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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
322 Seiten
Deutsch
Books on Demanderschienen am03.04.20231. Auflage
Eine gewaltige Explosion im Hafen reißt am 13. Oktober 1969 frühmorgens die Hamburger aus dem Schlaf. Unbekannte haben versucht, auf der Werft Blohm + Voss eine Korvette zu versenken, ein Kriegsschiff zur Bekämpfung von Aufständischen in den portugiesischen Kolonien. Fluchtpunkt Paris - danach wieder politisch bewegte Zeiten in Hamburgs alternativer Szene. Manch leidenschaftliche Liebe begleitet die beiden Aktivisten im Kampf gegen AKWs und für den Frieden. Trotz unterschiedlicher Lebenswege bleiben sie enge Freunde und stoßen auf neue rechte Netzwerke, die ihre persönlichen Pläne vehement bedrohen.

Jürgen Zichnowitz wohnte viele Jahre in Hamburg und lebt seit zehn Jahren in Südfrankreich. Er war leitender Redakteur beim Feinschmecker und WeinGourmet, hat anschließend u.a. für die Zeitschrift BEEF und das Frankreich Magazin kulinarische Reportagen über seine neue Heimat geschrieben und Reiseführer bei Gräfe und Unzer sowie im Bruckmann Verlag über Destinationen in Frankreich veröffentlicht.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR8,99

Produkt

KlappentextEine gewaltige Explosion im Hafen reißt am 13. Oktober 1969 frühmorgens die Hamburger aus dem Schlaf. Unbekannte haben versucht, auf der Werft Blohm + Voss eine Korvette zu versenken, ein Kriegsschiff zur Bekämpfung von Aufständischen in den portugiesischen Kolonien. Fluchtpunkt Paris - danach wieder politisch bewegte Zeiten in Hamburgs alternativer Szene. Manch leidenschaftliche Liebe begleitet die beiden Aktivisten im Kampf gegen AKWs und für den Frieden. Trotz unterschiedlicher Lebenswege bleiben sie enge Freunde und stoßen auf neue rechte Netzwerke, die ihre persönlichen Pläne vehement bedrohen.

Jürgen Zichnowitz wohnte viele Jahre in Hamburg und lebt seit zehn Jahren in Südfrankreich. Er war leitender Redakteur beim Feinschmecker und WeinGourmet, hat anschließend u.a. für die Zeitschrift BEEF und das Frankreich Magazin kulinarische Reportagen über seine neue Heimat geschrieben und Reiseführer bei Gräfe und Unzer sowie im Bruckmann Verlag über Destinationen in Frankreich veröffentlicht.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783757896355
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum03.04.2023
Auflage1. Auflage
Seiten322 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.11410944
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Kapitel 2 - 1. Oktober 1968
Rückblick: Erste Sabotage-Pläne

Theaterbesuche waren eigentlich nicht Oles Sache. Als Kind hatte er sich mit seinen Eltern im Fernsehen Willy Millowitsch oder Stücke aus dem Ohnsorg-Theater angeguckt. Die Namen Schiller und Goethe sagten ihm natürlich was, für ihn waren das aber olle Kamellen. Zudem erlebten sie gerade turbulente Zeiten. Demos und Teach-ins, das war seine Welt, den plüschigen Theatersessel überließ er gern langweiligen Spießern. Irgendwann würden auch diese Typen merken, dass die Zeit überreif war, die alte Welt aus den Angeln zu heben. Doch ein Plakat des Jungen Theaters an der Mundsburg hatte ihn neugierig gemacht. Ein Stück wurde angekündigt, dessen Autor er im Februar auf dem Vietnam-Kongress in der Westberliner TU erlebt hatte: Peter Weiß.

Die Straße ist unser legitimes Massenmedium - diesen Spruch von Weiß hatte sich Ole gemerkt. Vor allem aber seinen Satz Handeln muss zur Sabotage werden, wo immer diese möglich ist . Den hatte Ole sich mit einem dicken schwarzen Filzstift in großen Lettern auf die Raufasertapete seines WG-Zimmers geschrieben.

