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Die Ablenkungsfalle

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
304 Seiten
Deutsch
oekom verlagerschienen am14.03.2023
Öko-Label sorgen für Transparenz, hergestellt wird »klimaneutral«, gekauft wird »verpackungsfrei«, und der Plastikmüll in den Meeren wird »eingesammelt und wiederverwertet« - wer glaubt, was wir derzeit in Werbebroschüren und Medien lesen, könnte meinen, wir hätten das mit dem Umweltschutz längst im Griff. In vielen Fällen ist das jedoch nicht viel mehr als »professionelle Schummelei«. Reinhard Schneider, Chef der bekannten Marke FROSCH, musste als Mitglied zahlreicher Branchennetzwerke mitansehen, wie nicht nur Großkonzerne statt grünem Wandel einen grünen Etikettenschwindel zur Strategie erheben und Verbraucher*innen sich nur allzu gerne täuschen lassen. Schneider deckt das systemische Versagen von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft bei Umwelt- und Klimaschutz auf. Unterhaltsam schildert er dabei seinen eigenen Weg durch den »Opportunismusdschungel« hin zu einer nachhaltigen Produktion innerhalb einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft. Basierend auf seiner Erfahrung, eröffnet er eine Debatte darüber, wie wir gemeinsam eine wahrhaft nachhaltige Zukunft schaffen, und vor allem, was konkrete Lösungen sein können.

Der Betriebswirt REINHARD SCHNEIDER weiß, wie nachhaltiges Produzieren geht. Er ist geschäftsführender Gesellschafter der Werner & Mertz GmbH, die u. a. FROSCH-Produkte vertreibt, Deutschlands bekannteste und glaubwürdigste »grüne Marke«. Für seine ganzheitliche Firmenausrichtung erhielt er 2019 den Deutschen Umweltpreis; 2021 den TRIGOS Ehrenpreis für sein Engagement für Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit. Robert Habeck bezeichnet seine Arbeit als beispielhaft für die ganze Industrie.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR25,00
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR19,99
E-BookPDF0 - No protectionE-Book
EUR19,99

Produkt

KlappentextÖko-Label sorgen für Transparenz, hergestellt wird »klimaneutral«, gekauft wird »verpackungsfrei«, und der Plastikmüll in den Meeren wird »eingesammelt und wiederverwertet« - wer glaubt, was wir derzeit in Werbebroschüren und Medien lesen, könnte meinen, wir hätten das mit dem Umweltschutz längst im Griff. In vielen Fällen ist das jedoch nicht viel mehr als »professionelle Schummelei«. Reinhard Schneider, Chef der bekannten Marke FROSCH, musste als Mitglied zahlreicher Branchennetzwerke mitansehen, wie nicht nur Großkonzerne statt grünem Wandel einen grünen Etikettenschwindel zur Strategie erheben und Verbraucher*innen sich nur allzu gerne täuschen lassen. Schneider deckt das systemische Versagen von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft bei Umwelt- und Klimaschutz auf. Unterhaltsam schildert er dabei seinen eigenen Weg durch den »Opportunismusdschungel« hin zu einer nachhaltigen Produktion innerhalb einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft. Basierend auf seiner Erfahrung, eröffnet er eine Debatte darüber, wie wir gemeinsam eine wahrhaft nachhaltige Zukunft schaffen, und vor allem, was konkrete Lösungen sein können.

Der Betriebswirt REINHARD SCHNEIDER weiß, wie nachhaltiges Produzieren geht. Er ist geschäftsführender Gesellschafter der Werner & Mertz GmbH, die u. a. FROSCH-Produkte vertreibt, Deutschlands bekannteste und glaubwürdigste »grüne Marke«. Für seine ganzheitliche Firmenausrichtung erhielt er 2019 den Deutschen Umweltpreis; 2021 den TRIGOS Ehrenpreis für sein Engagement für Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit. Robert Habeck bezeichnet seine Arbeit als beispielhaft für die ganze Industrie.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783987262128
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum14.03.2023
Seiten304 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.11112159
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



Kapitel 2

Krisen?
Welche Krisen?

»You´re holding the world in the palm of your hand,
watch ya telling your children you don´t understand.«

Supertramp: The Meaning, aus dem Album
»Crisis. What Crisis?«, 1975

Ich war gerade mal 30 Jahre alt, als ich in das Managementteam unseres Familienunternehmens einstieg. Damals dachte ich, wir zögen alle gemeinsam an einem Strang. Es hat eine Weile gedauert, bis ich bemerkt habe, dass das etwas naiv war. Denn damals galt allgemein die Doktrin »Von den Großen lernen heißt siegen lernen«. Es war das Jahr 2000, und die Dotcom-Blase näherte sich ihrem Ende. Das war damals jedoch noch nicht allen klar, und Unternehmen wie unseres galten als die »Old Bricks«. So bezeichnete man damals die Hersteller irgendeiner »Hardware«, die noch nicht im digitalen Zeitalter angekommen und damit quasi zum Aussterben bestimmt waren. Das Ziel des damaligen Managements war es dementsprechend, die Marke von einer Milliarde D-Mark Jahresumsatz zu knacken. Wer das geschafft hatte, gehörte zu den »Großen« und war aus der Gefahrenzone heraus.

