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Alte Freundinnen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
336 Seiten
Deutsch
DuMont Buchverlag GmbHerschienen am16.07.20211. Auflage
Als Studentinnen hatten sie hauptsächlich von ländlicher Idylle und einer gemeinsamen Bibliothek geträumt, von Prosecco-Abenden und endlosen Gesprächen. Wie werden sie zurechtkommen mit dem Alter und seinen Begleiterscheinungen? Wie wird das Zusammenleben funktionieren, nachdem sie so unterschiedliche Leben geführt haben, mit und ohne Familie, mit mehr oder weniger geglückter Karriere? Wie wollen sie umgehen mit den großen Fragen des Lebens, mit später Liebe und frühem Tod? Wie mit alten Verwundungen und Eifersucht? Und auch die kleinen, für das Zusammenleben oftmals wichtigen Alltagsfragen sind nicht zu unterschätzen, etwa wie man den neugierigen Dorfnachbarn begegnet. Oder ob man sich eine Katze anschafft. Die vier gehen es mit Schwung und Zuneigung an, streiten und versöhnen sich, tragen ihre Verluste und gewinnen an Erkenntnis. Aber eines bleiben sie bis zum Ende: Freundinnen.

TESSA KORBER, 1966 geboren, hat u. a. Literaturwissenschaften studiert und in Verlagen und im Buchhandel gearbeitet. Seit ihrem Bestseller >Die Karawanenkönigin< ist sie freie Schriftstellerin und als Autorin historischer Romane und Krimis bekannt. Sie lebt mit ihrem Mann in Nürnberg.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR16,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextAls Studentinnen hatten sie hauptsächlich von ländlicher Idylle und einer gemeinsamen Bibliothek geträumt, von Prosecco-Abenden und endlosen Gesprächen. Wie werden sie zurechtkommen mit dem Alter und seinen Begleiterscheinungen? Wie wird das Zusammenleben funktionieren, nachdem sie so unterschiedliche Leben geführt haben, mit und ohne Familie, mit mehr oder weniger geglückter Karriere? Wie wollen sie umgehen mit den großen Fragen des Lebens, mit später Liebe und frühem Tod? Wie mit alten Verwundungen und Eifersucht? Und auch die kleinen, für das Zusammenleben oftmals wichtigen Alltagsfragen sind nicht zu unterschätzen, etwa wie man den neugierigen Dorfnachbarn begegnet. Oder ob man sich eine Katze anschafft. Die vier gehen es mit Schwung und Zuneigung an, streiten und versöhnen sich, tragen ihre Verluste und gewinnen an Erkenntnis. Aber eines bleiben sie bis zum Ende: Freundinnen.

TESSA KORBER, 1966 geboren, hat u. a. Literaturwissenschaften studiert und in Verlagen und im Buchhandel gearbeitet. Seit ihrem Bestseller >Die Karawanenkönigin< ist sie freie Schriftstellerin und als Autorin historischer Romane und Krimis bekannt. Sie lebt mit ihrem Mann in Nürnberg.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783832170974
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum16.07.2021
Auflage1. Auflage
Seiten336 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2281 Kbytes
Artikel-Nr.5694790
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


2 Zurück zu Hause, vier Treppen hoch in einem Altbau ohne Lift, muss Franziska die Beantwortung ihrer Fragen erst einmal verschieben. Sie legt ein neues Brikett in den Ofen und stellt die Lüftungsschlitze weiter, damit es gut anbrennt. Mehr als lauwarm wird die Wohnung nie.

Sie lebt alleine. Nach ihrer Scheidung und nachdem ihr Sohn sich früh dafür entschieden hatte, beim Vater zu bleiben, hat sie nie wieder den Wunsch verspürt, sich auf das Abenteuer eines Zusammenlebens einzulassen. Sie hat ihre Bücher, Tausende, die alle Lücken füllen. Daneben, dazwischen: Muscheln, Steine, Poster, bunte Tücher, Ansichtskarten, alte Eintrittbillets - die Sedimente zahlreicher Erlebnisse. So viele Spuren von Leben in allen Zimmern. Aber alle Spuren stammen von Franziska selbst.

In der Küche wartet ein Stapel schmutzigen Geschirrs. Franziska stellt heißes Wasser an und wartet auf das Klacken, mit dem der alte Boiler im Bad anspringt. Sie schaut hinaus auf ihren von Tauben verschmutzten Balkon. Sonne und Regen haben alle Farbe aus den Windrädchen gezogen.