Der Gesang vom Lusitanischen Popanz hieß das Stück. Ein Musical. Ole musste an My Fair Lady denken - und so etwas von Peter Weiß? Doch es geht um die Diktatur in Portugal unter Salazar und die Unterdrückung der Bevölkerung in seinen afrikanischen Kolonien. Kurz entschlossen kaufte er zwei Karten für sich und seine Kollegin Beate, die bei Blohm + Voss als Sekretärin des Betriebsrats arbeitete. Mit ihrem kecken, resoluten Auftreten genießt sie die Anerkennung ihres Chefs und das Vertrauen der Belegschaft. Ole war nach einem kurzen Moment der Verblüffung begeistert, das hier war ein anderer Schnack als Heidi Kabels Tratsch im Treppenhaus .

Das Bühnenbild äußerst schlicht, mit einer riesigen und rostigen Blechfigur, dem Popanz, im Mittelpunkt, dessen Maul scheppernd und rasselnd auf- und zugeht. Dazu sieben Schauspieler, die in elf Nummern das Kolonialsystem anklagen, verhöhnen und bekämpfen. Teils gesungen, teils in bewusst einfachen Reimen. Sie nennen Zahlen und Namen der Unterdrücker - klasse Agitation, das geht unter die Haut , flüsterte Ole seiner Kollegin ins Ohr.

Beate wohnte auf der anderen Seite der Norderelbe, in Wilhelmsburg, und hatte ihrem Freund dort schon angekündigt, er solle nicht auf sie warten. Sie fuhren zu Ole in die Bismarckstraße. Das ist ja absurd , meinte Beate beim Blick auf den Straßennamen, der Sozialistenhasser! Und wir haben gerade sozialistische Propaganda vom Feinsten erlebt. Sie kroch zu Ole unter die Decke und ergänzte den kulturellen um weitere Höhepunkte.

Am nächsten Tag war Ole in der Eichenburg verabredet, die nicht weit von seiner Wohnung entfernt lag. Ein kurzer Wink zum Wirt Uwe genügte, und der setzte sofort den Zapfhahn in Gang. Ole und seine Kumpel warfen sich auf die lederbespannte Bank und die dunkelbraunen Stühle um den runden Ecktisch, der deutliche Spuren von so manchem Gelage aufwies. Sie waren heute die ersten Gäste, abgesehen von dem alten Willi, der am Tresen saß und vor sich hin brabbelte. Kalter Zigarettenrauch vom Vorabend hing im Raum. Ziemlich eklig, dachte Hans, diesen Geruch müssen wir auffrischen, steckte sich eine Reval ohne an und spuckte ein paar Tabakkrümel auf den Boden. Das machte er schon ganz automatisch, aber zu Filterzigaretten wechseln kam nicht in Frage.

Moin , Uwe brachte die Halben an den Tisch, was lag heute an? Ganz selbstverständlich setzte er voraus, dass sie gerade von einer Demo oder einem Go-in kamen, welches Denkmal habt ihr heute umgeschmissen?

Gut konnte der Wirt sich erinnern, dass einige von ihnen nach dem Sturz des Wissmann-Denkmals bei ihm eingekehrt waren. Das hatte zum Andenken an Hermann von Wissmann, den Kolonialhelden und brutalen Gouverneur von Deutsch-Ostafrika, neben dem Hauptgebäude der Uni gestanden. Erst vor kurzem wurde es nach einem gescheiterten Versuch im Vorjahr endgültig vom Sockel gestürzt. Um afrikanische Kolonien sollte es auch heute gehen. Ole erzählte vom gestrigen Theaterabend.

Das ist doch verrückt: Lusitanien hieß Portugal zu der Zeit, als es von den Römern unterdrückt wurde , sagte Hans, und heute ist das Land selbst der Unterdrücker.

Das Wort Sabotage von Peter Weiß machte die Runde. Sie waren sich einig, dass die Zeit vorbei sei, wo man nur redete. Handeln war angesagt, direkte Aktion. Morgen kommt ein Team vom holländischen Fernsehen ins Lehrlingszentrum , berichtete Frank später, einer der Wortführer des sozialistischen Studentenverbands in Hamburg, die zeigen uns ihren Film über deutsche Waffenlieferungen. Waffen, die die Portugiesen im Kolonialkrieg einsetzen wollen. Dann sehen wir weiter. Ich hab da schon so ne Idee. Das wollten sie aber lieber nicht in der Kneipe diskutieren.

