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Leiden Centraal

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
320 Seiten
Deutsch
Voland & Quisterschienen am07.02.20221. Auflage
Eine Party, auf der sie nie war. Eine Liebesbotschaft, die ihr nicht gilt, eine Familie an Weihnachten, die nicht ihre ist. Tausend Kindheiten, die sie nie erlebt hat. Valerie analysiert als forensische Informatikerin täglich Unmengen fremder Erinnerungen. Bei einem neuen Fall geraten Adrian und Cristina in den Fokus ihrer Ermittlungen und mit ihnen die menschenunwürdigen Machenschaften eines illegalen Leiharbeitsnetzwerks. Benedikt Feiten schickt seine drei Protagonisten auf Suche, Jagd und Flucht durch die Niederlande, Rumänien und Deutschland, durch geografische und digitale Räume. Lakonisch und durchdacht erzählt er vom Streben nach Orientierung im Vergangenen - und von der Macht der Technologie, die das Erinnern formt.

Benedikt Feiten wurde in Berlin geboren und lebt in München, wo er Unmengen schwarzen Tee trinkt und vieles macht, manchmal sogar ohne sich zu verzetteln. Er ist mit dem Literaturstipendium der Stadt München ausgezeichnet worden und war Teilnehmer der Bayerischen Akademie des Schreibens. 2016 erschien sein Debütroman 'Hubsi Dax' bei Voland & Quist. 2019 erhielt er für 'So oder so ist das Leben' den Bayerischen Kunstförderpreis. Nach dem Studium der Amerikanischen Literatur hat er seine Doktorarbeit über Musik und Transnationalität in den Filmen von Jim Jarmusch geschrieben und an der Ludwig-Maximilians-Universität unterrichtet. Er ist Trompeter und Cellist in verschiedenen Bands und Projekten. 2021 ist er Stipendiat des Internationalen Künstlerhauses Villa Concordia in Bamberg und schreibt an seinem dritten Roman, der im Frühjahr 2022 bei Voland & Quist erscheint.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR24,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR12,99

Produkt

KlappentextEine Party, auf der sie nie war. Eine Liebesbotschaft, die ihr nicht gilt, eine Familie an Weihnachten, die nicht ihre ist. Tausend Kindheiten, die sie nie erlebt hat. Valerie analysiert als forensische Informatikerin täglich Unmengen fremder Erinnerungen. Bei einem neuen Fall geraten Adrian und Cristina in den Fokus ihrer Ermittlungen und mit ihnen die menschenunwürdigen Machenschaften eines illegalen Leiharbeitsnetzwerks. Benedikt Feiten schickt seine drei Protagonisten auf Suche, Jagd und Flucht durch die Niederlande, Rumänien und Deutschland, durch geografische und digitale Räume. Lakonisch und durchdacht erzählt er vom Streben nach Orientierung im Vergangenen - und von der Macht der Technologie, die das Erinnern formt.

Benedikt Feiten wurde in Berlin geboren und lebt in München, wo er Unmengen schwarzen Tee trinkt und vieles macht, manchmal sogar ohne sich zu verzetteln. Er ist mit dem Literaturstipendium der Stadt München ausgezeichnet worden und war Teilnehmer der Bayerischen Akademie des Schreibens. 2016 erschien sein Debütroman 'Hubsi Dax' bei Voland & Quist. 2019 erhielt er für 'So oder so ist das Leben' den Bayerischen Kunstförderpreis. Nach dem Studium der Amerikanischen Literatur hat er seine Doktorarbeit über Musik und Transnationalität in den Filmen von Jim Jarmusch geschrieben und an der Ludwig-Maximilians-Universität unterrichtet. Er ist Trompeter und Cellist in verschiedenen Bands und Projekten. 2021 ist er Stipendiat des Internationalen Künstlerhauses Villa Concordia in Bamberg und schreibt an seinem dritten Roman, der im Frühjahr 2022 bei Voland & Quist erscheint.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783863913243
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum07.02.2022
Auflage1. Auflage
Seiten320 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2305 Kbytes
Artikel-Nr.8880880
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1

Ein Familienfoto, Mutter, Vater, Sohn, viel zu verschwommen, um mit einer Digitalkamera oder einem Handy aufgenommen worden zu sein. Vermutlich ein Scan. Die Mutter mit einem leichten Zweifel auf den Lippen. Der Vater hat seinen Arm um ihre Hüfte gelegt, seine Hand ruht auf der Schulter des Jungen. Ein schüchternes Lächeln, mittellanges, blondes Haar. Ob er das ist? Das Bild einer jungen Frau mit glatten Haaren, die einen Kuss in Richtung ihrer Handykamera bläst. Die Buchungsbestätigung einer Busreise als PDF.

