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Oben Erde, unten Himmel

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
304 Seiten
Deutsch
Verlag Klaus Wagenbacherschienen am02.02.2023
»Alleinstehend. Mit Hamster«, so beschreibt sie sich selbst. Suzu lebt in einer japanischen Großstadt. Unscheinbar. Durchscheinend fast. Der neue Job aber verändert alles. Ein umwerfender Roman über Nachsicht, Umsicht und gegenseitige Achtung. Herr Ono ist unbemerkt verstorben. Allein. Es gibt viele wie ihn, immer mehr. Erst wenn es wärmer wird, rufen die Nachbarn die Polizei. Und dann Herrn Sakai mit dem Putztrupp, zu dem Suzu nun gehört. Sie sind spezialisiert auf solche Kodokushi-Fälle. »Fräulein Suzu«, wie der Chef sie nennt, fügt sich widerstrebend in die neuen Aufgaben. Es braucht dafür viel Geduld, Ehrfurcht und Sorgfalt, außerdem einen robusten Magen. Die Städte wachsen, zugleich entfernt man sich voneinander, und häufig verschwimmt die Grenze zwischen Desinteresse und Diskretion. Suzu lernt schnell. Und sie lernt schnell Menschen kennen. Tote wie Lebendige, mit ganz unterschiedlichen Daseinswegen. Sie sieht Fassaden bröckeln und ihre eigene porös werden. Und obwohl ihr Goldhamster sich neuerdings vor ihr versteckt, ist sie mit einem Mal viel weniger allein. Milena Michiko Fla?ar hat eine frische, oft heitere Sprache für ein großes Thema unserer Zeit gefunden. Und sie hat liebenswert verschusselte Figuren erschaffen, die man gern begleitet. Ein unvergesslicher, hellwacher Roman über die ?letzten Dinge?.

Milena Michiko Fla?ar, geboren 1980 in St. Pölten, hat in Wien und Berlin Germanistik und Romanistik studiert. Sie ist die Tochter einer japanischen Mutter und eines österreichischen Vaters. Ihre Romane »Ich nannte ihn Krawatte« und »Herr Kato spielt Familie« wurden mehrfach ausgezeichnet und in zahlreiche Sprachen übersetzt. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in Wien.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR26,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR22,99

Produkt

Klappentext»Alleinstehend. Mit Hamster«, so beschreibt sie sich selbst. Suzu lebt in einer japanischen Großstadt. Unscheinbar. Durchscheinend fast. Der neue Job aber verändert alles. Ein umwerfender Roman über Nachsicht, Umsicht und gegenseitige Achtung. Herr Ono ist unbemerkt verstorben. Allein. Es gibt viele wie ihn, immer mehr. Erst wenn es wärmer wird, rufen die Nachbarn die Polizei. Und dann Herrn Sakai mit dem Putztrupp, zu dem Suzu nun gehört. Sie sind spezialisiert auf solche Kodokushi-Fälle. »Fräulein Suzu«, wie der Chef sie nennt, fügt sich widerstrebend in die neuen Aufgaben. Es braucht dafür viel Geduld, Ehrfurcht und Sorgfalt, außerdem einen robusten Magen. Die Städte wachsen, zugleich entfernt man sich voneinander, und häufig verschwimmt die Grenze zwischen Desinteresse und Diskretion. Suzu lernt schnell. Und sie lernt schnell Menschen kennen. Tote wie Lebendige, mit ganz unterschiedlichen Daseinswegen. Sie sieht Fassaden bröckeln und ihre eigene porös werden. Und obwohl ihr Goldhamster sich neuerdings vor ihr versteckt, ist sie mit einem Mal viel weniger allein. Milena Michiko Fla?ar hat eine frische, oft heitere Sprache für ein großes Thema unserer Zeit gefunden. Und sie hat liebenswert verschusselte Figuren erschaffen, die man gern begleitet. Ein unvergesslicher, hellwacher Roman über die ?letzten Dinge?.

