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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
200 Seiten
Deutsch
Limmat Verlagerschienen am14.08.2023
Als im Herbst 2001 anlässlich der UNO-Konferenz gegen Rassismus Sklavenhandel zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit erklärt wurde, gehörte die Schweiz zu den 163 unterzeichnenden Ländern und und von offizieller Seite wurde betont, das Land habe im 18. und 19. Jahrhundert nichts mit Sklaverei, Sklavenhandel und Kolonialismus zu tun gehabt. Die drei Historiker Thomas David, Bouda Etemad und Janick Marina Schaufelbuehl kommen zu anderen Ergebnissen: Auf der Basis von neu erarbeiteten Quellen liefern sie erstmals eine umfassende Studie zu dieser Frage. Aufgezeigt wird, dass Basler und Neuenburger Indienne-Fabrikanten einen Grossteil der Ware liefertern, die in Afrika gegen die Sklaven eingetauscht wurde. Auch waren Schweizer Investoren in nahezu hundert Schiffsexpeditionen involviert, die ebenfalls solche Transporte durchführten. Zudem besassen Schweizer Aktien von Gesellschaften, die über 172'000 Afrikaner in die Karibik brachten. Schwarze Sklaven waren aber auch auf Plantagen von Schweizern zu finden. Noch Mitte des 19. Jahrhunderts, als in den meisten Kolonien die Sklaverei schon verboten war, arbeiteten hunderte von Sklaven für Schweizer Gutsbesitzer in Brasilien. Der Schweizer Bundesrat befand, dass die Exil-Schweizer dazu ein Recht hätten. Nicht zuletzt halfen Schweizer Söldner und Offiziere bei der Niederschlagung von Sklavenaufständen in der Karibik. Die schweizerischen Antisklaverei-Organisationen, deren Engagement von gewissen konservativen und evangelischen Kreisen ausging, richteten sich nicht gegen die transatlantischen Geschäfte, sondern gegen den arabischen Sklavenhandel, der in Afrika existierte und gewissen Kolonisationsprojekten im Wege stand.mehr

Produkt

KlappentextAls im Herbst 2001 anlässlich der UNO-Konferenz gegen Rassismus Sklavenhandel zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit erklärt wurde, gehörte die Schweiz zu den 163 unterzeichnenden Ländern und und von offizieller Seite wurde betont, das Land habe im 18. und 19. Jahrhundert nichts mit Sklaverei, Sklavenhandel und Kolonialismus zu tun gehabt. Die drei Historiker Thomas David, Bouda Etemad und Janick Marina Schaufelbuehl kommen zu anderen Ergebnissen: Auf der Basis von neu erarbeiteten Quellen liefern sie erstmals eine umfassende Studie zu dieser Frage. Aufgezeigt wird, dass Basler und Neuenburger Indienne-Fabrikanten einen Grossteil der Ware liefertern, die in Afrika gegen die Sklaven eingetauscht wurde. Auch waren Schweizer Investoren in nahezu hundert Schiffsexpeditionen involviert, die ebenfalls solche Transporte durchführten. Zudem besassen Schweizer Aktien von Gesellschaften, die über 172'000 Afrikaner in die Karibik brachten. Schwarze Sklaven waren aber auch auf Plantagen von Schweizern zu finden. Noch Mitte des 19. Jahrhunderts, als in den meisten Kolonien die Sklaverei schon verboten war, arbeiteten hunderte von Sklaven für Schweizer Gutsbesitzer in Brasilien. Der Schweizer Bundesrat befand, dass die Exil-Schweizer dazu ein Recht hätten. Nicht zuletzt halfen Schweizer Söldner und Offiziere bei der Niederschlagung von Sklavenaufständen in der Karibik. Die schweizerischen Antisklaverei-Organisationen, deren Engagement von gewissen konservativen und evangelischen Kreisen ausging, richteten sich nicht gegen die transatlantischen Geschäfte, sondern gegen den arabischen Sklavenhandel, der in Afrika existierte und gewissen Kolonisationsprojekten im Wege stand.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783038552697
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum14.08.2023
Seiten200 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse4992 Kbytes
Artikel-Nr.12249787
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Über die Beteiligung von Schweizern am transatlantischen Sklavenhandel

Von Anfang des 16. bis Ende des 19. Jahrhunderts werden im transatlantischen Sklavenhandel zwischen elf und zwölf Millionen Afrikanerinnen und Afrikaner, vorwiegend junge Männer, nach Amerika deportiert. Das Ausmass dieses «schändlichen Handels» variiert im Verlauf der Zeit erheblich. 55 Prozent des Sklavenhandels erfolgen im 18. Jahrhundert, etwa 14 Prozent vorher und der Rest (rund 30 Prozent) im 19. Jahrhundert, das durch den illegalen Sklavenhandel und die Abolitionisten-Bewegung geprägt ist. Der Aufschwung im 18. Jahrhundert fällt mit der Einrichtung des Systems der Plantagenwirtschaft in Brasilien und der Karibik zusammen, die sich auf Sklavenarbeit stützt. Allein diese beiden Regionen absorbieren nahezu 85 Prozent aller über den Atlantik gehandelten Sklaven. Das Hauptversorgungsgebiet für den transatlantischen Sklavenhandel ist Westafrika, wo sich die wichtigsten Ausbeutungsstätten zunehmend nach Süden verlagern. Angola ist während der gesamten Zeit eines der wichtigsten Exportländer von Sklaven.

