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Eddas Aufbruch

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
608 Seiten
Deutsch
Aufbau Verlage GmbHerschienen am14.03.20241. Auflage
1968 - Eine junge Frau durchbricht die Mauer des Schweigens.

Um der Enge ihres autoritären Elternhauses zu entkommen, geht die 19-jährige Edda als Au-pair nach Paris. In einer politisch aufgeheizten Zeit verliebt sie sich in den Studenten Marcel, der neue Fragen in ihr weckt: Auf welcher Seite standen ihre Eltern in den Jahren des Nationalsozialismus? Zurück in Frankfurt am Main konfrontiert sie ihren Vater, doch dieser hüllt sich in Schweigen. Erst als Edda alte Feldpost im Schlafzimmer ihrer Mutter entdeckt, kommt sie den Ereignissen der Vergangenheit auf die Spur. Was sie herausfindet, stellt nicht nur ihre Beziehung zu Marcel auf die Probe. Edda muss sich zudem entscheiden, wie weit sie für Gerechtigkeit gehen will ... 

Der bewegende Aufbruch einer mutigen jungen Frau, die sich der NS-Vergangenheit ihrer Eltern stellt.


Beate Rösler, 1968 in Essen geboren, studierte Rechtswissenschaft und romanische Sprachen in Berlin. Sie ist Übersetzerin und arbeitete viele Jahre als Deutschlehrerin am Goethe-Institut in Frankfurt am Main sowie in Neu-Delhi und Hanoi. Im Aufbau Taschenbuch sind bisher ihre Romane »Die Reise des Elefantengottes«, »Die Töchter des Roten Flusses« und »Helenes Versprechen« erschienen.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR10,99

Produkt

Klappentext1968 - Eine junge Frau durchbricht die Mauer des Schweigens.

Um der Enge ihres autoritären Elternhauses zu entkommen, geht die 19-jährige Edda als Au-pair nach Paris. In einer politisch aufgeheizten Zeit verliebt sie sich in den Studenten Marcel, der neue Fragen in ihr weckt: Auf welcher Seite standen ihre Eltern in den Jahren des Nationalsozialismus? Zurück in Frankfurt am Main konfrontiert sie ihren Vater, doch dieser hüllt sich in Schweigen. Erst als Edda alte Feldpost im Schlafzimmer ihrer Mutter entdeckt, kommt sie den Ereignissen der Vergangenheit auf die Spur. Was sie herausfindet, stellt nicht nur ihre Beziehung zu Marcel auf die Probe. Edda muss sich zudem entscheiden, wie weit sie für Gerechtigkeit gehen will ... 

Der bewegende Aufbruch einer mutigen jungen Frau, die sich der NS-Vergangenheit ihrer Eltern stellt.


Beate Rösler, 1968 in Essen geboren, studierte Rechtswissenschaft und romanische Sprachen in Berlin. Sie ist Übersetzerin und arbeitete viele Jahre als Deutschlehrerin am Goethe-Institut in Frankfurt am Main sowie in Neu-Delhi und Hanoi. Im Aufbau Taschenbuch sind bisher ihre Romane »Die Reise des Elefantengottes«, »Die Töchter des Roten Flusses« und »Helenes Versprechen« erschienen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783841235152
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum14.03.2024
Auflage1. Auflage
Seiten608 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse876 Kbytes
Artikel-Nr.13078071
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



Westberlin,
Juni 1967


Edda warf einen prüfenden Blick auf den plakatierten Bauzaun und versuchte abzuschätzen, ob es ihr in Minikleid und Sandaletten gelingen könnte, ohne nennenswerte Schürfwunden hinaufzuklettern. Würde ihre neue Handtasche, ein Geschenk ihrer Mutter zum neunzehnten Geburtstag, hässliche Kratzer abbekommen? Eddas Blick streifte eine Gruppe junger Männer, die wie Studenten aussahen und es sich dort oben bequem gemacht hatten. Ob sie sich einfach zu ihnen gesellen sollte? Bis der Schah von Persien Mohammad Reza Pahlawi und Farah Diba an der Deutschen Oper einträfen, würde es noch eine ganze Weile dauern.

Sie schlang sich ihr dunkles Haar zu einem lockeren Knoten, die Sonnenbrille schob sie sich auf den Kopf. Passend zum Anlass herrschte strahlendes Kaiserwetter. Tausende drängten in das Areal, das die Polizei vor dem Baugelände abgesperrt hatte, damit das persische Kaiserpaar unbehelligt die Abendvorstellung von Mozarts »Zauberflöte« erreichte. Doch für die Schah-Anhänger, die Schaulustigen und die vielen jungen Leute, die gekommen waren, um gegen den Staatsbesuch zu protestieren, war das Terrain zu knapp bemessen. Fürchtete die Polizei denn nicht, dass die Menschen in Panik geraten könnten?