Milena Michiko Fla?ar, geboren 1980 in St. Pölten, hat in Wien und Berlin Germanistik und Romanistik studiert. Sie ist die Tochter einer japanischen Mutter und eines österreichischen Vaters. Ihre Romane »Ich nannte ihn Krawatte« und »Herr Kato spielt Familie« wurden mehrfach ausgezeichnet und in zahlreiche Sprachen übersetzt. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in Wien.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783803143631
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum02.02.2023
Seiten304 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse886 Kbytes
Artikel-Nr.10984945
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

WINTER, FRÜHLING â¦

Ich war gerne allein. Und eigentlich hat sich daran auch nichts geändert. Nach wie vor bin ich kein Mensch, der viel Gesellschaft um sich braucht. Anders als früher brauche ich jedoch welche, und die Erkenntnis, dass dem so ist, hat meinem Leben eine neue Richtung gegeben. Davor glich es einer Einbahnstraße, auf der nur ich allein unterwegs war. Kein Gegenverkehr. Kein Stau. Ich kam einigermaßen voran. Aber machte es mir denn Spaß voranzukommen? Die Antwort lautet definitiv Nein.

Nicht, dass ich besonders mürrisch gewesen wäre. Meine Launen, sowohl die guten als auch die schlechten, hielten einander die Waage. Ich fand bloß, Spaßhaben war etwas für Leute, die eine natürliche Begabung dafür besaßen. Sie interessierten sich für den Weg, der vor ihnen lag, und sie teilten ihn mit ihresgleichen. Zusammen bildeten sie Grüppchen, die wiederum Gruppen bildeten. Wo es notwendig war, tat ich dasselbe. Weder war ich ein extremer Eigenbrötler noch hatte ich eine Rebellion à la Ich gegen die Welt im Sinne. Ich wollte ganz einfach in Ruhe gelassen werden. Schon in der Schulzeit investierte ich nur ein Minimum an Aufwand in puncto Freundschaften, und obwohl ich aufgrund meiner Durchschnittlichkeit keine Probleme hatte, mich in die Klasse mit ihren Cliquen einzufügen, baute ich zu keinem meiner Mitschüler ein engeres Verhältnis auf. Schuld daran war vielleicht mein Phlegma. Kontakte zu pflegen oder überhaupt erst zu knüpfen empfand ich als lästig. Es erschöpfte mich, jemanden kennenzulernen. All die Gespräche, die man führen musste, um auf eine gemeinsame Schnittmenge zu kommen! All die Missverständnisse und Verstrickungen, die sich dabei ergaben! Wozu die Mühe? Es war schon anstrengend genug, ich selber zu sein. Wenigstens dachte das die pickelige Sechzehnjährige, die ich einmal war, und als ich erwachsen wurde, behielt ich diese Denkweise aus purer Bequemlichkeit bei.

Leben und leben lassen war mein Motto. Intimität überforderte mich. Selten gab ich etwas von mir preis oder war neugierig auf die Geheimnisse eines anderen. Ich hatte keinerlei Bedürfnis danach, sie ihm zu entlocken. Die ideale Beziehung - egal zu wem - bestand meiner Meinung nach darin, nicht zu viel voneinander zu erwarten. Ein bisschen Smalltalk hier und da. Darüber, dass es kalt war. Und dass man ihn schon roch, den Schnee, der noch nicht gefallen war. Mehr fiel mir nicht ein. Sobald die Rede auf Persönliches kam, schnürte es mir die Kehle zusammen. Ein vertraulicher Tonfall verursachte mir Herzrasen. Ich mochte es leicht und unverbindlich. Bei der Arbeit - ich jobbte als Aushilfskellnerin - galt ich deshalb als unnahbar, und ich unternahm keinerlei Versuch, das Bild von mir richtigzustellen. Ohnehin war ich in den Pausen, die ich im Gemeinschaftsraum verbrachte, allein. Meine Kolleginnen hatten anfangs noch guten Willen gezeigt. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit hatten sie mich in ihre Plaudereien miteinbezogen. Nach und nach aber - weil sie merkten, dass sie mir gleichgültig waren - wurden sie es leid, sich um meinethalben den Mund fusselig zu reden, und so nahm ich bald die Position einer Außenseiterin ein. Mir recht, dachte ich, mittlerweile fünfundzwanzig Jahre alt. Solange Frieden zwischen uns herrschte, mussten wir uns nichts vormachen von wegen Wir sitzen im gleichen Boot. Nach Dienstschluss (und wie ich ihn herbeisehnte, den Moment, in dem ich den Spind zuschlug) war ich die Erste, die sich ihrer rosafarbenen Uniform entledigte, und ich war die Erste, die hinaus auf den Parkplatz trat. Aus dem Restaurant, einem typischen FamiResu im Diner-Stil, fiel warmes Licht auf den Asphalt. Ich sah Kinder in Hochstühlen und Eltern, die sie fütterten. Die Luft roch nach Frittieröl und scharf angebratenem Fleisch. Der Geruch hing auch in meinen Haaren. Bei jedem Schritt wehte er mich an, und ich lief schneller, um ihm zu entkommen. Spätestens beim Bahnhof, von wo ich auf direktem Weg nach Hause fuhr, hatte er sich verflüchtigt.

