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Die Kunst und die Künste

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
512 Seiten
Deutsch
Suhrkamp Verlag AGerschienen am21.11.2021Originalausgabe
In welchem Verhältnis stehen Künste wie Literatur, Malerei und Musik, aber auch Architektur, Design und Computerspiel zueinander? Gibt es eine verbindende Einheit oder ist jede Kunst aus sich heraus zu begreifen? Die Reflexion über Einheit und Pluralität der Künste führt zu Kernfragen der Kunsttheorie nach dem Wesen der Kunst, nach den Medien und den Funktionen der Künste sowie zum zentralen Thema, ob die klassische Konstellation der Künste sich in der Nachmoderne aufgelöst hat. Dieses Kompendium bietet einen umfassenden Überblick über die Debatte und versammelt klassische Beiträge, u. a. von Theodor. W. Adorno, Clement Greenberg und Jean-Luc Nancy, sowie aktuelle Perspektiven, u. a. von Lydia Goehr, Gertrud Koch, Juliane Rebentisch, Peter Osborne und Martin Seel.


Georg W. Bertram ist Professor für theoretische Philosophie (mit Schwerpunkten in Ästhetik und Sprachphilosophie) an der Freien Universität Berlin. Im Suhrkamp Verlag sind zuletzt erschienen: Kunst als menschliche Praxis. Eine Ästhetik (stw 2086) und Die Kunst und die Künste. Ein Kompendium zur Kunsttheorie der Gegenwart (hg. zus. mit Stefan Deines und Daniel Martin Feige, stw 2346).
Daniel Martin Feige ist Professor für Philosophie und Ästhetik an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR28,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR27,99

Produkt

KlappentextIn welchem Verhältnis stehen Künste wie Literatur, Malerei und Musik, aber auch Architektur, Design und Computerspiel zueinander? Gibt es eine verbindende Einheit oder ist jede Kunst aus sich heraus zu begreifen? Die Reflexion über Einheit und Pluralität der Künste führt zu Kernfragen der Kunsttheorie nach dem Wesen der Kunst, nach den Medien und den Funktionen der Künste sowie zum zentralen Thema, ob die klassische Konstellation der Künste sich in der Nachmoderne aufgelöst hat. Dieses Kompendium bietet einen umfassenden Überblick über die Debatte und versammelt klassische Beiträge, u. a. von Theodor. W. Adorno, Clement Greenberg und Jean-Luc Nancy, sowie aktuelle Perspektiven, u. a. von Lydia Goehr, Gertrud Koch, Juliane Rebentisch, Peter Osborne und Martin Seel.


Georg W. Bertram ist Professor für theoretische Philosophie (mit Schwerpunkten in Ästhetik und Sprachphilosophie) an der Freien Universität Berlin. Im Suhrkamp Verlag sind zuletzt erschienen: Kunst als menschliche Praxis. Eine Ästhetik (stw 2086) und Die Kunst und die Künste. Ein Kompendium zur Kunsttheorie der Gegenwart (hg. zus. mit Stefan Deines und Daniel Martin Feige, stw 2346).
Daniel Martin Feige ist Professor für Philosophie und Ästhetik an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783518768372
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum21.11.2021
AuflageOriginalausgabe
Reihen-Nr.2346
Seiten512 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.5407311
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



9Vorwort


Theodor W. Adorno hat in einem prägnanten Text mit dem Titel »Die Kunst und die Künste« ein wichtiges Thema der Kunsttheorie der Gegenwart intoniert. Er diagnostiziert eine »Verfransung der Künste« in den Avantgarden und Nachavantgarden des 20.Jahrhunderts.[1]  Demnach charakterisiert es die Entwicklung der Künste im 20.Jahrhundert, dass die Grenzen zwischen ihnen mehr und mehr durchlässig werden. Reinformen von Musik, Malerei und Literatur - um von drei zentralen Künsten des bürgerlichen Zeitalters auszugehen - werden in den Avantgarden zunehmend von Mischformen abgelöst. Mit der konkreten Poesie von Hugo Ball, den Collagen von Kurt Schwitters oder der experimentellen elektronischen Musik der Schüler*innen von Olivier Messiaen löst sich die künstlerische Produktion von den in den einzelnen Künsten etablierten Selbstverständlichkeiten und Eigenheiten. Solche Phänomene einer Grenzüberschreitung unterschiedlicher Künste begreift Adorno als charakteristisch für die nachmoderne Kunst insgesamt.

