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Schattensee

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
352 Seiten
Deutsch
Emons Verlagerschienen am18.05.2023
Ein ergreifender Kriminalroman, der ein Stück Geschichte am Bodensee lebendig werden lässt. Im Hegau wird an der Schweizer Grenze bei Waldarbeiten ein Skelett entdeckt. Jahrzehntelang lag es unter der Erde, die Polizei steht vor einem Rätsel. Bis sich eine ältere Dame bei Privatdetektiv Martin Schwarz meldet und behauptet, der Tote sei ihr verschollener Vater. Der jüdische Lehrer wollte während der Zeit des Nationalsozialismus aus Deutschland fliehen. Schwarz soll herausfinden, was damals geschah, und stößt dabei auf verstörende Ereignisse, deren lange Schatten bis in die Gegenwart reichen.

Matthias Moor, Jahrgang 1969, lebt seit über 30 Jahren am Bodensee. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder, arbeitet als Gymnasiallehrer und als freier Journalist und liebt den Bodensee mit seinen vielgestaltigen Landschaften. Wenn mal nichts anliegt, fährt er am liebsten mit seinem Boot zum Angeln auf den See hinaus. Neben dem Bodensee ist Irland seine Seelenheimat. www.matthias-moor.de
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR10,99

Produkt

KlappentextEin ergreifender Kriminalroman, der ein Stück Geschichte am Bodensee lebendig werden lässt. Im Hegau wird an der Schweizer Grenze bei Waldarbeiten ein Skelett entdeckt. Jahrzehntelang lag es unter der Erde, die Polizei steht vor einem Rätsel. Bis sich eine ältere Dame bei Privatdetektiv Martin Schwarz meldet und behauptet, der Tote sei ihr verschollener Vater. Der jüdische Lehrer wollte während der Zeit des Nationalsozialismus aus Deutschland fliehen. Schwarz soll herausfinden, was damals geschah, und stößt dabei auf verstörende Ereignisse, deren lange Schatten bis in die Gegenwart reichen.

Matthias Moor, Jahrgang 1969, lebt seit über 30 Jahren am Bodensee. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder, arbeitet als Gymnasiallehrer und als freier Journalist und liebt den Bodensee mit seinen vielgestaltigen Landschaften. Wenn mal nichts anliegt, fährt er am liebsten mit seinem Boot zum Angeln auf den See hinaus. Neben dem Bodensee ist Irland seine Seelenheimat. www.matthias-moor.de
Details
Weitere ISBN/GTIN9783987070303
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum18.05.2023
Seiten352 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3377 Kbytes
Artikel-Nr.11725233
Rubriken
Genre9201
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Inhalt/Kritik

Leseprobe


1

Martin Schwarz saß mit einem Bierchen in seinem Lieblingssessel vor dem Fenster und blickte hinaus auf den Überlinger See. Wo an klaren Tagen die Schweizer Alpen zu sehen waren, hatte sich an diesem Abend ein Sommergewitter zusammengebraut, eine gigantische, alles verschlingende Wolkenfront, die allmählich näher rückte und bald lospoltern würde. Doch noch war es ruhig, abgesehen von einem dumpfen Grollen in der Ferne, als bebten leise die Berge.

Seit der Kindheit mochte Martin diesen Anblick, wenn es plötzlich düster wurde, als wäre blaue Stunde, und die Welt den Atem anhielt. Man wusste, dass Schlimmes drohte, aber auch, dass man selbst in Sicherheit war.

Die Front hatte fast alle Farben verschwinden lassen, alles war in ein dunkles Blaugrau getaucht, mit einem schwachen violetten Schimmer und nur wenigen, sich kaum voneinander abhebenden Schattierungen. Da waren die schweren Wolken, die jeden Moment auf den See hinabzustürzen schienen, das stille, glatte Wasser, das bald aufgepeitscht sein würde, und die Insel Mainau, die wie ein Zauberberg daraus hervorstieg. Und die reglose alte Weide am Ufer vor ihrem Haus. Als Kind hatte er sie für einen Riesen gehalten, der nachts zum Leben erwachte, die dürren Zweige wie Haar schüttelte und das Haus vor Geistern schützte.

Martin lächelte. Er liebte es, diese Märchenwelt aus seinen Kindertagen, die von Rittern, Feen und in den Tiefen des Bodensees schlummernden Ungeheuern bevölkert war, für seine sechsjährige Tochter Kim zu neuem Leben zu erwecken. Auch deshalb, zur Inspiration, saß er abends gern hier am Fenster mit seinem Feierabendbier. Zumal er für heute Abend noch keine Geschichte hatte. Und diese Geschichten für Kim gerade wichtiger waren denn je. Wie wäre es also, wenn im Mainau-Schloss ein böser Hexenmeister wohnte, der der Welt das Licht rauben und es in sein Schloss sperren würde? Alle Tage wären dann wie Nächte, bestünden aus Schiefer, Basalt und Granit, und jede Freude wäre verschwunden.