Die Schweiz ist auf dem amerikanischen Kontinent nie im Besitz von Zuckerkolonien, die als Prototyp des auf Sklaverei gestützten Plantagensystems gelten können. Sie ist keine Sklavenhändlernation wie Portugal, Spanien, Grossbritannien, Frankreich, die Niederlande, Dänemark oder die Vereinigten Staaten. Zum Zeitpunkt, als sich die Schweiz als Bundesstaat konstituiert (1848), haben alle amerikanischen Kolonien die Unabhängigkeit erlangt, und auch der Handel mit schwarzen Sklaven ist fast im gesamten Atlantikraum abgeschafft. So muss sich die Schweiz als Staat praktisch nie mit entsprechenden Fragen befassen (siehe im folgenden Kapitel den Sonderfall Brasilien).

Was sich über das Land als Ganzes sagen lässt, trifft auf einzelne seiner Bürgerinnen und Bürger allerdings nicht zu. Seit dem Ende des 17. Jahrhunderts besitzen Schweizer Plantagenbesitzer auf den Antillen, in Surinam und in Brasilien Sklavinnen und Sklaven und setzen diese für die Herstellung von Zucker und anderen tropischen Genussmitteln ein (siehe zweites Kapitel). Im 18. und 19. Jahrhundert beliefern Handelshäuser, namentlich aus Basel und Neuenburg, Sklavenschiffe, die von den Häfen der Atlantikküste auslaufen, mit gewerblichen Erzeugnissen. Sie begnügen sich nicht damit, in die Tauschfracht zu investieren, sondern beteiligen sich auch finanziell an Sklavenexpeditionen entlang der afrikanischen Küste. Zeitweise rüsten sie selbst Sklavenschiffe aus. Manche schrecken auch nicht davor zurück, sich illegal im Sklavenhandel zu betätigen, nachdem die europäischen Mächte diesen am Wiener Kongress (1815) formell verboten haben.

Die Beteiligung von Schweizer Händlern und Finanzleuten am System des Sklavenhandels hat einen einfachen Grund. Das Besondere an diesem Geschäft ist, dass es bedeutende Kapitalanlagen erfordert. Dass für die Ausrüstung eines Sklavenschiffs enorme Beträge aufgebracht werden müssen, hängt hauptsächlich mit der Art der afrikanischen Nachfrage zusammen. Dieser Aspekt ist wenig bekannt, weshalb er hier betont und vorweg klargestellt wird, um von Anfang an jedes Missverständnis zu vermeiden.


Die Genfer Behörden werden aufgefordert, zum Sklavenhandel (1814-1815) Stellung zu beziehen

Am 12. Dezember 1814 schlägt Abraham Trembley Colladon (1754-1821), Mitglied des Repräsentativrats und ein entfernter Cousin von Jean Trembley (vgl. S. 83), dem Staatsrat und dem Repräsentativrat vor, Stellung zur möglichen Beteiligung von Genfer Geschäftsleuten am Sklavenhandel zu beziehen.

«Ich habe mit Schmerz erfahren, dass Geschäftsleute, die sich in französischen Häfen niedergelassen haben, Genfer Händlern den Vorschlag unterbreitet haben, sich an Meeresexpeditionen zu beteiligen, die den Handel mit Neger­sklaven zum Ziel haben; ich glaube, dass Moral und Vorsicht unsere Händler dazu bewogen haben, diese Vorschläge zurückzuweisen; dennoch sehe ich mich veranlasst, den Staatsrat einzuladen, in seiner Weisheit zu prüfen, ob es nicht angemessen wäre, einen Beschluss zu fassen, der die Ablehnung jeglicher solchen Spekulation durch die beiden Räte zum Ausdruck brächte.

12 Xter 1814

gezeichnet Abraham Trembley»

(Register des Repräsentativrats, individuelle Voten 1814-1821, Nr. 5)

Andere Mitglieder des Repräsentativrats beziehen Stellung:

«Ein Mitglied zieht vor, dass die Regierung ein Gesetz macht, indem festgelegt ist, dass jene, die sich in einer Angelegenheit, die mit der Beteiligung am Sklavenhandel zu tun hat, an ein Gericht wenden, keinen Zugang zu einem solchen erhalten. Ein anderer will, dass die Räte sich darauf beschränken, in der Diskussion ihre Ablehnung dieser Art von Handel zu bekunden.»

(Register des Repräsentativrats, 12. Oktober 1814 bis 28. Dezember 1815, 113)

Die Antwort des Staatsrats der Stadt und Republik Genf fällt lakonisch aus: «Der Rat erachtet es als unnütz, sich um diese Vorlage zu kümmern, da er davon überzeugt ist, dass die moralische Gesinnung der Genfer diesen nicht erlaubt, sich am genannten Handel zu beteiligen.»

