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Das Vermächtnis der Kurfürstin

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
480 Seiten
Deutsch
Gmeiner Verlagerschienen am13.04.20222022
Nach dem Tod von Christianes Ziehvater liegt das Sorgerecht bei dessen Schwester, der Bergrätin Elisabeth Hehl. Um ihrem Einfluss zu entgehen und eine gute gesellschaftliche Stellung zu erlangen, flieht Christiane. Doch eine standesgemäße Heirat wird ihr von Elisabeth verwehrt. Als Christiane herausfindet, dass Kurfürstin Mathilde ihr eine ansehnliche Geldsumme vermacht hat, schmiedet Elisabeth einen teuflischen Plan, wie sie nicht nur an das Vermögen herankommen, sondern Christiane für immer zu ihrem Mündel machen kann.

Jutta Weber-Bock wurde 1957 in Melle geboren und ist dort aufgewachsen. Schon als Kind liebte sie alte Mühlen und Fachwerkhäuser. Darauf gründet sich ihre Liebe zur Geschichte. Sie studierte Germanistik und Philosophie an der Universität Osnabrück und ist ausgebildete Gymnasiallehrerin. Im Jahr 1983 ist Jutta Weber-Bock mit einer Liebe nach Stuttgart gekommen und aus Liebe zur Stadt geblieben. Heute lebt sie im Heusteigviertel und joggt bei jedem Wetter zum Fernsehturm oder wandert in Istrien, auf der Suche nach Riesen und alten Bahnstrecken. Sie ist freie Schriftstellerin sowie Dozentin und in verschiedenen Autor:innenvereinigungen aktiv. 'Das Vermächtnis der Kurfürstin' ist ihr zweiter Roman zum Leben der Giftmörderin Christiane Ruthardt.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
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Produkt

KlappentextNach dem Tod von Christianes Ziehvater liegt das Sorgerecht bei dessen Schwester, der Bergrätin Elisabeth Hehl. Um ihrem Einfluss zu entgehen und eine gute gesellschaftliche Stellung zu erlangen, flieht Christiane. Doch eine standesgemäße Heirat wird ihr von Elisabeth verwehrt. Als Christiane herausfindet, dass Kurfürstin Mathilde ihr eine ansehnliche Geldsumme vermacht hat, schmiedet Elisabeth einen teuflischen Plan, wie sie nicht nur an das Vermögen herankommen, sondern Christiane für immer zu ihrem Mündel machen kann.

Jutta Weber-Bock wurde 1957 in Melle geboren und ist dort aufgewachsen. Schon als Kind liebte sie alte Mühlen und Fachwerkhäuser. Darauf gründet sich ihre Liebe zur Geschichte. Sie studierte Germanistik und Philosophie an der Universität Osnabrück und ist ausgebildete Gymnasiallehrerin. Im Jahr 1983 ist Jutta Weber-Bock mit einer Liebe nach Stuttgart gekommen und aus Liebe zur Stadt geblieben. Heute lebt sie im Heusteigviertel und joggt bei jedem Wetter zum Fernsehturm oder wandert in Istrien, auf der Suche nach Riesen und alten Bahnstrecken. Sie ist freie Schriftstellerin sowie Dozentin und in verschiedenen Autor:innenvereinigungen aktiv. 'Das Vermächtnis der Kurfürstin' ist ihr zweiter Roman zum Leben der Giftmörderin Christiane Ruthardt.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783839271964
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum13.04.2022
Auflage2022
Seiten480 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.8446247
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


STUTTGART

Sie war die einzige Frau in der ganzen Stadt, der es an diesem Montag in den Sinn kam, eine Chocoladentorte mit zweiundzwanzig Eiern zu backen. Sie war die Ausnahme. Elisabeth Hehl reckte sich. Sie prüfte die Eier genau und sortierte eines mit gesprungener Schale aus. Den Korb stellte sie für später in der Ecke bereit und siebte ein dreiviertel Pfund Zucker. Süß war er wie die Bruderliebe, mit der Ludwig sie als Jüngste der Schwestern überhäuft hatte. Wie er ihr immer geschmeichelt, sie vergöttert und gleichzeitig an ihr herumerzogen hatte. Sie hatte sich dagegen gewehrt und konnte sich seiner Liebe doch nicht entziehen. Es war Zeit. Befreien wollte sie sich von ihm. Nicht er sollte länger bestimmen, sondern sie hielt das Schicksal des Kindes in der Hand. Die Vormundschaft stand ihr zu. Das würde sie durchsetzen.

Entschlossen schob sie die Schüssel mit dem Zucker beiseite und schaute in den Garten. Ein heimlicher Müßiggang. Die ersten Forsythien blühten. Zu kühl war es für Mitte März, wie der Gärtner gesagt hatte, nachdem er die Tannenzweige von den Beeten genommen hatte.

Sie ging ins Wohnzimmer und öffnete das Fenster zur Straße. Über den Dächern hing eine graugelbe Dunstglocke. Der Himmel drückte auf die Häuser, raubte ihnen den Atem. Eine ungelüftete Stube jedoch ertrug sie nicht.

