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Wie im Wald

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
272 Seiten
Deutsch
Residenz Verlagerschienen am02.09.20141. Auflage
Karin lebt mit ihrem Freund Alexander in dem Haus am Waldrand. Auch ihre Pflegeschwester Lisa hat da früher gelebt, ebenso wie die Eltern August und Inge, die Geschwister Margarethe und Peter. Damals waren Karin und Lisa glücklich, sie sind gewachsen wie wilde Brombeersträucher, sind Hand in Hand zum Grund des Sees getaucht und haben sich in engen Wurzelhöhlen versteckt. Dann ist etwas geschehen, August ist tot und das Pflegekind wurde verstoßen. Jahre später holt Karin Lisa zurück und die beiden verstricken sich in ein ebenso verstörendes wie betörendes Spiel, sie geraten in einen Sog von Abhängigkeit, Anziehung und Abstoßung, der uns bis zur letzten Seite in seinen Bann schlägt.

Elisabeth Klar, geb. 1986 in Wien, Studium der Vergleichenden Literaturwissenschaft und Transkulturellen Kommunikation. Gemeinsam mit Susanne Müller leitet sie den Verein Literaturwerkstatt Wien. Für ihre Erzählungen hat sie zahlreiche Preise erhalten: Erster Preis des europäischen Literaturwettbewerbs der Jugend-Literatur-Werkstatt Graz (2004), dritter Preis des erophil-Wettbewerbs (2011), Stipendium Werkstatt für junge Literatur (2012), Finalistin des FM4-Wettbewerbs Wortlaut (2013). 'Wie im Wald' ist ihr erster Roman.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR25,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR12,99

Produkt

KlappentextKarin lebt mit ihrem Freund Alexander in dem Haus am Waldrand. Auch ihre Pflegeschwester Lisa hat da früher gelebt, ebenso wie die Eltern August und Inge, die Geschwister Margarethe und Peter. Damals waren Karin und Lisa glücklich, sie sind gewachsen wie wilde Brombeersträucher, sind Hand in Hand zum Grund des Sees getaucht und haben sich in engen Wurzelhöhlen versteckt. Dann ist etwas geschehen, August ist tot und das Pflegekind wurde verstoßen. Jahre später holt Karin Lisa zurück und die beiden verstricken sich in ein ebenso verstörendes wie betörendes Spiel, sie geraten in einen Sog von Abhängigkeit, Anziehung und Abstoßung, der uns bis zur letzten Seite in seinen Bann schlägt.

Elisabeth Klar, geb. 1986 in Wien, Studium der Vergleichenden Literaturwissenschaft und Transkulturellen Kommunikation. Gemeinsam mit Susanne Müller leitet sie den Verein Literaturwerkstatt Wien. Für ihre Erzählungen hat sie zahlreiche Preise erhalten: Erster Preis des europäischen Literaturwettbewerbs der Jugend-Literatur-Werkstatt Graz (2004), dritter Preis des erophil-Wettbewerbs (2011), Stipendium Werkstatt für junge Literatur (2012), Finalistin des FM4-Wettbewerbs Wortlaut (2013). 'Wie im Wald' ist ihr erster Roman.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783701744794
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum02.09.2014
Auflage1. Auflage
Seiten272 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1640 Kbytes
Artikel-Nr.3088435
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
6.

Es ist aber nicht Peter am Telefon. Es ist Grete, und schon wieder ruft sie aus London an. Dass sie das nicht zu teuer kommt.

»Du weißt doch, dass ich Freiminuten habe«, antwortet Grete, »jede Menge. Und wir müssen reden.«

Ich weiß, worüber wir reden müssen, und wünschte, Grete hätte ihre Minuten schon aufgebraucht. Es geht um meinen letzten Besuch bei den Großeltern. Ich muss an Weihnachten denken, da werden wir alle wieder beisammen sein.

»Was hast du da bloß wieder angestellt, Karin? Oma ist ganz vernichtet. Ich weiß nicht, wie du auf die Idee kommst, Oma solche Grauslichkeiten zu erzählen.«

Grauslichkeiten, denke ich, und denke weiter an meinen letzten Besuch bei den Alten, wir sind in der Küche, ich stehe an den Tisch gelehnt. Diesmal kein Kaffee und keine Maresi. Oma macht uns dafür Mittagessen, hat mich dabei nicht helfen lassen, »Nein, ich mach das schon«, hat sie gesagt, und Opa redet von den Maulwürfen in seinem Garten. Das Gespräch kommt auch wieder auf meinen Vater. Ich weiß nicht mehr wie, aber irgendwie kommt es doch jedes Mal auf meinen Vater. Ich habe noch keinen Nachmittag bei ihnen verbracht, an dem das Gespräch nicht irgendwann auf meinen Vater gekommen wäre.