(Register des Repräsentativrats: Antworten auf individuelle Vorlagen 1815-1820, 18. April 1815, Nr. 5)


Entgegen einer vorgefassten Meinung ist Westafrika, von wo die meisten Afrikaner und Afrikanerinnen, die verkauft werden, herkommen, um in den amerikanischen Plantagen zur Sklavenarbeit herangezogen zu werden, kein Markt mit leichtfertigen oder naiven Konsumentinnen und Konsumenten, die bereit wären, Menschen gegen Lappalien einzutauschen. Art und Herkunft der Ladung der Sklavenschiffe belegen das Gegenteil. Die Fracht setzt sich aus einem Sortiment zusammen, in dem Textilien bei weitem dominieren, gefolgt von Metallen, Feuerwaffen, Pulver und Alkohol. Der Rest besteht aus Tabak, Kaurismuscheln (weisse Muscheln aus dem Indischen Ozean, die vor allem als Währung verwendet werden) und so genannten Guinéailleries (diverser Kram wie Spiegel, Klingeln, Glas- oder Korallenperlen). Textilien spielen bei der Ladung von Sklavenschiffen eine so wichtige Rolle, dass sie als «Grosshandelswaren» und alle anderen Artikel als «Kleinhandelswaren» bezeichnet werden.

Auf dieses Warensortiment, in dem gewerbliche Erzeugnisse deutlich überwiegen, entfallen im 18. Jahrhundert etwa zwei Drittel der Investitionen in eine Sklavenexpedition. Die Tauschfracht hat also nichts mit wertlosen Waren zu tun, die abschätzig als «Pacotille», Ramsch, bezeichnet werden. Gemäss einer 1772 verfassten Denkschrift der Handelsrichter von Nantes, die für die Kontrolle der Qualität der Erzeugnisse zuständig waren, ist es «fast unmöglich, die Neger zu täuschen, auch wenn man das wollte, da sie bekanntlich [...] alle Stoffe, die man ihnen liefert, ausbreiten und eingehend prüfen», um sich ihrer Qualität und der Masse zu versichern.

Das vom afrikanischen Markt verlangte Warensortiment ist so vielfältig, dass es von keiner Sklavenhändlernation allein hergestellt werden kann. So überwiegen beispielsweise in der Kategorie der Textilien die «Indiennes» (gefärbte oder bedruckte Baumwollstoffe), die zuerst aus Ostindien eingeführt und später in verschiedenen europäischen Ländern verarbeitet werden. Die Vielzahl an Fabrikationsstätten auf dem Alten Kontinent, in denen die Tauschware hergestellt wird, bewegt einige Historikerinnen und Historiker dazu, von einer «internationalen Sklavenhandelsgesellschaft» zu sprechen. Darin sind unabhängig von der Atlantikquerung und noch vor dem eigentlichen Sklavenhandel Personen und Kapital involviert, die sich an der Herstellung der mannigfaltigen Produkte beteiligen, die von der afrikanischen Kundschaft verlangt werden.

Die seltenen älteren, auf die Auswertung öffentlicher und privater Archive gestützten Untersuchungen über die europäische Geschäftswelt des 18. Jahrhunderts belegen, dass dieser «internationalen Sklavenhandelsgesellschaft» auch Schweizer angehören. Das Faktum wird meist nur andeutungsweise erwähnt, wenn nicht ganz in Fussnoten verbannt. Ein so unklarer Umgang mit dem Thema lässt sich schwer nachvollziehen.

Sind die Historiker und Historikerinnen einfach nur zurückhaltend? Sind sie verunsichert, sobald die Rede auf den Sklavenhandel kommt? Oder geht es schlicht darum, die Ausrüstung von Sklavenschiffen durch Schweizer auf die Bedeutung zu reduzieren, die ihr im Rahmen der ausgesprochen vielfältigen Handels-, Industrie- und Finanzgeschäfte damaliger Unternehmer tatsächlich zukommt? Gibt es Probleme mit den Quellen? Serge Daget, der profundeste Kenner des französischen Sklavenhandels, hat vor rund 15 Jahren darauf hingewiesen, dass einerseits die öffentlichen Archive nicht «die gesamte Wahrheit» enthalten und andererseits die Besitzer von Privatarchiven, die Auskunft über den Sklavenhandel geben könnten, diese Informationen üblicherweise in einer «kleinen Schatulle», in der sie ihre Familiendokumente aufbewahren, ablegen, wo sie zum Schweigen verurteilt sind.

In der Schweiz werden diese «Schatullen» wie im übrigen Europa meist unter Verschluss gehalten - mit oft unbeabsichtigten Folgen, denn dies leistet Gerüchten und Verdächtigungen Vorschub, die umso hartnäckiger sind, als das, was verborgen gehalten wird, üblicherweise als unlauter gilt.

Nicht alle Türen und «Schatullen» sind verschlossen geblieben. Allerdings hängt es nicht immer vom Bemühen um Transparenz ab, ob sie sich öffnen. Der einzige heute in der Schweiz verfügbare Manuskriptbestand, der ausführlich über die Sklavenhandelsgeschäfte eines schweizerischen Unternehmens...
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