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Diese eine Liebe wird nie zu Ende gehn

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Ullstein Taschenbuchvlg.erschienen am10.03.2022Auflage
'Ich bin hier geboren und aufgewachsen, ich kenne jeden Halm und jedes Sandkorn, doch das ist ein Trugschluss. Diese Insel ist für mich neu und unbekannt.' Sylt - verlassen und menschenleer. Susanne Matthiessen ist überwältigt, als sie ihre Heimatinsel im Lockdown zum ersten Mal ohne Touristen erlebt. Auf einmal ist es wieder die Natur, die den Rhythmus des Insellebens bestimmt, das vertraute, dörfliche Miteinander vergangener Zeiten lebt noch einmal auf. Susanne fühlt sich in ihre Kindheit zurückversetzt. Während sie zusammen mit ihrer Freundin die einsame Insel erkundet, bleibt 'ihr Sehnsuchtsort' für Hunderttausende andere Deutsche Sperrgebiet. Die Krise ruft bei Susanne alte Gefühle wach, als Sylt in den 80er Jahren schon einmal Schauplatz gleich drei großer Katastrophen war, Westerland - ausgerechnet - zum Epizentrum der deutschen Punkszene aufstieg. Damals brachen sie und ihre Freunde von der magischen Insel auf. Fast alle schafften den Absprung, doch nicht alle ein Leben auf der Sonnenseite. Mit viel Humor und klug beobachtend erzählt Matthiessen von einer sehr deutschen Insel und ihren Einwohnern, denen man bis heute anmerkt, dass sie von Strandräubern und Walfängern abstammen.

Susanne Matthiessen, Jahrgang 1963, ist gebürtige Sylterin. Als Journalistin verarbeitet sie gesellschaftspolitische Entwicklungen zu Programmideen für Radio, Fernsehen und Internet. Sie hat unter anderem als Redaktionsleiterin der TV-Magazine Dunja Hayali, Gabi Bauer und - dort stellvertretend - Sabine Christiansen gearbeitet und ist langjährige Dozentin an der Akademie für Publizistik in Hamburg. Fünfzehn Jahre lang war sie Kolumnenschreiberin für die Sylter Rundschau. Susanne Matthiessen lebt gern in Berlin, lebt aber nur am Meer richtig auf.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR22,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR10,99

Produkt

Klappentext'Ich bin hier geboren und aufgewachsen, ich kenne jeden Halm und jedes Sandkorn, doch das ist ein Trugschluss. Diese Insel ist für mich neu und unbekannt.' Sylt - verlassen und menschenleer. Susanne Matthiessen ist überwältigt, als sie ihre Heimatinsel im Lockdown zum ersten Mal ohne Touristen erlebt. Auf einmal ist es wieder die Natur, die den Rhythmus des Insellebens bestimmt, das vertraute, dörfliche Miteinander vergangener Zeiten lebt noch einmal auf. Susanne fühlt sich in ihre Kindheit zurückversetzt. Während sie zusammen mit ihrer Freundin die einsame Insel erkundet, bleibt 'ihr Sehnsuchtsort' für Hunderttausende andere Deutsche Sperrgebiet. Die Krise ruft bei Susanne alte Gefühle wach, als Sylt in den 80er Jahren schon einmal Schauplatz gleich drei großer Katastrophen war, Westerland - ausgerechnet - zum Epizentrum der deutschen Punkszene aufstieg. Damals brachen sie und ihre Freunde von der magischen Insel auf. Fast alle schafften den Absprung, doch nicht alle ein Leben auf der Sonnenseite. Mit viel Humor und klug beobachtend erzählt Matthiessen von einer sehr deutschen Insel und ihren Einwohnern, denen man bis heute anmerkt, dass sie von Strandräubern und Walfängern abstammen.

