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Die Zeit der Feuerblüten

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
912 Seiten
Deutsch
Bastei Lübbeerschienen am16.08.20131. Aufl. 2013
Mecklenburg, 1837: Der Traum von einem besseren Leben lässt Idas Familie die Auswanderung nach Neuseeland wagen. Auch Karl, der seit Langem für Ida schwärmt, will sein Glück dort machen. Doch als das Schiff Sankt Pauli endlich die Südinsel erreicht, erwartet die Siedler eine böse Überraschung. Das zugesagte Land steht nicht zur Verfügung ...



Grandios und unvergleichlich. Platz 7 der Spiegel-Bestsellerliste. Endlich im Taschenbuch!
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextMecklenburg, 1837: Der Traum von einem besseren Leben lässt Idas Familie die Auswanderung nach Neuseeland wagen. Auch Karl, der seit Langem für Ida schwärmt, will sein Glück dort machen. Doch als das Schiff Sankt Pauli endlich die Südinsel erreicht, erwartet die Siedler eine böse Überraschung. Das zugesagte Land steht nicht zur Verfügung ...



Grandios und unvergleichlich. Platz 7 der Spiegel-Bestsellerliste. Endlich im Taschenbuch!
Details
Weitere ISBN/GTIN9783838724317
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Erscheinungsjahr2013
Erscheinungsdatum16.08.2013
Auflage1. Aufl. 2013
Reihen-Nr.1
Seiten912 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.2188120
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



KAPITEL 1

»Guten Morgen, Herr Lehrer!«

Fünfunddreißig Schüler zwischen sechs und vierzehn Jahren erhoben sich beim Eintritt von Lehrer Brakel artig von den einfachen Holzbänken und leierten den Gruß im Chor herunter.

Brakel ließ den Blick kurz über ihre Gesichter wandern. In der letzten Woche hatte er keine Schule gehalten, aber viele Kinder wirkten dennoch nicht ausgeruht, sondern eher übermüdet, abgehärmt und erschöpft. Kein Wunder, zumindest die Kinder der Tagelöhner und Bauern hatten die Kartoffelferien bei der Ernte auf dem Feld verbracht. Brakel wusste, dass sie von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang die Furchen der Felder auf Knien entlangrutschten, um die Erdäpfel aus der Erde zu graben. Den Kindern der Häusler ging es ein wenig besser. Auch die Handwerker hatten Kartoffeläcker, sie waren jedoch kleiner und schneller abgeerntet als die der Bauern.

»Guten Morgen, Kinder!«, grüßte Brakel zurück und wies die Schüler an, sich zu setzen. Er wunderte sich, als Karl Jensch, ein großer, aber schmächtiger Dreizehnjähriger, der Anweisung nicht nachkam.

»Was ist, Karl?«, fragte der Lehrer streng. »Willst du dem Unterricht im Stehen folgen?«

Der Junge schüttelte unglücklich den Kopf. »Nein«, sagte er dann. »Es ist ... ich bin nur hier, um zu sagen ... ich komm ab heute nicht mehr, Herr Lehrer. Es geht nicht, es gibt noch Arbeit auf den Feldern und dann auch beim Junker. Und mein Vater ist krank, wir brauchen Geld. Da kann ich nicht ... da kann ich nicht mehr zur Schule gehen ...«

Karls Stimme klang, als würde sie gleich brechen. Wahrscheinlich hatte sein Vater seinen weiteren Schulbesuch mit weit rüderen Worten verboten, und dieser letzte Gang in die Dorfschule fiel dem Knaben sicher schwer.

Auch der Lehrer empfand Bedauern. Er hatte das zwar vorausgesehen - die Kinder der Tagelöhner besuchten die Schule nie länger als wenige Jahre -, aber um Karl tat es ihm leid. Der Junge war klug und lernte schnell, und Brakel hatte sogar schon daran gedacht, mit dem Pastor über ihn zu sprechen. Vielleicht gab es Möglichkeiten, ihm über ein Priesterseminar den weiteren Schulbesuch zu ermöglichen. Allerdings war er noch zu jung dazu, und sein Vater würde es auch kaum erlauben. Karl hatte Recht, die Familie brauchte das Geld, das er verdiente. Und der Junker ...

