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Übermorgen Sonnenschein

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
262 Seiten
Deutsch
Bastei Lübbeerschienen am16.08.20131. Aufl. 2013
Jeannine Klos hat den Albtraum jeder Mutter erlebt: Zwei Tage nach der Geburt ihrer Tochter legte man ihr ein fremdes Baby in den Arm, und als sie sagte: 'Das ist nicht mein Kind!', glaubte ihr niemand. Sie zweifelte, fragte nach, beharrte - und ließ sich schließlich doch überzeugen. Sie nahm das Kind an, stillte es, wenn es hungrig war, tröstete es, wenn es weinte, wiegte es in den Schlaf, wenn es müde war, und begann es zu lieben. Doch sechs Monate später bewahrheitete sich ihre Angst -mehr

Produkt

KlappentextJeannine Klos hat den Albtraum jeder Mutter erlebt: Zwei Tage nach der Geburt ihrer Tochter legte man ihr ein fremdes Baby in den Arm, und als sie sagte: 'Das ist nicht mein Kind!', glaubte ihr niemand. Sie zweifelte, fragte nach, beharrte - und ließ sich schließlich doch überzeugen. Sie nahm das Kind an, stillte es, wenn es hungrig war, tröstete es, wenn es weinte, wiegte es in den Schlaf, wenn es müde war, und begann es zu lieben. Doch sechs Monate später bewahrheitete sich ihre Angst -
Details
Weitere ISBN/GTIN9783838725079
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Erscheinungsjahr2013
Erscheinungsdatum16.08.2013
Auflage1. Aufl. 2013
Seiten262 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse5143 Kbytes
Artikel-Nr.2188192
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

KAPITEL 1

Es sind die sonnigen Tage in unserem Garten, die ich am meisten liebe. Wir alle genießen diese Zeit. Yara springt auf dem Riesentrampolin, Lina planscht im Schwimmbecken, Ralf jätet Unkraut, und ich entspanne im Liegestuhl, trinke einen Cappuccino und schaue dem Treiben der anderen zu. Wir fahren nirgends hin, wir planen nichts, sondern leben einfach in den Tag hinein. Manchmal kommen am Abend spontan ein paar Freunde vorbei, und wir grillen, was noch im Kühlschrank oder in der Vorratskammer zu finden ist. Das ist unser kleines Paradies, unsere heile Welt.

Damals, im Frühjahr 2007, war auch einer dieser herrlichen sonnigen Tage. Ich lag mit dickem Babybauch im Garten und machte mir Gedanken über die bevorstehende Geburt. Bis zur 35. Woche hatte sich die Kleine wie wild in meinem Bauch gedreht, zwanzig Stunden am Tag, er war schon ganz verbeult ... und ich hatte das Gefühl, dass sie nie richtig lag. Ob das noch was wird?, grübelte ich. Bestimmt holen sie sie wie Yara mit der Saugglocke oder noch schlimmer: mit einem Kaiserschnitt. Dabei hätte ich so gern ambulant entbunden, das war ein großer Wunsch von mir. Ein paar Stunden im Krankenhaus, und dann alle ab nach Hause. Doch ich befürchtete, dass dieser Wunsch auch dieses Mal nicht in Erfüllung gehen würde. Und während ich meine Gedanken weiter schweifen ließ, sah ich mich plötzlich im Kreißsaal, und Hannah, meine Hebamme, hielt freudestrahlend unser Baby in die Höhe. Da war sie, unsere Kleine! Was für ein wundervolles Kopfkino ... Ralf und ich als überglückliche und stolze Eltern. Bevor wir unsere Tochter aber selbst im Arm halten durften, verschwand Hannah mit ihr in einen anderen Raum, wo alle Neugeborenen medizinisch versorgt wurden. Ralf blieb bei mir und streichelte über meinen verschwitzten Kopf. Ungeduldig warteten wir, dass uns unser Kind endlich gebracht wurde - als etwas Ungeheuerliches passierte: Unsere Kleine, die noch kein Namensbändchen bekommen hatte, wurde von der zuständigen Krankenschwester im Untersuchungszimmer mit einem anderen Mädchen, das auch gerade zur Welt gekommen war und ebenfalls noch kein Namensbändchen trug, verwechselt! Die Krankenschwester, die sich beeilte, weil die Säuglinge schrien und weil noch genug Zeit zum Bonding bleiben sollte, brachte uns das falsche Baby zurück. Das Allerschlimmste aber war: Weder ich noch Ralf bemerkten die Vertauschung.

