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Das Kind aus dem versteckten Dorf

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
490 Seiten
Deutsch
Francke-Bucherschienen am01.08.20181. Auflage
Niederlande, 1943: Mentje de Vries ist 9 Jahre alt, als ihr Vater verhaftet wird, weil er Juden versteckt hat. Erst harrt sie allein auf dem väterlichen Bauernhof aus, doch als die Soldaten wiederkommen, weiß sie: Sie braucht Hilfe. Aber wem kann sie trauen? Der Einzige, der ihr einfällt, ist der Anwalt, der die jüdische Familie bei ihnen versteckt hat. Er bringt Mentje im »Versteckten Dorf« unter, einer geheimen Ansammlung von Häusern im Wald, in der Juden unterstützt von Widerständlern den Krieg zu überleben hoffen. Mentje taucht ein in eine völlig fremde Welt, immer hoffend, dass ihr Vater wiederkommt. Als sie einem alliierten Soldaten das Leben rettet, ahnt sie nicht, dass dies für sie der Anfang eines wunderbaren Weges ist ...

Irma Joubert ist Historikerin und lebt in Südafrika. Sie war 35 Jahre lang Lehrerin. Nach ihrer Pensionierung fing sie mit dem Schreiben an. Über ihre Heimat hinaus haben sich ihre Romane auch in den Niederlanden, den USA und in Deutschland zu Bestsellern entwickelt und sind mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR10,00
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR8,99

Produkt

KlappentextNiederlande, 1943: Mentje de Vries ist 9 Jahre alt, als ihr Vater verhaftet wird, weil er Juden versteckt hat. Erst harrt sie allein auf dem väterlichen Bauernhof aus, doch als die Soldaten wiederkommen, weiß sie: Sie braucht Hilfe. Aber wem kann sie trauen? Der Einzige, der ihr einfällt, ist der Anwalt, der die jüdische Familie bei ihnen versteckt hat. Er bringt Mentje im »Versteckten Dorf« unter, einer geheimen Ansammlung von Häusern im Wald, in der Juden unterstützt von Widerständlern den Krieg zu überleben hoffen. Mentje taucht ein in eine völlig fremde Welt, immer hoffend, dass ihr Vater wiederkommt. Als sie einem alliierten Soldaten das Leben rettet, ahnt sie nicht, dass dies für sie der Anfang eines wunderbaren Weges ist ...

Irma Joubert ist Historikerin und lebt in Südafrika. Sie war 35 Jahre lang Lehrerin. Nach ihrer Pensionierung fing sie mit dem Schreiben an. Über ihre Heimat hinaus haben sich ihre Romane auch in den Niederlanden, den USA und in Deutschland zu Bestsellern entwickelt und sind mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783963629792
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum01.08.2018
Auflage1. Auflage
Seiten490 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse586 Kbytes
Artikel-Nr.3944295
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



2. Kapitel

Vierhouten, Niederlande, Juli 1943

Die Sommersonne scheint ihr warm auf den Rücken. Das Gras steht hoch und in frischem Grün, Futter für die Kühe in den kommenden, langen Wintermonaten. Rhythmisch schwingt ihr Vater die lange Sense hin und her, hin und her. Mentje recht das gemähte Heu zu großen Haufen zusammen. Es duftet nach frisch geschnittenen Kräutern und ein bisschen nach Pfefferminze.

Wo hast du denn deinen Hut? , will ihr Vater wissen, ohne dabei aufzuschauen. Ehe du dich versiehst, hast du heute Abend wieder einen Sonnenbrand.

Mist, ihr Hut! Sie vergisst ihn aber auch ständig!

Doch da bricht in der Nähe des Hauses plötzlich ein großes Durcheinander los. Alle beide schauen mit einem Ruck auf. Mentje sieht das Entsetzen in den Augen ihres Vaters, aber das hält nur einen Augenblick an. Runter, flach auf den Boden, Mentje, hinter den Heuhaufen! Und keine Bewegung, bis ich dich holen komme , befiehlt ihr Vater, während er losrennt.

Warum, Papa?

Runter, habe ich gesagt , ruft er ihr über die Schulter zu. Ich bin gleich wieder da.

Sie lässt sich hinfallen und kriecht auf dem Bauch hinter den Heuhaufen. Dort presst sie sich das Kinn auf die Brust und schließt fest die Augen. Der Heuhaufen, den sie eben noch zusammengerecht hat, erscheint ihr mit einem Mal sehr niedrig.

