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Texte und Kontexte

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
204 Seiten
Deutsch
Books on Demanderschienen am16.01.20231. Auflage
Versammelt sind literarische Besprechungen und Essays aus den letzten Jahren. Seit dem Erscheinen meiner Bücher Momentaufnahmen (2010) und Vom Glück zu finden (2016) sowie den gemeinsam mit Joke Frerichs verfassten Büchern mit Rezensionen über Gelesenes (s. Angaben zur Autorin) hat sich einiges an Texten angesammelt, das zwar allermeist bereits online im Blog der Republik erschienen ist, nun jedoch in Buchform publiziert werden soll. Wie dem Inhaltsverzeichnis zu entnehmen ist, geht es bei diesen Besprechungen selten um Neuerscheinungen, vielmehr wird primär an Literatur aus der Vergangenheit erinnert, die ich für so wertvoll halte, dass sie nicht in Vergessenheit geraten und wiedergelesen werden sollte. Thematisch-inhaltlich und von Genre her ist ein breites Spektrum abgesteckt: Von Klassikern der Weltliteratur bis Fundstücken in den Nischen der literarischen Öffentlichkeit, von Romanen bis autobiografischen Werken, deutscher und ausländischer Literatur, Poesie und Sachbüchern. Insgesamt sind diese Texte dem Credo Gegen das Vergessen verpflichtet.

Petra Frerichs, geb. 1947 in Wetzlar; Abitur 1969 auf dem Zweiten Bildungsweg am Hessenkolleg Wetzlar; Studium an der Justus-Liebig-Universität in Gießen in den Fächer Deutsch/Literaturwissenschaft und Sozialwissenschaften, Promotion zur Dr. phil. 1979; seit 1969 verheiratet mit Joke Frerichs; berufliche motivierte Standortwechsel (Gießen, Bremen, Bielefeld, Köln). Langjährige Tätigkeit am Institut zur Erforschung sozialer Chancen in Köln; zahlreiche wissenschaftliche Veröffentlichungen. Seit 2005 als Literaturvermittlerin tätig, Veröffentlichungen in Form von literarischen Besprechungen, Rezensionen, Essays in eigenen Büchern sowie als Beiträge im Blog der Republik.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR9,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR6,99

Produkt

KlappentextVersammelt sind literarische Besprechungen und Essays aus den letzten Jahren. Seit dem Erscheinen meiner Bücher Momentaufnahmen (2010) und Vom Glück zu finden (2016) sowie den gemeinsam mit Joke Frerichs verfassten Büchern mit Rezensionen über Gelesenes (s. Angaben zur Autorin) hat sich einiges an Texten angesammelt, das zwar allermeist bereits online im Blog der Republik erschienen ist, nun jedoch in Buchform publiziert werden soll. Wie dem Inhaltsverzeichnis zu entnehmen ist, geht es bei diesen Besprechungen selten um Neuerscheinungen, vielmehr wird primär an Literatur aus der Vergangenheit erinnert, die ich für so wertvoll halte, dass sie nicht in Vergessenheit geraten und wiedergelesen werden sollte. Thematisch-inhaltlich und von Genre her ist ein breites Spektrum abgesteckt: Von Klassikern der Weltliteratur bis Fundstücken in den Nischen der literarischen Öffentlichkeit, von Romanen bis autobiografischen Werken, deutscher und ausländischer Literatur, Poesie und Sachbüchern. Insgesamt sind diese Texte dem Credo Gegen das Vergessen verpflichtet.

