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So wird man zum Schwaben

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
144 Seiten
Deutsch
riva Verlagerschienen am13.04.2015
Wer sich erfolgreich in ein neues Bundesland oder eine neue Stadt integrieren will, der sollte sich mit den örtlichen Gepflogenheiten vertraut machen. Da geht es dem Bayer nicht anders als dem Hamburger, denn in Köln ist erst mal alles anders. Während der Bayer geduldig auch etwas länger auf ein gutes Essen wartet - denn Schweinebraten und Kaiserschmarrn dauern einfach ihre Zeit - muss es beim Berliner schnell gehen. Deshalb stehen dort Currywurst und Döner auch hoch im Kurs. Aber das Essen ist nur ein Aspekt, bei dem ein gewisses Spezialwissen nützlich ist. Auch in punkto Mode, Flirtverhalten, Lieblingswitze, Lieblingsfeinde und Schimpfworte gibt es jede Menge Spezialwissen, das man sich aneignen sollte, um wirklich dazuzugehören. Wer in Bayern zum Beispiel 'ein echter Hund' genannt wird, kann sich was darauf einbilden, im Rest der Republik geht das aber nicht unbedingt als Kompliment durch. Dies ist ein Buch, das letzte Integrationsschwierigkeiten innerhalb Deutschlands ausräumtmehr
Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR8,99
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Produkt

KlappentextWer sich erfolgreich in ein neues Bundesland oder eine neue Stadt integrieren will, der sollte sich mit den örtlichen Gepflogenheiten vertraut machen. Da geht es dem Bayer nicht anders als dem Hamburger, denn in Köln ist erst mal alles anders. Während der Bayer geduldig auch etwas länger auf ein gutes Essen wartet - denn Schweinebraten und Kaiserschmarrn dauern einfach ihre Zeit - muss es beim Berliner schnell gehen. Deshalb stehen dort Currywurst und Döner auch hoch im Kurs. Aber das Essen ist nur ein Aspekt, bei dem ein gewisses Spezialwissen nützlich ist. Auch in punkto Mode, Flirtverhalten, Lieblingswitze, Lieblingsfeinde und Schimpfworte gibt es jede Menge Spezialwissen, das man sich aneignen sollte, um wirklich dazuzugehören. Wer in Bayern zum Beispiel 'ein echter Hund' genannt wird, kann sich was darauf einbilden, im Rest der Republik geht das aber nicht unbedingt als Kompliment durch. Dies ist ein Buch, das letzte Integrationsschwierigkeiten innerhalb Deutschlands ausräumt
Details
Weitere ISBN/GTIN9783864138829
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum13.04.2015
Seiten144 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.1593091
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


 

Sie können jahrelang hart arbeiten, um sich zu integrieren. Oder Sie gehen mit Ihren neuen Nachbarn trinken. Dann erreichen Sie dasselbe in nur einer Nacht. Ihre Aussprache wird fließend, auch in Sprachen, von denen Sie noch nie gehört haben, Sie schließen neue Freundschaften und finden womöglich die Liebe Ihres Lebens. Zumindest bis zum nächsten Morgen. In Deutschland haben Sie es da leicht: Die Deutschen saufen zwar nicht, trinken aber gern und oft. In der Schweiz haben Sie es etwas schwerer: Dort geht der Alkoholkonsum seit Jahren zurück. Geradezu trotzig verwandeln die Schweizer sogar den Aperitif, also den Schoppen Alkohol vor dem Essen, in einen Apéro. Und da kommen dann, schön auf einem Apéro-Plättli angerichtet: Schinken, Käse, Chips, Brot, Käse, Canapés und vielleicht sogar ein Gemüsedip. Da geht man recht wenig beschwipst raus, aus so einem Schweizer Apéro. Wenn Sie mehr der Typ sind, der gerne untergehakt auf Bierbänken steht und singend sein Bier in die Höhe hält, sind Sie hier falsch. In der Schweiz können Sie dafür an der Mahagonibar des James Joyce Pub einen Whiskey genießen oder in einer stimmungsvollen Jazzbar mit roten Ledersesseln, Holzbalken und gedämpfter Beleuchtung Diana Krall lauschen. Live. Sie können auch in gekonntem 70er-Jahre-Retro-Ambiente an Cocktails nippen. Oder in einer lauschigen Bar im Marokko-Style Tee schlürfen und anschließend in einem der Clubs im angesagten asiatischen Design mit angestrahlten Buddhas, Teelichtern und Lampenschirmen im Leopardenprint tanzen gehen. (Es sei denn, Sie sind weithin als Ausländer zu identifizieren, dann kommen Sie vermutlich nicht rein.) Wenn Sie zu Schweizern nach Hause eingeladen werden, wird dies auch selten in einem Vollrausch enden, dort nimmt man »ein Glas Wein zum Essen« wörtlich. Schön mit ein paar Freunden zu Hause kochen und essen und eine Flasche Wein dazu - für sechs Leute. Das verstehen Schweizer unter einem lustigen Abend. Das kann auch durchaus lustig sein, es könnte aber eben auch noch lustiger werden. Allerdings nicht in der Schweiz.