Martin atmete tief ein und trank noch einen Schluck. Kim machte ihm gerade Sorgen. Seit fast anderthalb Jahren lebte er von seiner Frau Elsa getrennt. Sie bemühten sich, das Leben für Kim so angenehm wie möglich zu gestalten, dennoch litt sie. Was ja auch verständlich war: Kim wünschte sich, dass ihre Eltern wieder zusammenkommen würden, dass sie nicht zwei Zuhause hätte, sondern eins, dass sie nicht jede Woche zwischen Konstanz und Waldshut pendeln müsste, dass ihre Welt und ihr Herz nicht mehr zerrissen wären.

Seit ein paar Monaten hatte Elsa einen neuen Partner, und Martin hatte den Eindruck, dass Kim ihn nicht sonderlich mochte. Jedenfalls fuhr sie nicht mehr so gern am Wochenende zu ihrer Mutter und freute sich nur darauf, wenn der Neue auf Reisen war. Kim wollte nicht darüber sprechen, und Martin respektierte das. Er konnte auch nicht verhehlen, dass ihn Kims Antipathie erleichterte. Denn die Angst, dass Kim zur Mutter ziehen könnte, ließ ihn manchmal schlecht schlafen.

Martin hatte diesen Per Stenhoven noch nicht kennengelernt, ihn aber gegoogelt. Der Mittfünfziger war ein renommierter Psychiater, Professor an der altehrwürdigen ETH und Leiter einer schlossähnlichen Privatklinik in Zürich, in der Mitglieder der globalen Oberschicht, die an traurigen Herzen litten, therapiert wurden. Dazu war dieser Per noch gut aussehend, durchtrainiert, in diversen gemeinnützigen Vereinigungen ehrenamtlich engagiert und vernetzt bis in hohe Kreise der Schweizer Politik. Ein wahrer Musterknabe, allem Anschein nach. Und auch beruflich passte es perfekt: Elsa hatte eine psychoanalytische Praxis in Waldshut, da konnten sie abends bei einem Glas Rotwein über die Störungen ihrer Patienten fachsimpeln.

Tja, dieser Per war eine andere Liga als er: ein Ex-KSK-Soldat, der vor über zehn Jahren traumatisiert aus Afghanistan zurückgekehrt war und sich dann, nach einigen alkoholumnebelten Jahren, mühsam aus einem Sumpf aus Schuldgefühlen, Selbstmitleid und Lebensmüdigkeit herausgekämpft und eine kleine Detektei gegründet hatte, die zwar nicht schlecht lief, aber auch nicht allzu viel abwarf. Ein Haus mit großem Seegrundstück wie das, in dem er lebte, würde er sich selbst in zwanzig Leben als Privatdetektiv nicht leisten können, und auch das war ein Grund, weshalb er immer noch bei seiner Mutter wohnte. Nicht zuletzt daran war seine Ehe gescheitert.

Martin seufzte und trank noch einen Schluck. Dass er die schweren Jahre überlebt hatte, verdankte er in erster Linie Elsa, und das würde er ihr nie vergessen. Bei seinem ersten großen Fall war er seiner ehemaligen Mitschülerin auf einem Klassentreffen wiederbegegnet, sie verliebten sich sofort ineinander und verbrachten eine wilde Nacht in seiner Trinkerhöhle. Ihre Liebe, ihre Achtung und ihr Vertrauen gaben ihm in dieser harten Zeit die Kraft, wieder aufzustehen; als er noch am Boden lag und sich gerade aufzuraffen begann, hatte sie den Mann in ihm gesehen, der er sein könnte, und daran geglaubt, dass er so werden würde. Durch Elsas Vertrauen hatte er seinen inneren Kompass wiedergefunden, wobei dieser nie so präzise anzeigte, wohin es im Leben gehen sollte: Die Nadel sprang oft und zitterte und drehte sich auch mal um hundertachtzig Grad. Anders als bei Per Stenhoven, schätzte Martin, bei dem hatte sie wohl schon steil nach Norden gezeigt, als er das Licht der Welt erblickte.

Jetzt waren Elsa und er also getrennt. Dabei ging es Martin nicht so schlecht wie Kim. Er mochte Elsa nach wie vor, doch er liebte sie nicht mehr; der Schmerz, den er die ersten Monate nach der Trennung verspürt hatte, war verwunden. Elsa und er hatten sich geeinigt, dass Kim unter der Woche bei ihm und seiner Mutter lebte. Die mit seiner Tochter verbrachte Zeit war für ihn wie ein Geschenk: die Spaziergänge am See entlang zur Insel Mainau, die Brettspielenachmittage, die Radtouren, das Baden und Angeln von ihrem Grundstück aus, wenn sie selbst gefangene Aale über offenem Feuer brieten â¦ Müsste er sich für nur eine Sache im Leben entscheiden, fiele ihm das nicht schwer: Er wollte Kim ein guter Vater sein. Insofern gab sein Kompass ihm jetzt doch eine klare Richtung vor.

