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Einband grossLemberg
ISBN/GTIN
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
315 Seiten
Deutsch
Aufbau Verlage GmbHerschienen am17.03.20172. Auflage
Die Biographie einer Stadt.

Einst Teil des Habsburger Reichs, galt Lemberg als »Jerusalem Europas«, wo Polen, Juden, Ukrainer und Deutsche zusammenlebten. Namhafte Künstler und Wissenschaftler prägten eine Moderne, die der in Berlin und Wien in nichts nachstand. Dann verlor Lemberg wie so viele mitteleuropäische Städte durch Krieg, Holocaust und Vertreibung fast alle Einwohner - und damit sein Gedächtnis. Siebzig Jahre später, inmitten der Ukraine-Krise, sucht Lutz C. Kleveman die verschüttete Vergangenheit der Stadt freizulegen. Was er dabei entdeckt und brillant erzählt, ist nicht weniger als die Geschichte Europas bis heute.

»Lutz C. Kleveman erschließt lebendig und sehr persönlich die Geschichte dieser faszinierenden Stadt, die so viele Vergangenheiten hatte, Bühne so vieler Kulturen, Träume und Tragödien war. Ein immenses Lesevergnügen.« Philipp Blom (»Der taumelnde Kontinent«).

»Ein ebenso sorgfältiges wie umfassendes Geschichtsbuch über eine faszinierende Stadt, hinter deren bezaubernder Fassade sich Ungeheuerlichkeiten entluden.« Sabine Adler (Deutschlandfunk).



Lutz Kleveman, geboren 1974, hat Neuere Geschichte an der London School of Economics (LSE) studiert und als Journalist u.a. für Die Zeit, Spiegel Online, Newsweek und den Daily Telegraph geschrieben. Er ist der Autor von »Der Kampf um das heilige Feuer«, »Kriegsgefangen« (2011) und bei Aufbau »Lemberg. Die vergessene Mitte Europas«.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR26,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR14,99

Produkt

KlappentextDie Biographie einer Stadt.

Einst Teil des Habsburger Reichs, galt Lemberg als »Jerusalem Europas«, wo Polen, Juden, Ukrainer und Deutsche zusammenlebten. Namhafte Künstler und Wissenschaftler prägten eine Moderne, die der in Berlin und Wien in nichts nachstand. Dann verlor Lemberg wie so viele mitteleuropäische Städte durch Krieg, Holocaust und Vertreibung fast alle Einwohner - und damit sein Gedächtnis. Siebzig Jahre später, inmitten der Ukraine-Krise, sucht Lutz C. Kleveman die verschüttete Vergangenheit der Stadt freizulegen. Was er dabei entdeckt und brillant erzählt, ist nicht weniger als die Geschichte Europas bis heute.

»Lutz C. Kleveman erschließt lebendig und sehr persönlich die Geschichte dieser faszinierenden Stadt, die so viele Vergangenheiten hatte, Bühne so vieler Kulturen, Träume und Tragödien war. Ein immenses Lesevergnügen.« Philipp Blom (»Der taumelnde Kontinent«).

»Ein ebenso sorgfältiges wie umfassendes Geschichtsbuch über eine faszinierende Stadt, hinter deren bezaubernder Fassade sich Ungeheuerlichkeiten entluden.« Sabine Adler (Deutschlandfunk).



Lutz Kleveman, geboren 1974, hat Neuere Geschichte an der London School of Economics (LSE) studiert und als Journalist u.a. für Die Zeit, Spiegel Online, Newsweek und den Daily Telegraph geschrieben. Er ist der Autor von »Der Kampf um das heilige Feuer«, »Kriegsgefangen« (2011) und bei Aufbau »Lemberg. Die vergessene Mitte Europas«.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783841212955
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2017
Erscheinungsdatum17.03.2017
Auflage2. Auflage
Seiten315 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse15748 Kbytes
Artikel-Nr.2145126
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

***

An einem stillen, sonnigen Morgen steige ich zur Zitadelle von Lemberg empor. Nur ein leichter Wind streicht durch das Laub der Krüppeleichen, die den Hang bewachsen. Aus der Stadt dringt das Quietschen der Straßenbahnen zu mir hoch, allmählich leiser werdend.