Dazu müssen Sie nach Köln.

Egal, woher Sie kommen, sobald Sie eine Kneipe in Köln betreten, dauert es im Schnitt sieben Minuten, bis jemand sagt: Drink doch eine met. Bei eine bleibt es nicht. Bis man herausgefunden hat, wie man den geschäftigen Mann im blauen Hemd davon abhalten kann, einem ständig neue Biergläser vor die Nase zu stellen, hat man schon einen sitzen. In Köln bestellt man nämlich nicht sein Bier, man bekommt es zugeteilt. Der Mann im blauen Hemd heißt Köbes und tut zwar das Gleiche wie ein Kellner, ist aber keiner. Er ist Vater und Mutter, Seelsorger und Psychotherapeut, Arzt und Freund. Der große Unterschied zu einem Kellner ist: Er ist dem Bier verpflichtet, nicht dem Gast. Das führt zu einem mitunter recht rüden Umgangston, wundern Sie sich also nicht, wenn er Ihnen gleich zwei Gläser Kölsch bringt: Dann biste wat beschäftigt, un ich muss nit dauernd hin- und herlaufen. Oder wenn Sie ein Wasser bestellen und der zuständige Köbes sich erkundigt, ob er Ihnen vielleicht auch noch Seife und ein Handtuch bringen soll. Das Einzige, was noch schlimmer ist als Wasser, und anscheinend auch schlimmer als Pest und Cholera, ist Düsseldorfer Altbier. Das ist so schlimm, dass es in Köln sogar Computertastaturen gibt, auf denen die Alt-Taste durch eine Kölsch-Taste ersetzt ist. Wenn Sie ein Risikosucher sind oder wenn Ihnen langweilig ist und Sie sich wünschen, es würde endlich mal etwas Aufregendes in Ihrem Leben passieren, dann bestellen Sie ein Alt in einer Kölner Kneipe. Und toi, toi, toi.

Wer völlig zu Recht bemerkt, dass eine Biermenge von 0,3 Liter nicht allzu lange Vergnügen bereitet, kann abkürzen und ein Pittermännchen bestellen. Das Pittermännchen ist ein Zehn-Liter-Kölschfass. Das ist ein bisschen wie Eimersaufen in Malle, nur auf Kölsch. Wie praktisch die Kölner denken, wenn es um Kölsch geht, ist gut am Brauhauswanderweg zu sehen: Während man sich in jeder anderen Stadt von historischer Sehenswürdigkeit zu historischer Sehenswürdigkeit schleppt und zwischendrin froh ist, kurz bei einem Bier Rast zu machen, machen es die Kölner genau umgekehrt: Auf dem Brauhauswanderweg durch alteingesessene Bier- und Brauhäuser kommt man an historischen Sehenswürdigkeiten vorbei. Man muss eben Prioritäten setzen! Auf dem Brauhauswanderweg gilt es zu bestaunen:
â¢Brauhaus Sion
â¢Brauhaus Gaffel am Dom (im Deichmannhaus)
â¢Brauhaus Früh am Dom
â¢Peters Brauhaus
â¢Gaffel Haus
â¢Haxenhaus zum Rheingarten
â¢Brauhaus Sünner im Walfisch
â¢Bierhaus en d r Salzgass
â¢Brauhaus Gilden im Zims
â¢Brauerei und Brauhaus zur Malzmühle

⦠und Sie kommen vorbei an der Römerstraße, dem Kölner Dom, dem Rathaus, einer Kirche und zwei, drei anderen alten Gemäuern.

Wer diese Gewichtung vollkommen nachvollziehen kann? Die Bayern.

Bayern ist das Land, das einen Verein gegen betrügerisches Einschenken e. V. (VGBE) vorweisen kann. Dass es sich gegen das betrügerische Einschenken von Bier handelt, ist selbstverständlich und muss nicht extra erwähnt werden - worum sollte es sich schließlich sonst handeln. Um noch mal darauf zurückzukommen: Wenn Sie der Typ sind, der gerne untergehakt auf Bierbänken steht und singend sein Bier in die Höhe hält, dann sind Sie hier richtig! Lassen Sie sich in München nieder, wo die Leistung des Oberbürgermeisters daran gemessen wird, wie viele Schläge er beim Fassanstich braucht, damit das Bier fließt (Rekord: zwei Schläge, ­Christian Ude). Sie werden sich in den Armen der Stadt wohlfühlen, die dafür verantwortlich ist, dass jedem Deutschen im Ausland sofort das Wort »Oktoberfest!« entgegengebrüllt wird.

