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Das letzte Lied des Troubadours

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
432 Seiten
Deutsch
Bastei Lübbeerschienen am17.02.20121. Aufl. 2012
Südfrankreich, 13. Jh. Schon als Kinder wissen sie, dass sie füreinander bestimmt sind. Doch ihre Wege trennen sich. Amalric zieht als Troubadour durch die Lande, während sich Navenias ganz der Lehre der Katharer verschreibt. Sie möchte eine Perfecta werden, allein Gott nahe sein. Fast hat Amalric seine große Liebe aufgegeben, dann aber erfährt er, dass die Inquisition ihr auf der Spur ist. Er macht sich auf die verzweifelte Suche nach Navenias. Kann er sie retten?mehr

Produkt

KlappentextSüdfrankreich, 13. Jh. Schon als Kinder wissen sie, dass sie füreinander bestimmt sind. Doch ihre Wege trennen sich. Amalric zieht als Troubadour durch die Lande, während sich Navenias ganz der Lehre der Katharer verschreibt. Sie möchte eine Perfecta werden, allein Gott nahe sein. Fast hat Amalric seine große Liebe aufgegeben, dann aber erfährt er, dass die Inquisition ihr auf der Spur ist. Er macht sich auf die verzweifelte Suche nach Navenias. Kann er sie retten?
Details
Weitere ISBN/GTIN9783838710853
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Erscheinungsjahr2012
Erscheinungsdatum17.02.2012
Auflage1. Aufl. 2012
Seiten432 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2414 Kbytes
Artikel-Nr.2271614
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe
1.
UNTERHALB DER FESTUNG LAVAUR, IM JAHR 1211

»Navenias, Liebste«, flüsterte Amalric, »denk an mich. Vielleicht werde ich das hier nicht überleben.«

Seine Kehle war so trocken, dass er kaum schlucken konnte, doch er vermied es, sich zu räuspern, um kein Geräusch zu machen. Die deutschen Ritter konnten nicht mehr weit sein. Angestrengt starrte er in den Wald hinunter und zügelte dabei sein unruhig werdendes Pferd, das den Kopf schüttelte und mit den Nüstern durch einen Ginsterbusch zu schnobern suchte. Amalrics Langschwert klirrte leise gegen die Steigbügel.

Ein rascher Blick zum Vizegrafen von Foix verriet Amalric, dass auch sein Herr und Kommandant erregt war. Das schmale Gesicht des Grafen unter der Kettenhaube war noch bleicher als sonst, die Augen weit aufgerissen. Die Faust des Grafen umklammerte die Lanze, mit der er seinen zwischen Bäumen und Gestrüpp kauernden Männern das Zeichen zum Angriff geben wollte.

Gerade einmal sieben Ritter waren sie. Amalric biss sich auf die Lippen bei dem Gedanken. Sieben Gepanzerte hockten hier im Harnisch auf ihren mächtigen Gäulen, denen der Farn um die Fesseln strich. Mit ihren Kettenhemden, bunten Satteldecken und prächtig bestickten Wämsen sahen sie aus wie Fabelwesen, sie wirkten fehl am Platze im grünen Dickicht des Eichenwäldchens hier unter der Burg von Lavaur.

Sieben Kämpfer. Es wurden nicht mehr, je länger Amalric auch zählte. Der Rest ihrer Schar, wenn es auch nicht wenige waren, bestand bloß aus Bauern, aus Knechten und ein paar Handwerkern, jungen Burschen aus der Stadt, die sich ihnen angeschlossen hatten, allesamt mit mehr Mut als Verstand gesegnet. Und was sie in den Händen hielten, war ihr tägliches Arbeitsgerät: Da gab es Hämmer, Stangen, Brecheisen, Sicheln, Sensen, Dreschflegel - ein kleiner Wald von Gerätschaften ragte über die Köpfe der geduckt Wartenden, ein eiserner Hain des Todes, der nichtsdestotrotz eher wirr als beeindruckend aussah. Einheitlich wirkten an der zusammengewürfelten Truppe nur die frisch geschlagenen und zugespitzten Holzspieße, die sie trugen.

