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Alles. Immer. Besser.

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
200 Seiten
Deutsch
Promedia Verlagerschienen am02.03.2023
Ob durch Werbung, Ratgeber oder digitale Hilfsmittel - wir werden unablässig dazu animiert, uns selbst zu optimieren. Der Impuls, sich zu verändern, gehört zum Menschsein. Daraus speist sich die positive Botschaft der Selbstoptimierung: Wir können etwas für unsere Gesundheit und unser Glück tun. Heutzutage ist daraus eine Verheißung geworden: Glück und Erfolg seien nur eine Frage der bewussten Einstellung und des richtigen 'Mindsets'. Michael Girkinger geht der Frage nach, was hinter dem Drang zur Selbstoptimierung steckt. Ideengeschichtlich ist sie eine Fortsetzung von Individualisierungsprozessen, die bis zum Beginn der Neuzeit zurückreichen. Der steigende Wohlstand und mehr Freizeit haben es ermöglicht, dass sich die Menschen mehr mit sich selbst beschäftigen. Die Konsum- und Werbeindustrie trägt ihren Teil dazu bei, indem sie immer neue Schönheits-, Wohlfühl- und Leistungsideale verkauft. Wettbewerb und technischer Fortschritt zwingen die Menschen, sich anzupassen und zu verbessern. Selbstoptimierung kann ein lustvoller Prozess sein, bei dem die Menschen entdecken, dass mehr möglich ist, als sie dachten. Sie ist, wo sie freiwillig passiert, ein Privileg, das die Mehrheit der Menschheit gar nicht besitzt. Doch Selbstoptimierung wirkt auch als indirekter Zwang, wo Menschen auf den Ausbildungs-, Berufs- oder Beziehungsmärkten unter Konkurrenzdruck geraten. Zusätzlich Druck entsteht durch die Vorstellung, dass Erfolg allein in der eigenen Verantwortung liegt, während individuelle Umstände oder die sozialen Verhältnisse ausgeblendet werden. Subtiler kann sich ein indirekter Zwang zur Selbstoptimierung dort zeigen, wo wir versuchen, verinnerlichten Idealen eines gelungenen Lebens zu entsprechen: der ideale Job, die ideale Work-Life-Balance oder die ideale Partnerschaft. Nicht selten führt dieser Zwang zum Glück in die Überforderung und den Burn-Out.

Michael Girkinger, geboren 1979 in Innsbruck, hat Politikwissenschaft und Geschichte an der Universität Salzburg studiert. Er arbeitet für die 'Grüne Wirtschaft Österreich' und ist daneben publizistisch und als Lektor tätig.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR20,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR15,99

Produkt

KlappentextOb durch Werbung, Ratgeber oder digitale Hilfsmittel - wir werden unablässig dazu animiert, uns selbst zu optimieren. Der Impuls, sich zu verändern, gehört zum Menschsein. Daraus speist sich die positive Botschaft der Selbstoptimierung: Wir können etwas für unsere Gesundheit und unser Glück tun. Heutzutage ist daraus eine Verheißung geworden: Glück und Erfolg seien nur eine Frage der bewussten Einstellung und des richtigen 'Mindsets'. Michael Girkinger geht der Frage nach, was hinter dem Drang zur Selbstoptimierung steckt. Ideengeschichtlich ist sie eine Fortsetzung von Individualisierungsprozessen, die bis zum Beginn der Neuzeit zurückreichen. Der steigende Wohlstand und mehr Freizeit haben es ermöglicht, dass sich die Menschen mehr mit sich selbst beschäftigen. Die Konsum- und Werbeindustrie trägt ihren Teil dazu bei, indem sie immer neue Schönheits-, Wohlfühl- und Leistungsideale verkauft. Wettbewerb und technischer Fortschritt zwingen die Menschen, sich anzupassen und zu verbessern. Selbstoptimierung kann ein lustvoller Prozess sein, bei dem die Menschen entdecken, dass mehr möglich ist, als sie dachten. Sie ist, wo sie freiwillig passiert, ein Privileg, das die Mehrheit der Menschheit gar nicht besitzt. Doch Selbstoptimierung wirkt auch als indirekter Zwang, wo Menschen auf den Ausbildungs-, Berufs- oder Beziehungsmärkten unter Konkurrenzdruck geraten. Zusätzlich Druck entsteht durch die Vorstellung, dass Erfolg allein in der eigenen Verantwortung liegt, während individuelle Umstände oder die sozialen Verhältnisse ausgeblendet werden. Subtiler kann sich ein indirekter Zwang zur Selbstoptimierung dort zeigen, wo wir versuchen, verinnerlichten Idealen eines gelungenen Lebens zu entsprechen: der ideale Job, die ideale Work-Life-Balance oder die ideale Partnerschaft. Nicht selten führt dieser Zwang zum Glück in die Überforderung und den Burn-Out.