Susanne Matthiessen, Jahrgang 1963, ist gebürtige Sylterin. Als Journalistin verarbeitet sie gesellschaftspolitische Entwicklungen zu Programmideen für Radio, Fernsehen und Internet. Sie hat unter anderem als Redaktionsleiterin der TV-Magazine Dunja Hayali, Gabi Bauer und - dort stellvertretend - Sabine Christiansen gearbeitet und ist langjährige Dozentin an der Akademie für Publizistik in Hamburg. Fünfzehn Jahre lang war sie Kolumnenschreiberin für die Sylter Rundschau. Susanne Matthiessen lebt gern in Berlin, lebt aber nur am Meer richtig auf.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783843727198
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum10.03.2022
AuflageAuflage
SpracheDeutsch
Dateigrösse3203 Kbytes
Artikel-Nr.8451867
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

KAPITEL 1
»Wer nicht deichen will, muss weichen.«Sprichwort an der norddeutschen Küste
Wenn es denn stimmt, dass jede Heimsuchung auch eine Lehre fürs Leben ist, dann wüsste ich ganz gerne, woran man das jetzt merken soll. Auf dieser Insel. Hoch oben in der Nordsee. Nachdem dieser perfekte Sturm über uns hinweggezogen ist. Wenn es denn stimmt, dass dieser Sturm so groß gewesen ist, wüsste ich gern, warum wir einfach weitermachen, als wäre nichts geschehen. Alles funktioniert. Die Urlaubssaison läuft. Wir schreiben das Jahr 2021. Die Sonne scheint. Es ist Sommer. Es gilt, die schiere Masse an Urlaubern zu kanalisieren und zu beherrschen, die nach dem Ende der Bundesnotbremse, nach der dritten Welle, diese Insel im wahrsten Sinne des Wortes geflutet haben. Es geht um Effizienz und Perfektion. Die Sylter müssen eine Tourismusmaschine am Laufen halten, deren Treibstoff immer häufiger überläuft, und um davon nichts zu verlieren, muss der Motor immer schneller und reibungsloser laufen. Jeder Handgriff sitzt.

Wenn es denn stimmt, dass jede Heimsuchung auch eine Lehre fürs Leben ist, dann lassen sich die Insulaner nichts anmerken. Die Erschütterung haben sie erstaunlich gut weggesteckt. »Och Mönsch«, sagt meine Freundin Korne vom Hotel Wünschmann, »bin ja dankbar. Nach sieben Monaten Totentanz endlich wieder Gäste. Bin vollkommen ausgebucht.« Nirgends gibt es noch ein freies Bett. Von List bis Hörnum ist alles dicht. Die Pandemie ist vorbei. Endlich. Jedenfalls fühlt es sich so an. Jetzt wird alles nachgeholt. Und das muss gefeiert werden. »Die Leute sind ausgehungert«, sagt Samoa-Jan, »die fallen auf die Knie und weinen, wenn sie das Meer sehen. Manche haben regelrechte Heulkrämpfe.«

Es war ein langer, trüber, quälender Coronawinter, allein unterbrochen von gebetsmühlenartigen Durchhalteparolen regierender Politiker. Deutschland war im Lockdown, ausgerechnet Weihnachten lagen so viele Menschen auf den Intensivstationen wie nie zuvor. »Verreisen Sie nicht!«, verkündete das Robert-Koch-Institut in Dauerschleife. Die Herbstferien waren schon ausgefallen. Weihnachten fiel auch noch flach. Danach mussten die Winterferien abgesagt werden. Und dann fiel der Kanzlerin auch noch die Osterruhe ein. Also kurz gesagt: Deutschland hätte gern mal Urlaub gemacht. Das ging aber nicht. Niemand durfte zu uns ans Meer. Sie nannten es Beherbergungsverbot. Die Sylter sagten »Berufsverbot«. Es war gespenstisch.