Adorno geht es mit seiner Diagnose um eine Entwicklung von Kunst im Rahmen bürgerlicher Gesellschaften. In ihrer Hochphase im 18. und 19.Jahrhundert habe Kunst eine kritische Rolle im Rahmen der gesellschaftlichen Entwicklung gespielt. Für diese kritische Rolle seien eigenständige künstlerische Formen entscheidend gewesen, so dass die Künste eine je eigene Spezifik entwickelten. Mit der Moderne aber komme es zunehmend zu einer Assimilierung künstlerischer Formen durch die Gesellschaft, infolgedessen diese an kritischem Potenzial verlören. Darauf reagierten die Künste, so Adorno weiter, indem sie ihre eigene Spezifik aufgeben. Dies geschehe unter anderem durch Auflösung der in den unterschiedlichen Künsten entwickelten eigenständigen Sprachen. Insofern gilt Adorno die Verfransung künstlerischer Gattungen nicht nur als ein kunsthistorisches Faktum, sondern als ein Symptom einer wichtigen Krise der Künste im Rahmen der Kommunikationsverhältnisse, die sich im Laufe des 20.Jahrhunderts gesellschaftlich zunehmend ausgebildet haben.

10Blickt man auf Entwicklungen in den Künsten seit dem Zweiten Weltkrieg, findet man weitere Anhaltspunkte für Adornos These. Ohne Zweifel haben sich zum Beispiel in der experimentellen Musik architektonische und klangskulpturale Mittel durchgesetzt. Theater und Tanz sind in performativen Formaten immer mehr miteinander verwachsen. Nicht zuletzt haben sich in vielen Bereichen der Künste improvisatorische Praktiken und neuerdings auch Ansätze zu künstlerischer Forschung etabliert. So zeichnet die neuere und neueste Kunst aus, dass viele Werke und Performances nicht mehr klar einer spezifischen Kunst zuzuordnen sind. Die Grenzen zwischen den einzelnen Künsten wie der Literatur, der Musik und der Bildenden Kunst sind durchlässiger, wenn nicht sogar brüchig geworden.

Zu den Entwicklungen in den Künsten der Gegenwart gehört auch, dass zunehmend die etablierten Bindungen einzelner Künste an bestimmte Institutionen aufgeweicht wurden. So hat unter anderem das Museum als White Cube für die Hängung von Bildern oder die Positionierung von Skulpturen für die Kunst der Gegenwart an Bedeutung verloren. Umfassende Rauminstallationen und eine neue künstlerische Relevanz des Kuratorischen prägen aktuelle Arbeiten genauso wie die Präsentation tänzerischer und theatraler Formate in einem musealen Rahmen. Auch Theaterräume und Konzertsäle werden zunehmend von Kunstformen besetzt, die sich nicht der klassischen Gattungsordnung der jeweiligen Kunst fügen, für die sie ehedem gebaut wurden.

Nicht zuletzt haben auch die neuen Medien und das Digitale insgesamt dazu beigetragen, das Gefüge der Künste ordentlich durcheinanderzuwirbeln. Video- und Computerspiele sowie Formen interaktiver Kunst im Internet haben das Bild der Künste verändert. Sie eröffnen dabei nicht einfach nur eine neue Kunst, sondern bringen die Künste in ein neues Verhältnis, das jede Ordnung fraglich werden lässt. Filmische und theatrale Aspekte konvergieren in den Computerspielen genauso wie literarische, bildliche und musikalische Aspekte. Viel spricht dafür, dass das Spektrum der Künste mit entsprechenden Verbindungen dauerhaft verändert wird. Und es sieht so aus, als gehe mit all diesen Veränderungen eine Auflösung der überkommenen Gattungsordnung der Künste einher.

Blickt man auf die knapp umrissenen Entwicklungen, nimmt es nicht wunder, dass es wichtige Stimmen in der Theorie der 11Gegenwartskunst gibt, die bestreiten, dass die Ordnung einzelner Künste für die relevante Kunstproduktion unserer Zeit noch eine wesentliche Rolle spielt. Von diesen Stimmen wollen wir hier nur auf Juliane Rebentisch und Peter Osborne eingehen.[2]  Beide argumentieren in unterschiedlicher Weise, dass die Gegenwartskunst traditionelle Ordnungen grundlegend in Frage stellt. Während Juliane Rebentisch versucht, die immanente Dialektik der Künste im Lichte veränderter historischer Konstellationen weiterzudenken, führt Peter Osborne hierfür den Begriff des Postkonzeptuellen ein und behauptet damit, dass es für wichtige aktuelle Werke charakteristisch ist, begriffliche Fixierungen aus sich selbst heraus grundsätzlich zu befragen. Das gilt insbesondere auch für begriffliche Fixierungen, die so etwas wie künstlerische Ordnungen etablieren. Mit der Überwindung konzeptueller Bindungen und Programmatiken treten die Künste demnach in ein Stadium ein, in dem die Differenzen zwischen ihnen für die künstlerische Produktion an Relevanz verloren haben.

