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Politik und Religion in Nordkaukasien

Das Verhältnis von Islam und Widerstand am Beispiel von Tschetschenen und Inguschen (1757-1961)
BuchGebunden
684 Seiten
Deutsch
Reicherterschienen am31.07.2019
In der Geschichte Russlands spielt Tschetschenien eine unikale Rolle. Wie kein anderes Volk, das die Zaren im Zuge der Errichtung ihres Imperiums bekämpften, haben die Tschetschenen sämtliche Versuche, sie unter die russische Oberherrschaft zu zwingen, stets mit großer Vehemenz beantwortet. Das Streben, die eigene Unabhängigkeit zu verteidigen, zieht sich dabei wie ein roter Faden durch die tschetschenische Geschichte und hat eine jahrhundertelange Kontinuität gebildet. Seit mehr als 250 Jahren tobt ein Konflikt, der mit wenigen Unterbrechungen bis ins frühe 21. Jahrhundert reicht und in Europa vor allem durch die postsowjetischen Tschetschenienkriege wahrgenommen worden ist. Die verheerende Kraft dieser Auseinandersetzung entspringt seit jeher einem ideologischen Gemisch, dessen einmal ausgelöste Zündung die zerstörerischen Flammen der Gewalt immer wieder zu einer mächtigen Feuersbrunst auflodern ließ.
Bereits 1757 setzte der erste umfangreiche Feldzug der Russen eine Spirale ausufernder Gewalt in Gang, die in der Folgezeit kontinuierlich akzelerierte und 1785 in eine gewaltige Insurrektion mündete. Dass diese erstmals im Rekurs auf den Islam erfolgte, nämlich als Dschihad zur Vertreibung der Ungläubigen, bestärkte die russischen Entscheidungsträger in ihrem Urteil, die tiefreichende Manifestation des religiösen Fanatismus eines Volkes zu erleben, dessen präzedenzlose Gepflogenheiten der Gesetzlosigkeit und der Barbarei jedwede Koexistenz unmöglich machten. Dieser höchst arrogante Befund war dafür verantwortlich, dass man das Verhalten der Tschetschenen nun in einen religiösen Referenzrahmen setzte und fortan sämtliche Formen von Intransigenz als Beleg für den antirussischen Charakter ihres Islam deutete. Dieses unauslöschliche Stigma haftet den Tschetschenen heute nicht mehr nur im Bewusstsein der russländischen, sondern auch der internationalen Öffentlichkeit an.
Vor diesem Hintergrund geht die vorliegende Studie der Frage nach, inwieweit diese Prämisse tatsächlich zutrifft. Hierzu wird das Verhältnis von Islam und militantem Widerstand gegen den Zentralstaat im Verlauf von 204 Jahren untersucht. Im Ergebnis liegt ein theoretisches Modell vor, welches den Islam als multifunktionalen Stabilitätsregulator des tschetschenischen Sozialgefüges beschreibt. Dabei zeigt sich, dass der Islam zwischen 1757 und 1961 verschiedene sozial wirksame Funktionen aggregierte, die er nach einmal erfolgtem Erwerb nicht mehr einbüßte. Obwohl sich diese Funktionen jeweils in verschiedenen Situationen manifestierten, generierten sie doch stets denselben Effekt: Sie stärkten die Binnenkohäsion des tribalen und zutiefst fragmentierten tschetschenischen Sozialgefüges gegenüber der militärischen Expansion des Zentralstaates sowie dessen Versuchen, die traditionelle Gesellschaft der Tschetschenen durch exogene Gewalteinwirkung zu verändern.
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KlappentextIn der Geschichte Russlands spielt Tschetschenien eine unikale Rolle. Wie kein anderes Volk, das die Zaren im Zuge der Errichtung ihres Imperiums bekämpften, haben die Tschetschenen sämtliche Versuche, sie unter die russische Oberherrschaft zu zwingen, stets mit großer Vehemenz beantwortet. Das Streben, die eigene Unabhängigkeit zu verteidigen, zieht sich dabei wie ein roter Faden durch die tschetschenische Geschichte und hat eine jahrhundertelange Kontinuität gebildet. Seit mehr als 250 Jahren tobt ein Konflikt, der mit wenigen Unterbrechungen bis ins frühe 21. Jahrhundert reicht und in Europa vor allem durch die postsowjetischen Tschetschenienkriege wahrgenommen worden ist. Die verheerende Kraft dieser Auseinandersetzung entspringt seit jeher einem ideologischen Gemisch, dessen einmal ausgelöste Zündung die zerstörerischen Flammen der Gewalt immer wieder zu einer mächtigen Feuersbrunst auflodern ließ.
