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Der Sportreporter

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
528 Seiten
Deutsch
Hanser Berlinerschienen am01.11.20121. Auflage
'Der Sportreporter', ein Klassiker der modernen Literatur der USA, bildet zusammen mit 'Unabhängigkeitstag' und 'Die Lage des Landes' Richard Fords große Romantrilogie um Frank Bascombe, einen netten, vernünftigen Amerikaner. Frank hat sich vor einigen Jahren von seiner Frau getrennt, arbeitet als Sportreporter und ist das, was man für gewöhnlich einen 'Durchschnittstypen' nennt. Doch eine Kette von dramatischen Ereignissen stört ihn jäh in der Ruhe der Mittelmäßigkeit: Er reist nach Detroit, um ein Interview mit einem an den Rollstuhl gefesselten Ex-Footballstar zu führen, anschließend erfährt er vom Selbstmord seines Freundes Walter, und es kommt zum Bruch zwischen ihm und seiner Freundin Vicky ...

Richard Ford wurde 1944 in Jackson, Mississippi, geboren und lebt heute in Maine. 1996 erhielt er für seinen Roman Unabhängigkeitstag den Pulitzer Prize und den PEN/Faulkner Award, 2019 den Library of Congress Prize for American Fiction. Bei Hanser Berlin erschienen zuletzt das Porträt seiner Eltern Zwischen ihnen (2017), der Erzählungsband Irische Passagiere (2020) und sein Roman Valentinstag (2023).
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR12,99

Produkt

Klappentext'Der Sportreporter', ein Klassiker der modernen Literatur der USA, bildet zusammen mit 'Unabhängigkeitstag' und 'Die Lage des Landes' Richard Fords große Romantrilogie um Frank Bascombe, einen netten, vernünftigen Amerikaner. Frank hat sich vor einigen Jahren von seiner Frau getrennt, arbeitet als Sportreporter und ist das, was man für gewöhnlich einen 'Durchschnittstypen' nennt. Doch eine Kette von dramatischen Ereignissen stört ihn jäh in der Ruhe der Mittelmäßigkeit: Er reist nach Detroit, um ein Interview mit einem an den Rollstuhl gefesselten Ex-Footballstar zu führen, anschließend erfährt er vom Selbstmord seines Freundes Walter, und es kommt zum Bruch zwischen ihm und seiner Freundin Vicky ...

Richard Ford wurde 1944 in Jackson, Mississippi, geboren und lebt heute in Maine. 1996 erhielt er für seinen Roman Unabhängigkeitstag den Pulitzer Prize und den PEN/Faulkner Award, 2019 den Library of Congress Prize for American Fiction. Bei Hanser Berlin erschienen zuletzt das Porträt seiner Eltern Zwischen ihnen (2017), der Erzählungsband Irische Passagiere (2020) und sein Roman Valentinstag (2023).
Details
Weitere ISBN/GTIN9783446242463
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2012
Erscheinungsdatum01.11.2012
Auflage1. Auflage
Seiten528 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.2432744
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe
Eins

Ich heiße Frank Bascombe. Ich bin Sportreporter.

Seit vierzehn Jahren wohne ich hier in Haddam, New Jersey, in der Hoving Road 19; das große Haus im Tudorstil habe ich gekauft, als ein Band Short Storys von mir für sehr viel Geld an einen Filmproduzenten ging und meiner Frau und mir und unseren drei Kindern - von denen zwei noch nicht einmal geboren waren - ein angenehmes Leben in Aussicht stellte.

Wie dieses angenehme Leben - das von mir erwartete - im einzelnen aussah, kann ich heute nicht genau sagen, aber ich würde andererseits auch nicht behaupten, es sei nichts daraus geworden; es ist eben nur eine Menge dazwischengekommen. Ich bin zum Beispiel nicht mehr mit X verheiratet. Das Kind, das damals kam, als alles anfing, ist gestorben, obschon, wie bereits erwähnt, noch zwei andere da sind, quicklebendige und prächtige Kinder.

Ich habe, kurz nachdem wir von New York hierher gezogen waren, einen kurzen Roman angefangen und ihn, als die Hälfte geschrieben war, in die Schublade gelegt, wo er bis heute geblieben ist und wohl auch weiterhin bleiben wird, wenn nicht irgend etwas geschieht, das ich mir heute noch gar nicht vorstellen kann.

Vor zwölf Jahren, als ich sechsundzwanzig war und nicht so recht wußte, wie und was, wurde mir vom Herausgeber eines teuer aufgemachten New Yorker Sportmagazins, das Ihnen allen ein Begriff ist, der Job eines Sportreporters angeboten, weil ich als freier Mitarbeiter einen Artikel in einer ganz bestimmten Art geschrieben hatte, die ihm gefiel. Und zu meiner - und nicht nur meiner - Überraschung stellte ich die Arbeit an meinem Roman ein und nahm an.

