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Götternacht

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
Deutsch
Bastei Lübbeerschienen am16.09.20141. Aufl. 2014
Jedes Jahr feiert das Volk der Pferdeherren ein Fest, um ihren Gott Chiron zu ehren. In dieser Nacht werden alle Gesetze außer Kraft gesetzt, und ein Trank sorgt dafür, dass sich niemand an die Geschehnisse erinnert. Die 20-jährige Leah darf in diesem Jahr das erste Mal an dem Fest teilnehmen. Und auch sie vergisst alles, was geschah - außer in ihren Träumen. Dort sieht sie eine Nacht voller Leidenschaft und einen Mann, der ihr Herz stahl. Und Geheimnisse, die die Grundfesten ihrer Welt erschüttern ...mehr

Produkt

KlappentextJedes Jahr feiert das Volk der Pferdeherren ein Fest, um ihren Gott Chiron zu ehren. In dieser Nacht werden alle Gesetze außer Kraft gesetzt, und ein Trank sorgt dafür, dass sich niemand an die Geschehnisse erinnert. Die 20-jährige Leah darf in diesem Jahr das erste Mal an dem Fest teilnehmen. Und auch sie vergisst alles, was geschah - außer in ihren Träumen. Dort sieht sie eine Nacht voller Leidenschaft und einen Mann, der ihr Herz stahl. Und Geheimnisse, die die Grundfesten ihrer Welt erschüttern ...
Details
Weitere ISBN/GTIN9783838754192
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum16.09.2014
Auflage1. Aufl. 2014
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.2189288
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe
Prolog

Ein zarter Wind fuhr über den Boden und wirbelte tote Blätter in die Luft. Am Abendhimmel leuchteten bereits die ersten Sterne, während die letzten Strahlen der untergehenden Sonne am Horizont verglühten. Noch immer war es ungewöhnlich warm für diese Jahreszeit, fast so, als wollte sich der Herbst mit allen Kräften gegen den hereinbrechenden Winter wehren. Aber die spärlich wachsenden Bäume auf den Berghängen waren kahl bis auf das letzte Blatt, und das Gras hatte sich braun verfärbt. Das ganze Land lag brach. Nur der Wald grünte, so, wie er es immer tat.

Eine Frau löste sich aus den Schatten. Sie war nur leicht bekleidet und in offenkundiger Hast. Schwer atmend hielt sie mit beiden Händen ihr weißes Leinenkleid hoch. Lange, blonde Locken flatterten im Wind. Die zierliche Gestalt lief nach Westen, direkt auf den Wald zu. Sie stolperte über einen Stein und verlor kurz das Gleichgewicht, eilte jedoch sofort weiter. Zu verwirrt waren ihre Gedanken, zu aufgewühlt ihr Herz.

Ihre Schritte wurden langsamer, je näher sie dem Wald kam. Kurz bevor sie ihn erreichte, blickte sie zurück. Ein Stück den Berg hinauf sah sie den weitläufigen Wall aus dicken, angespitzten Holzpfählen, der ihr Dorf umgab. Über dreihundert Menschen lebten in den dicht beieinanderstehenden Häusern aus Holz und Flachs. Menschen, die nicht wussten, was jenseits des Walls auf sie wartete. Menschen, die nie den Wald betreten hatten, weil sie sich vor den fremden Wesen fürchteten, die dort beheimatet waren.

Die Frau verharrte am Waldrand und blickte auf das Dorf, in dem sie aufgewachsen war. Sie konnte einige Männer erkennen, die noch zu dieser späten Stunde draußen am Feuer saßen und sich Geschichten erzählten. So nichtsahnend. So unwissend. Sie versuchte, wieder zu Atem zu kommen.

Nächtelang hatte sie geweint, hatte stark sein wollen und es doch nicht geschafft. Sie konnte nicht leugnen, dass es nun die Hoffnung war, die sie vorantrieb. Sie allein steuerte ihre Schritte.

Entschlossen löste sie ihren Blick von der Siedlung. Noch einmal atmete sie tief ein und raffte ihr Kleid. Dann übertrat sie die Grenze zum Wald.