Bereits 1757 setzte der erste umfangreiche Feldzug der Russen eine Spirale ausufernder Gewalt in Gang, die in der Folgezeit kontinuierlich akzelerierte und 1785 in eine gewaltige Insurrektion mündete. Dass diese erstmals im Rekurs auf den Islam erfolgte, nämlich als Dschihad zur Vertreibung der Ungläubigen, bestärkte die russischen Entscheidungsträger in ihrem Urteil, die tiefreichende Manifestation des religiösen Fanatismus eines Volkes zu erleben, dessen präzedenzlose Gepflogenheiten der Gesetzlosigkeit und der Barbarei jedwede Koexistenz unmöglich machten. Dieser höchst arrogante Befund war dafür verantwortlich, dass man das Verhalten der Tschetschenen nun in einen religiösen Referenzrahmen setzte und fortan sämtliche Formen von Intransigenz als Beleg für den antirussischen Charakter ihres Islam deutete. Dieses unauslöschliche Stigma haftet den Tschetschenen heute nicht mehr nur im Bewusstsein der russländischen, sondern auch der internationalen Öffentlichkeit an.
Vor diesem Hintergrund geht die vorliegende Studie der Frage nach, inwieweit diese Prämisse tatsächlich zutrifft. Hierzu wird das Verhältnis von Islam und militantem Widerstand gegen den Zentralstaat im Verlauf von 204 Jahren untersucht. Im Ergebnis liegt ein theoretisches Modell vor, welches den Islam als multifunktionalen Stabilitätsregulator des tschetschenischen Sozialgefüges beschreibt. Dabei zeigt sich, dass der Islam zwischen 1757 und 1961 verschiedene sozial wirksame Funktionen aggregierte, die er nach einmal erfolgtem Erwerb nicht mehr einbüßte. Obwohl sich diese Funktionen jeweils in verschiedenen Situationen manifestierten, generierten sie doch stets denselben Effekt: Sie stärkten die Binnenkohäsion des tribalen und zutiefst fragmentierten tschetschenischen Sozialgefüges gegenüber der militärischen Expansion des Zentralstaates sowie dessen Versuchen, die traditionelle Gesellschaft der Tschetschenen durch exogene Gewalteinwirkung zu verändern.
ZusammenfassungDiese Studie klärt die Frage, inwieweit das jahrhundertlang von russischen Historikern tradierte Narrativ der Tschetschenen als religiöse Fanatiker zutrifft. Zu diesem Zweck wird die Bedeutung untersucht, die der Islam zwischen 1757 und 1961 für den militanten Widerstand der Tschetschenen gegen den Zentralstaat gehabt hat. Im Ergebnis liegt ein theoretisches Modell vor, welches den Islam als multifunktionalen Stabilitätsregulator des tschetschenischen Sozialgefüges beschreibt, der dieses vor der anhaltenden exogenen Gewalteinwirkung durch Russland bewahrte.
This study clarifies the question to what extent the narrative of the Chechens, which has been handed down for centuries by Russian historians, is a religious fanatic. To this end, the importance of Islam between 1757 and 1961 for the militant resistance of the Chechens to the central state is examined. The result is a theoretical model describing Islam as a multifunctional stability regulator of the Chechen social fabric, which preserved it from the continued exogenous violence by Russia.
Details
ISBN/GTIN978-3-95490-397-9
ProduktartBuch
EinbandartGebunden
Verlag
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum31.07.2019
Seiten684 Seiten
SpracheDeutsch
Gewicht1244 g
Illustrationen12 SW-Abb., 6 Farbabb.
Artikel-Nr.46783028
Rubriken

Schlagworte

Autor

Christian Paul Osthold, geb. 1985, Studium der Geschichte und Slawischen Philologie, 2017 Promotion, ist Historiker und hat sich auf Tschetschenien und den Islam im Nordkaukasus spezialisiert. 2012 erschien seine Monographie über die Rolle des Islamismus für den tschetschenischen Separatismus der postsowjetischen Periode. Im Herbst 2015 kehrte Osthold von einer mehrmonatigen Forschungsreise aus Tschetschenien zurück, die er in einem Dorf südlich von Grozny verbrachte. Seither ist Osthold als Berater für deutsche Parteien und Behörden tätig und tritt zudem regelmäßig in Fernsehen und Rundfunk auf. Seit November 2015 veröffentlicht Christian Osthold regelmäßig Beiträge auf Focus Online.
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Osthold, Christian Paul