Es ist wichtig, dass man in seiner neuen Heimat Seelenverwandte findet. Fragen Sie sich also, welchen Stellenwert Bier in Ihrem Leben einnimmt. Ist es Ihnen wichtiger als das tägliche Brot? Ja? Perfekt. Dann sind die Nachfahren der Münchner Bierrevolution die geeigneten Nachbarn für Sie. Diese fand 1844 statt, als König Ludwig aufgrund von Rohstoffknappheit den Bierpreis um einen Pfennig erhöhte. Am selben Abend stürmte das erzürnte Volk randalierend die Brauereien der Münchner Innenstadt. Da sogar das Militär den Einsatz verweigerte, lenkte der König wenige Tage drauf ein und nahm die Erhöhung zurück. Das Wichtige an dieser Anekdote ist: Die Erhöhung des Brotpreises kurz zuvor wurde ohne jeden Mucks hingenommen.

Sind Sie Durchschnittsverdiener, steigert es Ihre Lebensqualität enorm, wenn Sie sich nicht in München niederlassen, sondern in Franken. Franken ist auch Bayern - nur aussprechen sollten Sie das nicht unbedingt - und hat außerdem die höchste Brauereidichte der Welt. Absoluter Spitzenreiter: der Ort Aufseß. Da kommen auf 1400 Einwohner vier Brauereien. Um diese ganzen Biere zu trinken, veranstalten die Franken permanent sogenannte Kirchweihen. Bei den fränkischen Kirchweihen mag es sein, dass vor tausend Jahren einmal eine Kirche (oder Ähnliches) im Ort (oder in der Nähe) geweiht wurde (oder Ähnliches), tatsächlich ist die Kärwa die Veranstaltung, bei der dem fränkischen Bier gehuldigt wird, und davon gibt es ungefähr 600 über das Jahr verteilt. Ein Paradies.

Kein Paradies in dieser Hinsicht: Schwaben.

Aus unerklärlichen Gründen wird in Schwaben nämlich Wein hergestellt. Viele Sonnenstunden, Wärme, keine Staunässe: Alle Voraussetzungen für guten Wein sind hier nicht gegeben. Loben Sie diesen Wein trotzdem über alle Maßen. Sie müssen ihn aber noch lange nicht trinken: Jammern Sie einfach darüber, wie schwer er zu bekommen sei.

Auf die Qualität des selbigen weist der Weinberg in der Stadt Ravensburg hin, der heißt nämlich unter Ravensburgern: Essigberg. Es gibt sogar ein Buch mit dem Titel Warum die Schwaben ihren Wein selber trinken. Weil ihn sonst keiner trinkt, könnte man vermuten. Tatsächlich trinken die Schwaben im Schnitt viel mehr Wein als der Rest von Deutschland, nämlich 38 Liter pro Kopf, im Gegensatz zu den mageren 25,1 Litern der restlichen Bevölkerung. Und nicht nur aus der Not - viele Schwaben lieben ihren Wein, der nicht selten als idealer Schorlenwein angeboten wird. ­Also ideal, um ihn mit einem Haufen Wasser zu verdünnen, etwas für echte Weingenießer. Nicht selten heißt es ja bei Weinproben: »Ach, nicht schon wieder einen Barolo oder so einen langweiligen Château Lafite-Rothschild, haben Sie keinen schwäbischen Trollinger da?«

Das schwäbischste aller Getränke aber ist: Moscht. Also Most. Ein vergorener Fruchtsaft. Er ist aus den gleichen Gründen so beliebt wie der schwäbische Wein: aus unbekannten. Lediglich im südlichen Schwaben überwiegt der Hang zum Bier, allerdings mehr zum Woiza, was Hefe-Weizen auf Schwäbisch heißt. Rätselhaftes Schwaben.

Was man immer machen kann: mit Schwaben Kaffee trinken. Zwar nicht bei ihnen zu Hause, zumindest nicht in den ersten Jahren der Bekanntschaft, aber in einem Café jederzeit. Dieses Café steht vermutlich in Berlin, denn Berlin scheint der Ort zu sein, wo die Schwaben wohnen - glaubt man den Berlinern.

In Sachen Getränkekultur tut sich Berlin allerdings nicht hervor, um nicht zu sagen: Mit deren...

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