Ein Schauer lief mir den Rücken hinunter; was Fantasie sein sollte, fühlte sich wie gruselige Wirklichkeit an. Und dieser Sonnentag im Garten erschien mir auf einmal gar nicht mehr so strahlend und warm.

Ich wollte diese Schreckensvorstellung am liebsten abschütteln, aber sie überfiel mich wieder und wieder. Ich wunderte mich über mich selbst. Statt Angst davor zu haben, dass meinem Baby während der Geburt etwas passieren könnte - schließlich hatte ich schon oft gehört, was Sauerstoffmangel und andere Komplikationen anrichten konnten -, biss ich mich allein an diesem einen absurden Gedanken fest. Ich hatte weder Angst davor, dass das ungeborene Kind eine Behinderung haben könnte, noch kam mir der Gedanke, dass mir selbst etwas während des Geburtsvorgangs zustoßen könnte, in den Sinn. Und das, obwohl ich solch einen tragischen Fall sogar kannte. Die Schwester meines Exfreundes starb bei der Geburt ihres zweiten Kindes, nachdem ihr eine Ader im Kopf geplatzt war.

Doch nachvollziehbare Ängste quälten mich nicht. Mir graute allein vor dem total unwahrscheinlichen Fall einer Kindesverwechslung.

Es war während einer Milchschnitte- und einer Maggi-Werbung, vielleicht auch, als für o.b. oder Duracell geworben wurde, als ich Ralf zum ersten Mal davon erzählte. »Du? Ich hab Angst, dass unser Baby nach der Geburt vertauscht werden könnte. Stell dir mal vor, man geht mit einem falschen Kind nach Hause! Der totale Horror, oder?«

Mir war schon klar, dass er mich bestimmt nicht in den Arm nehmen und antworten würde: »Schatz, jetzt mach dir mal keine Sorgen. Das wird bestimmt nicht passieren. Aber ich kann dich so gut verstehen, diese Angst beschleicht mich auch hin und wieder.« Ralf, der auch sonst eher ein nüchterner Typ ist, kann sich in Ängste, die für ihn »irreal« sind, einfach nicht hineinversetzen. Ich schätze, so geht es den meisten Menschen, insbesondere den meisten Männern.

»Wie bitte soll das denn passieren? Das ist im Leben noch nicht vorgekommen«, entgegnete er kopfschüttelnd und schaute mich ungläubig an.

»Hör zu: Egal, was passiert - auch wenn ich ins Koma fallen sollte oder so was -, du musst immer bei unserem Baby bleiben. Ja?«

»Warum solltest du denn ins Koma fallen - so ein Quatsch!«

»Ich glaub auch nicht, dass ich ins Koma fallen werde. Aber darum geht es jetzt auch gar nicht! Schwör einfach, dass du Hannah bzw. den Schwestern auf Schritt und Tritt folgen wirst, wenn sie mit unserem Baby aus dem Kreißsaal gehen.«

»Alles klar, mach ich«, versprach er mir brav.

Wie so oft hatten wir auch dieses Mal die Werbepause optimal genutzt, um uns auszutauschen. Darin waren wir in den sechs Jahren unserer Ehe Weltmeister geworden. Es ging sogar so weit, dass wir die vielen Werbeunterbrechungen begrüßten und sie gar nicht mehr als nervige Zerstückelung unseres Fernsehvergnügens empfanden. Besonders für Ralf, der nicht gern viel redet und nicht zugetextet werden will, sind diese überschaubaren Zeitfenster zum Austausch perfekt.

Und ich war erleichtert, dass er mich nicht für verrückt erklärt hatte. Trotzdem nahm ich mir vor dem Einschlafen fest vor, diese Panikmache in meinem Kopf abzustellen. So etwas kannte ich auch gar nicht von mir ... Oder doch? Während der Schwangerschaft mit Yara hatte ich auch schon einmal solch unbegründete Angstmomente erlebt, aber eben Momente. Ich war damit allein klargekommen und hatte auch niemandem davon erzählen müssen. Nicht umsonst genoss ich den Ruf einer Susi Sorglos, Ängste gab es in meinem Leben nicht, im Gegenteil, ich war immer zu allen Abenteuern bereit.