Und von da an hat es für mich keine andere Arbeit mehr gegeben, nur noch diesen Job, wenn man einmal von den Urlaubszeiten absieht und von einer dreimonatigen Unterbrechung nach dem Tod meines Sohnes, als ich einen Neuanfang erwog und eine Stelle als Lehrer an einer kleinen Privatschule im westlichen Teil von Massachusetts annahm, wo es mir aber schon bald nicht mehr gefiel, so daß ich es kaum erwarten konnte wegzukommen und hierher nach New Jersey zurückzukehren und wieder Artikel für das Sportmagazin zu schreiben.

Mein Leben ist in diesen zwölf Jahren keineswegs übel gewesen, und das ist es auch heute noch nicht. Es ist in fast jeder Beziehung phantastisch gewesen. Und obwohl mir mit zunehmendem Alter immer mehr Dinge angst machen, und obwohl mir immer klarer wird, daß einem üble Dinge passieren können und auch tatsächlich passieren, gibt es sehr wenig, was mich wirklich beunruhigt oder nachts nicht schlafen läßt. Ich glaube immer noch an Liebe und Leidenschaft. Und ich würde nicht viel oder gar nichts ändern. Vielleicht würde ich mich nicht mehr scheiden lassen. Und mein Sohn, Ralph Bascombe, würde nicht sterben. Aber das ist, was diese Dinge betrifft, auch schon alles.

Warum, werden Sie vielleicht fragen, gibt einer eine vielversprechende Laufbahn als Schriftsteller auf - es gab ein paar gute Rezensionen -, um Sportreporter zu werden?

Das ist eine gute Frage. Im Moment will ich nur so viel dazu sagen: Wenn du bei der Arbeit des Sportreporters eines lernst - und sie bringt viel Wahres, aber auch eine Menge Lügen mit sich -, dann die Erkenntnis, daß du, wenn dein Leben etwas wert sein soll, früher oder später der Tatsache eines fürchterlichen brennenden Bedauerns ins Auge sehen mußt. Aber du mußt es auch fertigbringen, ihm zu entrinnen, sonst ist dein Leben ruiniert.

Ich glaube, ich habe beides getan. Den Schmerz durchgestanden. Den Ruin vermieden. Und ich bin immer noch hier, um davon zu berichten.

Ich bin über den Eisenzaun in den Friedhof direkt hinter meinem Haus gestiegen. Es ist fünf Uhr morgens am Karfreitag, dem 20. April. Alle anderen Häuser in der Umgebung sind noch dunkel, und ich warte auf meine Exfrau. Es ist der Geburtstag meines Sohnes Ralph. Er wäre heute dreizehn geworden, fast schon ein Mann. Wir haben uns hier die letzten beiden Jahre frühmorgens vor Tagesbeginn getroffen, um ihm unsere Aufwartung zu machen. Davor sind wir als Mann und Frau immer gemeinsam herübergekommen.

Ein gespenstischer Nebel steigt aus dem Gras des Friedhofs auf, und hoch oben in der unteren Wolkenhöhe höre ich das Flügelrauschen vorüberziehender Gänse. Ein Polizeiauto ist mit leisem Schnurren durchs Tor hereingefahren, hat angehalten, die Scheinwerfer ausgeschaltet und angefangen, mich zu überwachen. Im Auto sah ich ein Streichholz aufflackern, sah das Gesicht des Polizisten, wie er auf ein Klemmbrett blickte.

Von der entlegenen Seite des »neuen Teils« äugt ein kleines Reh in meine Richtung. Hin und wieder funkelt das gelbe Tapetum in seinen Augen bis herüber zum alten Teil, wo die Bäume größer sind und wo in Sichtweite des Grabs mit meinem Sohn drei Unterzeichner der Unabhängigkeitserklärung begraben liegen, vom Grab meines Sohnes aus kann man ihre Gräber sehen.

Meine Nachbarn, die Deffeyes, spielen Tennis und rufen sich den Spielstand in gedämpft-höflichen Frühmorgenstimmen zu. »Entschuldigung.« - »Danke.« - »Vierzig-null.« Pock. Pock. Pock. »Vorteil für dich, Schatz.« - »Ja, danke.« - »Dein Spiel.« Pock. Pock. Ich höre, wie sie heftig und stoßweise durch die Nase atmen, höre das Scharren ihrer Füße. Sie sind schon in den Achtzigern und brauchen keinen Schlaf mehr, und so sind sie Tag und Nacht auf den Beinen. Sie haben matte Barium-Schwefel-Lampen installiert, damit das Licht nicht in meinen Hof fällt und mich am Schlafen hindert. Und wir sind gute Nachbarn geblieben, wenn nicht enge Freunde. Heute habe ich nicht mehr viel gemein mit ihnen und werde kaum einmal zu ihren Cocktailpartys - oder zu denen anderer Leute - eingeladen. Die Leute in der Stadt sind bei aller Zurückhaltung immer noch freundlich zu mir, und in meinen Augen sind es gute Menschen, konservativ, anständig.