»Der Gustl hat sich immer furchtbar gegrämt, wenn mein Hermann mit der Schaufel auf die Hügel geschlagen hat«, hat die Oma gesagt. »Er war ein sehr sensibles Kind. Vielleicht allzu sensibel, in Wirklichkeit.«

Der Opa hat die Arme vor der Brust verschränkt.

»Maulwurfshügel muss man wegräumen«, sagt er. »Das sind Schmarotzer. So sehr die einem auch leidtun, die darf man nicht dulden, das hat der Bub später auch verstanden.«

»Lisa wird wieder bei mir einziehen«, habe ich daraufhin gesagt.

Damit habe ich sie also vernichtet. Vernichtungen passieren bei Grete recht schnell.

»Du hast das aber doch nicht ernst gemeint, oder?«

»Lisa ist seit gestern Abend da.«

Margarethe schweigt. Ich stehe mit dem Telefonhörer in der Hand da und warte, dass ihre Stimme das Leitungsrauschen unterbricht.

»Jetzt, ernsthaft?«, fragt sie endlich.

»Ja, schon«, antworte ich.

»Du bist ja völlig übergeschnappt. Das ist ja eine Katastrophe. Und hier, in unserem Haus?«

»Eine Katastrophe ist das natürlich nicht«, sage ich. »Außerdem ist es jetzt mein Haus.«

»Hör doch auf mit diesem Unsinn!«

Ich stehe da am Tisch in der leeren Küche, mit dem Telefonhörer in der Hand, und frage mich, mit welchem Unsinn ich denn jetzt aufhören soll. Damit, das Haus für alle zu erhalten, damit man es nicht verkaufen muss? Damit, den von Seerosen und Algen verseuchten Schwimmteich zu reinigen?

»Und darum geht es doch außerdem gar nicht«, sagt sie jetzt. »Ich meine, was soll das denn?«

Und ich frage mich, wo genau Grete gerade ist, ob sie von der Arbeit aus anruft oder von Zuhause, ob Harry mithört oder ob sie alleine ist. Ich versuche mir vorzustellen, dass sie aus der Küche anruft, an die Wand gelehnt oder an den Küchentisch, den Hörer in der Hand oder zwischen Kopf und Schulter eingeklemmt. Und wie sie in diesem Moment gerade aussieht, vielleicht schon im Kostüm, vielleicht schon die Haare gemacht, diese steife Frisur, ihr breiter Haarreifen. Und die lederne Handtasche neben ihr auf dem Küchentisch, daneben der Autoschlüssel. Oder der Autoschlüssel in der Hand, mit dem sie spielt, und die Handtasche schon auf der Schulter, und weil die schwer ist, möchte sie nicht allzu lange reden. All das würde ich wirklich gerne wissen.

»Wie geht es dir in London?«

Grete antwortet nicht gleich.

»Gut, mir geht es gut. Ich habe letzten Monat eine Gehaltserhöhung bekommen.«

»Du machst deinen Job recht gut, oder?«

»Ja, es scheint so.«

Grete will das nicht zugeben, außerdem hat Grete anderes im Sinn, und in der Familie redet sie nicht über das Büro, in dem sie Karriere macht, genauso wie sie im Büro nicht über ihre Familie redet, die ohnehin verstümmelt und hässlich anzusehen ist. Ich wünschte, sie würde mehr von sich erzählen, statt immer nur mir Ratschläge zu geben. Das würde uns beiden das Leben erleichtern.

»Kannst du sie denn noch bei der WG rückanmelden?«, fragt sie jetzt.

»Ich weiß nicht. Ich denk nicht dran.«

»Aber was soll dabei denn herauskommen? Wie soll das denn enden? Was stellst du dir denn vor?«

Wenn ich mehr über ihr Leben wüsste, müsste ich mich vielleicht jetzt auch nicht fragen, ob sie gerade ihr Frühstücksbrot in der Hand hält. Ob sie denn nun wirklich überrascht war von meiner Entscheidung. Sie hat von den Besuchen gewusst. Alles andere kann man sich doch ausmalen.