Es ist Anfang Juli 2014, ich bin zum ersten Mal in Lemberg, das heute offiziell Lwiw heißt und in der Westukraine liegt. Erst vor wenigen Stunden angekommen, muss ich mich erst mal orientieren. Die Zitadelle liegt auf dem kleinen Hausberg der Stadt. Von hier oben hat man sicher einen guten Blick, denke ich mir und werde nicht enttäuscht. Lemberg schmiegt sich um mehrere Hügel, die östlichen Ausläufer der Karpaten. An den Rändern der Stadt stehen sozialistische Hochhaussiedlungen, in denen wahrscheinlich die meisten der etwa 750000 Einwohner leben. Die Altstadt blieb von sowjetischen Bausünden jedoch verschont. Sie ist unverkennbar mitteleuropäisch. Der schlanke Rathausturm und die zahlreichen barocken Kirchtürme - so muss die die Silhouette der Stadt schon vor hundert Jahren ausgesehen haben.

Gegründet wurde Lemberg im 13. Jahrhundert, so steht es in meinem Reiseführer, von einem gewissen König Daniel, Herrscher der Rus, der die Siedlung nach seinem Sohn Lew benannte. Bald darauf eroberte ein polnischer König die Stadt, woraufhin sie vier Jahrhunderte lang zu Polen gehörte. Als das Land Ende des 18. Jahrhunderts unter seinen großmächtigen Nachbarn aufgeteilt wurde, fiel der südliche Teil mit Lemberg für 150 Jahre an das Habsburger Reich. Mit dem Zusammenbruch Österreich-Ungarns im Ersten Weltkrieg wurde die Stadt, die mehrheitlich von Polen bewohnt war, der neu entstandenen Republik Polen zugeschlagen. Von September 1939 bis Juni 1941 war Lemberg unter sowjetischer, danach bis Juli 1944 unter deutscher Besatzung und Gewaltherrschaft. Nach Kriegsende fiel Lemberg an die Sowjetunion und gehört seit 1991 zur unabhängigen Ukraine. Rechnet man das militärische Hin und Her im Ersten Weltkrieg hinzu, wechselte die politische Herrschaft über die Stadt zwischen 1914 und 1991 gleich sieben Mal.

Das klingt nach einem regelrechten Brennglas europäischer Geschichte des 20. Jahrhunderts. Allein der Name der Stadt spiegelt die Wandlungen wider. Hatte sie im Mittelalter noch Leopolis geheißen, die »Stadt der Löwen«, wurde aus dem habsburgischen Lemberg Ende 1918 das polnische Lwów, daraus dann 1939 das russische Lwow, dann wieder Lemberg, 1944 erneut Lwow, und seit 1991 heißt die ukrainische Stadt Lwiw.1 Sie liegt nur eine Autostunde von der polnischen und damit der EU-Außengrenze entfernt. Ganz weit im Osten, denkt man erst. Politisch stimmt dies vielleicht, nicht aber geographisch. Ein Blick auf die Landkarte Europas zeigt, dass sich die Stadt fast genau am geographischen Mittelpunkt des Kontinents befindet.


Marktplatz von Lemberg


Weiter den Hügel hinauf steige ich bis zur Zitadelle, einer wuchtigen Kaserne, die von vier separaten Wehrtürmen umgeben ist. Das österreichische Militär ließ sie nach dem Völkerfrühling von 1848 errichten, um die aufmüpfigen Untertanen fortan besser überwachen zu können. Leer und abweisend steht der dunkelrote Ziegelbau vor mir. Die Eingänge sind verrammelt, die Schießscharten wirken wie böse Katzenaugen, an eine Wand hat jemand Hakenkreuze geschmiert. Einer der Wehrtürme ist eine Ruine, aus deren Rissen junge Birken wachsen. Er wurde offenbar von Fliegerbomben zertrümmert, das Mauerwerk ist von Schrapnelltreffern übersät. Der größte Wehrturm in der Mitte des Zitadellengeländes wurde vor einigen Jahren zu einem Luxushotel ausgebaut. Auf dem Parkplatz stehen SUV-Limousinen, den Eingang bewachen alte Kanonen. Hier würde ich nicht übernachten, denke ich unwillkürlich, ohne sagen zu können, warum.