Petra Frerichs, geb. 1947 in Wetzlar; Abitur 1969 auf dem Zweiten Bildungsweg am Hessenkolleg Wetzlar; Studium an der Justus-Liebig-Universität in Gießen in den Fächer Deutsch/Literaturwissenschaft und Sozialwissenschaften, Promotion zur Dr. phil. 1979; seit 1969 verheiratet mit Joke Frerichs; berufliche motivierte Standortwechsel (Gießen, Bremen, Bielefeld, Köln). Langjährige Tätigkeit am Institut zur Erforschung sozialer Chancen in Köln; zahlreiche wissenschaftliche Veröffentlichungen. Seit 2005 als Literaturvermittlerin tätig, Veröffentlichungen in Form von literarischen Besprechungen, Rezensionen, Essays in eigenen Büchern sowie als Beiträge im Blog der Republik.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783757884734
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum16.01.2023
Auflage1. Auflage
Seiten204 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.10746415
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Henning Boëtius: Der Gnom. Lichtenberg-Roman

Der Roman erschien 1989; an ihn soll über 30 Jahren später erinnert werden. Denn es handelt sich um ein seltenes Dokument biographisch-literarischer Entschlüsselung eines Gelehrtenlebens, das voller Widersprüche, Ambiguitäten und Obsessionen war, nämlich das des Georg Christoph Lichtenberg, der in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gelebt und gewirkt hat. Körperlich mit dem Makel der Kleinwüchsigkeit und doppeltem Buckel aufgrund eines verdrehten Brustkorbs versehen, verfügte er kompensatorisch über genialische Geisteskräfte, die so vielfältig waren (in den Bereichen Mathematik, Astronomie, Physik, Satire/Literatur, Philosophie), dass sie schon wieder zum Problem wurden: Noch gegen Ende seiner Lebenszeit fragte sich Lichtenberg selbst, was er denn nun sei - ein Identitätsproblem war es weniger als eines der Entscheidung. Denn Forscher, Wissenschaftler, Gelehrter war er allemal.

Henning Boëtius zeichnet mit viel Einfühlungsvermögen ein realistisches Bild von Lichtenberg, den er stets Georg nennt, aus der Kinder- und Jugendzeit gewählt, um so nah wie möglich an seiner Hauptfigur dran zu sein. Dabei wird sichtbar, dass bestimmte Eigenschaften, Vorlieben und Abneigungen, Verhaltensmuster von Kindheit an angelegt waren: so die Einsamkeit, die er, weil selbstgewählt, als Stärke empfand; so die Leidenschaft des Beobachtens und sich als Kind dabei Versteckens, als kröche er in sein Schneckenhaus; so die Liebe und Sexualität, die er anfangs nur erleben konnte, wenn er unsichtbar blieb; er war auch von klein auf ein großer Träumer, und aus späteren Jahren heißt es dazu: Merkwürdig, daß Träume zwischen Vergangenheit und Zukunft keinen Unterschied machen. Für Träume steht die Zeit still. Deshalb liebte er sie so.

Hier soll nun keine Rekonstruktion des Lebensweges Lichtenbergs aufgrund des Romans vorgenommen werden, vielmehr soll das Augenmerk auf die Person und die schon angedeuteten Dilemmata gelegt werden, so wie sie der Roman bereitstellt.

Das Problem, sich nicht entscheiden zu können oder zu wollen bzw. anderes zu wählen als zu erwarten war, zeigt sich bereits bei der Wahl seines Studienortes: nicht nach Gießen (damals die hessische Metropole der naturwissenschaftlichen Forschung und akademischen Ausbildung) zog es den gebürtigen Darmstädter, sondern nach Göttingen, wo der berühmte Mathematiker A. G. Kästner lehrte. Und nach Studienabschluss wollte er, wenn auch nur als Hauslehrer, unbedingt in Göttingen bleiben, auch wenn ihm eine lukrative Professur in Gießen zugesagt war. Ein Studienfreund bescheinigt ihm, über ungewöhnliche Talente zu verfügen, die Georg seines Erachtens verschleudere. Zu diesen zählt vor allem, in einem einzigen Satz die voneinander entferntesten Dinge in einen Zusammenhang zu bringen. Und weiter:

Du hast einen bestimmten Witz, einen natürlichen Hang zur Satire, der vielversprechend ist. Du kannst leicht und spielerisch schreiben und dabei zugleich ernste Themen in ein ihnen angemessenes Licht rücken. Das ist in Deutschland ein höchst seltenes Talent. Gewöhnlich findet man es nur in England, wo niemand ein vernünftiges Wort zu sagen vermag, ohne es mit einer feinen Schicht aus Spott zu glacieren. So solltest du schreiben. Du bist immer noch zu akademisch. Wahrscheinlich liegt das daran, daß Du ein Stubenhocker und Büchernarr bist. Dir fehlt es an Reisen.