Wo ist die Hinterhofromantik geblieben? Wann war ihr die Lust ausgegangen, Pflanzen für die schmiedeeiserne Brüstung zu kaufen? Sie betrachtet die lachenden Gesichter auf den Sonne-Mond-und-Sterne-Laternen, mit denen sie ihre Schlafnische beleuchtet, und sieht nur den Staub. Ihre bunten Halsketten, als Wandschmuck an Haken über den Flur verteilt, sehen plötzlich billig aus. Nichts davon würde mit ihr in ein Pflegeheim umziehen, wenn es so weit wäre, da gibt es keinen Platz für Spielereien, nur für fünf Bücher, vier Fotos, drei Blumenvasen auf dem Fensterbrett. Mehr passt dort nicht in ein Leben. Und jemand anderes wird über ihr Ausscheidungsverhalten bestimmen. »Ich bin zu alt für das Boheme-Leben«, sagt sie zu sich selbst im Spiegel.

Sie ist fast eins achtzig groß, schlank bis zur Knochigkeit und hält sich sehr gerade für ihre 64 Jahre. Man hat sie schon des Öfteren für eine gealterte Ballerina gehalten, obwohl sie mit den eher unspektakulären blaugrauen Augen und der zu großen Nase keine Schönheit ist. Die strenge Ausstrahlung wird durch ihre farbige Kleidung und ihre Neigung zu großen, archaisch wirkenden Schmuckstücken gemildert. Franziska kann wie eine Respektsperson aussehen. Doch das wollte sie nie. So wenig, wie sie je einen bürgerlichen Beruf angestrebt hat. Ein Fehler?

»Ich bin zu alt für das Boheme-Leben«, sagt sie eine halbe Stunde später am Telefon zu Annabel, einer ihrer besten Freundinnen. »Noch zwei, drei Jahre, und sie kassieren mich, wenn ich in meinen Flohmarktklamotten auf die Straße gehe, und stecken mich in eine Anstalt. Sein Alter zu ignorieren, ist auch ein Realitätsverlust.«

»Ich fand deine Kleidung immer schon ein wenig zu schrill«, sagt Annabel. »Vor meinen Klassen hätte ich das nie anziehen dürfen. Schon gar nicht als Blondine. Als Blondine bist du sofort das Sexualobjekt.«

Annabel ist pensionierte Lehrerin, und, ja, blond war sie einmal, ein Umstand, der trotz ihrer Befürchtungen nicht verhindert hat, dass sie es ohne Zwischenfälle zur Studiendirektorin brachte. Darüber hinaus war sie Zeit ihres Lebens Single und, soweit Franziska weiß, eher selten das Subjekt oder Objekt von Sex. Annabel schützt sich durch möglichst intellektuelle Brillen, einen - mittlerweile silbernen - Pagenkopf, der so exakt geschnitten ist, dass es fast wehtut, und eine dezidiert lehrerinnenhafte Kleidung, bestehend aus Bleistiftrock, Twinset und Pumps, die sie auch nach ihrer Pensionierung nicht abgelegt hat. Sie trägt die Schuhe selbst im Haus.

»Außerdem«, fügt Annabel der Ordnung halber hinzu, denn sie ist sehr ordentlich, »ist man noch kein Bohemien, nur weil man nicht Staub wischt.«

»Staub wischen? Bist du verrückt, die meisten tödlichen Unfälle passieren im Haushalt.« Franziska lehnt sich in ihrem alten Sessel zurück. Sie streckt die langen Beine und lässt die Glöckchen an ihrer Fußkette klimpern. Langsam geht es ihr wieder besser. Sie weiß, dass Annabel es nicht böse meint. Als Studentin war sie lockerer. Wann hat das bei Annabel mit den Ängsten und den Verschwörungstheorien angefangen? War es im Referendariat? Franziska selbst hat sich dieser Veranstaltung des Bayerischen Bildungsministeriums zur Brechung von Seelen erfolgreich entzogen und nach dem Studium nie mehr eine Schule betreten. Lange Jahre hat sie sich zu dieser Entscheidung gratuliert, vor allem wenn sie Annabel betrachtet, die heute eine Stunde damit verbringen kann, vor dem Aufbruch zu einer Einkaufsfahrt sicherzustellen, dass ihr Herd aus ist.

Andererseits kann Annabel sich einen modernen Induktionsherd leisten, ein eigenes Auto, ein Appartement mit Garten und einen sündteuren Friseur. Franziska ihrerseits hat Post von ihrem Verleger erhalten, der ihr mitteilt, dass ihr Anteil am Verkauf ihres aktuellen Romans für das gesamte letzte Jahr 87 Euro 93 beträgt. Auch das kann auf Dauer zu Zwangsvorstellungen führen.

»Sitzen bleiben, Marlon«, hört Franziska die Freundin sagen.

