Hände gelegt werden. Hier bewegen sie sich umsichtig und halten Abstand. Kate deutet Iris Miene als Enttäuschung.

«Was ist dein Lieblingsstück?», fragt sie.

Im Depot sind alle Gegenstände nur mit einer Nummer beschriftet. Die Magie der Einordnung geschieht in den Ausstellungsräumen des Museums. Die Besucher betrachten einen Lehmklumpen, weil die Bildbeschriftung ihnen mitteilt, wie selten und bedeutend er ist - wo er wann gefunden wurde und welche geheimen Kräfte ihm innewohnen. Iris wäre es lieber, wenn die Leute zuerst das unbeschriftete Objekt sähen - als einen Lehmklumpen - und es erst danach als ein Mittel wahrnahmen, die Zukunft vorherzusagen.

Sie schließt die Vitrine auf, zieht ein Fach heraus und erklärt, dass dieser spezielle Lehmklumpen die Kopie eines Modells einer Tierleber darstellt. Das Original ist viertausend Jahre alt.

«Das hier ist viertausend Jahre alt?», fragt Kate.

«Nein», antwortet Iris. «Das ist eine Kopie, aber immerhin hundert Jahre alt.»

«Was sind das für Zeichen?» Kate demonstriert Interesse, während Lou gar nicht richtig hinsieht.

«Babylonische Schrift», sagt Iris.

«Und was steht da?»

«Das weiß ich nicht.»

«Und was soll das Ganze dann?», fragt Lou.

«Es handelt sich um mehrere Prophezeiungen. Ein Priester bringt ein Tieropfer, schneidet die Leber heraus und sucht nach Zeichen. Danach schaut er oder sie sich die gleiche Stelle an einem Modell an und stellt eine Vorhersage. Wie ein Orakel oder ein Horoskop.»

«Haben sie das Tier vorher getötet oder einfach die Leber rausgeschnitten?», will Kate wissen.

Kate gibt sich alle Mühe, das Besondere an diesem Lehmklumpen zu spüren, doch Lous Bedürfnis, etwas zu sagen, ist größer als das, ihre Mutter zu schützen.

«Was fängt ein Museum mit einer Kopie an?», fragt sie.

«Damit werden Lücken in einer Sammlung geschlossen.»

«Obwohl es gar nicht das echte Teil ist?»

Nach kurzem Zögern versucht sich Iris an einer Erklärung.

«Man kann nur sehr schwer bestimmen, was echt ist. Alles stellt sich mehr oder weniger als eine Version von etwas anderem oder als Version einer Idee heraus.»

«Bin ich eine Version?», sagt Kate.

«Das könnte man so sagen», antwortet Iris. «Du bist eine Version von Dad und mir, aber du bist gleichzeitig ein Original, du selbst, einzigartig und echt.»

Kate lacht entzückt, aber Lou besteht auf ihrer Langeweile.

«Wieso gibt es so viel von dem Gleichen? Reicht nicht ein Exemplar?»

«Der Mann, der das alles gesammelt hat, war anscheinend anderer Meinung.»

Ihre Töchter interessieren sich nicht für die Meinung des Sammlers und Iris überlegt, was sie ihnen noch bieten könnte.

«Wir haben fünfzig Zahnarztstühle.»

Lou schüttelt den Kopf.

«Das sind doch bloß Zahnarztstühle.»

«Stimmt, aber fünfzig Stück.»

Kate drängt sich zwischen sie und ruft, als wäre sie fünf und nicht zehn: «Die will ich sehen!»

Das Museum hat zwei Zahnarztstühle in aufwändigen Lehrmodellen von Operationen der entsprechenden Epoche ausgestellt. Die Stühle verschmelzen mit der passenden Umgebung. Hier im Untergeschoss des Depots wirken sie zusammengeschoben neben den eisernen Lungen und Röntgengeräten verstörend.

Die Mädchen sind beeindruckt.

«So viele komische Möbel», flüstert Kate.

Haufenweise stehen Versionen von Betten, Tischen, Schränken und Stühlen herum. Von schlichten Holzlatten zu einem Thron aus rotem Samt, Leder, Chrom, Plastik und einer klinischen hellgrünen Lackierung strahlen sie alle die gleiche Ambivalenz aus. Ruh dich aus, sagen sie, aber auch halte aus.

Seit Jahrhunderten erfinden wir neue Methoden, in den Körper einzudringen und auf ihn einzuwirken. Doch wenn wir jetzt einen Körper aufschneiden, können wir nur voraussagen, warum er nicht mitmacht, ob er es je wieder tun wird, und vielleicht, wie lange.

Abends bekommt Iris einen Anruf nach dem anderen, während sie mit den Mädchen fernschaut. Während das Handy auf dem Beistelltisch vor dem Sofa vibriert, können sie alle Davids Namen sehen. Iris rührt sich nicht. Beim vierten Anruf streckt Kate den Arm aus, doch Lou hält sie fest. Die Mädchen ahmen ihre Mutter nach und konzentrieren sich auf das Fernsehprogramm. Obwohl Iris vorgibt, nichts zu merken, ist sie schier entsetzt. Wann haben die Mädchen sich zu diesen blassen kleinen Diplomatinnen entwickelt? Sie sind zu jung für diese Art von Vorsicht.

Kaum sind sie im Bett, ruft sie David an.

«Es nimmt...

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