Einer der Studenten fing Eddas Blick auf und winkte sie zu sich herauf. Er hatte schulterlange Haare und trug ein Stirnband. Edda stutzte. War das Kai? War er tatsächlich gekommen? Doch ihre Augen hatten sich geirrt. Oder vielleicht ihr Herz, das sich enttäuscht zusammenzog. Wofür der Student, den sie fälschlicherweise für Kai gehalten hatte, allerdings nichts konnte. Also winkte Edda zurück und gab ihm mit einer Geste zu verstehen, dass sie es sich überlegte. Den Gedanken an Kai schob sie beiseite, vorerst. Zum ersten Mal in ihrem Leben sähe sie eine Weltberühmtheit aus der Nähe, und dass es ausgerechnet Farah Diba wäre, von der Presse hochgelobt als »Jackie Kennedy des Mittleren Ostens«, würde Edda vielleicht dabei helfen, aus diesem verkorksten Tag das Beste zu machen. Ob die Shabanu wirklich so bildhübsch aussähe wie im Fernsehen? Eine derart große Demonstration hatte Edda noch nie erlebt. Die vielen Menschen, das Stimmengewirr und nicht zuletzt das enorme Polizeiaufgebot gaben ihr das Gefühl, einem historischen Ereignis beizuwohnen.

»Kommst du mit, Ariane?« Edda deutete auf den Bauzaun. »Da oben ist es nicht so eng.«

Doch ihre Freundin entschied sich, bei Navid und seinen iranischen Freunden zu bleiben, mit denen er wochenlang gegen den Schah-Besuch mobilisiert hatte. Seitdem er Ariane gebeten hatte, ihm nach der Schule zu helfen, Flugblätter zu verteilen, schwebte diese im siebten Himmel. Jetzt entfalteten sie ein Laken, auf das sie in knallroter Farbe Nieder mit dem Schah und Mörder raus aus Westberlin gepinselt hatten. Einige Buchstaben waren verlaufen, so dass es aussah, als trieften sie vor Blut.

Plötzlich schrillte Edda die Trillerpfeife eines Polizisten ins Ohr. Im nächsten Augenblick scheuchte ein anderer, der einen Schäferhund an der Leine führte, die Studenten vom Zaun herunter. Keinen Zweifel ließen die Beamten daran, mit Knüppeln nachzuhelfen, sollten sie nicht sofort spuren. Die Studenten suchten das Weite.

»Das war´s dann wohl mit deinem Logenplatz«, stellte Ariane fest und schnitt eine Grimasse, die den Polizisten galt. Edda hoffte, dass sie es nicht bemerkt hatten.

Etwas später hielt Edda zusammen mit Navid das Spruchband empor. Arianes Arme waren davon schlapp geworden. Jetzt übte Eddas Freundin sich darin, aus Navids Tabak und Blättchen Zigaretten zu drehen, die sie großzügig in ihrer Umgebung verteilte. Als sie zu Edda hinüberschaute und winkte, stellte Edda wieder einmal fest, dass ihr der blonde Kurzhaarschnitt, zu dem sie Ariane überredet hatte, ausgezeichnet stand. Ihre blauen Augen, die beinahe türkis leuchteten, kamen dadurch viel besser zur Geltung. Um diese spektakuläre Augenfarbe beneidete Edda ihre Freundin, ihre eigenen schimmerten in einem unscheinbaren Grau.

Jemand drückte Edda ein Flugblatt in die Hand, das Farah Diba kritisierte. Der Aufhänger war ein Interview, das sie kürzlich der Neuen Revue über ihr Leben als Kaiserin gegeben hatte. Im Wartezimmer ihres Zahnarztes hatte Edda es verschlungen. An Folter oder Armut hatte sie dabei freilich nicht gedacht, sondern sich ausgemalt, wie Farah Diba mit ihrer Familie an den Stränden des Kaspischen Meeres entlangspazierte. Als Leserin gewann man leicht den Eindruck, es handele sich dabei um ein sommerliches Vergnügen, das sich viele Menschen in Iran leisten konnten, um der glühenden Hitze zu entkommen.