Dunkelheit umhüllte sie. Nach nur wenigen Schritten war das Blätterdach so dicht, dass weder Sternen-noch Mondlicht zu ihr hindurchdrangen. Kein Laut war zu hören. Selbst das Rauschen der Bäume und das Knistern des Laubs, auf welches die Frau trat, klangen unwirklich und gedämpft. Der Wald verschluckte alle Geräusche. Sie dachte plötzlich daran, dass sie hier niemand würde hören können. Selbst dann nicht, wenn sie sich die Seele aus dem Leib schrie. Sie wollte nicht daran denken, was ihr passieren könnte, wenn sie entdeckt würde. Es war gefährlich, was sie tat. Das Betreten des Waldes war verboten. Aber nur sie wusste, warum. Sie hatte ihn gesehen. Sie war bei ihm gewesen. Bevor er sie verstoßen hatte.

Sie wollte sich nicht eingestehen, dass es vorbei war. Nach all dem, was sie erlebt hatten, nach allem, was sie für ihn empfand. Ohne ein Wort der Erklärung, ohne einen Funken Mitgefühl hatte er sie bei ihrem letzten Treffen abgewiesen. Sie wusste, dass er den Wald nicht verlassen konnte. Vielleicht aber wollte er es auch gar nicht. Sie erinnerte sich an die Finsternis in seinen Augen, als er sie wegschickte. Sein Urteil hörte sich endgültig an. Doch sie gehörte nicht zu jenen Menschen, die es einfach hinnahmen, wenn man sie verletzte. Sie verlangte eine Erklärung. Vielleicht würde sie sie heute bekommen, immerhin hatte er sie hierher gebeten. Ohne zu zögern, war sie dieser Bitte gefolgt, auch wenn sie ahnte, dass ihr der heutige Abend nur noch mehr Schmerz bringen würde.

Sie erreichte eine kleine Lichtung, die vom Mondlicht erhellt wurde. Weit und breit war niemand zu sehen, aber sie spürte die Anwesenheit eines anderen Wesens. War er es? Oder waren sie es?

Als sie in die Mitte der Lichtung trat und sich umsah, erschauerte sie. Der Wind war hier kälter. Sie faltete ihre Arme vor der Brust und versuchte sich zu wärmen. Ganz egal, wie lange es dauerte, sie würde warten, bis er sich zeigte.

Ein Geräusch schreckte sie auf. Ihr Blick schweifte suchend umher. In der Schwärze zwischen den Bäumen konnte sie fast nichts erkennen, doch dann hob sich ein grauer Fleck von den übrigen, dunkleren Farben ab und kam näher. Das fahle Licht umspielte vage einen Kopf und Schultern, ließ eine muskulöse, nackte Brust und langes Haar erahnen. Der Rest von ihm verschmolz mit der Finsternis um ihn herum.

Ihr Herz begann, wild zu pochen. Er war gekommen, er war tatsächlich hier. Für einen kurzen Moment hatte sie nicht mehr daran geglaubt. Bedeutete sie ihm doch noch immer etwas? Konnte er sie genauso wenig vergessen wie sie ihn?

Langsam schritt sie auf ihn zu und blieb so dicht vor ihm stehen, dass sie seinen Atem auf ihrem Haar spürte.

»Du weißt nicht, wie sehr ich mich nach dir gesehnt habe«, hauchte sie und streckte die Hand nach ihm aus.

Ihre zitternden Finger berührte weiche, warme Haut. Sein Herz schlug ruhig und kräftig. Sein Duft erfüllte die Luft. Sie sog ihn tief ein. So unendlich vermisst hatte sie diesen eigentümlichen Geruch. Sie lehnte sich unwillkürlich vor, ihre Körper berührten sich fast. Doch noch immer machte er keine Anstalten, etwas zu sagen. Stattdessen ließ er ihre Berührungen geschehen und schloss die Augen. Ihre zierlichen Finger streichelten ihm über die Schläfe.

Die junge Frau lächelte. Sie hätte nicht gedacht, ihm noch einmal so nahe kommen zu dürfen. Nicht nach den letzten Worten, die er zu ihr gesagt hatte. Worte, die Wunden in ihrer Seele hinterlassen hatten. Noch immer hallten sie in ihrem Kopf wider. Mit einem heftigen Kopfschütteln vertrieb sie sie aus ihren Gedanken und konzentrierte sich wieder auf diesen Mann, der so viele Gefahren auf sich nahm, nur um sie wiederzusehen.

Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, grub die Hände tief in seine Haare, spürte seinen Atem. Dann, ganz zart, berührte sie mit ihren Lippen die seinen. Sie hauchte ihm einen vorsichtigen Kuss auf den Mund und verharrte kurz. Er kam ihr nicht entgegen.

