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Der Tod schlürft Austern

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
216 Seiten
Deutsch
ambiente krimiserschienen am30.03.2015
Ein mörderischer Sturm zieht auf vor der bretonischen Küste und macht vor nichts halt. Romantische Spaziergänge entlang endloser Muschelstrände in friedvoller Abendstimmung, Meeresfrüchte soweit das Auge reicht und romantische Sonnenuntergänge vor pittoresken Leuchttürmen? Weit gefehlt! In der Bretagne wütet das Verbrechen. Mörderische Austernzüchter, blutgierige Salzbauern, verschwundene Ornithologen, ermordete Studentinnen und mysteriöse Inselbewohner stören den bretonischen Frieden.mehr

Produkt

KlappentextEin mörderischer Sturm zieht auf vor der bretonischen Küste und macht vor nichts halt. Romantische Spaziergänge entlang endloser Muschelstrände in friedvoller Abendstimmung, Meeresfrüchte soweit das Auge reicht und romantische Sonnenuntergänge vor pittoresken Leuchttürmen? Weit gefehlt! In der Bretagne wütet das Verbrechen. Mörderische Austernzüchter, blutgierige Salzbauern, verschwundene Ornithologen, ermordete Studentinnen und mysteriöse Inselbewohner stören den bretonischen Frieden.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783981561388
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum30.03.2015
Seiten216 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2603 Kbytes
Artikel-Nr.14294472
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Austerngemetzel

Tatort: Cancale

Die Saison hatte gerade angefangen. Langsam trudelten die ersten Touristen ein und bezogen die kleinen Pensionen am Hafen. Die Restaurants polierten ihre Terrassen auf Hochglanz, schrieben die Menus auf große Tafeln und stellten diese auf den Gehsteig. Der Sommer war in diesem Jahr früh gekommen, hatte den Sand in den kleinen Buchten rund um Cancale erwärmt und Fröhlichkeit in die Gesichter der Menschen gezaubert.

Yanis spazierte die Hafenpromenade entlang und blickte über die schier endlosen Austernbänke. In der Luft lag ein schwerer, salziger Geruch nach Ozean und nach Fisch. Kleine Wölkchen türmten sich am Horizont auf und verflossen mit dem Blau des Meeres. Es würde ein schöner Tag werden. Yanis erwartete seine ersten Kunden in wenigen Minuten, eine Touristengruppe aus Holland. Er würde sie in den Anhänger seines Traktors verfrachten, ihnen erst die Stadt zeigen und sie dann hinaus in den Austernpark fahren. Seit zwei Jahren war dies seine Haupteinnahmequelle, die überdies auch noch Spaß machte. Als Höhepunkt bekam jeder am Ende von Denis, seinem Freund, der ein Austernzüchter war, eine kleine Kostprobe: Er züchtete die einfachen, aber schmackhaften huîtres creuses, die er Yanis Touristen mit etwas Zitrone und billigem Weißwein aus Plastikbechern offerierte.

Yanis hörte Stimmen, die sich ihm näherten. Er drehte sich um und erkannte eine Gruppe Menschen, die einem gelben Regenschirm folgte, der voranspazierte. Unverkennbar die holländischen Touristen. Er winkte ihnen zu und ließ sie in einem Kreis um sich herum aufstellen. Dem gelben Regenschirm, der sich als Bernd vorstellte, schüttelte er die Hand. Nachdem er ihnen erzählt hatte, was sie in den nächsten zwei Stunden erwartete, führte er sie zu seinem alten Traktor, half den Damen galant auf den Anhänger und schwang sich selbst ins Führerhäuschen. Mit einem lauten Knattern startete der Motor und die Fahrt ging los.

***

Die Larven heften sich an die Tonziegel an, die Sie hier sehen, meine Damen und Herren. Wenn die Muscheln groß genug sind, werden sie mehrmals verpflanzt und kommen zum weiteren Wachstum in verschiedene Becken.

Und wann wird geerntet? , warf ein dürrer Holländer mit schlechtem Französisch ein.

Nach ungefähr vier Jahren. Sie müssen eine Mindestgröße vorweisen.

Der Traktor mit der Gruppe im Anhänger tuckerte über den schlammigen Boden durch den großen Austernpark. Die Touristen schossen massenweise Fotos, lachten und stellten Fragen.