Über einen Trampelpfad durch dichtes Gestrüpp finde ich schließlich einen weiteren Turm. Er ist kleiner als der erste und von einem trockenen, aber tiefen Graben umgeben. Auch hier trägt das Mauerwerk viele Narben alter Einschüsse, die oft mehrere Ziegelsteine weggesprengt haben. Vor dem Turm ragen Belüftungsschächte aus dem Boden, dahinter ein runder Betonbunker mit Feuerschlitz. Das Gelände wurde rundum mit einem Metallzaun abgesperrt. Lange kann das nicht her sein, der Zaun sieht noch recht neu aus. Ich blicke durch die Drahtmaschen und kneife die Augen zusammen. Hinter den vergitterten Fenstern und Schießscharten scheinen so etwas wie Regale zu stehen und auf ihnen - Bücher!

Verwundert gehe ich am Zaun entlang um den Turm herum. Hinter jeder Maueröffnung sind Regale und Buchrücken zu erkennen. Es sieht aus, als seien bis unter das Dach des Turms alte Bücher gestapelt. Tausende, vielleicht Zehntausende Bücher mögen es sein. Die Titel lassen sich aus der Distanz nicht entziffern, auch nicht, ob sie in kyrillischer oder lateinischer Schrift geschrieben sind.

Vergeblich suche ich nach einem Loch im Zaun, nur an der Frontseite des Turms ist ein Durchgangstor. Ich rüttele daran, aber es ist mit einem dicken Kettenschloss gesichert. Sosehr es mich ärgert, hier komme ich nicht rein. Was sind das für Bücher?, frage ich mich, während ich den Zitadellenberg wieder hinabsteige, und warum wurden sie hier weggeschlossen? Der Anblick kurbelt meine Phantasie an: Handelt es sich womöglich um verbotene Bücher? Stehen in ihnen etwa Dinge, die niemand wissen darf? Was ist das Rätsel dieses Bücherturms?

Zurück in der Altstadt, zieht es mich zum Rathausmarkt. Er ist an allen vier Seiten von hübschen Patrizierhäusern aus Barock und Renaissance umstanden, die vom Reichtum Lembergs im 16. und 17. Jahrhundert zeugen, als die Stadt an einem Knotenpunkt wichtiger Handelswege lag. Wohlhabende Kaufleute, darunter Griechen und Armenier, holten damals sogar italienische Baumeister hierher. Den leicht mediterranen Touch verstärkt der ockerfarbene lokale Sandstein vieler Häuser, der über die Jahre nachgedunkelt ist und eine mattsilbrige Patina erhalten hat. Schon auf den ersten Blick ist Lemberg ungewöhnlich schön, seit 1998 zählt die Altstadt zum UNESCO-Weltkulturerbe. Die meisten Straßen sind noch mit buckligem Kopfstein gepflastert. Die vielen Zeichen des Verfalls, bröckelndes Mauerwerk und undichte Dächer, unterstreichen nur den Charme der Stadt. Wenn ein sowjetischer Film in Paris oder Rom spielen sollte, so habe ich gehört, wurde er in Lemberg gedreht. Mich erinnert die Stadt eher an das Prag der frühen 1990er Jahre, bevor dort die Häuserfassaden alle neu gestrichen wurden.