Michael Girkinger, geboren 1979 in Innsbruck, hat Politikwissenschaft und Geschichte an der Universität Salzburg studiert. Er arbeitet für die 'Grüne Wirtschaft Österreich' und ist daneben publizistisch und als Lektor tätig.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783853719107
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum02.03.2023
Seiten200 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2261 Kbytes
Artikel-Nr.11137199
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Erste Annäherungen an das Thema und ein bisschen Philosophie

Die ganze Vielfalt des Lebens, der ganze Reiz, die ganze Schönheit des Lebens besteht aus Licht und Schatten.

Leo Tolstoi, »Anna Karenina«

Du sagst, du willst mir einen Rat geben? Hast du dir denn schon selbst einen Rat erteilt? Hast du deine Probleme denn schon gelöst? Hast du daher Zeit, anderen Leuten Hilfestellung zu geben? Ich würde mich hüten, andere zu behandeln, wenn ich selbst krank bin. Wir reden hier wie zwei, die im selben Krankenzimmer liegen, über ­un­sere Krankheit und tauschen uns über die passende Kur aus. Also hör mir zu, als würde ich zu mir selbst sprechen.

Seneca

In William Somerset Maughams faszinierendem Roman Auf Messers Schneide (1944) ist der Held der Geschichte der junge Amerikaner Larry Darrell. Zurückgekehrt aus dem Ersten Weltkrieg, verzichtet er darauf, in den Roaring Twenties Karriere zu machen, wie es seine Verlobte Isabel erhofft. Er begibt sich stattdessen auf eine Sinnsuche, die ihn in Bibliotheken und auf andere Kontinente führt. Isabel heiratet Larrys Freund Gray, doch so ganz los kommt sie nicht von ihm. Im Gespräch mit dem Ich-Erzähler beklagt Isabel, dass Larry alles mache, nur keine »praktischen Dinge«. Darauf der Ich-Erzähler: »Kann irgend etwas auf der Welt praktischer sein, als zu lernen, wie man am vorteilhaftesten leben soll?«

Wie lebe ich also am vorteilhaftesten? Es ist keine Frage, die wir zu einem bestimmten Zeitpunkt im Leben auflösen, sondern die uns durch unsere wechselhaften Lebensumstände begleitet. Dabei prasseln unaufhörlich Stimmen, Informationen, Ratschläge und Wertungen auf uns ein. Es ist ein Dauerrauschen, von dem man sich berieseln, inspirieren und schnell auch verwirren lassen kann. Wir stecken aber mit unserem Charakter, unserer Geschichte und unserer Art, auf das Leben zu reagieren, in einem sehr konkreten Leben. Konkret erleben wir, dass die vielen tatsächlichen oder vermeintlichen Lebensklugheiten nur an der Oberfläche kratzen. Ich kann nichts davon verinnerlichen, wie bei einem Update, das man einem Computer gibt. Wenn ich den Blick über die Bücher in meinem Buchregal schweifen lasse, scheint es, als könnte ich bereits bemerkenswert lebensklug sein durch all das Wissen, das sich hier findet. Es ist leider nicht so einfach. Der Mensch ist schwer, wie es der Philosoph Camille de Toledo ausdrückt.
Leben auf schwankendem Grund