Gleich werde ich Ihnen Denis vorstellen. Er ist einer der vielen Männer, die sich mit Austernzucht ihren Lebensunterhalt verdienen. Er wird Sie an seiner Arbeit teilhaben lassen, und danach gibt es eine kleine Verköstigung.

Die Gruppe klatschte begeistert. Plötzlich ruckelte der Traktor und der Motor starb ab. Die Menschen auf dem Anhänger wurden durcheinander geworfen. Yanis startete den Motor neu und versuchte Gas zu geben, aber irgendetwas blockierte. Er hob entschuldigend die Hände.

Da klemmt etwas unter dem Vorderreifen. Einen Moment, ich bin gleich wieder da.

Er sprang aus dem Führerhäuschen und landete mit seinen Gummistiefeln auf dem schlickigen Boden. Dann umrundete er den Traktor, bis er vor dem rechten Reifen stand. Er ging in die Knie und sah, dass der in einer Kuhle versunken war.

Merde! , fluchte er und begann den nassen Sand und den Schlick mit den bloßen Händen beiseite zu schieben. Auf einmal spürte er etwas Hartes. Er grub weiter, bohrte mit den Fingern im feuchten Boden und ertastete etwas Längliches. Yanis schrak zusammen und ließ sich auf den Hintern fallen. Er hatte eine Hand ausgegraben. Die Touristen beugten neugierig ihre Köpfe über die Seitenwand des Anhängers. Wie in Trance rappelte sich Yanis wieder auf und grub weiter. Nach kurzer Zeit hatte er den ganzen Arm freigelegt, dann den Oberkörper. Er nahm nichts um sich herum wahr, er grub und buddelte und scharrte, als ginge es um sein Leben. Schließlich tauchte der Kopf aus dem Schlick auf. Das Gesicht war von Sand und Schlamm bedeckt. Ein kleiner Einsiedlerkrebs kroch aus einem Nasenloch und verschwand schnell im Schlick. Yanis strich vorsichtig über das Gesicht und legte es frei. Dann stockte sein Atem. Er kannte es, auch wenn es bei ihrem letzten Treffen gelacht hatte, mit roten Wangen und leuchtenden Augen. Es war Jeanne, die Tochter seines besten Freundes Denis. Er stieß einen Schluchzer aus.

Kameras blitzten auf, so viel Action hätte sich die Reisegruppe niemals erwartet. Die Möwen kreischten laut, und irgendwo im Hafen hörte man einen Hund bellen.

***

Commissaire Larigole atmete tief ein. Die Luft war herrlich. Salzig, geschwängert von Fischgeruch und Algen. Er spürte, wie sie sich in seinen Lungen ausbreitete, und empfand es als Reinigung. Vor Jahren war er mit seiner Exfrau einmal in Cancale gewesen. Sie hatten Austern gegessen und waren spazieren gegangen. In seiner Erinnerung war es ein friedliches, kleines Küstenstädtchen. Aber nicht heute. Heute heulten Sirenen, der ganze Hafen stand voller Polizeiautos. Gerade eben kämpfte sich der schwarze Leichenwagen der Gerichtsmedizin durch. Nicht minder betriebsam ging es weiter draußen auf den Austernbänken zu. Polizisten durchstreiften in Gummistiefeln die Austernzucht und suchten nach Spuren.

Was wusste er bisher? Kommissar Larigole zog sein kleines Notizbuch hervor. Zwar war ihm bewusst, dass seine Kollegen inzwischen hochmoderne i-Pads benutzten, die ihre Daten sogleich weiterverarbeiteten, doch er brauchte so etwas nicht. Seine Exfrau pflegte stets zu sagen, er sei einer vom alten Schlag. Larigole war sich nicht sicher, ob er das als Kompliment verstehen sollte, aber er nahm es einfach so hin. An der Hafenmauer stand sein Assistent Laurent und wartete auf ihn.

Chef, hier bin ich! Ich habe eine Menge Neuigkeiten! Dabei hielt er zwei dampfende Kaffeebecher in die Höhe. Larigole lächelte. Laurent verstand die nicht stillbare Gier seines Chefs nach Kaffee und sorgte stets dafür, dass es Nachschub gab. Schnell eilte Larigole zu ihm und griff sich einen der Becher.