Das ungefähr war das Leben, das ich führte, und es war nicht das schlechteste. Von mir aus hätte es ewig so weitergehen können. Ich vermisste nichts. Im Gegenteil. Wenn ich im Zug die Augen schloss, breitete sich eine wohlige Dunkelheit in mir aus. Wieder war ein Tag vergangen, und ich war niemandem zur Last gefallen. Ein Tablett nach dem anderen hatte ich an die nummerierten Tische befördert. Ich hatte vorschriftsgemäß gegrüßt und gelächelt. Vom vielen Lächeln taten mir die Gesichtsmuskeln weh. Aber okay! Irgendetwas musste einem wehtun, sonst war man tot, oder? Der Spruch stammte von meinem ehemaligen Sportlehrer, den ich als einen wahren Folterer in Erinnerung hatte. Mit uns Mädchen ging er nicht zimperlich um. Die Ausrede Ich habe meine Periode prallte wie ein Ball von ihm ab, und wer über Seitenstechen klagte, der wurde zu einer Extrarunde über den Ascheplatz verdonnert. Seine Trillerpfeife fiel mir ein. Er war quasi eins mit ihr, und nur zum Brüllen nahm er sie heraus, wobei ihm der Speichel von den Lippen sprühte. »Teamgeist, Takada! Herrgott noch mal! Du bist Teil einer Mannschaft. Kapier das endlich!« Häufiger, als mir lieb war, gingen mir diese Worte durch den Kopf. Sie vermischten sich mit den Geräuschen, die zu mir drangen, dem Zischen der U-Bahn-Türen, wenn sie auf- und zugingen, dem monotonen Rattern der Räder auf den Gleisen, und noch ehe ich mich versah, war ich eingenickt. Es war kein tiefer Schlaf. Die Dunkelheit in mir wurde dicker und dicker. Gleichzeitig hatte ich ein überwaches Gespür für noch die kleinsten Regungen meiner Sitznachbarn. Manchmal geschah es, dass wir einander streiften, aber es geschah absichtslos, und die Berührung war keine, die uns zu einer Entschuldigung verpflichtet hätte. Die meisten, stellte ich fest, hatten so wie ich die Augen geschlossen. Und so wie ich waren sie unversehens eingenickt. Manch einer schnarchte. Wir waren ein Zug von Schlafenden. Wir stiegen ein und wieder aus. »Pst!«, las ich auf einer Tafel. Sie hielt die Fahrgäste dazu an, ihre Handys auf stumm zu schalten. Die Regel, nicht durch übermäßig lautes Telefonieren zu stören, befolgte ich gewissenhaft, beziehungsweise befolgte sie sich in meinem Fall von selbst, da ich niemanden kannte, den ich so spät noch hätte anrufen wollen. Nach sechs Jahren in der Stadt hatte ich nur eine Handvoll lose Bekanntschaften in meiner Kontaktliste gespeichert, darunter die Maniküristin, die ich regelmäßig aufsuchte. Sie war von Berufs wegen eine geschwätzige Person, verstand es aber, die Klappe zu halten, wenn sich ihr Gegenüber als mundfaul erwies. Sie versank dann ihrerseits in ein nicht unangenehmes Schweigen. Still feilte sie mir die Nägel, und still schaute ich ihr beim Feilen zu. Trotzdem bildete ich mir ein, wir wären uns im Laufe der Zeit nähergekommen. Ob sie das ähnlich sah? Einmal sagte sie: »Die Nägel meiner Stammkundschaft sind jeder für sich genommen einzigartig. Ich könnte sie blind voneinander unterscheiden.« Damals beneidete ich sie ein bisschen um ihre Selbstsicherheit. Ihren Beruf bezeichnete sie als eine Berufung, was ich übertrieben fand, sie war ja kein Arzt oder so was, dennoch gab es mir zu denken, wie wenig stolz und ehrgeizig ich selber war. Wünschte ich mir etwas? Die Zauberfee, die mir die Frage stellte, wäre zweifellos enttäuscht gewesen. Außer dass ich nach Hause wollte und zwar so rasch wie möglich, hätte ich sie mit keiner Bitte behelligt.