In der Morgendämmerung hatte sie die Milchmädchen beobachtet. Auf dem Weg vom Hohen Bopser in die Stadt hielten sie sich Schnupftücher vor die Nasen.

Wie sich Elisabeth Hehl schämte für die Residenz. Der Talkessel stank. Sie griff nach der Schürze und presste sie vors Gesicht. Montags war der Geruch aus dem Nesenbach immer besonders beißend.

Zwei Kutschen ratterten vorbei. Von der Leonhardskirche schlug es neun. Da ertönte der Ruf nach frischen Brezeln, die neuerdings von einem fliegenden Händler feilgeboten wurden. Sie winkte ihm und kaufte eine, seine waren die besten. Der Duft von Hefe und Lauge, dazu grobkörniges Salz. Sie leckte sich über die Lippen.

In einer Stunde hatte der Backofen das richtige Feuer. Heißer als sonst. Sie hatte noch Zeit und schob die Ärmel ihres blaugrünen Kleides nach oben. Diese Farbe stand ihr exzellent.

Auf der anderen Seite der Charlottenstraße rüsteten sie ein Haus ein. Das Hämmern drang ihr durch Mark und Bein. Ihr schienen die Knochen im Leib zu vibrieren. Lasten quietschten am Lotterseil, wie der Gärtner auch eines in der Küche angebracht hatte. So sei es leichter, die Töpfe aufs obere Regal zu hieven und die Kräuter aufzuhängen. Elisabeth Hehl hatte ihn gewähren lassen, wenn bloß Amalie, ihre geschätzte Köchin, nicht von der Leiter fiel.

Zur Geburt des lang ersehnten Kronprinzen hatte König Wilhelm befohlen, zwei Kastanienalleen auf dem Schlossplatz zu pflanzen. Nur bei einem Buben, das sah die Ordnung der Württemberger vor. Stattdessen hätte er die Straßen pflastern lassen können, fand sie, denn nach wie vor watete man im Dreck. Und das im Jahr 1823. Nicht mal in der Nähe des Schlosses gab es eine passable Chaussee. Nur Löcher und Pfützen. Und wie oft war sie über die Kastanien gestrauchelt.

Die Milchmädchen kehrten heute schon aus der Stadt zurück. Sie schwatzen und hatten alle Zeit der Welt. Hinter den Schnupftüchlein reckten sie die Hälse. Sie aber ließ sich nicht in diesen Montag schauen. Für das Rezept der Großmutter brauchte sie Ruhe. Etwas ganz Besonderes war diese Chocoladentorte. Ihre Gardinen blieben geschlossen, wenn auch das Fenster noch offen war. Die Linden vor dem Haus hatten immer für einen gewissen Abstand gesorgt. Jetzt waren sie weg. Die Stadt hatte die beiden Bäume absägen lassen, was nicht rechtens gewesen war, denn sie standen auf ihrem Grundstück. Gefällt für ein Trottoir. Wie lächerlich. Ein Gehsteig, damit die Spaziergänger zum Bopserbrünnlein wandern konnten. So weit war es gekommen. Stuttgart flanierte an ihrem Wohnzimmerfenster vorbei. Ihr Gatte hielt sich aus allem heraus. Reiste lieber nach Sankt Petersburg. Etzel baute eine neue Steige, und zum Glück blieb die Charlottenstraße eine Sackgasse. Sonst gäbe es noch mehr neugierige Blicke. Es war zu teuer, den Bopserberg abzutragen. Selbst ein Oberbaurat musste auf der anderen Seite des Hügels in die Stadt hinunter. Zum Wilhelmsplatz.

Die Glocken der Stiftskirche läuteten. Sie schüttelte den Kopf und zog ihre Taschenuhr aus der Kleidertasche. Beinahe zehn Minuten über der Zeit. Auf nichts war mehr Verlass. Stuttgart war eine einzige Baustelle. Zum wiederholten Mal. Nur das neue Kornhaus auf dem Leonhardsplatz wollte Elisabeth Hehl gelten lassen. Da hatte ihr Bruder ausnahmsweise recht. Als Hofmedicus lag es ihm am Herzen. Die Leute mussten satt werden, sonst wurden sie renitent. Wie unnötig diese Aufstände in der ganzen Welt! Portugal, Spanien, Griechenland. Nichts war so fern und so nah zugleich wie Unruhen. Das neue Kriegsministerium am Charlottenplatz bezeugte es. In Stuttgart hatte die Erde gebebt. Das war im November gewesen. Die Erdstöße hatten sich im Dezember und Januar wiederholt. Ein Grollen, weil keiner mehr mit der Ordnung zufrieden war? So wie sie? Aber die Dinge ließen sich nicht vergleichen. Die Gardinen bauschten sich. Sie hielt die Luft an und schloss das Fenster. Der Wind wehte den Gestank erst so richtig herein. Schnell zurück in die Küche.

»Lisbeth«, hatte die Großmutter immer gesagt, »sei nicht unachtsam. Die Chocoladentorte muss tadellos sein.«

Die Worte schwirrten in ihrem Kopf herum.