Vom Haus her sind Stimmen zu hören, wütende, kreischende Stimmen. Mentje hält sich die Ohren zu, doch selbst dann hört sie noch, wie das Baby die Gegend zusammenschreit.

Was ist passiert? Hat das Baby sich verletzt? Oder vielleicht der kleine Junge? Ist er womöglich von der Leiter gefallen?

Oder noch schlimmer: Brennt es irgendwo? Im Stall?

Ihr Herz beginnt zu klopfen. Vater hatte bei der Kerze zwischen den Strohballen immer ein schlechtes Gefühl.

Oder ist erneut der Stier aus der Weide ausgebrochen? Genau wie vor zwei Jahren, als ihr Vater beinahe ...

Nein. Nein, so etwas geschieht nicht noch einmal.

Oder sind die Soldaten gekommen? Das möchte sie nicht denken, aber sie hat immer Angst gehabt, das Baby könnte weinen, wenn die Soldaten kamen, um Milch oder Eier zu holen. Sie versucht, einen klaren Kopf zu behalten. Das Baby hat doch erst zu weinen angefangen, nachdem der Lärm beim Haus schon losgebrochen war, oder? Ja, mit Sicherheit. Also können es nicht die Soldaten sein.

Oder vielleicht doch?

Mentje hat nie Angst vor den Soldaten gehabt. Seit Anfang des Krieges hat man sie auf der Straße gesehen, in Nunspeet und sogar in Vierhouten. Möglichst unauffällig hat sie sie immer beobachtet, wenn sie auf dem Weg zur Schule war, und wenn sie sie hat kommen sehen, hat sie meistens die Straßenseite gewechselt. Wirklich Angst hat sie nie gehabt.

Doch seitdem die Familie Friedman bei ihnen eingezogen ist, ist das ganz anders geworden.

Eines Abends hat ihr Vater fast schon beiläufig gesagt: Mentje, ich muss etwas mit dir besprechen.

Es war ein kalter Winterabend gewesen, Anfang des Jahres. Vater hat noch einen Scheit Holz ins Feuer geworfen, sich in seinen Lehnstuhl gesetzt und die Beine ausgestreckt, sodass die Füße dicht am warmen Ofen waren. Draußen hat ein eisiger Wind geweht. Es kommt einem vor wie am Nordpol , hat Mentje festgestellt, während sie ihrem Vater einen Becher Kaffee eingeschenkt hat. Für sich selbst hat sie ein Glas warme Milch geholt.

Geduldig hat sie abgewartet.

Die Familie Friedman muss sich im Durchgangslager Westerbork melden , hat ihr Vater schließlich verkündet.

Mentje hat gespürt, wie sie unruhig wurde. Sie hat diese Familie nicht gekannt; sie hat nur gewusst, dass ihr Vater täglich ein paar Kannen Milch in deren Geschäft in Nunspeet abliefert. Allerdings ist letztes Jahr die Oma eines Jungen aus ihrer Klasse nach Westerbork gebracht worden und seitdem haben sie nichts mehr von ihr gehört. Was passiert eigentlich mit den Menschen, die nach Westerbork gebracht werden, Papa?

Nachdenklich hat sich ihr Vater mit seinem Zeigefinger durch den Bart gewühlt. Das weiß keiner genau. Wahrscheinlich werden sie von dort aus in eines der deutschen Arbeitslager im Osten gebracht.

Das ist doch nicht gut, oder?

Ihr Vater hat den Kopf geschüttelt und in den Ofen gestarrt.

Ihre Unruhe ist immer weiter angestiegen. Eine Vermutung begann sich in ihr festzusetzen. Möchtest du der Familie Friedman helfen?

Herr Friedman hat einen Neffen in England, der versucht sich darum zu kümmern, dass die ganze Familie dorthin kann. Ich habe ihnen angeboten, dass sie bei uns wohnen können, bis sie wegkönnen.

Untertauchen. Mentje hat das Wort schon einmal in der Schule gehört.

Ihr Vater hat ruckartig zur Seite geblickt; seine Augen haben wachsam ausgesehen. Tja, nun. Untertauchen, das ist es wohl.

Aber das geht doch gar nicht, wir haben doch nur ein Schlafzimmer, hat Mentje gedacht. Ihr Vater hat ihr immer versprochen, dass er ein Zimmer für sie anbauen würde, sobald sie zwölf wäre. Jetzt war sie jedoch erst neun und schlief im Schlafzimmer ihres Vaters. Wo sollen sie denn dann schlafen?

Nun ... Vielleicht können wir auf dem Dachboden einen Schlafplatz einrichten. Und wenn sie sich unsicher fühlen, können sie tagsüber auch dort sitzen.