Ich hatte damals jedoch schon Erfahrungen in einem Großkonzern sammeln dürfen. Drei Jahre bei Nestlé in der Schweiz hatten in mir Zweifel gesät, ob das wirklich der richtige Weg für unser Unternehmen wäre. Ganz im Gegenteil war ich nach dieser Erfahrung der Meinung, dass wir unsere Autonomie als nichtbörsennotiertes Familienunternehmen dazu nutzen sollten, es ganz anders zu machen - bewusst in Abgrenzung zu den Großen, die damals als das Erfolgsmodell schlechthin galten. Anders zu machen auch in moralischer Hinsicht. Denn die ökologischen Krisen, die sich heute so bedrohlich zuspitzen, waren damals schon bekannt.
Klimawandel

Die Forschung hatte bereits vor einem halben Jahrzehnt recht präzise Vorhersagen über Klimawandel und die Zerstörung der Natur getroffen. Spätestens nach der Hippiebewegung und den sich daraus ergebenden grünen Ansätzen war die Idee des Umweltschutzes in breiteren Bevölkerungsschichten angekommen. Einen wesentlichen Anteil daran hatten auch die Experten, die 1972 den viel diskutierten Bericht Die Grenzen des Wachstums als Bericht an den nachhaltigen Thinktank Club of Rome veröffentlichten. Zwar zähle ich mich nicht zu den Naturromantikern, aber bereits als Jugendlicher reichten mir diese Informationen, um meine Aufmerksamkeit zu wecken und in mir die Vorstellung zu entwickeln, dass wir etwas gegen diese Bedrohung der Welt tun sollten.

Rund fünfzig Jahre später müssen wir feststellen, dass die Naturdramen immer näher an immer mehr Menschen herangerückt sind. Inzwischen finden diejenigen kein Gehör mehr, die lange davon ausgingen, dass sich die Natur schon irgendwie selbst regulieren würde. Dazu sind die Fakten einfach zu überwältigend:4 Mehr als fünfzig Prozent der begehbaren Erdoberfläche sind von Menschen bebaut und gestaltet. Mindestens 97 Prozent aller auf der Erde lebenden Säugetiere sind von Menschen gehaltene, sogenannte Nutz- oder Haustiere. Beunruhigend ist auch das Erdklima: Seit über zweitausend Jahren gab es keinen so rapiden Temperaturanstieg mehr wie in den letzten Jahrzehnten. Die durchschnittliche Erdtemperatur ist heute höher als in der bisher wärmsten Phase des Holozäns (der erdgeschichtlichen Epoche, in der wir gerade leben). Vermutlich liegen ähnlich hohe Werte sogar mindestens 125.000 Jahre zurück. Dieses erhitzte Klima bescherte der arktischen Region 2021 zum ersten Mal seit Beginn der Aufzeichnungen Regen. 2022 wurde dieselbe Region zudem von einer regelrechten Überflutung mit Plastikmüll heimgesucht.

Aber nicht nur die Arktis, auch die Ozeane heizen sich auf - in den letzten Jahren mehr als in den vergangenen 11.000 Jahren. Damit steigen auch die Meeresspiegel. Nicht nur, weil Landeis schmilzt, sondern auch, weil sich das erwärmte Meerwasser ausdehnt wie sich erhitzendes Kaffeewasser in einem Topf. Das geschieht mit - für die Erdgeschichte - rasanter Beschleunigung: In den vergangenen fünfzehn Jahren stieg der Meeresspiegel dreimal so schnell wie noch vor den Siebzigerjahren.

Der Klimawandel gefährdet aber nicht nur die Existenz zahlreicher kleiner Inseln sowie alle Küstenregionen, die unter dem Meeresspiegel liegen. Neben dem Meeresspiegelanstieg kommt es auch zu immer häufigeren Wetterextremen: Starkregen und Überflutungen mit tödlichen Folgen wie 2021 im Ahrtal in der Eifel. Oder Tropenstürme, die immer häufiger und heftiger werden. Gleichzeitig gibt es in allen Teilen der Welt verheerende Hitzewellen, die unter anderem für Waldbrände nie gekannten Ausmaßes sorgen, etwa in Griechenland, Algerien, Kalifornien. Auf lange Hitze- und Dürreperioden folgen in den Ländern des globalen Südens Hungersnöte, die wiederum die Fluchtbewegungen verstärken.

