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Ostseekiller

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
249 Seiten
Deutsch
Gmeiner Verlagerschienen am07.03.20182022
Sieben Frauenköpfe in sieben Tagen, aufgespießt auf einen Dreizack. Mutmaßlicher Täter: Neptun. Der Gott des Meeres - der Mörder? Die Polizei ist ratlos. Der IT-Spezialist Hannes Liebermann, Dorothea Wilke, eine Schauspielerin am Volkstheater Rostock, und ein pensionierter Hauptkommissar kommen einer tragischen Geschichte auf die Spur, die zwar nicht bis in die Antike, dafür aber in die deutsch-deutsche Vergangenheit zurückreicht.

Jana Jürß wurde 1970 in Neustrelitz (Mecklenburg/DDR) geboren, wo sie auch mit ihren sechs Geschwistern aufwuchs. Im Jahr 1989 flüchtete sie über Ungarn/Österreich aus der DDR. Seit 2005 arbeitet die verheiratete Mutter von zwei Kindern als Schriftstellerin und Publizistin. Jana Jürß ist Mitglied im PEN, im Verband deutscher Schriftsteller (VS) sowie im »Syndikat«.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR13,00
E-BookPDF1 - PDF WatermarkE-Book
EUR9,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextSieben Frauenköpfe in sieben Tagen, aufgespießt auf einen Dreizack. Mutmaßlicher Täter: Neptun. Der Gott des Meeres - der Mörder? Die Polizei ist ratlos. Der IT-Spezialist Hannes Liebermann, Dorothea Wilke, eine Schauspielerin am Volkstheater Rostock, und ein pensionierter Hauptkommissar kommen einer tragischen Geschichte auf die Spur, die zwar nicht bis in die Antike, dafür aber in die deutsch-deutsche Vergangenheit zurückreicht.

Jana Jürß wurde 1970 in Neustrelitz (Mecklenburg/DDR) geboren, wo sie auch mit ihren sechs Geschwistern aufwuchs. Im Jahr 1989 flüchtete sie über Ungarn/Österreich aus der DDR. Seit 2005 arbeitet die verheiratete Mutter von zwei Kindern als Schriftstellerin und Publizistin. Jana Jürß ist Mitglied im PEN, im Verband deutscher Schriftsteller (VS) sowie im »Syndikat«.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783839256626
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum07.03.2018
Auflage2022
Reihen-Nr.1
Seiten249 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.2542388
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Neptuns Gespielin

Hannes kam sich ein bisschen wie ein Feigling vor. Er war für einen Auftrag schon seit Längerem unter der Woche in München geblieben. Statt an den Wochenenden wie üblich heim nach Stuttgart zu fahren, hatte er seit ihrem Streit gekniffen. »Wichtige Sache«, war seine Antwort gewesen, wenn Liliana fragte, wann er nach Hause käme. Er wäre unabkömmlich, und ohne das Geschäft keine Brötchen und so weiter. Er hatte es nicht fertiggebracht, ihr die Wahrheit zu sagen. In langen Mails hatte sie von ihrer Sehnsucht geschrieben, ihrer Schuld, ihrer Angst. Auch von ihrem neuen Projekt. Marketing für eine Kunstschule. Auf Provisionsbasis.

Er fuhr langsamer. Es wurde Zeit, den Strich nicht nur durch das Packen seiner Koffer zu machen. Er hatte keine Lust mehr, an sie zu denken. Die ganzen Jahre drehte sich alles um sie und ihre Probleme, dachte er voller Selbstmitleid. Wo war ich eigentlich? Ich habe brav das Geld verdient, ihre Hirngespinste finanziert und war ihren vielfältigen Wurfgeschossen manchmal nur schwer entkommen. Als Frau hätte alle Welt mit mir Mitleid. Männer mussten stark sein. Immer. Geld verdienen. Kinder zeugen, alles finanzieren, und wenn sie Glück hatten, durften sie auch die Windeln wechseln. Zudem die Leiden der unglücklichen Frau ertragen. Mit Würde. Vielleicht sollte er sich einen Kumpel suchen. Wie früher. Gemeinsam um die Häuser ziehen, Frauen aufreißen, das Leben genießen. Endlich grinste er. Das alles war nie sein Ding gewesen. Er hasste es, Zeit sinnlos zu verprassen. Er trank zwar gern Alkohol, aber nicht unbedingt in der Öffentlichkeit. Und Frauen? Was das betraf, war er eher der schüchterne Typ. Frauen mussten ihn finden. Wie Liliana. Und vorher Andrea. Und Hilke. Und â¦ Hannes grinste noch breiter. Es waren doch einige. Allerdings war keine bei ihm geblieben. Bis auf Liliana.