Auf dem Heuboden im Stall? , hat Mentje überrascht gefragt. Die Leiter hinauf? Da, wo wir die Strohballen lagern?

Wir könnten die Strohballen etwas zusammenschieben und so an der Vorderseite eine Art Barrikade errichten , hat ihr Vater erwidert. Dann sieht man vom Stall aus nur die Strohballen.

Aber da kann man doch nicht schlafen!

Wenn er damit dem Tod von der Schippe springen kann, ist ein Mensch zu vielem in der Lage. Da oben ist es einigermaßen gemütlich, das ist sicher auch nicht ganz unwichtig.

Das ist bestimmt wahr, hat Mentje gedacht. Der Stall ist fest ans Haus angebaut; nur eine Wand trennt ihn von der Küche. Auf diese Weise hält der Ofen den ganzen Winter über auch die Tiere ordentlich warm.

Es ist ja auch nur für eine Übergangszeit, bis sie nach England können.

Ja ... Das wird nichts, hat sie gedacht. Ihr Vater hat mal wieder irgendwelche Luftschlösser gebaut.

Ihr Vater hat sehen können, was sie gedacht hat, schließlich kannte er sie genauso gut wie sie ihn. Mentje, das sind unsere Nächsten und sie brauchen uns. Als Christen sind wir verpflichtet, den Menschen aus Liebe zu helfen.

Der barmherzige Samariter, hat Mentje überlegt. Ja, Papa , hat sie gesagt und dabei geseufzt, damit ihr Vater ruhig merken konnte, dass sie es eigentlich besser gewusst hat.

Wir haben hier auf dem Bauernhof genug zu essen, um sie ein paar Wochen lang versorgen zu können. Sonst verändert sich gar nichts.

Das ist nicht wahr. Dadurch wird alles anders und das weißt du ganz genau.

Er hat seine grobe Hand auf ihren Kopf gelegt. Du wirst schnell groß, mein Mädchen.

Was du nicht sagst! Ich gehe ja auch schon in die fünfte Klasse!

Einen Augenblick lang hat er sie verdutzt angesehen und den Kopf ganz leicht geschüttelt, so als habe er es beinahe nicht glauben können. Das ist auch wahr. Denk daran, Mentje, niemand darf erfahren, dass die Familie Friedman hier wohnen wird, ist das klar?

Das weiß ich.

An diesem Abend hat Mentje lange und ernst dafür gebetet, dass Gott ein besseres Versteck für die Familie Friedman finden möge. Nicht, dass sie auch einfach so an ihnen vorbeigehen wollte, so wie das der Priester und der Levit gemacht haben. Es sei schlichtweg nur nicht so schön für die Familie, wenn sie auf dem Heuboden wohnen müsste, der Herr wisse doch selbst, wie es da aussähe.

Tief in ihrem Herzen hat Mentje allerdings gewusst, dass sie einfach nur keine Lust hat, diese fremden Leute in dem Haus aufzunehmen, in dem sie mit ihrem Vater wohnt.

Und das hat der Herr natürlich auch ganz genau gewusst.

Am darauffolgenden Abend war die Familie angekommen. Frau Friedman hat recht jung ausgesehen, so als wäre sie kaum älter als die Mädchen auf der Mittelschule in Nunspeet. Guten Abend, ich bin Daniela. Sogar ihre Stimme hat jung geklungen.

Sie hat ein Baby auf dem Arm getragen und einen kleinen Jungen an der Hand gehabt. Hinter ihr ist Herr Friedman hereingekommen, der unter einem Stapel Decken beinahe verschwunden war.

Alle trugen sie den großen gelben Davidsstern, sogar das Baby.

Schon am ersten Abend hat Mentje sich gewünscht, dass sie wieder weggehen. Das war zweifellos sehr gemein von ihr, aber sie hat nichts dagegen machen können - das hat sie nun einmal gefühlt.

Auf ihren Vater ist sie wütend gewesen. Das war sicher auch verkehrt, denn man muss ja seine Eltern ehren. Doch ist nicht eigentlich ihr Vater schuld an ihrer Sünde gewesen? An beiden Sünden?

Ihr Vater hat der fremden Familie geholfen, alles die Leiter hinauf auf den Dachboden zu bringen. Meiner Meinung nach haben sie es dort nachts einigermaßen komfortabel , hat er erklärt und dann - eine ganze Weile nach dem Abendessen - haben sie noch in der Bibel gelesen und gebetet. Ihr Vater hat lang und ernst gebetet, doch...


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