Stichpunkte für ein Referat im Biologieunterricht, 11A, Klassenleitung Frau Dürnheim.

Im Suchverlauf: Reisepass verlängern München - Ronaldo Gehalt - Normales Alter für erstes Mal - Highlights FC Bayern gegen Juventus - 22-jährige Hobbynutte wird gefickt - Facebook - iPad gebraucht kaufen - Log-in hotmail.com - Teenie macht es sich selbst - Erlkönig Gedicht Bedeutung.

»Und? Gibt s was Interessantes?« Magnus lehnt sich an den Türrahmen.

»Bis jetzt nicht. Sieht aus wie ein normaler Gymnasiast, der ein bisschen an Freunde dealt«, antwortet Valerie. Den Blick wendet sie nicht vom Bildschirm ab. »Laptop war ungeschützt, am Handy bin ich noch nicht dran.«

»Okay. Wir gehen in der Mittagspause rüber zu Mykonos. Kommst du mit?«

»Ich hab was dabei.«

»Alles klar.«

»Trotzdem danke«, schiebt sie hinterher und blickt auf, aber der Türrahmen ist schon wieder leer.

Das Handy ist schnell ausgewertet. Der Jugendliche hat die PIN verraten. Hätte er nicht gemusst, aber wahrscheinlich war er eingeschüchtert. Ein paar Chatverläufe: »Bringst du Schokolade mit?« - »Ist Günter auch dabei?«, nicht sonderlich verhohlen. Marihuana in Kleinmengen, hält sich für schlauer, als er ist. Aber das geht den meisten so.

Valerie spielt die relevanten Daten aus und schickt sie an die Kollegen. Wahrscheinlich wird das Verfahren mangels öffentlichen Interesses eingestellt. Je nachdem, wie der Junge sich eben bisher so angestellt hat. Sie seufzt. Es ist lange her, dass etwas wirklich Anspruchsvolles kam.

Vollkornreis, Gemüse, Obst für den Entsafter, Joghurt, Tiefkühlpizza, Pudding. Eine nachlässige Versorgung mit den nötigsten Nährstoffen, Süßes für den Fall, dass sie doch noch Lust auf irgendetwas verspürt.

»Da liegt noch etwas von Ihnen«, bemerkt ein älterer Herr und deutet heiter auf einen Becher.

»Ja, danke, ich weiß«, antwortet Valerie schroffer als beabsichtigt und schämt sich, dass sie ihn um den Lohn eines herzlicheren Dankes für seine Hilfsbereitschaft bringt.

»Hallo?«, ruft sie in den Flur hinein, aber spürt schon beim Betreten der Wohnung, dass ihr Bruder nicht da ist.

Die Küche ist aufgeräumt. Sie hebt den Deckel des Mülleimers. Ein zerbrochenes Glas. Ihr Blick fällt auf die Armlehnen des Holzstuhls, auf die bleichen, verschliffenen Stellen, die Thomas mit den Handballen reibt, wenn er darauf sitzt.

Auf dem Tisch liegt ein Zettel: »Bin zum Sport gegangen. Rest Pasta steht im Kühlschrank, wenn du willst. Bis nachher.« Die Buchstaben lehnen sich in alle Richtungen, ganz so, als habe er sie mit Gewalt in diese Ordnung zwingen müssen.

Valerie nimmt den Kugelschreiber und setzt ein paar Worte darunter: »Danke! Hab noch ein Date u. komm später wieder. Bis dann.«

»Hey«, begrüßt Nils Valerie und umarmt sie.

Keine seltsame Begrüßung mit Küsschen, kein kalter Händedruck, kein Sicherheitsabstand, in dem sie verlegen voreinander stehen. Er fühlt sich gut an und sieht aus, wie sie ihn sich durch sein Bild in der Dating-App vorgestellt hat: sympathisch und auf eine arglose Art freundlich. Ungefährlich attraktiv.

Als sie auf die Tür der Bar zugeht, will er sie mit ein paar eiligen Schritten überholen, aber Valerie hat die Klinke schon in der Hand. »Bitte schön«, fordert sie ihn auf und lächelt. »Nach dir.«

Er begrüßt den Barchef mit Handschlag, stellt ihn ihr als Gabriel vor. Gabriel nickt ihr höflich zu und fragt Nils, ob die Ottersaison schon begonnen habe. Der lacht und entgegnet, dass er doch hoffe, sie liege noch in weiter Ferne.

