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Ich hasse Menschen 2. Eine Art Liebesgeschichte

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
160 Seiten
Deutsch
Voland & Quisterschienen am21.05.20211. Auflage
Julius Fischer hasst Menschen. Angefangen bei der eigenen Ehefrau. Familie geht auch gar nicht. Noch ätzender sind eigentlich nur Freunde. Und natürlich Bekannte. Die sind am schlimmsten. Aber nichts im Vergleich zu allen anderen. In diesem Buch erzählt er von seinen verzweifelten Versuchen, mit diesen ganzen Arschlöchern nichts zu tun zu haben. Und von Ostsachsen. Was es nicht besser macht.

Julius Fischer ist Autor, Liedermacher und Moderator. Er ist Mitglied diverser Lesebühnen, u.a. der Lesedüne mit Marc-Uwe Kling. Für die MDR Spasszone moderiert er seit 2019 die Lesereihe 'Ich hasse ...'. Julius Fischer lebt in Leipzig.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR15,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR8,99

Produkt

KlappentextJulius Fischer hasst Menschen. Angefangen bei der eigenen Ehefrau. Familie geht auch gar nicht. Noch ätzender sind eigentlich nur Freunde. Und natürlich Bekannte. Die sind am schlimmsten. Aber nichts im Vergleich zu allen anderen. In diesem Buch erzählt er von seinen verzweifelten Versuchen, mit diesen ganzen Arschlöchern nichts zu tun zu haben. Und von Ostsachsen. Was es nicht besser macht.

Julius Fischer ist Autor, Liedermacher und Moderator. Er ist Mitglied diverser Lesebühnen, u.a. der Lesedüne mit Marc-Uwe Kling. Für die MDR Spasszone moderiert er seit 2019 die Lesereihe 'Ich hasse ...'. Julius Fischer lebt in Leipzig.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783863913168
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum21.05.2021
Auflage1. Auflage
Seiten160 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse938 Kbytes
Artikel-Nr.5761419
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Die Frau auf dem Zweier neben mir isst einen Apfel. Mit ihrem gesamten Gesicht. Mmmmh, wie das knackt, wenn die Zähne die kräftige grüne Schale teilen. Wie es malmt und schlurft, wenn das Stück in die Backen wandert. Als stünde ich auf einer zerklüfteten Klippe am Meer, wo tief unter mir die Wellen in die seit Jahrhunderten vom Wasser ausgespülten Löcher und Höhlen schwappen. Super nervig.

Draußen schleicht die sächsische Landschaft an mir vorbei. Ein Rapsfeld. Eine Kreuzung. Ein Waldstück. Eine Kleinstadt. Windräder. Ein Rapsfeld. Noch ein Rapsfeld. Und noch ein Rapsfeld. Ist dasselbe Rapsfeld. So langsam fährt der Bus. Quasi Schrittgeschwindigkeit. Ganz vorsichtig. Als würde es links 300 Meter steil bergab gehen. Tut es aber nicht. Da ist nur ein Rapsfeld. Hass.

Ich muss mich vom Kauen der Frau ablenken. Sie isst wirklich passioniert. Jeder Bissen wird im Mund hin und her bewegt, geprüft. Vielleicht ist ihr Kiefer kaputt. Die Kau-Frau.

Ich versuche mich auf das zu konzentrieren, was da an mir vorbeigähnt.

Gleichzeitig unterdrücke ich die aufsteigende Angst davor, zu spät zu kommen. Ich hasse es, unpünktlich zu sein.

Auf dem Land werden die Wege schnell lang. Ich hasse es.

Ich muss mich wirklich zwingen, nicht zu schreien. Hätte ich doch nur ein Auto. Oder wenigstens Kopfhörer. Apple Noise Cancelling. Haha.

Ich checke die Uhrzeit.

Der Notartermin ist in einer Stunde.

Super. Der Bus sollte eigentlich laut Fahrplan in zwanzig Minuten ankommen. Aber der Fahrplan hat sicherlich nicht vorgesehen, dass wir ab Ortsausgang Bautzen erst einmal eine halbe Stunde hinter einem Traktor festhängen. Oder doch? Ich weiß es nicht, ich komme aus der Stadt, ich kenne die Scheißregeln hier nicht. Hass.

Warum bauen die hier eigentlich keine Autobahn? Dann kämen sie sich vielleicht auch nicht so abgehängt vor.