»Das war ein Hammer«, sagt mein Schulfreund Markus Gieppner, der Musiker ist und monatelang nicht auftreten konnte. Stattdessen hat er sich um seine Facebookgruppe »Sylt« gekümmert, und zwar derartig intensiv, dass sie gerade die Hunderttausend-Mitglieder-Marke durchschlägt. Ohne Corona wäre das nicht passiert. »Fanatisch«, nennt Markus diese intensive Liebe zu Sylt, die so viele Menschen wie ein Fieber befallen hat. Je länger die erzwungene Abstinenz, desto höher steigt die Temperatur. Sehnsucht ist auch eine Sucht. »Beängstigend«, sagt Birgit Hoppe, die jeden Tag in einem Geschäft in Westerland Wohn-Accessoires verkauft. »Ich hatte neulich ein Ehepaar aus Sindelfingen im Laden, die sind eifersüchtig, dass ich hier geboren bin. Die wollten sogar ein Foto von mir machen. Das nimmt langsam Formen an.« Wir echten Sylter sind zu bestaunten Exoten geworden. Weil es immer weniger von uns gibt. Wer noch auf der Insel wohnt, befindet sich in direkter Konkurrenz mit Gästen und Zweitwohnungsbesitzern um die einzig wahre »Syltliebe«. Wer hat die echteren Gefühle? Wer tut der Insel wirklich Gutes? Und wer will sie nur ausbeuten? »Das ist schon schlimm, wie es hier aussieht«, sagt eine Webdesignerin aus Düsseldorf, mit der ich in einer Fünfzig-Meter-Schlange bei Bäcker Raffelhüschen für Brötchen anstehe. »Alles zugebaut. Was habt ihr nur mit dieser wunderbaren Insel gemacht? Ihr solltet euch schämen!« Ja. Seit Corona hört man das häufiger. Die Pandemie schärft den Blick auf die Missstände. Und die Menschen halten sich mit ihren Kommentaren weniger zurück. Man ist direkter. Und rücksichtsloser. Neuerdings zählt jede Minute. Wir haben nicht mehr endlos Zeit. Für mich fühlt es sich an, als strebe der Ausverkauf der Insel, den ich als Jugendliche in den Achtzigern das erste Mal wahrgenommen habe, seinem großen Finale zu.

Dass es diesmal um alles gehen wird, hat sich schon früh angedeutet. Gleich am Anfang der Pandemie, als Sylt Mitte März 2020 in den ersten Shutdown gehen musste und komplett abgeriegelt war. Nur wer seinen Erstwohnsitz auf der Insel hatte, durfte noch rauf, alle anderen mussten auf dem Festland bleiben.

In unserer Heimatzeitung, der Sylter Rundschau, konnte man damals nachlesen, was sich die fanatischen Syltfans haben einfallen lassen, um das Betretungsverbot zu umgehen und irgendwie doch auf die Insel zu gelangen. Als Handwerker verkleidet, mit dem Motorboot übers Wattenmeer, zu Fuß über den Hindenburgdamm, im Laderaum von Lieferfahrzeugen und auch mit gefälschten Ausweisen. Einigen ist es gelungen, und sie sind durchs Netz geschlüpft, um die Insel Sylt in ihrer Abgeschiedenheit ganz pur zu erleben, ein epochales Erlebnis, das eigentlich nur den Insulanern selbst vorbehalten war. Eine Teestunde mit dem Dalai Lama hätte kaum exklusiver sein können. Nur hat das von uns kaum einer überrissen.

Ich weiß noch, wie der ständige Zustrom von Menschen und Autos über den Hindenburgdamm plötzlich versiegte und es ganz einsam wurde und wir plötzlich allein waren mit uns und unserer Insel.

Die Bundesregierung mahnte, die Leute sollten zu Hause bleiben. Noch war es als Bitte formuliert, nicht als Verbot. »Zu Hause bleiben können wir auch auf Sylt«, sagten sich viele und warfen im Fluchtreflex vor der tödlichen Bedrohung Kind und Kegel in ihre Autos. Ab an die Nordsee. Raus an die Luft. Es folgte ein Ansturm, den man im Februar so auf Sylt noch nie gesehen hatte. Aus der ganzen Republik flüchteten Menschen in den Norden, die Staus an der Autoverladung in Niebüll sprengten jede Vorstellungskraft. Jetzt bekamen wir es mit der Angst zu tun. Als mir klar wurde, dass das alles jetzt wirklich passiert, dass das kein Film war, dass es so was wie eine bitterernste innerdeutsche Fluchtwelle gab und dass Sylt jetzt dasselbe war wie »GER-MA-NY!« für große Teile der Welt, klappte ich zusammen und verlor das Bewusstsein. Meine Mutter sagte: »Hoppla!«, und klatschte mir ein nasses Handtuch an den Kopf. Es war mir peinlich. So ist es wohl, wenn man zum ersten Mal echte Angst hat. Vor dem Tod. Vor einer Invasion. Vor dem Kontrollverlust. Meine Mutter kannte dieses Gefühl schon. Von ganz früher. Als sie mit ihrer liebsten Puppe im Luftschutzkeller saß. Und sagte nur: »Verrückte Welt.«