Raben Steinfeld gehörte zu einem Großherzogtum. Mit dem Herzog und seinem Junker hätte Brakel über eine Förderung für den aufgeweckten Sohn des Tagelöhners Jensch reden können. Wenn Jensch bloß kein solcher Sturkopf wäre! Wenn er sich nicht - wie die meisten anderen Raben-Steinfelder-Dörfler - ständig mit dem Großherzog anlegte!

Der Landjunker war Anhänger der reformierten Kirche wie auch der König und die meisten Adeligen. In Raben Steinfeld hing jedoch die überwiegende Mehrheit der Leute fest an den Lehren der Altlutheraner, und die Gemeinde ließ keine Möglichkeit verstreichen, ihren Landesherrn zu provozieren. Zum Glück bestrafte und verfolgte er seine Untertanen nicht dafür wie bis kurz zuvor der König von Preußen. Doch die Reibereien mit dem Landvolk und ihren Pastoren verstimmten den Junker. Ganz sicher würde er keinem ihrer Söhne ein Studium finanzieren, um dann den nächsten renitenten Pastor vor der Nase zu haben.

Brakel seufzte. »Das ist schade, Karl«, meinte er dann freundlich. »Aber artig von dir, dich wenigstens abzumelden.« Die meisten Tagelöhnerkinder blieben nach ihrem dreizehnten Geburtstag einfach weg. »Dann geh mit Gott, mein Junge.«

Während Karl Stift, Griffel und Schiefertafel zusammenräumte, wandte sich Lehrer Brakel dem zweiten Musterschüler seiner Klasse zu. Ida Lange - eine unselige Laune der Natur. Brakel fragte sich immer wieder, warum Gott den Sohn der Langes mit eher schwachen Geistesgaben gestraft hatte, während Ida, die älteste Tochter, den Unterrichtsstoff aufsaugte wie ein Schwamm. Dabei hätte es doch ausgereicht, sie mit Schönheit und Liebreiz zu bedenken - Attribute, die Ida neben ihrer Klugheit auszeichneten. Die Zwölfjährige hatte glänzendes dunkelbraunes Haar, porzellanblaue Augen und ebenmäßige Züge. Ihr herzförmiges Gesicht spiegelte Sanftmut und Ergebung wider - sicher das Ergebnis der sorgfältigen Erziehung ihres Vaters. Jakob Lange war Schmied, hatte eine Häuslerstelle inne und hielt seine Familie in strenger Zucht. Im Gegensatz zu Karls Familie hätte er sich einen längeren Schulbesuch für Ida leisten können, aber das kam bei einem Mädchen natürlich nicht infrage. Zweifellos würde auch Ida in knapp einem Jahr die Klasse verlassen.

Jetzt jedoch konnte sie noch vom Unterricht profitieren - und gleichzeitig etwas Glanz in Brakels langweiligen Alltag bringen. Brakel war mit Leib und Seele Lehrer. Schüler wie Karl und Ida machten ihn glücklich, während es keinen so großen Spaß machte, die tumben und am Lesen und Schreiben wenig interessierten Bauernkinder zu unterrichten. Manchmal hatte er das Gefühl, sein einziger Erfolg bestünde darin, sie während des Unterrichts wach zu halten.

»Du hast uns ein neues Buch mitgebracht, Ida ... äh ... Anton?«

Auf dem Pult des ältesten Lange-Sohnes lag ein schmales Büchlein. Die Reisen des Kapitän Cook. Der Junge sah nicht aus, als hegte er größeres Interesse daran, Ida hatte dem Lehrer allerdings schon beim Kirchgang am Tag zuvor aufgeregt erzählt, ihr Vater habe ein neues Buch aus Schwerin mitgebracht. Das kam gelegentlich vor. Jakob Lange interessierte sich für exotische Länder und versuchte, dies auch seinen Söhnen nahezubringen. Seine Haltung war ungewöhnlich für einen Handwerker und obendrein strengen Altlutheraner, aber Brakel nahm an, dass Lange mitunter an Auswanderung dachte. Der Schmied und anerkannte Pferdekenner war sicher nicht zufrieden damit, sein Land hier im Dorf nicht erwerben, sondern lediglich als Erbpacht nutzen zu können. Er legte sich deshalb ständig mit dem Junker an, irgendwann würde der ihn noch hinauswerfen, egal, wie sehr er seine Arbeit schätzte. In den letzten Jahrzehnten waren viele Altlutheraner nach Amerika gegangen. Möglicherweise plante Lange langfristig Ähnliches.