Setzt man den Temperaturanstieg unserer Erde in Beziehung mit anderen sich verändernden Umweltfaktoren, etwa dem extremen Anstieg von Klimagasen wie CO2 in der Atmosphäre seit Beginn der Industrialisierung, zeigt sich, dass die Erwärmung von Menschen verursacht ist. Diese Wechselbeziehung wurde bestechend eindeutig im Bericht des Weltklimarats aus dem Jahr 2021 beschrieben. 234 unabhängige Wissenschaftlerinnen aller relevanten Disziplinen analysierten darin etwa 15.000 weltweit erschienene Grundlagenstudien und fassten die wichtigsten Ergebnisse und deren Schlussfolgerungen zusammen. Die Folgeanalysen aus dem Jahr 2022 ergaben an allen Fronten sogar noch deutlich schlimmere Befunde als zunächst befürchtet. Diese Berechnungen sind auch deshalb inzwischen so präzise möglich, weil Supercomputer mit unvorstellbaren 3,6 Billiarden Rechenoperationen pro Sekunde sämtliche Messdaten aufeinander beziehen und für eindeutige Schlussfolgerungen und Hochrechnungen zusammenführen.
Plastikmüll

Es ist also wissenschaftlich unstrittig, dass der Klimwandel auf die immens gestiegenen Emissionen klimawirksamer Gase wie CO2 oder Methan zurückzuführen ist. Und einen sehr, sehr großen Anteil an diesem Anstieg hat unser gedankenloser Umgang mit unseren Ressourcen. Wie schnell wir daraus Müll werden lassen. Nicht zuletzt riesige Mengen von Plastikmüll. Laut dem Plastikatlas der Heinrich-Böll-Stiftung haben wir zwischen den Jahren 1950 und 2015 weltweit 8,3 Milliarden Tonnen Plastik produziert.5 Das entspricht mehr als einer Tonne pro Erdenbürger. Rund 140 Millionen Tonnen Plastikmüll schwimmen inzwischen in den Ozeanen der Welt. Das entspricht dem Volumen einer Million Blauwale. Jährlich kommen zwölf Millionen Tonnen hinzu.

Achtzig Prozent dieses Mülls stammt vom Land. Der Rest der Abfälle kommt von Schiffen und wasserbasierten Herstellungsstätten - also schwimmenden Fabriken. Inzwischen gibt es ganze Inseln, gigantische Strudel und Abfallteppiche aus Plastik in den Ozeanen. Allein im großen pazifischen Müllstrudel - dem Great Pacific Garbage Patch - treiben knapp 80.000 Tonnen Plastik auf 1,6 Millionen Quadratkilometern zwischen Nordamerika und Asien nordöstlich von Hawaii. Das ist eine Fläche, die viereinhalbmal mal so groß ist wie Deutschland. Nur drei Prozent dieses Plastikmülls bewegt sich dabei übrigens an der Meeresoberfläche, liegt also potenziell in Reichweite herkömmlicher Barrieren, mit denen man ihn aufsammeln könnte.

Mittlerweile gibt es eine öffentliche Diskussion über die erheblichen Gefahren durch Einwegplastik. Dennoch führen wir in Europa bislang nur zehn Prozent der jährlichen Plastikproduktion wieder in den Herstellungsprozess zurück. Und das, obwohl Deutschland mit 220 Kilogramm Plastik pro Jahr und Person ein trauriger Spitzenreiter bei Plastikverpackungen ist - Tendenz steigend. Dieser Plastikexzess belastet nicht nur massiv die Meere und Umwelt. Es ist auch eine immense Vergeudung materieller und finanzieller Ressourcen. Tatsächlich steht uns in Europa Plastik als sekundärer Rohstoff im Wert von sechzehn Milliarden Euro zur Verfügung. Wir nutzen aber nur zwei Milliarden davon. Das heißt, vierzehn Milliarden Euro versenken wir regelrecht. Doch anstatt dieses Geld für sinnvollere Dinge zu verwenden, trägt die permanente Neuproduktion von Plastik auch noch zusätzlich zur Erderwärmung bei. Die Heinrich-Böll-Stiftung schätzt, dass allein die Plastikproduktion zwischen zehn und 13 Prozent des gesamten CO2-Budgets verbrauchen könnte, das uns bis 2050 noch bleibt, wenn wir die Erwärmung bei 1,5 Grad halten wollen.6 Und das ganz ohne Not.
Die Erdgeschichte bis zum Anthropozän

Nur noch wenige Menschen dürften ernsthaft glauben, dass sich das alles schon noch irgendwie von selbst regulieren wird. Dass die Natur schon immer Katastrophen erlebt und sich auch immer wieder davon erholt hätte, diese Sichtweise lässt sich durch die aktuellen Tatsachen nicht mehr stützen. Nein, der Mensch hat die Naturprozesse maßgeblich und dramatisch verändert. Wir befinden uns im sogenannten Anthropozän, dem Menschenzeitalter. Das bedeutet aber nicht, dass wir alles im Griff haben: In dieser Welt entstehen negative Eigendynamiken, die sich unserer Kontrolle entziehen. Denn unsere Eingriffe mögen kurzfristig überschaubare Konsequenzen haben. Doch sie lösen immer mehr Kausalketten aus. So entsteht innerhalb der zahllosen Zusammenhänge, die wir Menschen nur langsam und unvollständig verstehen lernen, eine Fülle an neuen, oft negativen Konsequenzen. Eine Überkomplexität, die wir nicht beherrschen können.

Wir sollten uns nicht in Sicherheit wiegen. Die Geschichte der Erde - und mit ihr später die der Menschen - verlief selten linear. Plötzliche, auch radikal tödliche Einbrüche waren zwar nicht die Regel. Wenn sie aber eintraten, blieb buchstäblich kein...

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