Amalric hatte sie mit den Männern gemeinsam angefertigt. Er war ihr Anführer gewesen und hatte in den letzten Wochen geduldig mit jedem Einzelnen geübt. »Gegen eine anreitende Front Gepanzerter«, hatte er ihnen erklärt, »hat man zu Fuß und ungedeckt nur eine Wahl: mit einem Wall langer Stangen, die ihr so halten müsst, seht ihr? So!«

Er hatte ihnen gezeigt, wie sie den Spieß vor sich in den Boden stemmen sollten, damit sich die Spitze den herangaloppierenden Pferden in die Brust rammte. »So kann man die Reiter zu Fall bringen, ehe ihre Lanzen einen erreichen.«

Mit großen Augen hatten sie ihm zugehört. Der Gedanke war ihnen neu, dass ein einfacher Mann gegen einen Gepanzerten überhaupt ankommen könnte. Und er gefiel ihnen. Bald jedoch begriffen sie, worin die Schwierigkeit bestand: Es brauchte dazu den Mut, stehen zu bleiben im Angesicht einer donnernd heranpreschenden Woge aus Muskeln und tödlichem Eisen. Man durfte nicht unruhig werden, wenn der Boden unter den nackten Füßen bebte, wenn der Stahl der Schwerter schon fast über den Köpfen zischte, und man durfte nicht einmal zurückzucken, wenn einem schon die Grassoden um die Ohren flogen, die von den Hufen der mächtigen Schlachtrösser aufgewühlt wurden.

»Von euch hängt es ab«, hatte Amalric ihnen gesagt und jedem Einzelnen tief in die Augen geschaut. »Von eurem Mut. Ihr könnt diese Schlacht entscheiden.« Amalric fragte sich, ob genau das heute dem Häuflein gelingen würde, das unter dem Befehl von Guillaume ihre Talflanke sicherte.

Die andere Wahl, die man ungepanzert gegen einen Ritter in vollem Harnisch hatte - er hatte die Lektion, die der Graf ihn gelehrt und die er selbst weitergegeben hatte, noch im Ohr -, bestand darin, sie auf Gelände zu locken, wo ein Reiter seine Stärke nicht ausspielen konnte. Deshalb lagen sie hier im Hinterhalt, an diesem bewaldeten Hang, an dessen Fuß sich der Weg entlangschlängelte, über den die deutschen Kreuzritter kommen mussten.

Weiter oben auf den Felsen schließlich hockte ihr dritter Trumpf: die Armbrustschützen, deren starke Bolzen die Rüstungen des Feindes durchschlagen würden, wenn er kam, wenn er denn endlich kam. Navenias! Er sandte ihren Namen als Stoßgebet gen Himmel. Ja, er war bereit zu kämpfen. Aber würde er das Warten überstehen?

Amalric sah aus den Augenwinkeln, wie einer der Jungen sich vorbeugte, die Hand auf den Boden legte und lauschend verharrte. Dann hob er den Kopf. Amalric fing den erschrockenen Blick auf, begriff und nickte. Die Erde bebte unter dem Schlag vieler Hufe; sie waren da.

»Herr«, flüsterte er.

Aber der Vizegraf von Foix hatte es bereits selbst bemerkt. Mit einer entschlossenen Bewegung hob er die lange Lanze über den Kopf. Alle hielten den Atem an. Manche bekreuzigten sich; gleich war es so weit.

Drunten zwischen den Bäumen wurden das bunte Wams und der Mantel des ersten Kreuzritters sichtbar. Gelassen saß er im Sattel und ließ sich im Schritt seines Tieres wiegen, ein großer, bärtiger Mann, die Hand in die Hüfte gestemmt und sich seiner Kraft gewiss. Dann kam der nächste. Und der nächste. Mann neben Mann zogen sie vorbei, geübte Krieger, erfahrene Orientkämpfer, so hatte man es ihnen berichtet. Amalric studierte ihre Wappen, die ihm unbekannt waren. Diese Männer hatten in Palästina gegen die Heiden gekämpft, und nun hatte der Papst sie gerufen, um hier, im Süden Frankreichs, die katharischen Ketzer zu besiegen.

Um uns zu besiegen, dachte Amalric und biss sich auf die Lippen. Mich, dich, Navenias, unsere Freunde und Familien. Uns nennen sie Ketzer, ein Christenmensch den anderen. Verflucht sollen sie sein, Papst, König und alle, die zu ihnen halten! Er hasste sie so glühend, dass er meinte, er hielte es nicht mehr aus. Amalric durchbohrte den Grafen förmlich mit seinem Blick; wollte er denn das Zeichen niemals geben?