Sie fragt: »Hast du eine neue Katze?«

»Das ist ein Nachhilfeschüler«, erklärt Annabel. »Er brütet gerade über Nathan der Weise.«

»Mein Gott, ja, die Ringparabel.« Franziska lacht auf. »Weißt du noch, unser Theaterbesuch?«

»Wo sie den Kreuzritter nackt haben auftreten lassen?« Auch Annabel klingt jetzt heiterer. »Und dann wälzte er sich in all den Federn. Haben nur noch der Teer und der Ku-Klux-Klan gefehlt.«

»Oder eine Hüpfburg mit silbernen Bällen«, schlägt Franziska vor. »Ah, wir hätten Regietheater machen sollen.«

»Ach nee«, gibt Annabel zurück, »immer die langen schwarzen Ledermäntel und die Anspielungen auf das Dritte Reich. Meine These als Historikerin ist ja ...«

»Du, was ich dir sagen wollte ...«, unterbricht Franziska sie rasch, die Annabels historische Thesen fürchten gelernt hat. »Weil, ich hab nachgedacht ...«

»Du weißt schon, dass der Satzbau ein Anglizismus und streng genommen grammatikalisch falsch ist«, gibt Annabel zu bedenken.

»Lass mich doch mal ausreden. Ich hab nachgedacht, weißt du noch, unser Projekt?«

Im Hörer ist es still. Liegt es an Franziskas Ton oder am Thema? An diesem Wort, »Projekt«, das gar nicht spezifiziert zu werden braucht? Es steht außer Frage, welches Projekt gemeint ist. Während ihrer langen Freundschaft gab es viele Ideen und Initiativen, aber nur ein »Projekt«.

Das »Projekt« ist etwas, das ihre Freundschaft seit den Anfängen begleitet. Eine gemeinsame Idee, zu der jede von ihnen etwas beigetragen hat, Annabel, Franziska, Nora und Luise. Schon an der Universität war es eines ihrer Lieblingsthemen gewesen, wenn sie abends, mit Rotwein aus dem Tetrapak, zu philosophischen Debatten und Liebeskummer beisammensaßen, vier Mädchen aus der Provinz, die Großes vorhatten.

Das Projekt war gewachsen und gewuchert, hatte über Jahre geruht, vornehmlich dann, wenn eine von ihnen mal wieder einen Mann ins Zentrum ihres Lebens gestellt hatte, und war so zuverlässig wieder aufgetaucht, wie die Männer verschwanden, nur, um mit noch mehr Hingabe weitergesponnen zu werden. All die Jahre war das Leben nie ganz über die Idee hinweggegangen.

Annabel nimmt, was Franziska nicht sehen kann, ihre Brille ab. Leise sagt sie: »Du meinst unsere Künstler-WG?«

»Ich meine unsere Alters-WG.« Franziska versucht, die Dinge beim Namen zu nennen. So war es auch immer geplant. Wenn sie alle alt wären, so hatten sie sich das ausgedacht als Studentinnen, die von der Zukunft keine Ahnung hatten und sich die irgendwie als ein Mehr vorstellten, ein Mehr von allem: den schönen Dingen, die zu erleben sie vorhatten, ein Mehr an Liebe, an Erfolg, an Bedeutung, an Selbstverwirklichung. Was gab es sonst im Leben?

Wenn sie alt wären und all das erreicht wäre, wollten sie zusammenziehen, um über das Erlebte zu plaudern und zu lachen. Um ein freies Leben zu führen voller Wein und Lektüre und Pläne und interessanter Freunde und Fremder, die zu Besuch kämen. Unsympathische Menschen wären gar nicht erst erlaubt, die ganze böse Welt bliebe draußen aus ihrem Märchenreich, in dem sie alleine herrschen würden, in Freundschaft und Harmonie. Bis dass der Tod sie schied. Was davor käme, das Altsein und Noch-älter-Werden, das hatten sie sich nicht weiter ausgemalt. Es war nur als ein weiteres begleitendes Mehr erschienen, ein Mehr an Jahren.

Oh, sie hatten sich durchaus auch Gedanken um praktische Fragen gemacht, etwa: War Gin in der Hausbar akzeptabel, oder kam nur Whiskey infrage? Durften Männer über Nacht bleiben? Vor allem aber: Wie sollten sie all ihre Bücher, deren Zahl in die Zehntausende ging, in einer gemeinsamen Bibliothek zusammenführen? War die alphabetische Ordnung nach Autorennamen die beste Lösung, oder sollten sie Themenabteilungen bilden? Nach Nationalsprachen trennen? Chronologisch vorgehen nach Geburtsjahr des Verfassers? Oder nach den Farben der Einbände, vorausgesetzt, dass das keine reine Barbarei darstellte, sondern eine ganzheitliche mnemotechnische Strategie? Ja, darüber redeten sie sich die Köpfe heiß. Nicht jedoch über Arthrose und Fersensporn, über Schwerhörigkeit, die einen freiwillig von Opernbesuchen Abstand nehmen ließ, über chronische Verstopfung und darüber, dass ihnen, wenn sie lachen mussten, die Unterhosen nass wurden.

All das weiß Franziska jetzt, die im Altersheim viel dazugelernt hat. Ihr ist mittlerweile klar, dass es auch um Treppenlifte gehen muss und darum, ob man noch alleine in die Dusche kommt. Um gute Beleuchtung, Telefone mit großen Tasten und Hausnotruf und um Platz für Rollatoren. Um...
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