Es ist, wie ich inzwischen weiß, nicht leicht, einen geschiedenen Mann zum Nachbarn zu haben. In ihm schlummert das Chaos - der lebensfähige Gesellschaftsvertrag ist durch den zwielichtigen Aspekt des Sex in Frage gestellt. Die meisten meinen, sie müßten eine Entscheidung treffen, und es ist immer leichter, sich für die Ehefrau zu entscheiden, was denn auch fast alle meine Nachbarn und Freunde getan haben. Und obwohl wir über die Garageneinfahrten und Hecken oder auf den Parkplätzen von Lebensmittelmärkten über die Dächer unserer Autos hinweg plaudern und uns über den Zustand unserer Dachunterseiten und Fallrohre und die Wahrscheinlichkeit eines frühen Winters austauschen, manchmal auch zaghafte Pläne für einen gegenseitigen Besuch machen, kommen wir praktisch nie zusammen. Und ich werde spielend damit fertig.

Der Karfreitag heute ist ein besonderer Tag für mich, ungeachtet der schon angesprochenen Besonderheit. Als ich heute morgen im Dunkeln aufwachte, hämmerte mein Herz wie ein Tamtam, und es kam mir so vor, als bahne sich eine Veränderung an, als sei diese Verträumtheit, an die sich Erwartungen knüpfen und die ich nun schon einige Zeit empfinde, im Begriff, von mir zu weichen, hinaus in die kühle, dunkle Morgendämmerung.

Heute breche ich nach Detroit auf und mache mich an das Porträt eines berühmten ehemaligen Footballspielers, der in Walled Lake (Michigan) wohnt und seit einem Unfall beim Wasserskilauf an den Rollstuhl gefesselt ist, der aber für seine früheren Mannschaftskameraden dadurch zum leuchtenden Vorbild wurde, daß er tapfer und zielstrebig aufs College zurückkehrte, in Kommunikationswissenschaften seinen Abschluß machte, seine schwarze Physiotherapeutin heiratete und schließlich das Ehrenamt des Mannschaftsgeistlichen für seine alten Kameraden übernahm. Der »Beitrag zur gemeinsamen Sache« wird mein Aufhänger sein. Geschichten dieser Art machen mir Spaß, und sie bereiten mir wenig Mühe.

Die Sache wird aber dadurch spannender, daß ich meine neue Freundin Vicki Arcenault mitnehme. Sie ist erst vor kurzem von Dallas nach New Jersey heraufgezogen, aber ich bin schon jetzt ziemlich sicher, daß ich in sie verliebt bin (ich habe es noch nicht angesprochen, aus Angst, sie könnte mißtrauisch werden). Als ich mir vor zwei Monaten in meiner Garage beim Schleifen des Messers vom Rasenmäher den Daumen aufschlitzte, war es Schwester Arcenault, die mich in der Notaufnahme der Ärzteklinik zusammenflickte, und seither hat sich einiges entwickelt. Sie machte ihre Ausbildung an der Baylor University in Waco und zog hierher, als ihre Ehe kaputtging. Tatsächlich lebt ihre Familie unten in Barnegat Pines, nicht allzu weit weg, in einem neuen Wohngebiet dicht am Meer, und ich bin als Beweisstück Nummer eins beim Osteressen eingeplant - um ihnen den Beleg dafür zu liefern, daß sie den Wechsel in den Nordwesten erfolgreich vollzogen, einen zuverlässigen und gutherzigen Mann gefunden und die schlechten Zeiten einschließlich ihres hitzköpfigen Ehemannes Everett weit hinter sich gelassen hat. Ihr Vater, Wade, arbeitet an der Ausfahrt 9 der Schnellstraße, wo er die Straßenbenutzungsgebühr kassiert, und ich kann nicht erwarten, daß ihm der Altersunterschied zwischen uns gefällt. Vicki ist dreißig. Ich bin achtunddreißig. Er selbst ist erst in den Fünfzigern. Aber ich hoffe doch, daß ich ihn für mich einnehmen kann, und ich bin so erpicht darauf, wie das unter den Umständen nur möglich ist. Vicki ist eine liebenswerte, kesse kleine Person mit schwarzen Haaren, reizvoll breiten Backenknochen, einem starken texanischen Akzent und in ihren leidenschaftlichen Momenten von einer lockeren Selbstverständlichkeit, die einen Mann wie mich nachts vor Verlangen stöhnen lassen kann.

Soll keiner glauben, der Ausstieg aus einer Ehe gebe einem die Freiheit, fortan den unbeschwerten Schürzenjäger...
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Autor

Richard Ford wurde 1944 in Jackson, Mississippi, geboren und lebt heute in Maine. 1996 erhielt er für seinen Roman Unabhängigkeitstag den Pulitzer Prize und den PEN/Faulkner Award, 2019 den Library of Congress Prize for American Fiction. Bei Hanser Berlin erschienen zuletzt das Porträt seiner Eltern Zwischen ihnen (2017), der Erzählungsband Irische Passagiere (2020) und sein Roman Valentinstag (2023).