Der alte Rattler von Hofbaumeister Fischer, der seinen Herrn um zehn Jahre überlebt hatte, sprang durch ihren Garten und verbellte Amseln, statt die Ratten zu jagen, die aus dem Nesenbach krochen. Der Gärtner klatschte in die Hände. Kurz darauf stand er in der Hintertür.

»I gang dann mal, wenn Sie mich heute nicht mehr brauchen«, sagte er und reichte ihr einen winzigen Strauß Schneeglöckchen. »Sind die letzten. Es wird regnen.« Er knetete die Hände und zeigte zum Himmel, wo sich dunkle Wolken zusammenballten.

Sie strich den Rock glatt, als er endlich um die Hausecke verschwand.

»Unser Gärtner ist ein quadratischer Dickschädel von der Alb«, hatte ihr Gatte gesagt, nachdem er ihn eingestellt hatte. »Er tut nur das, was er will.«

Inzwischen war er ihr ergeben und sonst niemandem. Sie lächelte in sich hinein und hängte die Schneeglöckchen kopfüber an einer Schnur auf. Am Kräuterbalken zog sie den Strauß in die Höhe. Eine gute Idee mit dem Lotterseil. Amalie würden die Blumen gefallen zwischen Peterling und Dill. Die Köchin hatte frei bis zum Nachmittag.

Ein dreiviertel Pfund Mandeln rieb Elisabeth Hehl nun in eine irdene Schüssel. Flink musste jetzt alles gehen. Wie bei der Großmutter. Ihr fiel eine Haarsträhne ins Gesicht. Sie hielt inne, ging in den Öhrn und warf einen Blick in den Spiegel. Ordentlich sah sie aus und aufrecht stand sie da. Das hätte der Großmama gefallen. Wenn nur die eine Haarsträhne nicht so widerborstig wäre. Eine neue Angewohnheit. Sie strich diese zurück ins Haarnest. Rötlich schimmerte sie und wollte nicht folgen. Schon wieder hing sie ihr im Gesicht. Sie griff nach der Schere. Das hätte sie längst tun sollen. Ritsch. Jetzt hatte sie Ruhe. Nein, sie würde nicht mehr in den Spiegel schauen. Von der Leonhardskirche läutete es zehn.

Sie nahm den Korb mit den Eiern. Sanft schlug sie die erste Schale an einer Porzellantasse auf, eine scharfe Kante war wichtig. Sie roch am Ei. Einige Mal war die Köchin bei der Auswahl auf dem Wochenmarkt nachlässig gewesen. Sie schwätzte zu gern und war übermütig, wenn auch in anderen Dingen als dieses Kind, das sogar Schläge nicht gebessert hatten. Jetzt war es bald neunzehn. Mehr als zehn Jahre hatte sie es mit ihm versucht. Es aus dem Haus zu weisen, war die einzige Möglichkeit gewesen. In der Fremde musste es sein Brot verdienen, das hatte sie eingefädelt. Das Kind würde sehen, wie mühsam die Ehre zu bewahren war.

Zweiundzwanzig Eier schlug sie auf, trennte sorgsam das Gelbe vom Weißen. Leicht ging ihr das von der Hand. Wenn es bei Ludwig nur auch so einfach wäre. Er stellte sich dagegen, das Kind aus der Residenz zu verbannen. Vermitteln wollte er. Sie aber hatte längst Tatsachen geschaffen. Zwei Monate zu spät kam er, nicht nur, um seinen Geburtstag mit ihr zu feiern. An einem Montag. Sie schüttelte den Kopf. Nichts war, wie es sein sollte.

Mit dem breiten Holzlöffel in beiden Händen rührte sie Zucker, Mandeln und Eigelb. Hundert Mal hatte ihr die Großmutter eingeschärft. Nicht mehr und nicht weniger. Vor zwei Jahren war sie selbst nicht gewissenhaft genug vorgegangen, als sie die Chocoladentorte für das Kind gebacken hatte. Doch hatte nicht die Köchin das Malheur zu verantworten gehabt? Diese hatte die Torte damals in der Sonne stehen lassen, bis die vielen Eier sie ungenießbar machten. Wäre das Kind nicht derart gierig gewesen, hätte es sich nicht den Magen verdorben. Es war ganz allein schuld. Sie rührte rechtsherum, wie die Großmutter es wollte, bis die Masse cremig war und gelb leuchtete wie ihr Haus.

Alle sollten sehen, wo sie residierte. Nicht so groß wie das von Ludwig war ihr Heim, aber es hatte einen Garten. Er hatte sich als Hofmedicus ein Anwesen auf der Königstraße gekauft. Ihres lag außerhalb der alten Stadt, die längst über sich hinausgewachsen war. Wie sie, als sie das Kind damals zu sich genommen hatte. Eine selbstlose Mutter war sie immer gewesen, untadelig. Das Wichtigste.

»Lisbeth, denk an die Chocolade. Nicht naschen!« Die Großmutter. »Lass das nach! Du brauchst ein halbes Pfund, pulvrig gerieben. Stauben muss es. Was hustest du? Eine Hausfrau atmet nicht, bis die Torte im Rohr ist.« Großmamas...

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