Kurz darauf beschloss die Landesregierung für die Inseln ein Betretungsverbot und gab den Geflüchteten drei Tage Zeit, Sylt zu verlassen. Danach wurde es still. Sehr still.

Eben noch der große Trubel, dann gespenstische Ruhe. Wir tasten uns vor. Es ist eine Welt, die wir nicht kennen. Science-Fiction. Leere Straßen. Leere Supermärkte. Leere Strände. Und Tausende leere Häuser und Wohnungen. Kaum dass überhaupt ein Mensch zu sehen ist. In manchen Orten wie Kampen oder Rantum scheint überhaupt niemand mehr zu wohnen. Seltsam. Alles wird langsamer und langsamer. Wir richten uns ein in einem Leben, das wir nicht kennen. Anfänglich ist da noch diese Beklemmung, auf einer Art Gefängnisinsel eingesperrt zu sein, und das Furcht einflößende Gefühl, mit jedem Tag dem wirtschaftlichen Ruin einen Schritt näher zu kommen. Beides wird nach und nach verdrängt von einem Glücksgefühl, das tief greifend ist und lang anhaltend. Die verlassene Insel ist ein seltenes Geschenk. Nur dass es das Geschenk im November 2020 mit dem zweiten Lockdown und dem Beherbergungsverbot gleich noch einmal gab.

In der Einsamkeit fühlen sich die Stürme anders an. Härter. Direkter. Man lauscht auf den Wind und hört Lieder. Man studiert Wolkenformationen, möchte innerlich »Klick« machen wie bei einem Handyfoto, um das Überwältigende in sich einzuschließen. Ich hätte nichts dagegen, wenn es immer so bliebe. Und da bin ich nicht die Einzige. Ob wir eine Lehre daraus ziehen werden und welche, ist ungewiss. Silvester, normalerweise Hochsaison, verbringen die Sylter in aller Stille. Nur mit dem Geld wird es langsam sehr, sehr knapp. Geschäftsleute schreiben Brandbriefe an die Landesregierung nach Kiel, dass es nicht so weitergehen kann, dass die Insel Gäste braucht, um wirtschaftlich zu überleben. Pandemie hin oder her. Die Rückmeldungen sind entmutigend. Die Infektionszahlen steigen bundesweit. Wir stecken mitten in der dritten Welle. In den Monaten dieses ersten Coronawinters hat sich eine Art Dorfleben etabliert, so wie es früher mal eins gegeben haben muss. Neuigkeiten erfährt man vermehrt per Mundpropaganda beim Einkaufen und weniger aus der Zeitung. Aber was sind schon Neuigkeiten? Es passiert ja nichts. Es fühlt sich an, als wäre unser Mutterschiff ohne uns zur Erde zurückgeflogen. Als hätte man uns hier vergessen. Oder auf einer Insel mitten in den unendlichen Weiten des Ozeans ausgesetzt.

Zuerst senden wir noch Lichtzeichen, stehen mit Taschenlampen am Wasser...
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Susanne Matthiessen, Jahrgang 1963, ist gebürtige Sylterin. Als Journalistin verarbeitet sie gesellschaftspolitische Entwicklungen zu Programmideen für Radio, Fernsehen und Internet. Sie hat unter anderem als Redaktionsleiterin der TV-Magazine Dunja Hayali, Gabi Bauer und - dort stellvertretend - Sabine Christiansen gearbeitet und ist langjährige Dozentin an der Akademie für Publizistik in Hamburg. Fünfzehn Jahre lang war sie Kolumnenschreiberin für die Sylter Rundschau. Susanne Matthiessen lebt gern in Berlin, lebt aber nur am Meer richtig auf.