»Was genau stellst du dir denn vor, Grete?«

»Stell dich nicht dumm. Nimm das hier ernst. Das hier ist eine Katastrophe.«

Später stehe ich an den Küchentisch gelehnt und reibe mir die Stirn. Ich vermute, dass Grete in eben diesem Moment ein SMS an Peter oder an ihren Mann Harry schreibt, mit bloß einem Wort, »Katastrophe«. Das sähe ihr ähnlich. Ich mag es nicht, mit Margarethe zu telefonieren. Wir werden einander zu Weihnachten sehen, bis dahin gibt es nur diese kurzen abgeschnittenen Minuten, in denen man in die Luft redet zu niemandem, und die Stimme meilenweit laufen lässt, und eine Stimme hört von Niemandem, die meilenweit hat laufen müssen, und sich eben den Rest ausmalen muss, was offensichtlich keiner von uns richtig gut kann. Und ich weiß auch gar nicht warum, ich kann am Telefon noch weniger anfangen mit diesem »Was stellst du dir vor?«, mit dem »Das kommt doch völlig aus dem Nichts.« Ich gehe, um Alexander zu wecken und Lisa zu holen. Ich denke, dass ich Lisa heute werde baden müssen, weil das notwendig ist. Das ist notwendig, denke ich, und der Gedanke tut mir gut.

Ich halte die Robbe an mich gepresst, das Fell der Robbe in meinem Gesicht. Es ist warm und es ist feucht, denke ich, und ich kenne den Geruch so gut, den Geruch dieses weichen Kunststofffells. Vor mir steht Karins und mein Kleiderkasten, aber es sind nicht mehr unsere Kleider drin, er ist leer. Es gehören in diesen Kasten durcheinandergeworfen Karins und meine T-Shirts, Jeans und Pullover hinein. Es gehören an die schiefen Wände Poster, die an den Ecken schon eingerissen sind. Das Bett, auf dem ich sitze, ist Karins, das Bett dort drüben ist meines, es gehört bezogen. Und wo ich liege, soll sie liegen, es soll dunkel sein, und wir sollen uns Geschichten erzählen.

Aber das Bett ist nicht bezogen. Gleich beim Hereinkommen habe ich gesehen, das Bett ist nicht bezogen. Das wird unser Zimmer sein, sagte sie, es gehört uns zusammen, nebenan schläft meine Schwester, Mamas und Papas Zimmer ist am Ende des Ganges. Und unten im Erdgeschoß schläft Peter, mein Bruder. In der Küche war Blut, aber keine Angst, ich habe es schon aufgewischt. Ich bin früh aufgestanden, habe mich niedergekniet und es mit einem Waschlappen aufgewischt. Ich komme herein, die Tür geht auf, die Tür geht zu, das Zimmer schließt sich.

Pack ruhig schon deine Sachen aus, du bekommst das Bett dort drüben am Fenster, mein altes Bett, schau, das Fenster, das auf den Wald hinausgeht. Setz dich schon mal auf das Bett, stell die Tasche ruhig schon hin, das ist dein neues Zuhause und die Türe geht auch ganz leise auf und zu.

Ja, es ist ein Zimmer für zwei, aber das andere Bett ist nicht bezogen, das heißt, etwas wurde herausgeschnitten. Ich sitze auf Karins Bett und mein altes Bett ist nicht bezogen. Etwas ist anders, verschoben. Etwas ist kleiner. Klein wie die Wurzelhand, wie die Höhle zwischen den Felsen, wo wir unsere langen Beine übereinanderstapeln müssen.

Setz dich schon mal, durch das Fenster sieht man hinaus in den Garten und auf den Wald, der Wald legt sich um uns.

Der Schatten des Fensters fällt bereits auf den Holzboden. Der Schatten liegt auf der Maserung, die ich wiedererkenne, weil ich sie schon so oft angesehen habe, genau so. Jedes einzelne Astloch kenne ich, ist mir vertraut, bin ich mit den Fingern nachgefahren. Ich möchte mich bücken und die Vertiefungen berühren, die ich in die Maserung geritzt habe, aber ich tue es nicht. Sie gehören zu dir, August, all diese Augenpaare. Ich kann sie nicht berühren, ohne gleichzeitig dich zu berühren. Ich kann sie nicht ritzen, ohne gleichzeitig meine Nägel in deine Haut zu drücken. Und auch wenn ich mich entschieden habe, zurückzukehren, noch will ich dich nicht berühren, noch will ich Nein sagen zu dir, und ich sage es laut, jetzt, wo es hell ist:...
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Autor

Elisabeth Klar, geb. 1986 in Wien, Studium der Vergleichenden Literaturwissenschaft und Transkulturellen Kommunikation. Gemeinsam mit Susanne Müller leitet sie den Verein Literaturwerkstatt Wien. Für ihre Erzählungen hat sie zahlreiche Preise erhalten: Erster Preis des europäischen Literaturwettbewerbs der Jugend-Literatur-Werkstatt Graz (2004), dritter Preis des erophil-Wettbewerbs (2011), Stipendium Werkstatt für junge Literatur (2012), Finalistin des FM4-Wettbewerbs Wortlaut (2013). "Wie im Wald" ist ihr erster Roman.