Die beiden scheinen sich zu mögen und eine gewisse Vertrautheit zu haben. Trotzdem wirkt es auf Valerie wie eine Inszenierung, zu deren Zweck Nils genau diese Bar ausgewählt hat.

Der Eindruck wird stärker, als Nils die zugehörige Anekdote liefert: wie sie als Schüler in ihrem Heimatort einen verirrten Fischotter aus dem Garten aufgelesen und zum Tierarzt gebracht hätten. Am nächsten Morgen habe sich herausgestellt, dass im Familienteich die Koi-Karpfen fehlten - der Otter habe sie getötet. Seine Mutter habe ihm die Rettung lange indirekt vorgeworfen, so als hätte er einen Verrat begangen. Dabei gehören Otter sogar zu den besonders geschützten Arten. Allerdings zerbeißen sie mit Vorliebe die Kehle und verspeisen Herz und Leber der Fische. Kein schöner Anblick in einem Reihenhaus-Vorgarten am Sonntagmorgen.

Damit endet die Geschichte.

»Na ja«, sagt er, etwas betreten über das unschöne Schlussbild.

Sie setzen sich an einen Tisch in der Nähe des Pianisten, der so betont unaufdringlich spielt, dass es fast lästig ist.

Nils will wissen, was sie beruflich so macht. Die Frage war wohl unvermeidlich.

»Forensische IT.«

»Forensische IT?«

»Alles, was mit der Sicherung von digitalem Beweismaterial zu tun hat«, erklärt Valerie geduldig.

»Also Polizistin?«

»Richtig, im Prinzip sind wir Vollzugsbeamte.«

»Hast du dann auch eine Waffe?«

»Ja. Je nach Lage unterstützen wir auch vor Ort. Kommt aber nicht oft vor.«

»Da kriegt man so einiges mit«, meint er, »oder? Hat man da nicht irgendwann eine ganz andere Sicht auf die Leute?«

Sie zuckt mit den Schultern. »Vieles, was ich sehe, kann eigentlich auch jeder andere online finden. Ist dann eben nur nicht auf eine einzelne Person bezogen.«

»Aber du siehst schon heftige Sachen, oder?«, beharrt er.

»Ich hab wohl so gut wie alles gesehen, was sich Menschen freiwillig und unfreiwillig gegenseitig antun. Nur wenn es was mit Kindern ist, das kann man nicht beiseiteschieben.«

Nils dreht verlegen das Glas auf seinem Untersetzer. »Tut mir leid.«

»Schon gut.« Sie nimmt einen Schluck.

Sie schweigen. Im Rücken von Nils greift der Pianist volle Akkorde und reißt Lücken in die weißschwarze Fläche der Tastatur. Valerie bemerkt, dass er beim Improvisieren nach jeder Phrase seine Brille hochschiebt. Jedes Tippen ein kurzes Innehalten. Vielleicht wirkt sein Spiel deshalb so strukturiert.

Nils folgt ihrem Blick und dreht sich in Richtung des Flügels. »Gute Musik, oder?«

»Nicht schlecht«, erwidert sie.

»Spielst du ein Instrument?«

»Ich hab lange Zeit Cello gespielt.«

Das zu sagen fühlt sich fremd an. Valerie versucht, sich zu erinnern, wann sie das Instrument das letzte Mal in den Händen gehalten hat, fragt sich, wie es klänge, wenn sie jetzt versuchte, etwas zu spielen, eine einfache Etüde. Doch das Einzige, was sie noch an diese Zeit erinnert, sind ihre Haare, die sie noch immer zusammengebunden nach rechts trägt, dort, wo sie nicht mit dem Griffbrett in Berührung kommen können.

»Und du?«, fragt Valerie.

Er lacht. »Völlig talentfrei. Das war schon in der Grundschule allen klar. Mir wurden immer die Klangstäbe in die Hand gedrückt. Mehr will ich keinem antun. Ich hör gern zu. Aber ⦫, er lehnt sich zurück, spricht leiser, fast wie zu sich selbst, »interessant, was du alles treibst. Gegen deinen Job ist das, was ich mache, ja relativ dröge.«

Eine kleine Pause entsteht.

»Was machst du denn?«, fällt ihr gerade noch ein.

»Ich bin Mechatroniker.«

»Und woran arbeitest du gerade?«

»Das ist wahrscheinlich nicht so spannend für dich«, sagt er entschuldigend und erzählt zögerlich, dann immer gestenreicher und am Ende enthusiastisch über eine Automatik zur Fahrwerksabstimmung, die er mitentwickelt hat.

Na endlich. Das spricht Valerie an. Eine Leidenschaft, die seine Routine...
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