Bei der Endstation kaufte ich mir ein BentÅ. Neuerdings hatte man welche für Singles im Angebot, was komisch war. Ein BentÅ war sowieso nur für einen gedacht. Wahrscheinlich handelte es sich um einen Marketingtrick. Oder sollte man sich etwa an der Kasse ausweisen? Hallo, ich bin Single. Bekam man jetzt Rabattmarken dafür? Tatsächlich griffen nicht wenige der Menschen, die ich beobachtete, automatisch nach dem Singles-BentÅ, das 100 Yen billiger als das normale war, und durch ihr Vorbild fühlte ich mich ermutigt, es ihnen gleichzutun. Es war ihnen nicht peinlich, sich als ledige Männer und Frauen zu outen. Und warum auch? Jeder wusste, dass die Chance, einen passenden Partner zu finden, gegen null tendierte. Das Problem hatten sowohl Zwanzig- als auch Fünfzigjährige. Ich durfte mich demnach getrost in die Schlange einreihen. Für meinen Hamster, der auf mich wartete, gab ich mir etwas mehr Mühe. Ich wählte in der Gemüseabteilung knackfrische Karotten. Dann nahm ich noch ein Bier aus dem Kühlregal. Ein Bier genügte. Im grellen Neonlicht besah ich mir die ausgelegten Waren. Partycracker stand auf einer Tüte. Family-Pack. XXL-Size. Daneben wirkten die für Singles gekennzeichneten Mini-Ausgaben wie vor der Geburt verstorbene Zwillingsgeschwister. Andererseits waren sie wiederum die begehrtesten. Viele, die ich beobachtete, griffen wahrscheinlich aus reinen Diätgründen danach. Arm in Arm gingen sie zur Kasse, er mit der großen, sie mit der kleinen Packung, und ich konnte sie vor mir sehen, wie sie sich Chips futternd durch Netflix klickten. Wollte ich so sein? J-ein. Die Paare, die ins FamiResu kamen, machten einen glücklichen Eindruck, zugleich waren sie am schwierigsten zufrieden zu stellen. Immer fehlte etwas. Anders verhielt es sich mit den Einsamen, die kamen. Sie waren für alles dankbar, was man ihnen hinstellte. Und wenn es der letzte Platz im Raucherbereich war, den man ihnen zuwies! Dankbar schaufelten sie dort ihren Reis in sich hinein. Der Rentner zum Beispiel! Er tauchte jeden Montag und Mittwoch pünktlich zur Eröffnung des Mittagsbuffets auf. Beklagte er sich, wenn das Obst noch nicht angerichtet war? Dagegen verhielten sich manche Familienväter wie Raubtiere, wenn es darum...
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Autor

Milena Michiko FlaSar, geboren 1980 in St. Pölten, hat in Wien und Berlin Germanistik und Romanistik studiert. Sie ist die Tochter einer japanischen Mutter und eines österreichischen Vaters. Ihre Romane »Ich nannte ihn Krawatte« und »Herr Kato spielt Familie« wurden mehrfach ausgezeichnet und in zahlreiche Sprachen übersetzt. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in Wien.

Bei diesen Artikeln hat der Autor auch mitgewirkt