Also! Laurent nippte kurz an seinem Kaffee und begann dann zu erzählen.

Die Tote heißt Jeanne Moulin. Sie ist vierundzwanzig Jahre alt und stammt aus dem Ort. Ihr Vater ist ein bekannter Austernzüchter, Denis Moulin. Sie war eigentlich nur auf Besuch hier. Studiert seit einigen Jahren in Paris. Mutter gibt es keine mehr. Ist wohl verstorben.

Er legte eine Pause ein, während der er einen weiteren Schluck nahm. Den Vater habe ich dir schon herholen lassen. Er wartet dort vorne.

Er zeigte auf eine kleine Gruppe Menschen, die vor einer Bar standen und aufgeregt diskutierten.

Gefunden wurde die Leiche von Yanis Lac. Er ist so eine Art Touristenführer. Hat gerade eine Horde Holländer mit seinem Traktor spazieren gefahren, als er die Tote entdeckte. Die Holländer stehen alle unter Schock. Sie wurden in der Pension von Madame Lagarde untergebracht und warten dort auf die Befragung.

Larigole nickte. Er würde sich zuerst Denis Moulin vornehmen. Zielstrebig marschierte er auf die Menschenansammlung zu und bahnte sich einen Weg zum Vater des Opfers.

Monsieur Moulin, ich bin commissaire Larigole. Mein herzliches Beileid zu Ihrem Verlust. Dürfte ich Ihnen einige Fragen stellen?

Aus der Gruppe löste sich ein blasser, dünner Mann. Er trug wasserdichte Latzhosen, Gummistiefel und einen Strohhut. Geistesabwesend griff er nach der Hand, die Larigole ihm zum Gruß hinstreckte, und folgte ihm zu einer Bank. Als sie saßen, holte der Kommissar tief Luft. Solche Befragungen waren nie leicht.

Monsieur Moulin, wann haben Sie Ihre Tochter zuletzt gesehen?

Der Austernzüchter sog hörbar Luft ein. Seine Hände, die er auf die Knie gelegt hatte, zitterten.

Das war gestern Abend. Sie wollte mit ihren Freundinnen aus Kindheitstagen nach Saint Maló in irgendeine Bar fahren.

Wann war das?

Denis Moulin rieb sich die Augen. Vielleicht acht Uhr? Oder etwas später. Ich habe nicht auf die Uhr geschaut, aber kurz nachdem sie ging, fing das Fußballspiel an. Anpfiff war um halb neun. Es muss also irgendwann zwischen acht und halb neun gewesen sein.

Larigole setzte sich aufrecht hin und starrte auf die Austernbänke hinaus.

Hatte Jeanne Feinde? Einen Exfreund, der die Trennung nicht akzeptierte? Konkurrenz im Studium?

Moulin schüttelte den Kopf.

Sie war überall beliebt. Ein echter Sonnenschein. Und immer hilfsbereit. Vor vier Jahren wurde sie sogar zur Miss Cancale gewählt.

Er kramte in seiner Tasche und zog schließlich einen Geldbeutel hervor. Dem entnahm er eine faltige, verblichene Fotografie. Sie zeigte ein junges Mädchen mit langen blonden Haaren und strahlenden Augen. Es trug ein kleines Krönchen und hielt ein Plakat hoch, auf dem Miss Cancale 2011 stand. Larigole musste unwillkürlich schmunzeln. In jedem noch so kleinen Städtchen wurden heutzutage Misswahlen veranstaltet. Er gab das Bild zurück.

Monsieur Moulin, wer könnte Ihre Tochter getötet haben? Der Kommissar blickte ihm in die Augen und erkannte plötzlich, dass anstelle der Trauer Wut und Hass in das Gesicht des Vaters getreten waren.

Marcus Defour. Er betreibt eine Austernzucht. Wir sind Feinde. Erst kürzlich hat er mir damit gedroht, dass er Unheil über meine Familie bringen werde.

Larigole machte sich schnell eine Notiz. Diesen Defour würde er genauer unter die Lupe nehmen.

Vielen Dank, Monsieur Moulin. Bitte halten Sie sich zu unserer Verfügung. Der Kommissar...
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