Ein Traktor bog überraschend vor ihm auf die Straße. Er bremste scharf ab. Der Firmenwagen, ein Audi, reagierte wie erwartet. Erstklassig. Vor ihm tuckerte es laut und schmutzig mit 40 Stundenkilometern. Unter anderen Umständen wäre er ungeduldig geworden. Vielleicht sogar ungemütlich. Doch er musste zu keinem Termin, kein Abteilungsleiter saß ihm im Nacken. Urlaub. Er hatte Liliana belogen, ihr seine geschäftliche Unabkömmlichkeit in München vorgegaukelt, um ein paar freie Tage ohne sie verbringen zu können. Der erste Urlaub allein seit â¦? Konnte es sein, dass er niemals allein in den Ferien gewesen war? Er lachte. Und gerade, als er sich im Stillen über seinen ersten Urlaub allein freuen wollte, fiel ihm ein, dass er dafür den falschen Ort gewählt hatte. Allerdings war dieser Ort wichtig und voller Erinnerungen. Er war dort aufgewachsen. Wenigstens ein paar Jahre. Und irgendwie wollte er aufräumen in seinem Leben. Damit er in Ruhe weiterleben konnte. Zum Aufräumen gehörte eben auch Vergangenheitsbewältigung. Welch großes Wort. Frau Doktor Michaelis hätte ihre helle Freude mit ihm. Ihre albern hohe Stimme wäre vor Glück noch höher geworden. Noch weniger erträglich.

Die Sonne strahlte heiß hinab an diesem Sonntag. Es kam ihm vor, als wäre sie nur für ihn so freundlich. Er wollte sich erkenntlich zeigen und öffnete die Fenster. Sogleich breitete sich die Hitze in seinem sorgsam klimatisierten Auto aus. Und zudem der Geruch des Wassers. Hannes sog alles tief in sich hinein, schüttelte den Kopf über alle Fahrer, die es scheinbar schrecklich eilig hatten und ungestüm ihn und den roten Traktor überholten. Die meisten hatten keine hiesigen Kennzeichen. Wie er auch. Seines hatte eines aus dem hessischen Raum, obwohl er aus Stuttgart kam. Dienstfahrzeug eben. Hannes wollte mehr Heimatgefühl. Er drückte so lange den Sendersucher seines Radios, bis er die Ostseewelle hörte. Als hätte er es bestellt, spielten sie »Wind of Change«. Er fühlte sich wie ein anderer. Er fühlte sich jung und spürte eine Lebensfreude zurückkehren, die er nur hier vor vielen Jahren einmal empfunden hatte.

Ebenso plötzlich, wie er vorhin auf die Straße gebogen war, verschwand der Traktor in einen kleinen Weg ohne Beschilderung. Trotzdem behielt Hannes die Geschwindigkeit bei. Er sang mit. Er beschloss, in Bad Doberan eine letzte Pause zu machen. Ein wenig Aufschub. Schließlich war der Weg das Ziel. Und der Weg konnte gut und gern eine längere Weile andauern.

Das Ortsschild tauchte auf. Wie lange war er hier nicht durchgefahren? Überall stand groß »Moorheilbad«. Ein hübsches Städtchen mit schönen Häusern und gepflegten Anlagen. Dort, wo er jetzt lebte, sagte man Dörfle und Häusle, und wenn etwas gepflegt war, lag es an der erfüllten Pflicht der Kehrwoche. Dass die Kehrwoche typisch schwäbisch sein sollte, empfand Hannes als Unsinn. Demnach wäre ganz Deutschland schwäbisch. Ein Land mit Pflicht zur Kehrwoche fand er beunruhigend. Andererseits konnten innere Kehrwochen guttun. Er blieb, erstaunt über seine philosophischen Gedanken, vor einem weißen Gasthaus stehen. »Zum Ostseeschwan« hieß es. Die fröhliche männliche Stimme der Ostseewelle kündigte Nachrichten an. Gleich 12.00 Uhr. Eine Unmenge Fahrräder stand auf dem Parkplatz. Er hatte ein wenig gehofft, dass die frühe Mittagsstunde ihm eine fast leere Gaststube gönnte. Leider hatte man aber auch hier die Brunch-Mode entdeckt, was dazu führte, dass die Leute inzwischen rund um die Uhr aßen. Alle Tische waren besetzt. Hannes beschloss, aufs Klo zu gehen und dann weiterzufahren. Vielleicht gab es ja einen Kaffee in die Hand für einen Junggesellen. Dieses Wort kam ihm das erste Mal in den Sinn. Er war jetzt Junggeselle. Er hatte sich von Liliana getrennt. Er hatte ihr vor seiner Abfahrt an die Ostsee eine lange Mail geschrieben und ihr erklärt, dass er nicht mehr so weitermachen konnte. Dass es besser ist, wenn sie sich trennen würden. Das hatte er geschrieben. Deutlich. Ohne Wenn und Aber - Faber. Ach, die 90er-Jahre mit knapper Kasse und Billigsekt waren zurück. Die nahe Ostsee brachte Erinnerung und gleichzeitig Wehmut. Trotz aller Querelen mit seinem Vater. Die letztlich ausschlaggebend gewesen waren für den Abschied von der besten Heimat, die er je gehabt hatte.