Das ging nicht spurlos an Georg vorbei, zumal er auf den Freund bauen konnte. Auch er selbst ist sich klar darüber, dass er viel zu zögerlich ist in seinen Entscheidungen und seiner schon früh angelegten Affinität zu England nachgehen sollte. Und so unternimmt er dann auch seine erste große England-Reise, wo ihm König Georg III. höchst persönlich nicht nur einen freundlichen Empfang bereitet, sondern ihm auch alle möglichen Annehmlichkeiten, Kontakte und Beziehungen angedeihen lässt, die ihm förderlich sein sollen.

Ein zweiter mehrwöchiger Aufenthalt Jahrzehnte später bescherte Lichtenberg alles, was er sich nur denken und wünschen konnte, nämlich beste Forschungsbedingungen, tiefe Freundschaften, Anerkennung und Reputation, fürstliche Bezahlung u.a.m. Recht eigentlich geht es ihm hier in jeder Hinsicht besser als in Göttingen, er wird hofiert und eingeladen, auf Dauer in England zu bleiben - doch Lichtenberg zögert und zagt, bis er sich dagegen entscheidet und nach Deutschland zurückkehrt. Ganz nach dem Muster, sich nicht festlegen zu wollen, sich nicht entscheiden zu können. Und das, wo er Englisch wie seine Muttersprache spricht, wo er Shakespeare und dessen Theater rühmt, weil es von breiten sozialen Schichten verstanden und in Scharen besucht wird, was auch mit der Sprache zu tun hat. Georg war sich nach der Aufführung sicher, daß es nie einen deutschen Shakespeare geben würde und daß dies an der Sprache läge, die zwar schön ist, sich aber allen Gegenständen auf Stelzfüßen nähert. Seine Leidenschaft für das Theater gründet darin, dass ihm das fiktive Leben auf der Bühne als Medizin gegen die Krankheit des wirklichen Lebens erschien. England sollte sein Leben lang Lichtenbergs heimliche Liebe bleiben. Ausdruck davon ist, dass er sich (teures) englisches Bier schicken ließ, das er als poetische Flaschenpost ansah.

Lichtenberg, auch in Deutschland längst Professor der Physik, war ein Forscher durch und durch. Er liebte das Beobachten und Experimentieren, ordnete von früh bis spät Versuche an und machte so manche bahnbrechende Entdeckung; so etwa fand er heraus, dass die Elektrizität doppelpolig in plus und minus angelegt ist oder was es mit der Luft und der Thermik auf sich hat; sein ganzer Stolz waren seine kostbaren Instrumente und sein Observatorium. Er wechselte ein Forschungsgebiet, wenn sein Interesse daran erlahmte, gegen ein anderes; war überwiegend Naturwissenschaftler, aber auch in der Philosophie beschlagen (seine Kant-Lektüre war ihm ein erotisches Vergnügen); seine privat organisierten Vorlesungen wurden in späteren Jahren von hunderten Studierenden aufgesucht. Sein Name erlangte Berühmtheit, er war eine höchst anerkannte Kapazität, wenn auch nicht ohne Neider und Konkurrenten. Ihn suchten Geistes- und Standesgrößen aus Wissenschaft, dem Adel, Klerus und der Kunst auf oder heim, wie man will: Der Besuch der Großfamilie von Hardenberg etwa, im Schlepptau war der Geheime Rat Göthe, kam einer Heimsuchung gleich, und an der Schreibweise des Namens von Goethe wird die abschätzige Beurteilung des Gastgebers deutlich. Georg beobachtete den Geheimen Rat Göthe aus dem Augenwinkel. Ihm schien, daß er nie ein unbewegteres Antlitz gesehen hatte. In dem künstlichen Licht sah er wie von Gips gegossen aus.