Aber Foix blieb regungslos. Noch immer verharrten sie still in ihrem Versteck. Die Harnische der Deutschen drunten klirrten, ihr ungeniertes, ahnungsloses Lachen hallte zwischen den Bäumen wider. Sie fürchteten offenbar keinen Hinterhalt. Sogar eine Leier erklang und die Stimme eines Sängers, hie und da unterstützt von einem halbherzigen Chor. Die Hufe der Pferde schlugen einen gemächlichen Takt dazu. Die Reihe wurde länger und länger und riss nicht ab. Schon waren dreißig Ritter dort unten zu sehen, inmitten ihres wimmelnden Trosses, und kein Ende war in Sicht.

Wir sind wahnsinnig, schoss es Amalric durch den Kopf. Und im selben Augenblick durchströmte ihn eine glühende Kraft. Am liebsten hätte er laut herausgelacht. Alles an ihm bebte und brannte. Er war bereit für diesen Wahnsinn. Es konnte beginnen. Wie im Traum sah er Foix ausholen und werfen, verfolgte, wie die Lanze des Grafen die Luft durchschnitt, wie sie flog, dem Himmel entgegen, sich dann wieder der Erde entgegensenkte und mit einem Geräusch, dass er niemals vergessen würde, zitternd in der Brust eines deutschen Ritters stecken blieb. Er fühlte sich schwerelos, das Gewicht der Rüstung war mit einem Mal nicht mehr zu spüren, und als er losritt, war ihm, als würde er fliegen.

Amalric kam sich unverwundbar vor. Unwirklich erschien ihm der Hagel aus Geschossen, der im selben Moment über ihre Köpfe hinweg sirrend auf den Talweg niederging wie eine düstere Wolke. Er beachtete die Pfeile gar nicht. Das war nichts, was ihn anging. Die Schreie seiner getroffenen Freunde hörte er nur wie von ferne, wie etwas, das in einem Traum geschah, den ein anderer träumte.

Er nahm das Aufbäumen seines Pferdes wahr, als er zu scharf am Zügel riss, aber er fühlte weder Erregung noch Angst. Als wäre er unsterblich, trieb er das Tier, das unter der Gewalt seines Befehls in Panik geriet und mehr rutschte als lief, auf direktem Weg den Hang hinab. Steine und losgetretene Erde stoben um ihn herum. Amalric überlegte nicht, dass er stürzen und sich den Hals brechen könnte. Er verschwendete keinen Gedanken an die Armbrustbolzen, die auch sein Kettenhemd mühelos durchschlagen konnten und nicht fragten nach Freund oder Feind. Er hatte eingestimmt in das große Gebrüll aus allen Kehlen, spie mit seinem Atem seine Kraft, seinen Hass, alles, was in ihm war, dem Feind entgegen und hieb drein.

»Navenias!«, rief er. Auf einmal spürte er, wie heißes Blut über seinen Mund spritzte. Er schlug auf Arme und Leiber, stach in Fleisch, zerschlug Gesichter, zerfetzte Gliedmaßen. »Navenias!« Das war kein Kampf mehr, tausendfach im Duell geübt, das war ein Gemetzel; wie Raubtiere fielen sie einander an. Die zarte Gestalt seiner Freundin Navenias, der Sanften, die kein Fleisch aß und kein Tier schlachtete, die die Liebe predigte und die Vergebung, verschwand und verging wie ein Nebel über dem tobenden Schlachtfeld. Und doch tat Amalric das alles nur für sie. Es war ein Wahnsinn, und das Wissen darum trieb Amalric weiter und weiter. Der Boden wurde zu einem Sumpf aus Blut und Erde.

»Sieg! Sieg!«

Erst nach einer ganzen Weile wurde Amalric es gewahr, dass der Ruf erscholl - und dass er ihm selbst und den Seinen galt. Endlich hielt er inne.

Der Vizegraf kam ihm mit strahlendem Gesicht entgegen. Er hatte Helm und Kettenhaube abgestreift und tätschelte seinen schwitzenden Gaul. Als er Amalrics fragenden, verschleierten Blick sah, reckte er die Faust. »Sieg, junger Freund.«

Erst jetzt blickte der junge Ritter um sich. Die Seinen standen...
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