Ich war es auch, die am Anfang unserer Beziehung mal aus unserem beschaulichen Saarland herauskommen wollte und Ralf zu einer Reise nach Venezuela überredete - inklusive einer dreitägigen Dschungelwanderung im Orinokodelta. Ich erinnere mich, dass ich vor nichts Angst hatte und mich vor nichts ekelte. Auf dem Esstisch stand ein Glas mit einer riesigen Tarantel, die unser einheimischer Guide gefangen hatte. Auf meinem Haaransatz saßen Hunderte von Stechmücken. Wir mussten aufpassen, nicht in Luftwurzeln zu fallen, und an den Bäumen durften wir uns nicht festhalten, weil sie giftige Dornen hatten oder sich vermeintliche Äste als gefährliche Schlangen entpuppten. Aber Angst verspürte ich nicht! Ich war fasziniert von all den unglaublich lauten Tiergeräuschen und dem satten Grün um mich herum. Ich sehe unseren Guide noch vor mir, wie er uns mit einer Machete den Weg bahnte. Und als wir an einem Fluss vorbeikamen, fischte er einen Piranha aus dem Wasser und ließ ihn filmreif in einen Plastikbecher beißen. Im Nu war der Becher zerschreddert. Der Guide erklärte uns, dass die Piranhas einen kleinen scharfen Stachel haben, mit dem sie ihre Beute aufschlitzen. Wenn sie das Blut riechen, kommen sie in ganzen Schwärmen angeschwommen - dann hat man keine Chance mehr. Bei Sonnenuntergang fuhren wir mit einem Bötchen zur Laguna di Silencio. Dort genossen wir einen grandiosen Ausblick. Solch eine unberührte Landschaft hatte ich zuvor noch nie gesehen, ich kam mir wie in einer Traumwelt vor. Das glasklare Wasser schimmerte leicht rötlich. Ab und zu sprangen ein paar Fische in die Luft. Der Guide bot an, dass wir hier eine Badepause machen könnten. Sofort fragten die anderen aus unserer Gruppe, was mit den Piranhas sei. Es gäbe hier keine, sagte der Guide, da das Wasser der Lagune zwei Grad wärmer sei als das des Flusses. Ich wusste, dass ich so eine Gelegenheit nie mehr in meinem Leben bekommen würde. Und ich konnte einfach nicht widerstehen. Ohne zu überlegen, sprang ich kopfüber ins tiefe Kühl hinein. Ich fühlte mich so frei und mutig wie noch nie. Ralf sprang hinterher, aber die anderen blieben alle im Boot sitzen. Ich konnte das nicht verstehen. Ich fürchtete weder irgendwelche Piranhas noch sonst etwas.

Aber jetzt, wenige Wochen vor meiner zweiten Entbindung, hatte ich Angst. Große Angst.

Ich fragte mich, ob das mit den Hormonen zusammenhing? War das vielleicht so ein Frau-in-der-Schwangerschaft-Ding? Während einer Schwangerschaft kann die Gefühlswelt schon mal Kopf stehen. Ob eine meiner Freundinnen solche Ängste vielleicht sogar kannte? Ich nahm mir vor, beim bevorstehenden Treffen in großer Runde Feldforschung zu betreiben.

»Habt ihr eigentlich auch Angst davor gehabt, dass eure Babys im Krankenhaus vertauscht werden könnten?«

Irritierte Blicke statt einer Antwort, dann folgte Gelächter.

»Wie kann man vor so etwas Angst haben? Das ist ja wohl der unwahrscheinlichste Fall aller Fälle«, sagte Jule trocken.

Oje, wenn nicht mal Jule darauf einging, die sonst so einfühlsam war ...

»Jeannine, das ist absoluter Unsinn!«, rief Ricarda. »So etwas gibt es nur im Film. Oder in Amerika. Aber doch nicht bei uns im Saarland.« Ricarda, meine Freundin seit Jugendtagen, fasste sich an die Stirn.

Ich kam mir so kindisch vor. Bevor sich auch noch Paula zu einer Bemerkung hinreißen ließ, wechselte ich schnell das Thema.

Zu Hause erinnerte ich Ralf gleich wieder an seine »Aufsichtspflichten«. Und im Vergleich zu meinen Freundinnen kam er mir fast schon wie Mutter Teresa leibhaftig vor: Er nickte und gab mir mit einem unaufgeregten Blick zu verstehen, dass ich...

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