Er benutzte, wenn möglich, immer eine Kabine. Diese Stehklos waren ihm schon als Kind zuwider gewesen. Das öffentliche Pinkeln unter den Augen anderer konnte er nicht mal unter Alkoholeinfluss leiden. Als er zurück in die Gaststube trat, um eine Bedienung nach einem Kaffee zum Mitnehmen zu fragen, starrten ihn dunkel geschminkte Augen an. Die Frau, zu der dieser Blick gehörte, stand in Jeans, weißem Top und alten Turnschuhen am Tresen. Sie winkte ihm zu, während er kopfschüttelnd die übervollen Teller der Brunch-Gäste betrachtete.

»Komm. Alles voll. Hier ist ein Platz.« Sie klopfte auf den Barhocker neben sich.

Er hob abwehrend eine Hand und zeigte auf seine Armbanduhr. »Nett von Ihnen. Danke. Aber ich muss weiter.« Trotz des großen Wunsches nach Kaffee setzte er seine Füße zügig in Richtung Ausgang. Auf eine Unterhaltung hatte er nicht die geringste Lust.

Der schwarze Wagen hatte sich in der prallen Mittagssonne aufgeheizt. Er öffnete alle Türen, kramte im Kofferraum nach Wasser. Gierig nahm er einen großen Schluck. Es war lauwarm, löschte trotzdem seinen Durst und auch die Lust auf Kaffee. Er atmete erneut die wunderbare Luft ein. Langsam fiel eine Last von ihm, die er nachträglich erst als eine erkannte. Die Beziehung war in einem kaum noch ertragbaren Zustand gewesen, wie eine schleppende, lebensbedrohende Krankheit. Er fühlte sich erleichtert und das erste Mal seit Jahren richtig wohl. Er dachte zwar besorgt an Liliana, aber eher mit brüderlichen Gefühlen. Mit fast den gleichen Gefühlen, mit denen er an seine Schwester Kathi dachte, die weit weg in Brisbane lebte.

»Du nimmst mich doch mit?«

Er schrak leicht zusammen. Sie, denn es war eine Frauenstimme, die ihn das fragte, fasste ihn an die Schulter.

»Du siehst aus wie einer, der Ferien macht.« Die Frau von der Theke zwinkerte ihm zu. »Willst dir den Pott und das alles ansehen. Und die wunderschöne deutsche Ostseeküste.«

Hannes drehte sich zu ihr um. In der Gaststube hatte er nur einen flüchtigen Blick auf sie geworfen. Jetzt stand sie unmittelbar vor ihm. Sie war älter als er. Vorhin hätte er sie deutlich jünger geschätzt. Wenn er es denn gemusst hätte. Sie hatte kurze braune Haare, unzählige Sommersprossen und Augen, deren Farbe irgendwo zwischen grün, blau und grau lag. Sie war einen halben Kopf kleiner als Hannes. Vielleicht ein winziges Stück größer als Liliana.

»Was starrst du mich an? Meinst du, ich will dir unterwegs die Brieftasche klauen?« Sie lächelte ihn an. »Nimm mich ein paar Kilometer mit, ja? Ich quatsche auch nicht viel. Ich rauche nicht. Ich trinke nicht. Ich bin ganz artig.«

Ihre Stimme war ihm sympathisch. Trotz der Impulsivität sprach sie leise und mit einem warmen Klang.

Endlich nickte er. »Okay. Ich fahre bis zum Kurhaus in Warnemünde. Etwa eine gute halbe Stunde werden wir miteinander auskommen.«

Sie schlüpfte schnell, zu schnell, wie er fand, auf den Beifahrersitz. Er schloss alle Türen, ärgerte sich ein wenig über seine Gutmütigkeit und fuhr schnell vom Parkplatz. Ein paar Minuten blieb es tatsächlich still.

»Mir ist kalt. Ist ja wie im Kühlschrank bei dir.« Sie drehte an der Klimaanlage. »Ich friere schnell. Seit damals schon. Damals, weißt du. Na eben, wie das alles kam. Du weißt schon.«

Hannes wusste nicht, was sie meinte. Und er hatte auch keine Lust, irgendetwas über sie zu erfahren. Er war viel zu sehr mit sich beschäftigt. Und mit der gerade gewonnenen Freiheit. Aber er sagte der Höflichkeit halber: »Ja, damals...

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Autor

Jana Jürß wurde 1970 in Neustrelitz (Mecklenburg/DDR) geboren, wo sie auch mit ihren sechs Geschwistern aufwuchs. Im Jahr 1989 flüchtete sie über Ungarn/Österreich aus der DDR.
Seit 2005 arbeitet die verheiratete Mutter von zwei Kindern als Schriftstellerin und Publizistin. Jana Jürß ist Mitglied im PEN, im Verband deutscher Schriftsteller (VS) sowie im »Syndikat«.