»Die meisten Perser«, zitierte eine Demonstrantin mit Megaphon nun den Text, der aus der Feder einer Journalistin namens Ulrike Meinhof stammte, »sind Bauern mit einem Jahreseinkommen von unter 100 Dollar. Und den meisten persischen Frauen stirbt jedes zweite Kind - 50 von 100 - vor Hunger, Armut und Krankheit. Und die Kinder, die Teppiche knüpfen, fahren auch die - die meisten? - im Sommer an die persische Riviera am Kaspischen Meer?«

Beinahe erschien es Edda, als werfe die Vorleserin ihr vor, dass sie sich für die Kaiserin stärker interessierte als für die Probleme des Iran. Edda war sich bewusst, dass sie bis vor Kurzem keine Ahnung davon gehabt hatte, wie brutal der Schah herrschte. Sie hatte geglaubt, er führte sein Land modern und offen. Hatte er nicht eine Architektin geheiratet, die sich nicht nur für soziale, sondern auch städtebauliche Belange engagierte? So jedenfalls schilderten es die Illustrierten ihrer Mutter.

Mit mulmigem Gefühl beobachtete Edda, wie die Polizisten sämtliche Neuankömmlinge hinter die Absperrung leiteten. Wie dicht gedrängt sollten sie denn noch beisammenstehen? Bereits jetzt war es kaum möglich, sich nicht ständig gegenseitig auf die Füße zu treten. Um sich herum schnappte Edda Gesprächsfetzen auf, bei denen es darum ging, was mittags vor dem Schöneberger Rathaus geschehen war. Während sich der Schah ins Goldene Buch der Stadt eingetragen hatte, wären sogenannte Jubelperser mit Holzlatten auf demonstrierende Studentinnen und Studenten losgegangen. Minutenlang hätte die Berliner Polizei tatenlos zugesehen und erst eingegriffen, als es die ersten Verletzten gab. Auch Ariane und Navid waren dort gewesen. Danach waren sie in Kais Wohnung aufgekreuzt und hatten Edda fassungslos von den Ereignissen berichtetet.

»Wir müssen denen zeigen, dass wir uns nicht einschüchtern lassen. Und dass wir viele sind«, hatte Ariane aufgebracht erklärt. »Edda, komm doch nachher mit zur Deutschen Oper.«

Edda hatte gezögert. Was, wenn Kai zurückkommen würde? Sie einfach sitzen zu lassen, passte gar nicht zu ihm. Allerdings war ihr Besuch bislang in keiner Weise so verlaufen, wie sie es sich vorgestellt hatte. In Edda hatte sich deswegen Trotz geregt. Immerhin riskierte sie gewaltigen Ärger, sollten ihre Eltern erfahren, dass sie zu Kai nach Berlin gefahren war. Für sie stand außer Frage, dass ihre Tochter, bevor sie nicht einundzwanzig und volljährig wäre, bei ihrem Freund übernachtete. Ganz zu schweigen davon, dass sie eigentlich gerade zu Hause in Frankfurt für ihr Abitur lernen sollte. Und was hatte Kai getan, damit ihr Wiedersehen so wunderbar werden würde, wie er es Edda in seinen Briefen versprochen hatte? Nichts. Völlig bekifft hatte er sie begrüßt, und nach ihrem Streit darüber war er abgehauen. Glaubte Kai, sie würde sich das gefallen lassen?

»Also gut, ich bin dabei«, hatte sie zugestimmt, woraufhin Ariane sie umarmt und Navid ihr anerkennend auf die Schulter geklopft hatte. Gemeinsam hatten sie nach einem geeigneten Laken, Farbe und Pinseln gesucht.

Jetzt betrachtete Edda die Transparente der anderen, die das Ende der Militärdiktatur und Folter in Iran sowie Autonomie für die Teheraner Universität forderten. Als Sprechchöre anschwollen, stand Ariane auf und stimmte in den Ruf »Schah, Schah, Scharlatan« ein. So laut und entschlossen hatte Edda ihre Freundin noch nie erlebt. Alle, so kam es ihr vor, riefen die Parole mit. Sie selbst blieb stumm, während Ariane mit blitzenden Augen sogar ihre Faust gen Himmel ballte, was Edda dann doch übertrieben fand. Aber klar, Ariane liebte Navid, der Iran hatte verlassen müssen, weil er dort als Oppositioneller verfolgt...

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Beate Rösler, 1968 in Essen geboren, studierte Rechtswissenschaft und romanische Sprachen in Berlin. Sie ist Übersetzerin und arbeitete viele Jahre als Deutschlehrerin am Goethe-Institut in Frankfurt am Main sowie in Neu-Delhi und Hanoi.
Im Aufbau Taschenbuch sind bisher ihre Romane »Die Reise des Elefantengottes«, »Die Töchter des Roten Flusses« und »Helenes Versprechen« erschienen.