Nun zehren Theorien, die Adornos These von der »Verfransung der Künste« in einer solch eher forcierten Art und Weise ausdeuten, von einem Zugriff auf Kunst, den man als ebenso elitär wie normativ begreifen kann. Denn ohne Zweifel gibt es auch in neuerer Kunst Werke, die sich eindeutig im Rahmen künstlerischer Gattungen verorten lassen. Literatur von Philip Roth gehört genauso dazu wie die Skulpturen von Niki de Saint Phalle oder die Malerei von Gerhard Richter. Es scheint nicht gerechtfertigt, solche Werke geringzuschätzen, nur weil sie im weitesten Sinne eine Ordnung unterschiedlicher Künste bestätigen. Eine solchermaßen motivierte Geringschätzung würde auch die These aushöhlen, um die es geht. Denn diese ist mit einem deskriptiven Anspruch verbunden: Sie soll etwas über eine tatsächliche Entwicklung der Künste aussagen. Wenn man aber viele Bereiche der Gegenwartskunst ausblendet und spezifische Kunsttypen privilegiert, gewinnt die These einen in problematischer Weise normativen Charakter. Sie bewertet künstlerische Entwicklungen unterschiedlich, befindet also zum Beispiel Arbeiten von Olafur Eliasson für gut und daher für repräsentativ 12mit Blick auf aktuelle Entwicklungen der Kunst, wohingegen Werke wie die Kompositionen von Helmut Lachenmann als traditionell und mit Blick auf die genannten Entwicklungen als vernachlässigbar gelten und daher ausgeblendet werden.

Wenn man nicht mit einer normativen Brille auf aktuelle Künste in ihren unterschiedlichen Erscheinungsformen blickt, gewinnt man eher ein Bild, in dem Ordnungen der Künste genauso fortbestehen, wie sie zugleich grundlegend in Frage gestellt werden. Dem synoptischen Blick zeigt sich eine Koexistenz zwischen künstlerischen Ausdrucksformen, die sich in eher traditionellen Bahnen unterschiedlicher Künste bewegen, und solchen, die diese Bahnen verlassen. Es stellt sich die Frage, was ein solches Bild für die Theorie der Künste bedeuten könnte. Wie lässt sich ein möglicher Zusammenhang zwischen einem Bestand künstlerischer Strukturen und ihrer Erschütterung erklären? Was kann es heißen, dass Kunst im Plural verfasst ist und sich doch nicht auf eine bestimmte Formation dieses Plurals festlegen lässt?

Wie auch immer man die Gegenwartskunst genauer versteht: Es wird deutlich, dass das Verhältnis der unterschiedlichen Künste zu dem, was Kunst insgesamt ausmacht, im Zentrum dessen steht, was durch aktuelle Kunst in besonderer Weise fraglich geworden ist. Genau dieses Zentrum will der vorliegende Band vermessen. Er versammelt Beiträge zur Bestimmung des Verhältnisses zwischen der Kunst und den Künsten mit Blick auf deren heutige Situation. Dies geschieht im Bewusstsein der Tatsache, dass das Verhältnis von Kunst und Künsten und insbesondere das Verhältnis der Künste untereinander schon immer Thema der Kunsttheorie gewesen ist. Seit der Antike wird darüber diskutiert, ...

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Autor

Georg W. Bertram ist Professor für theoretische Philosophie (mit Schwerpunkten in Ästhetik und Sprachphilosophie) an der Freien Universität Berlin. Im Suhrkamp Verlag sind zuletzt erschienen: Kunst als menschliche Praxis. Eine Ästhetik (stw 2086) und Die Kunst und die Künste. Ein Kompendium zur Kunsttheorie der Gegenwart (hg. zus. mit Stefan Deines und Daniel Martin Feige, stw 2346).
Daniel Martin Feige ist Professor für Philosophie und Ästhetik an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart.