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Lehrbuch Rehabilitationswissenschaften

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
864 Seiten
Deutsch
Hogrefe AGerschienen am27.06.20221. Auflage 2022
Rehabilitation: zielorientierter, interprofessioneller Versorgungsprozess zur Förderung der Teilhabefähigkeit, Gesundheitsstrategie Rehabilitation ist ein geplanter und begründeter Prozess in einem interprofessionellen Kontext. Ziel der Rehabilitation ist es, die Selbstbestimmung und Funktionsfähigkeit der Menschen mit Beeinträchtigungen zu fördern und somit ihre gesellschaftliche Teilhabe im Sinne einer Inklusion zu erreichen. Dieses Ziel begründet sich auf der International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF) der WHO. Sie betont ausdrücklich die aktive Rolle der betroffenen Menschen und die unterstützende Rolle der Expertinnen und Experten im Kontext einer interdisziplinären Gesundheitsversorgung. Die Herausgeber, die Autorinnen und die Autoren legen ein evidenz-basiertes und praxisorientiertes Werk vor, das aus einer interprofessionellen Perspektive die Rehabilitation als Wissenschaft im derzeitigen Diskurs verortet und dabei über die Gegenwart hinaus auf eine Zukunft weist, in der beeinträchtigte Menschen selbstbestimmt an der Gesellschaft teilhaben. Zum Inhalt und Aufbau Teil 1: Theoretische Grundlagen •Konzepte, Akteure, Systeme, disziplinäre Perspektiven Teil 2: Forschung und Forschungsmethoden •Grundlagen, Ansätze und Designs, Merkmalserfassung, Forschungsorganisation Teil 3: Rehabilitative Versorgung in der Praxis •Interventionen, Konzepte, Zielgruppenmehr
Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR90,00
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Produkt

KlappentextRehabilitation: zielorientierter, interprofessioneller Versorgungsprozess zur Förderung der Teilhabefähigkeit, Gesundheitsstrategie Rehabilitation ist ein geplanter und begründeter Prozess in einem interprofessionellen Kontext. Ziel der Rehabilitation ist es, die Selbstbestimmung und Funktionsfähigkeit der Menschen mit Beeinträchtigungen zu fördern und somit ihre gesellschaftliche Teilhabe im Sinne einer Inklusion zu erreichen. Dieses Ziel begründet sich auf der International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF) der WHO. Sie betont ausdrücklich die aktive Rolle der betroffenen Menschen und die unterstützende Rolle der Expertinnen und Experten im Kontext einer interdisziplinären Gesundheitsversorgung. Die Herausgeber, die Autorinnen und die Autoren legen ein evidenz-basiertes und praxisorientiertes Werk vor, das aus einer interprofessionellen Perspektive die Rehabilitation als Wissenschaft im derzeitigen Diskurs verortet und dabei über die Gegenwart hinaus auf eine Zukunft weist, in der beeinträchtigte Menschen selbstbestimmt an der Gesellschaft teilhaben. Zum Inhalt und Aufbau Teil 1: Theoretische Grundlagen •Konzepte, Akteure, Systeme, disziplinäre Perspektiven Teil 2: Forschung und Forschungsmethoden •Grundlagen, Ansätze und Designs, Merkmalserfassung, Forschungsorganisation Teil 3: Rehabilitative Versorgung in der Praxis •Interventionen, Konzepte, Zielgruppen
Details
Weitere ISBN/GTIN9783456760674
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum27.06.2022
Auflage1. Auflage 2022
Seiten864 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse8443 Kbytes
Illustrationen31 Abbildungen
Artikel-Nr.9603232
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



|18|I.A.1  Modelle von Gesundheit und Krankheit

Heike Ohlbrecht

Gesundheit und Krankheit sind Themen, die die Menschen seit jeher bewegten. In früheren Zeiten war das pure Überleben davon abhängig, von Krankheiten verschont zu bleiben bzw. diese zu überstehen. Krankheiten zählten zu den großen Plagen der Menschheit. Um ihre Entstehung und Vermeidung rankten sich zahlreiche Mythen und Versuche ihrer Erklärung: Sie wurden als göttliche Botschaften und Strafen, als schicksalshaft oder als abhängig von Gestirnen etc. interpretiert. Auch die Gesundheit galt als kaum beeinflussbar. In der griechischen Antike beispielsweise wurde sie als ein äußeres Gut, vergleichbar mit vererbtem Reichtum, Ansehen sowie körperlicher Kraft und Schönheit, verstanden (van der Eijk, 2011), das sich der individuellen Kontrolle weitgehend entzog. Dieses Kapitel thematisiert unterschiedliche Auffassungen von Gesundheit und Krankheit. Es zielt auf folgende Fragen:

Worauf basieren die Auffassungen von Gesundheit und Krankheit?


Worin unterscheiden sich biomedizinische von biopsychosozialen Krankheitsmodellen?


Welche Krankheitsdimensionen lassen sich voneinander unterscheiden?


Was zeichnet Modelle von Gesundheit aus?


Welches Gesundheitsmodell prägt die Rehabilitation?

I.A.1.1  Grundlagen des Verständnisses von Gesundheit und Krankheit

Gesundheit und Krankheit sind Begriffe, die nur in ihrer Dualität zu verstehen sind. Beide Begriffe eint, dass deren Definition von der professionellen Deutung, der soziokulturellen Umwelt, den Alltags- und Laientheorien sowie der subjektiven Einschätzung abhängig ist.

Im Alltagsverständnis ist Gesundheit gegeben, wenn keine Krankheit vorliegt bzw. keine krankheitswertigen Symptome das Wohlbefinden beeinträchtigen. Aber Krankheitserfahrungen sind sehr unterschiedlich, beispielsweise ist die Unterscheidung zwischen gesund vs. krank nicht einfach, wenn es sich um eine schleichende oder chronisch-persistierende Erkrankung handelt. Es gibt zudem eine Kluft zwischen der objektiv feststellbaren Erkrankung im Sinne eines Befundes und dem subjektiven Empfinden der Betroffenen. Dies ist nicht die einzige unscharfe Trennlinie: Auch die Frage, wann und welche Krankheitszeichen als objektivierbare Diagnosen anerkannt werden, ist ein vielgestaltiger Aushandlungsprozess. Neben, aber nicht unabhängig von professionellen Kategorien sowie Definitionen von Gesundheit und Krankheit, z.âB. durch die Medizin, bestimmt auch das Alltagsverständnis von Gesundheit und Krankheit und die dazugehörigen Laien- bzw. Alltagstheorien den Umgang mit diesen Phänomenen.

Gesundheit und Krankheit sind nicht nur biomedizinische, sondern auch soziale Tatbestände (Gadamer, 1990) und soziale Konstruk|19|tionen (Faltermaier, 2017), d.âh., es sind nicht nur Zustände, die individuell erfahrbar und durch die Medizin objektiv beschreibbar sind, sondern sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie auf überindividuelle Vorstellungen von Gesundheit und Krankheit rekurrieren, die unabhängig vom einzelnen Erleben vorhanden sind, sich im gesellschaftlichen Wissensvorrat abgelagert haben und dadurch das Handeln und Denken aller Beteiligten beeinflussen. Zu Gesundheit und Krankheit als soziale Tatbestände gehören nicht nur die Medizin, die Kliniken, Ärztinnen und Ärzte sowie die Gesundheitsberufe, sondern auch kulturelle Praktiken und soziale Repräsentationen (Flick, 1998) im Sinne von gesellschaftlich geteilten Überzeugungen, die historisch und soziokulturell variabel sind. Jede Krankheitsdiagnose gibt immer auch die medizinische Sichtweise und die soziokulturelle Einstellung einer bestimmten Epoche wieder. So spiegeln sich die zentralen Annahmen einer Epoche [â¦] auch im Verständnis von Gesundheit und Krankheit; es zeigt sich darin, wie sich die Menschen einer Epoche ihre Krankheiten erklären, wie sich eine Gesellschaft organisiert, um die Gesundheit ihrer Mitglieder zu erhalten, welche gesellschaftlichen Institutionen und Spezialisten sie dafür vorsieht und ausbildet, wie viele Ressourcen sie dafür einsetzt (Faltermaier, 2017, S. 49).

Der historische Blick zeigt, dass sich Krankheitskonzepte und die Unterscheidung zwischen Krankheit und Gesundheit kontinuierlich wandeln (Herzlich & Pierret, 1991), sodass es bis heute keinen überzeitlichen Krankheits- und noch weniger Gesundheitsbegriff gibt, möglicherweise auch nicht geben kann.
I.A.1.2  Historische Entwicklung des Gesundheits- und Krankheitsbegriffs

Jede gesellschaftliche Entwicklungsphase hat ihre eigenen Vorstellungen über Gesundheit, ihre spezifischen Ansichten sowie Modelle über Krankheitsentstehung, -vermeidung und -behandlung, die sich z.âT. auch widersprechen können. Im Mittelalter wurden beispielsweise ungünstige Stellungen der Planetenkonstellationen als Ursache für Pestausbrüche angesehen oder Krankheiten als göttliche Strafen und Mahnungen gedeutet. Ein Denkmodell, welches in der Antike entstand und bis ins 18. Jahrhundert sehr wirkmächtig bleiben sollte, umfasste die Vorstellung von vier Körpersäften, deren jeweilige Mischung und Konstitution die Gesundheit beeinflusst und Krankheiten verursacht (Humoralpathologie).

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann sich die naturwissenschaftliche Vorstellung von Krankheit durchzusetzen und damit die Betrachtung von Krankheiten als Folge pathologischer Organveränderungen. Die naturwissenschaftliche Wende der Medizin wird insbesondere mit der von Rudolf Virchow (1821-1902) begründeten Zellularpathologie in Verbindung gebracht. Seither setzt sich das (bio)medizinische Krankheitsmodell durch, das auch heute noch für das kurative Gesundheitsversorgungssystem wirkmächtig ist, welches sich auf die Behandlung von Krankheiten fokussiert (Faltermaier, 2017; Franke, 2012). Damit endete historisch eine Phase der Betrachtung von Gesundheit und Krankheit als zusammenhängende Phänomene. Diese Sichtweise war bis Mitte des 19. Jahrhunderts durchaus vorhanden, z.âB. in Form der Diätetik, als ein Programm für eine gesunde Lebensweise, das durch Ärzte wie Christoph Wilhelm Hufeland (1762-1836) etc. propagiert wurde.

Die naturwissenschaftlich geprägte Medizin rückte nun die Betrachtung von Krankheit und deren lokalisierbare Ursachen, die es in den Organen zu verorten und/oder auf immer kleineren Ebenen des Gewebes, der Zellen, Moleküle und Enzyme etc. zu untersuchen und zu objektivieren galt, ins Zentrum ihrer Aufmerksamkeit. Dies führte in der Konsequenz dazu, dass die Krankheit von der Person und ihrem Leben getrennt wurde, da Krankheit immer mehr als ein Defekt in den menschlichen Orga|20|nen angesehen wurde (Faltermaier, 2017, S. 51). Ein ganzheitlicher Blick auf den erkrankten Menschen ging tendenziell immer mehr verloren, da die naturwissenschaftliche Medizin sich auf den menschlichen Körper und dessen immer kleinere Einheiten fokussierte.

Der Gesundheitsdiskurs ist historisch jünger als der Krankheitsdiskurs. Auch wenn es bereits in der Antike Überlegungen zur Gesundheit gab - und in diesem Zusammenhang zur guten und maßvollen Lebensführung -, war das ärztliche Handeln seit jeher v.âa. auf das Erkennen und Abwehren von Krankheiten gerichtet. Die Mehrzahl der bekannten Modelle befasst sich somit mit Krankheit und weniger mit Gesundheit (Franke, 2012). Das Verständnis von Gesundheit/Krankheit ist nicht nur historisch und kulturell variabel, sondern unterscheidet sich je nach Perspektive (naturwissenschaftlich-somatisch; medizinisch-biologisch, psychologisch, soziologisch, juristisch, politisch, gesundheitswissenschaftlich). Im Folgenden werden eine Auswahl der unterschiedlichen disziplinären Perspektiven wie auch eine historische Betrachtung von Gesundheit und Krankheit vorgestellt (vgl. zur...


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