Der Bus ist laut. Und etwa so alt wie die Einheit. Die Sitze sind abgeschubbert, der »Wagen hält«-Schriftzug ist noch nicht digitalisiert. Ein Auslaufmodell. Zu neu, um verschrottet zu werden, zu alt, um mit den Gegebenheiten des modernen Verkehrs zurechtzukommen. Ein bisschen wie ich. Sie haben hier überall Kreisverkehre gebaut. Ich habe beim Einfahren jedes Mal Schiss, dass wir umkippen.

Es ist Freitag.

Der Bus ist fast leer.

Er spiegelt damit perfekt die Bevölkerung des Landstriches wider.

Hinter dem Fahrer sitzt ein Schulkind mit Brille, das in den Momenten, wo der Bus steht, versucht, eine Unterhaltung mit dem Fahrer anzufangen. Der ignoriert den Jungen gekonnt. Die Apfel-Frau und ich repräsentieren die mittlere Kohorte.

Dazwischen sitzen ein paar Rentner zusammengekauert und einsam in den Zweierbänken. Niemand spricht. Es hustet noch nicht mal jemand. Das ist merkwürdig. Wenn alte Leute beisammen sind, hustet immer irgendwer. Das weiß ich, ich kenne alle Geräusche, die ich hasse.

Geiler Satz. Aber bei dem Geräuschpegel kann sich auch keine Sau konzentrieren.

Das Kauen der Frau hört kurz auf, ich atme durch. Vielleicht wage ich jetzt einmal einen Blick. Sie sitzt ganz still da. Warum nicht gleich so?

Sie hat sehr große Augen. Zu große Augen. Sie öffnet den Mund, kann aber nichts sagen, spricht stumm, versucht einzuatmen, aber es geht nicht.

Offenbar bekommt sie nur schwer Luft. Ihre Augen werden größer, füllen sich mit Tränen. Immerhin hat sie aufgehört zu essen. Ganz angenehm eigentlich. Aber das Gespotze. Und wie die Nägel am Plastik des Vordersitzes abrutschen. Das nervt.

Ich muss etwas tun.

Ich betätige den Haltewunsch.

Es passiert nichts.

Ich gehe nach vorne zum Fahrer. »Entschuldigen Sie«, sage ich.

Der Fahrer deutet mit mürrischer Miene auf das Schild »Während der Fahrt nicht mit dem Fahrer sprechen«.

Ich drehe mich um und gehe zurück an meinen Platz. Das Streberkind hebt die Arme, als würde es sagen wollen: Mit mir redet er auch nicht. Komm, lass uns Popel vergleichen.

Die Rentner folgen mir mit den Augen. Keiner sagt etwas. Als wäre ich hier das Problem. Was ich vermutlich bin. Weil ich etwas tue. HIER TUT MAN NICHTS!

Das Gesicht der Frau ist kurz vor Blau. Mit einem letzten zarten Hauch Rot.

Ich entscheide mich, ihr zu helfen. Nutzt ja nix. Am Ende ist es stressiger, wenn sie hier stürbe. Polizei, Zeugenaussage, und ich wäre nicht vor morgen beim Notar. Und das wäre schlecht.

»Ich helfe Ihnen!«, sage ich. Scheint sie nur noch panischer zu machen. Hat sie Angst vor meiner Stimme? Dann eben mit Gesten.

Ich deute mit Zeige- und Mittelfinger auf meine Augen, dann auf sie, hebe meine Arme links und rechts auf Schulterhöhe, als würde ich etwas stemmen, und führe sie dann zum Herzen zurück. Heißt das helfen? Keine Ahnung, was ich damit meine. Ich habe keine Ahnung. Die Frau auch nicht.

Ich deute noch einmal auf sie, fahre mit dem Zeigefinger meine Kehle entlang und schüttle den Kopf.

Sie beginnt mit den Armen zu wedeln. Was denkt die denn von mir? Ich will sie ja gerade nicht sterben lassen. Gut, da muss sie jetzt durch.

Ich trete in den Zweier hinter sie, ziehe sie unter den Achseln hoch. Sie versucht, mir auszuweichen. Was nicht geht. Mit meinen Armen umklammere ich ihren Brustkorb und drücke ein paar Mal kräftig gegen ihren Solarplexus.