Der UN-Sicherheitsrat hatte ein Waffenembargo gegen Portugal verhängt, doch im Film der holländischen Fernsehleute war zu sehen, wie dieses von westdeutschen Konzernen unterlaufen wurde. Im Mittelpunkt: die drei bei Blohm + Voss auf Kiel liegenden Korvetten, schnelle, modern ausgerüstete Kampfschiffe für den Einsatz an der afrikanischen Küste. Hinzu kamen Maschinengewehre und Militärflugzeuge.

Da geht einem ja das Messer in der Tasche auf! , meinte eine junge rothaarige Germanistikstudentin aus der Gruppe im Sozialistischen Lehrlingszentrum in der Hochallee empört. Das Messer lass mal stecken , sagte Frank, wir müssen erst mal die Werftarbeiter auf unsere Seite kriegen. Hans guckte skeptisch, als ob er seinen eigenen Kollegen auf der Werft nicht allzu viel zutraute.

In Holland gibt es schon seit längerem ein Solidaritätskomitee , so Frank, die haben einen direkten Draht zur angolanischen Befreiungsbewegung, der MPLA. Dann erzählte er noch, dass beim AStA der Uni ein Schreiben von Amilcar Cabral aus Guinea-Bissau eingegangen sei, der für alle anti-portugiesischen Befreiungsbewegungen sprach. Es sei müßig, lang und breit über Solidarität zu reden, hatte er geschrieben. Was nötig sei, sei der Kampf, auch in Europa. Er wolle aber ihnen nicht vorschreiben, wie sie zu kämpfen hätten.

Jetzt redeten alle wild durcheinander, alle möglichen Ideen schwirrten durch den Raum. Frank schwieg ein paar Minuten - ungewöhnlich für ihn - und zwirbelte seine blonden Locken.

Die MPLA verfasst je einen Brief an die Arbeiter und den Vorstand von Blohm und Voss , schlug er dann vor, und wir verteilen die vor den Werfttoren als Flugblatt. Einigen ging das nicht weit genug, doch Ole und Hans unterstützten Frank, und ihr Wort als Lehrlinge auf der Werft hatte in dieser Angelegenheit Gewicht. Ihnen schwante, dass Frank noch etwas in der Hinterhand hatte.

Später, als sie nur noch in kleinem Kreis zusammensaßen, rückte Frank mit seinen Gedanken heraus.

Wir müssen die Kollegen auf der Werft überzeugen. Wenn sie den Bau der Kriegsschiffe boykottieren, wäre das eine große Hilfe für den Befreiungskampf in Angola. Wenn nicht, müssen wir es sein, die ein Fanal setzen.

Sabotage! Wir jagen die Dinger in die Luft!

Am liebsten wären sie sofort losgezogen. Dann kamen die Bedenken. War das nicht zu gefährlich? Für die Kollegen und sie selbst? Und woher sollten sie den Sprengstoff kriegen? Praktische Erfahrungen damit hatte ohnehin keiner von ihnen. Wieder war es Frank, der die weiteren Schritte skizzierte. Hans und Ole sollten sich einen genauen Überblick verschaffen, wie man an die Schiffe herankäme, er wolle sich um die Finanzierung von Reisen, Material und Propaganda kümmern. Michael, du hast dich ja mit den Holländern ausführlich unterhalten , wandte er sich an den Bärtigen neben sich, kannst du wegen der Flugblätter Kontakt zu ihnen aufnehmen?

Und Helmut, der etwas dickliche Soziologie-Student, sollte an der Uni die Öffentlichkeitsarbeit über portugiesischen Kolonialkrieg ankurbeln.

Denk auch an die Presse, dein Vater arbeitet doch beim Spiegel. Vielleicht hilft er dir, noch weitere Kontakte zu knüpfen.

Das konnte sich Helmut zwar nicht vorstellen. Sein Vater sah sich als Linksliberaler, nahm die außerparlamentarische Opposition, die APO, aber nicht ernst. Doch die Machenschaften der Rüstungsindustrie unter Bruch der UN-Beschlüsse wären vielleicht auch für den Spiegel ein Thema.

Und wer legt den Sprengstoff? fragte Ole noch. Na, ihr beiden natürlich , sagte Frank ganz trocken.

Nachdenklich gingen die beiden B + V-Lehrlinge Richtung Dammtor-Bahnhof. Von hinten betrachtet hätte man sie für Brüder halten können, beide groß, kräftig und mit dichtem schwarzem Haar. Doch während Ole ein rundliches Gesicht mit einem pfiffigen Ausdruck...
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