Hermann Hesse, dessen Romane bei allen Komplikationen, die sie zum Gegenstand haben, immer auf der Suche nach versöhnlichen Gedanken und therapeutischen Auflösungen sind, hat einmal in seinem Tagebuch notiert: »Im Grunde kann ich, wenn ein armer Mensch mir seine Geschichte erzählt hat, eigentlich nichts andres sagen als: Ja, das ist traurig, so traurig ist das Leben oft, ich weiß es, es ist mir auch so gegangen. (â¦) Stattdessen versuche ich, meine Trostgründe und Lebensweisheiten aufzuführen, und wenn ich auch wirklich einige Wahrheiten weiß, so sind sie doch alle im Augenblick, wo man sie laut ausspricht und sie als Medizin gegen einen tatsächlichen, aktuellen Schmerz verzapft, ein wenig theoretisch und leer, und plötzlich kommt man sich vor wie ein Pfarrer, der mit gewohnten Sprüchen seine Leute tröstet und dabei das elende Gefühl hat, etwas Handwerksmäßiges zu tun.«

Zwar ist es ein populäres Sprachbild zu sagen, wir blicken »in uns hinein«. Doch unser Innenleben ist kein Raum, den wir einfach betreten und anschauen können, um uns irgendwann einmal vollkommen zu durchschauen. Oft tun wir uns schwer, uns selbst zu verstehen. Immer wieder schlagen wir uns mit einem Wirrwarr widersprüchlicher Regungen herum. Nochmals der Menschenbeobachter Maugham: »An den Menschen hat mich vor allem ihre Widersprüchlichkeit fasziniert. Ich habe keinen einzigen Menschen kennengelernt, der aus einem Guss war. Es hat mich mit Staunen erfüllt, dass in ein und derselben Person die widersprüchlichsten Züge existieren und trotzdem ein plausibles Ganzes ergeben konnten.«

Wer einen Persönlichkeitstest ausfüllt, kann sich bei vielen Fragen denken: Es kommt darauf an. Auf die Situation, den Lebensbereich, das Thema. Wir kennen wenige Menschen wirklich gut und würden überrascht sein, wenn wir all die unbekannten, verborgenen Seiten von ihnen sehen würden. In den Augen des Schriftstellers Paul Auster ist jeder Mensch ein Spektrum. Den größten Teil unseres Lebens würden wir in der Mitte verbringen, »aber es gibt Augenblicke, in denen wir zu den Außenrändern abdriften, und je nach Situation, abhängig von Stimmung, Alter und äußeren Umständen, wechseln wir auf dieser Skala die Farbe«. Wir haben zwar viele einigermaßen feste Überzeugungen, Muster und Gewohnheiten, aber auch schwankende Gefühle, die sich immer wieder verändern, wie wir etwas wahrnehmen, bewerten oder erinnern. Wer sich die Mühe macht, ein Tagebuch zu führen, neudeutsch heißt es »Journaling«, kann mit Gewinn seinem mäandernden Bewusstsein über längere Zeitabschnitte folgen. Schreiben ordnet die Gedanken, verleiht dem Geschehenen eine zusätzliche Lebendigkeit und schafft zugleich eine Distanz dazu. Schreiben verlängert unser Leben, wenn auch nur nach hinten, wie Umberto Eco es ausdrückte. Im Rückblick finden wir oft, dass unsere gegenwärtigen Erinnerungen davon abweichen, wie wir etwas konkret erlebt haben. Wir können eine vergangene Zeit als eher negativ einschätzen, obwohl wir häufiger als gedacht eigentlich gute Tage hatten. Oder wir erkennen, dass wir etwas weniger glücklich erlebt haben, als wir es später erinnern. Im Nachhinein sieht vieles besser aus, als es tatsächlich war.