»Warum?«, fragte sie, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Willst du mich nicht?«

Sie konnte ihn tief ein- und ausatmen hören. Ihr Herz drohte zu zerspringen. Sie wusste, dass er sich darauf vorbereitete, etwas zu sagen, das ihr nicht gefiel, und sie war sich nicht sicher, ob sie es ertragen konnte.

»Tochter der Uredos«, sagte er mit einer so tiefen und melodiösen Stimme, dass ihre Knie weich wurden. »Ich kann nicht bei dir bleiben. Das Gesetz verbietet es.« Sanft nahm er ihre Hände von sich und hielt sie in seinen eigenen. »Ich bin meinem Volk verpflichtet. Es wird sterben ohne mich. Vielleicht sogar durch die Hand deines Volkes.«

Sie trat zurück, entwand sich seinem Griff. Ihre Stimme zitterte. »Was soll das bedeuten?«, fragte sie, mühsam beherrscht. Ihre Hände ballten sich zu Fäusten und ihre Nägel gruben sich tief in ihr Fleisch. Doch sie zwang sich zur Ruhe. »Chiron, was hat das zu bedeuten? Verstößt du mich?« Sie stockte. »Schon wieder?« Verzweifelt schüttelte sie den Kopf. »Wie kannst du das tun, wenn du weißt, wie sehr ich dich liebe?«

»Und ich liebe dich«, bestätigte Chiron. »Und doch wünschte ich, ich könnte es ungeschehen machen. Ich verliere das Wertvollste, das mir zum Geschenk gemacht wurde, wenn ich dich weiterhin liebe.« Er hob die Hand, um ihre Antwort abzuwehren. »Ich weiß, du bist verletzt. Und ich weiß, du kannst es nicht verstehen. Noch nicht. Aber glaube mir, eines Tages wirst du verstehen, warum ich mein Volk wähle und nicht dich.«

Sie trat noch einen Schritt zurück. Nur ein paar Fuß trennten sie, und doch schien diese Entfernung eine unüberwindbare Kluft zu sein. Ein unerträglicher Schmerz schnürte ihre Brust zusammen und ließ sie keuchen. Sie senkte den Kopf und wirkte viel kleiner, als sie es eigentlich war. »Nein. Nein. Nein«, murmelte sie. Immer wieder.

Chiron trat aus dem Schatten und blieb dicht vor ihr stehen. »Tochter der Uredos«, sagte er erneut. »Bitte weine nicht. Ich ertrage deine Tränen nicht. Ich bitte dich, hör mir zu.« Er nahm ihr Gesicht in seine Hände und sah ihr tief in die Augen. »Mein Volk stirbt«, sagte er. Seine Züge verhärteten sich. »Und deines stirbt ebenfalls. Ich blicke zurück auf so viele Jahre, in denen unsere beiden Völker Verluste beklagen musste. Niemals zuvor waren wir so wenige. Ich möchte dir ein Geschenk machen. Aber nur, wenn du die Bedingungen akzeptierst, die ich festlege.« Chiron ließ von ihr ab und richtete sich zu seiner ganzen Größe auf. Mit entschlossenem Blick sah er auf die Frau hinunter. »Hilf meinem Volk, zu überleben. Hilf ihm, wieder zahlreich zu werden und von Neuem zu erstarken. Mein Geschenk an dich wird dir ermöglichen, mein Volk zu beschützen. Unsere Völker zu beschützen.« Chiron streckte die Hand nach ihr aus und strich ihr zärtlich über das Gesicht. »Ich bewahre dich vor dem Tod. Wir werden verbunden sein. Für immer. Nun sage mir, Maid der Uredos, nimmst du dieses Angebot an?«

Sie zitterte. Ein Rauschen hob in ihren Ohren an und machte sie für einen kurzen Augenblick taub. Sie wollte lieber sterben, als jemals von ihm getrennt zu sein. Doch was genau bot er ihr da an?

»Wenn ich das tue«, sagte sie mit bebender Stimme, »wirst du dann bei mir sein? Werden wir uns treffen, so wie wir es immer getan haben?«

»Wir werden vereint sein«, sagte Chiron. »Aber ich kann dich nicht lieben. Dies ist der Weg, den ich für mich gewählt habe. Nun wähle den deinen, bevor es zu spät ist.«

Sie senkte ihren Blick und griff nach Chirons Hand, die noch immer auf ihrem Gesicht lag. Eines war ihr bewusst:...
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