Ich hoffe sehr, dass ich keinen Luftröhrenschnitt durchführen muss. Das Schärfste, was ich dabeihabe, ist mein Schlüssel.

Das wäre eine schöne Sauerei.

Passiert immer noch nix. Habe ich zu doll gedrückt? Der Erste-Hilfe-Kurs ist so lange her wie mein Führerschein. Zwanzig Jahre. Sollte ich mal wieder auffrischen. Nur für den Fall. Andererseits habe ich auch Besseres zu tun, als mit dreißig Abiturienten neun Stunden an einem Samstag in einem abgedunkelten Seminarraum unter Aufsicht an Gummipuppen zu nuckeln.

Ein YouTube-Tutorial würde mir ja reichen. Ich fixiere die Apfel-Frau mit einem Arm und drücke ihr mein Knie in den Rücken.

Mit der anderen Hand hole ich mein Smartphone aus der Tasche. Kein Empfang. Was hatte ich erwartet?

»Wegen O2 müssen Sie jetzt leider sterben!«, sage ich und drücke ein letztes Mal auf ihren Solarplexus.

Glücklicherweise röchelt sie jetzt ein bisschen, und ein kleiner Gegenstand fliegt ihr aus dem Mund. Es ist der Stiel des Apfels. Sie hat die Frucht mitsamt dem Gehäuse vernichtet. Selber schuld.

An apple a day keeps the doctor away. Not.

»Gehts?«, frage ich.

Sie atmet schwer. Dann nickt sie. Und rückt von mir weg.

Ich setze mich wieder hin. Die Augen aller Passagiere sind auf uns gerichtet. Aber eher so, als hätten wir alle bei etwas Wichtigem gestört. Dem Ablauf ihrer Reise von A nach B zum Beispiel.

Arschlöcher.

Nur Bauern und Hippies und Nazis.

Ich hasse Menschen.

Als hätte ich keine anderen Probleme.

Ich hole mein Smartphone raus. Und höre mir die Sprachnachricht noch mal an. Zum hundertsten Mal.

Von meiner Frau, falsch, Ex-Frau. Sie, deren Name nicht genannt werden darf. Ich nenne sie jetzt einfach Peggy. Denn sie kann sich nicht wehren. So wie ich.

»Es ist schon krass. Da lebst du Jahre nebeneinanderher, akzeptierst die Besonderheiten des Partners, findest das sogar anziehend, was weiß ich, oooh die lange Nase, die hat das Gesicht erst besonders gemacht, und oooh, was für eine niedliche Art, wie er die Dinge ausspricht, toll. Und dann auf einmal nach zehn Jahren sitzt man dem anderen am Frühstückstisch gegenüber und ruft: Pass auf, du Sau! Jetzt hast du mit deinem Riesenzinken schon wieder den Balsamitscho umgeschmissen. Und dann sagt der andere: Das heißt Balsamico, du Pissnelke. Und klopft dabei auf den Tisch. Ein Geräusch, das du schon seit Jahren hasst, weshalb du anfängst, die Luft mit einem Ts-chooooo auszuatmen, was wiederum dein Gegenüber dermaßen auf die Palme bringt, dass es anfängt, den Kopf zu schütteln auf diese überhebliche Art, die dir sagen soll: Du hast es nicht drauf. Und alleine aus Trotz beginnst du mit dem Stuhl zu kippeln, weil du weißt, dass der Andere das hasst. Und so sitzen sich zwei erwachsene Leute gegenüber in einem Circle of Hate, eine kippelt, der andere klopft auf den Tisch. Sie sind unfähig, einander zu verlassen. Das ist doch traurig, oder?«

Die Sprachnachricht war vorbei. Ich versuchte zu verarbeiten, was ich da eben gehört hatte. Zu verstehen. Ich konnte es nicht. Hörte es noch mal. Dann nahm ich die Kopfhörer ab.

»Was soll die Scheiße?«, fragte...
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Autor

Julius Fischer ist Autor, Liedermacher und Moderator.
Er ist Mitglied diverser Lesebühnen, u.a. der Lesedüne mit Marc-Uwe Kling. Für die MDR Spasszone moderiert er seit 2019 die Lesereihe "Ich hasse ...". Julius Fischer lebt in Leipzig.

Bei diesen Artikeln hat der Autor auch mitgewirkt