Und dann war da noch die Sache mit Alexandra Kaltenbacher. Martin lächelte, als er sie vor seinem geistigen Auge sah. Die dreißigjährige Journalistin hatte er bei seinem letzten Fall kennengelernt. Sie begannen eine Affäre, begehrten und mochten sich, er liebte und vermisste sie - wohl wissend, dass daraus nichts werden würde: Alexandra war über zwanzig Jahre jünger als er, sie lebte in München, war weltoffen, gern unterwegs, skeptisch gegenüber festen Beziehungen und kein einfacher Charakter. Gut, das war er auch nicht. Das wollte er auch gar nicht sein, zumindest meistens.

Obwohl sie beide wussten, dass aus ihrer Beziehung nichts werden würde (oder vielleicht gerade deshalb?), und obwohl sie beide so taten, als wären sie gar nicht richtig zusammen, hielten sie ständig Kontakt, schrieben sich täglich Nachrichten, schickten sich Bilder und besuchten sich regelmäßig. Und fielen dann, wenn Kim endlich schlief, wie ausgehungerte Tiere übereinander her.

Wobei er sich manchmal fragte, was sie an ihm fand. Sein Körper wurde alt, die Haut faltig, das Bindegewebe schwächer, und obwohl er sich felsenfest vorgenommen hatte, seinen Bauchspeck abzutrainieren, war es ihm bisher nur ansatzweise gelungen, er klebte an ihm wie ein Fluch. Und die Muskeln wuchsen auch nicht so, wie er sich das erhofft hatte. Na ja, da waren die paar Hantelübungen an zwei, drei Tagen in der Woche halt zu wenig. Da müsste er wohl Stereoide fressen. Oder hieß es »Steroide«? Doch wie kam man an so was ran?

Vier Mal war Alex inzwischen schon bei ihm in Konstanz gewesen. »Was für ne Bonzenhütte«, hatte sie beim ersten Mal mit ungläubigem Blick und abschätzigem Grinsen gemeint. Alex war ziemlich links, doch die Bonzenhütte mit Seegrundstück schien ihr dann doch ziemlich gut zu gefallen.

Und Kim und Alex mochten sich. Kim imponierte die nach außen hin selbstbewusste, eloquente und eigenwillige junge Frau mit der wilden Löwen-Rastamähne, den Piercings und den Lederklamotten. Nur Martins Mutter beobachtete die neue Liaison mit Argusaugen. »Was willst du mit dem ausgeflippten jungen Ding?«, hatte sie nach Alexandras erstem Besuch abfällig gemeint. »Bekämpfst du so deine Midlife-Crisis? Diese Frau ist doch viel zu flatterhaft für dich.« Außerdem sorgte sie sich wegen der Nachbarn, weil dieses junge Ding auch mitten im Winter frühmorgens splitterfasernackt in den See hüpfte und dabei lustvoll schrie. Wobei denen das gefiel, zumindest dem alten Witwer Beck von nebenan. Schon ein paarmal hatte Martin schmunzelnd bemerkt, wie er ergriffen aus dem Fenster blickte, wenn Alex badete.

Auch Elsa hatte seine Mutter von Anfang an mit Skepsis betrachtet. Weil sie Elsa durchschaut hatte oder sie eifersüchtig war, wie Elsa und Alex das vermuteten? Nun ja. Jedenfalls waren nach seiner Rückkehr aus Afghanistan die Mutter und das Haus zwei der Anker gewesen, die ihn im Leben hielten, und er brauchte seine Mutter jetzt wegen Kim. Und ausziehen wollte er auch nicht. Weil er das Haus am See liebte. Weil es sein Zuhause und seine Heimat war.

Mittlerweile war das Blaugrau draußen einem dunklen Grau gewichen, der Zauberer bannte das letzte Licht ins Mainau-Schloss. Das Grollen war lauter und klarer geworden, und auf einmal krachte es derart, dass Martin erschrocken zusammenzuckte. Drüben in Meersburg brannten die Lichter, flackernde orangefarbene Punkte, wie Irrlichter in einem Moor oder kleine Lagerfeuer. Vielleicht rasteten dort die Helden, die das Licht befreien wollten.

Martin lächelte und trank einen weiteren Schluck Helles. Schön mild und süßlich, richtig...
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Autor

Matthias Moor, Jahrgang 1969, lebt seit über 30 Jahren am Bodensee. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder, arbeitet als Gymnasiallehrer und als freier Journalist und liebt den Bodensee mit seinen vielgestaltigen Landschaften. Wenn mal nichts anliegt, fährt er am liebsten mit seinem Boot zum Angeln auf den See hinaus. Neben dem Bodensee ist Irland seine Seelenheimat.
matthias-moor.de