Anton, sein Sohn, nickte jetzt gelangweilt und schob das Buch zu Ida hinüber. Aber das Mädchen griff nicht so begierig danach, um es der Klasse vorzustellen, wie es von ihm zu erwarten gewesen wäre, sondern schaute zu Karl hinüber, der sich kaum von seinem Pult trennen konnte. Die Erwähnung des Buches hatte sein Interesse geweckt. Und er selbst anscheinend Idas Mitgefühl.

»Ida!«, mahnte Brakel.

Das Mädchen fasste sich und schaute auf. »Es ist ein seltsames Buch!«, erklärte es dann mit seiner sanften, weichen Stimme, die selbst die größten Schlafmützen zu fesseln vermochte, wenn Ida vorlas. »Es geht um einen Kapitän, der zur See fährt und fremde Länder entdeckt! Und denken Sie sich, Herr Lehrer, es wurde in einer anderen Sprache geschrieben! Damit wir es lesen können, musste es erst über... übersetzt werden!« Ida wies auf den Namen des Autors, eines Mannes namens John Hawkesworth.

»Aus dem Griechischen?« Das war Karls Stimme.

Der Junge konnte sich nicht bezähmen. Er hätte längst gehen sollen, aber das neue Buch erinnerte ihn an andere Seefahrergeschichten, die Lehrer Brakel seinen Schülern einmal erzählt hatte. Darin war es um einen Mann namens Odysseus gegangen, der im alten Griechenland haarsträubende Abenteuer erlebt hatte.

Brakel schüttelte den Kopf. »Nein, Karl. John Hawkesworth hat Kapitän Cooks Geschichte auf Englisch niedergeschrieben. Und es ist auch keine Sage, wie die Odyssee, sondern ein Tatsachenbericht. Aber jetzt entscheide dich mal, Karl. Wenn du bleiben willst, setz dich. Ansonsten ...«

Karl ging zur Tür. Sein letzter Blick auf die Klasse schwankte zwischen Bedauern und Neid - und wurde fast zärtlich, als er Ida streifte. Er mochte sie. Manchmal, wenn er auf den Feldern arbeitete und seine Gedanken schweifen ließ, erlaubte er sich eine Art Tagtraum. Er sah sich dann als jungen Mann um Ida Lange werben, einen Hausstand mit ihr gründen und jeden Abend, den Gott werden ließ, zu ihr heimkehren und von ihr erwartet werden. Jeden Tag hörte er diese sanfte Stimme, jeden Morgen fiel sein erster Blick auf ihr glattes, weiches Haar und ihr schönes, zartes Gesicht. Mitunter regten sich dann auch sündige Gedanken in ihm, aber die verbot Karl sich streng. Und eigentlich hätte er sich auch die harmloseren Träume von einer Zukunft mit dem Mädchen verbieten müssen. Schließlich konnten sie niemals wahr werden. Selbst wenn Ida seine Zuneigung irgendwann erwidern sollte - und es gab keinen Anlass anzunehmen, dass dies je der Fall sein könnte -, so würde ihr Vater doch niemals einer Verbindung mit dem Sohn eines Tagelöhners zustimmen. Verständlicherweise, Karl hegte da gar keinen Groll gegen Jakob Lange. Er hätte es Ida ja selbst nicht zumuten wollen, so zu leben wie seine Mutter.

Die Familie Jensch hielt sich nur mühsam über Wasser. Karls Vater, seine Mutter und von jetzt an auch er selbst arbeiteten den ganzen Tag auf den Feldern des Junkers oder nahmen andere Arbeiten an. Der Lohn dafür war ein Pfennig pro Stunde für die Männer - oft zahlten die Arbeitgeber dieses Geld nicht einmal aus, sondern vergüteten den Tagelöhner in Naturalien. Auch heute würde Karl kaum Geld sehen, wenn er zehn Stunden lang die letzten Kartoffeln ausgegraben hatte. Wahrscheinlich schickte ihn der Besitzer des Feldes, der ihn für diesen Tag angeheuert hatte, lediglich mit einem Sack voller Erdäpfel nach Hause ...

Karl hegte trübe...


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