Wie wir die Welt erleben, hängt an wechselnden Umständen, unter anderem, mit wem wir zusammen sind, worüber wir mit jemandem reden, in welcher Stimmung wir sind oder wie gesund wir uns fühlen. Es ist wie mit diesem bunten Zauberwürfel in der Hand, unser Leben als Drehpuzzle, das immer neue Farbkombinationen oder auch »Seinszustände« hervorbringt. Es ist beständig dasselbe Leben. Was uns Probleme macht, kann gleichzeitig etwas hervorbringen, das wir als erfüllend erleben. Unglücksfälle können zu tiefen Erlebnissen und neuen Erfahrungen führen, können Risse in Mauern bringen, die zuvor starr und unverrückbar schienen. Das Leben ist nicht eindeutig. Wir kennen Geschichten von Menschen, die sagen, sie haben durch einen Schicksalsschlag etwas gewonnen. Menschen, die auf einen Lebensabschnitt zurückblicken, der alles andere als einfach und glücklich war, aber in dem Augenblick, in dem sie darauf zurückblicken, schwingt so etwas wie Glück mit, das Glück, es geschafft, »das Beste« daraus gemacht zu haben. Was wir lernen und worin Menschen richtig gut sein können, ist, Perspektiven auf Umstände zu ändern, die wir nicht ändern können. Der Psychologe Daniel Gilbert spitzt den Gedanken noch zu: Wir machen erst dann das Beste aus unserem Schicksal, wenn es unausweichlich ist und wir ihm nicht entkommen können.

So können wir den Zauberwürfel in unserer Hand drehen, andere Dinge wahrnehmen, Dinge anders wahrnehmen. Alles, was passiert ist, hat uns dahin geführt, wo wir heute stehen. Meist ist die Bilanz gemischt. Der Schriftsteller Henry Miller sagte einmal über sich: »Ich mag keine Perfektion. Ich will immer mit mir selbst in Konflikt bleiben. (â¦) Ich mache gern Fehler und stecke auch gerne Niederlagen ein. Etwas bleibt immer dabei übrig - man ist immer etwas reicher. Und in dieser beständigen Bereicherung liegt eben die Weisheit. Dass man ins volle Leben geht.« So hat er an seinem Zauberwürfel gedreht und für sich immer neue Perspektiven gefunden. Was uns zusammenhält, ist eine innere Erzählung, die sich wandelt, die wir im Auf und Ab des Lebens fortwährend umschreiben.
Das glatte Leben

Im Unterschied zu diesem holprigen Untergrund wird uns in weiten Teilen des Selbsthilfe- und Persönlichkeitsentwicklungsmarktes ein »glattes Leben« vorgeführt. Das ist ein Begriff des Philosophen Byung-Chul Han. Ich assoziiere damit die schattenlose, widerspruchs- und konfliktfreie Welt der Werbung oder des Selbsthilfemarktes ebenso wie die neudeutsche Rede vom richtigen »Mindset«, die Dominanz der »positiven Einstellung« oder die Erzählung von der »Krise als Chance«, die nach einem weitverbreiteten Drehbuch am Beginn eines persönlichen Erfolgsweges steht, der dann »alles« änderte. »Negative«, sprich unangenehme Gefühle sind in diesem Diskurs zwar wichtig, aber meist nur als etwas, das transformiert wird, indem »Blockaden gelöst«, »falsche Glaubenssätze« überwunden oder Gedanken neu »programmiert« werden. In diesem aufgeräumten Lebensentwurf bleibt nichts Unbegreifliches, Unerwartetes, Dunkles, Chaotisches, Exzessives mehr übrig. Dazu passt auch der Boom der Neurologie als populäre gesellschaftliche Erklärungsinstanz, etwa in der Person von...

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