Der Bücherturm auf der Zitadelle


Erste Eindrücke: Viele Menschen bewegen sich noch zu Fuß fort, und sie haben selten Eile. Gekleidet sind sie nicht viel anders als die Passanten einer deutschen Fußgängerzone, nur ärmer, mit einfacherer Mode und billigeren Stoffen. Junge Frauen tragen gern enge Kleider (ja, auch mit Leopardenmuster) und Pumps, ältere Frauen bevorzugen noch Röcke und Kopftücher. Männer tragen Hüte und karierte Plastiktüten. Ein Mädchen hält einen Blumenstrauß, den ihr wohl ein Verehrer geschenkt hat. Viele Lemberger bekreuzigen sich, wenn sie an einer Kirche vorbeigehen. Im Vergleich zu westlichen Städten fällt auf, dass die Leute noch auf die Straße gucken, anstatt ihre Köpfe über Smartphones zu beugen. Zwar gibt es einige Cafés mit WLAN, doch das mobilfunkübertragene Internet ist wohl noch recht langsam. Um Schnelligkeit geht es auch den Straßenbahnen nicht. Es sind quietschende Scheppertrams aus sowjetischer Zeit, die auf unfassbar krummen Gleisen über das Kopfsteinpflaster rumpeln. Geschäfte haben einfache Auslagen, Kettenfilialen gibt es kaum. Vieles in der Stadt wirkt noch unverfälscht. So erscheint Lemberg wie ein postsowjetischer und zugleich authentisch altmodischer Ort, mit einer reizvollen Mischung aus Vertrautheit und Fremdheit.

In den Cafés am Marktplatz brummt das Geschäft, die Außenterrassen sind voll mit ukrainischen Touristen. Ausländer hingegen finden sich nirgends. Anders als die meisten osteuropäischen Städte wird Lemberg bis heute nicht von Easyjet oder anderen Billigairlines angeflogen. Beerbikes oder Happy-Hour-Cocktailbars, in denen nur Touristen-Englisch gesprochen wird, fehlen noch im Stadtbild. Selbst die vielen Straßenmusiker singen nicht auf Englisch, sondern auf Ukrainisch oder Russisch. Allerdings sind auch keine Baedeker-Kulturreisenden zu sehen. In meinem Hotel scheine ich derzeit der einzige westliche Tourist zu sein, auch der für die Fußball-EM 2012 neu erbaute Flughafen war bei meiner Ankunft komplett leer. Schon nach dem Majdan-Aufstand im Winter 2013/14 und der russischen Annexion der Krim im März 2014 haben Reisende die Ukraine gemieden. Seit im Osten des Landes nun auch noch Krieg ausgebrochen ist, kommt fast niemand mehr.

Die Nachrichten aus dem umkämpften Donbass sind schlecht. Die ukrainische Armee war auf den Konflikt mit den von Russland unterstützten Rebellen nicht vorbereitet, die Verluste sind hoch. Viele Westukrainer kämpfen im Osten, als Soldaten oder Freiwillige. Fast jede Woche kommen einige von ihnen in Zinksärgen zurück, heißt es. Auch Tausende Flüchtlinge aus dem Donbass und von der Krim sollen hierher gezogen sein. Jetzt hört man viel Russisch auf den Straßen, obwohl Lemberg eigentlich als die einzige größere Stadt in der Ukraine gilt, in deren öffentlichem Raum hauptsächlich Ukrainisch gesprochen wird. Was anfangs wie ein Bürgerkrieg aussah, vom Westen lange als »Ukraine-Krise« verharmlost, hat sich inzwischen zu einem veritablen Krieg zwischen...
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Autor

Lutz Kleveman, geboren 1974, hat Neuere Geschichte an der London School of Economics (LSE) studiert und als Journalist u.a. für Die Zeit, Spiegel Online, Newsweek und den Daily Telegraph geschrieben. Er ist der Autor von »Der Kampf um das heilige Feuer«, »Kriegsgefangen« (2011) und bei Aufbau »Lemberg. Die vergessene Mitte Europas«.
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Kleveman, Lutz C.