Auch Klopstock kommt nicht gut weg. Ein Hochwürden des geistigliterarischen Lebens, den Lichtenberg als geladener Gast einer kulturellen Veranstaltung so erlebt: Als Rahmenprogramm wurde musiziert. Klopstock sagte kein Wort. Er applaudierte auch nicht. Ein mildes Desinteresse ging von ihm aus. Georg wußte, daß er an diesen Lesestunden gutes Geld verdiente. Irgendwie verstand er den Mann. Er hatte im Grunde nichts zu sagen. Deshalb blieb ihm nichts anderes übrig, als möglichst vielsagend ins Leere zu blicken. Und als Klopstock bei der Verabschiedung Lichtenbergs diesem mit beiden Händen aufs Schiff hilft, indem er ihn hochhievt, wird spöttisch bemerkt: Starke Hände hat er , dachte Georg, zweifellos hat er seinen Beruf verfehlt.

Lichtenberg war ein Meister der Satire und des Spotts, er war angriffslustig gerade gegenüber Respektspersonen und Berühmtheiten wie etwa dem großen Schweizer Physiognomiker Lavater. In einem Zeitschriftenartikel unter dem Titel Über Physiognomik. Wider die Physiognomen. Zur Beförderung der Menschenliebe und Menschenkenntnis schreibt er unter anderem:

Bezieht man denn alles im Gesicht auf Kopf und Herz? Warum deutet ihr nicht den Monat der Geburt, kalten Winter, faule Windeln, leichtfertige Wärterinnen, feuchte Schlafkammern, Krankheiten der Kindheit aus den Nasen? Was bei dem Manne Farbe wirkt, wirkte bei dem Kind Form ⦠Daher vermutlich die regelmäßigeren Gesichtszüge der Vornehmen und Großen, die sicherlich weder an Geist noch Herz Vorzüge besitzen, die wir nicht auch erreichen könnten. Oder ist Versehen der Seele und der Amme einerlei, und wird die erstere nach Verdrehung ihres Körpers ebenfalls verdreht, daß sie nun gerade einen solchen bauen würde, wenn sie wieder einen zu bauen kriegte? Wie?

Lichtenberg nimmt hier Partei für die sozial und körperlich Benachteiligten, all die, die unter Not und ungesunden Bedingungen aufgewachsen sind und deshalb nicht über die ebenen Gesichtszüge und den perfekten Körperbau verfügen wie die Wohlhabenden (und er bezieht sein eigenes Schicksal der körperlichen Versehrtheit voll mit ein); deswegen all diese für minderwertig anzusehen, verbittet er sich. Man kann in dieser Polemik durchaus eine...
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Autor

Petra Frerichs, geb. 1947 in Wetzlar; Abitur 1969 auf dem Zweiten Bildungsweg am Hessenkolleg Wetzlar; Studium an der Justus-Liebig-Universität in Gießen in den Fächer Deutsch/Literaturwissenschaft und Sozialwissenschaften, Promotion zur Dr. phil. 1979; seit 1969 verheiratet mit Joke Frerichs; berufliche motivierte Standortwechsel (Gießen, Bremen, Bielefeld, Köln). Langjährige Tätigkeit am Institut zur Erforschung sozialer Chancen in Köln; zahlreiche wissenschaftliche Veröffentlichungen. Seit 2005 als Literaturvermittlerin tätig, Veröffentlichungen in Form von literarischen Besprechungen, Rezensionen, Essays in eigenen Büchern sowie als Beiträge im Blog der Republik.