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Mein erstaunlicher Hang zu Fehltritten

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
256 Seiten
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am13.06.20231. Auflage
Der Bestseller aus Italien und Gewinner des renommierten «Premio Campiello». Ein Roman über Steinmarder, Füchse, Hunde und Hühner - und eine Allegorie auf unsere Existenz. Denn im Spiegel des Tieres wird das menschliche Leben manchmal viel anschaulicher.  In einer kühlen Winternacht, inmitten von Bäumen und Hügeln, wird ein Steinmarder zusammen mit seinen Geschwistern geboren. Der Vater kam ums Leben, die Mutter muss die Jungen allein durchbringen. Archy ist schwach, daher wird er von seiner Mutter für eineinhalb Hühner an einen alten Fuchs verkauft. Sein neuer Herr, Fëdor, lebt auf einer Anhöhe und ist voller Geheimnisse. Und er ist im Besitz einer Bibel, die er wie einen Schatz hütet. Die Tiere in diesem Buch können sprechen, sie benutzen Teller zum Essen, sie entzünden Feuer, und doch bleibt ihre Existenz ein harter und schonungsloser Kampf. Verlorene Lieben, die Grausamkeit der Welt, der Anreiz immer neuer Abenteuer bestimmen Archys Leben. Aber die eigentlichen Fragen stellen sich ihm erst, als der alte Fuchs beginnt, ihm von der Macht der Buchstaben zu erzählen, und ihn das Lesen und Schreiben lehrt. «Man denkt bei diesem Buch an Orwell, Camus, Unten am Fluss von Richard Adams oder an Mark Haddon. Hier ist ein wahrer Schriftsteller geboren!» Vanity Fair

Bernardo Zannoni wurde 1995 in Sarzana, Italien, geboren, wo er bis heute lebt. Mein erstaunlicher Hang zu Fehltritten ist sein erster Roman. Er wurde in Italien ein Top-Ten-Bestseller, in 10 Länder verkauft und mit dem Literaturpreis Bagutta für das beste Debüt sowie dem Premio Salerno Letteratura und dem Premio Severino Cesari ausgezeichnet. Außerdem gewann Zannoni mit Mein erstaunlicher Hang zu Fehltritten den renommiertesten italienischen Literaturpreis, den Premio Campiello.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR24,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR19,99

Produkt

KlappentextDer Bestseller aus Italien und Gewinner des renommierten «Premio Campiello». Ein Roman über Steinmarder, Füchse, Hunde und Hühner - und eine Allegorie auf unsere Existenz. Denn im Spiegel des Tieres wird das menschliche Leben manchmal viel anschaulicher.  In einer kühlen Winternacht, inmitten von Bäumen und Hügeln, wird ein Steinmarder zusammen mit seinen Geschwistern geboren. Der Vater kam ums Leben, die Mutter muss die Jungen allein durchbringen. Archy ist schwach, daher wird er von seiner Mutter für eineinhalb Hühner an einen alten Fuchs verkauft. Sein neuer Herr, Fëdor, lebt auf einer Anhöhe und ist voller Geheimnisse. Und er ist im Besitz einer Bibel, die er wie einen Schatz hütet. Die Tiere in diesem Buch können sprechen, sie benutzen Teller zum Essen, sie entzünden Feuer, und doch bleibt ihre Existenz ein harter und schonungsloser Kampf. Verlorene Lieben, die Grausamkeit der Welt, der Anreiz immer neuer Abenteuer bestimmen Archys Leben. Aber die eigentlichen Fragen stellen sich ihm erst, als der alte Fuchs beginnt, ihm von der Macht der Buchstaben zu erzählen, und ihn das Lesen und Schreiben lehrt. «Man denkt bei diesem Buch an Orwell, Camus, Unten am Fluss von Richard Adams oder an Mark Haddon. Hier ist ein wahrer Schriftsteller geboren!» Vanity Fair

Bernardo Zannoni wurde 1995 in Sarzana, Italien, geboren, wo er bis heute lebt. Mein erstaunlicher Hang zu Fehltritten ist sein erster Roman. Er wurde in Italien ein Top-Ten-Bestseller, in 10 Länder verkauft und mit dem Literaturpreis Bagutta für das beste Debüt sowie dem Premio Salerno Letteratura und dem Premio Severino Cesari ausgezeichnet. Außerdem gewann Zannoni mit Mein erstaunlicher Hang zu Fehltritten den renommiertesten italienischen Literaturpreis, den Premio Campiello.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783644015425
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum13.06.2023
Auflage1. Auflage
Seiten256 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2636 Kbytes
Artikel-Nr.9996029
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

II Der Rabe, das Nest

Zum Ende des Frühlings verließen wir den Bau. Der Wind war kühl und noch schneidend, zerzauste uns das Fell. Ich erinnere mich an den Augenblick, als ich die Nase nach draußen steckte, an die Explosion von Düften und Essenzen, die meine Sinne berauschten. Wir wohnten unter einem Felsen im Schutz zweier Bäume. Morgens war es schattig, abends wurde die Höhle vom Licht der untergehenden Sonne gestreift. Unsere Mutter gab uns nur vier Hinweise.

«Rechts und hinter euch liegt der Wald. Links die Drei Ströme. Vor euch die Felder von Zò. Macht keine Dummheiten.»

Sie ließ uns nicht mit sich gehen. Sie bemerkte sofort, wenn jemand ihr folgte, und scheuchte ihn fort. Leroy war deswegen sehr sauer. Er begann für sich zu bleiben, alleine umherzustreifen.

Da Otis nicht sehr lange draußen bleiben konnte, und Cara, nachdem sie auf einem Auge blind geworden war, all ihre Lustigkeit eingebüßt hatte, verbrachte ich viel Zeit mit Louise. Wir spielten Fangen.

«Du kriegst mich nicht, Archy.»

Sie entkam immer. Sie schlängelte sich in die Büsche und versteckte sich dort. Wenn ich sie fing, kämpften wir, bissen uns, bis es zwickte. Wir streiften zusammen um die Höhle herum, ohne allzu weit fortzugehen. Außer einer Igelfamilie viel weiter östlich hatten wir keine Nachbarn. Wir sahen sie nur einmal aus der Ferne, wie sie in ihren Bau zurückkehrten. Sie wohnten im Stamm eines toten Baumes.

«Bin ich schön, Archy?»

Louise fragte mich das immer. Vor allem, wenn wir gerade nichts taten und schwiegen.

Ich sagte Ja.

«Wie schön?»

«Sehr schön.»

«Schöner als Cara?»

«Ja.»

«Auch schöner als Mama?»

«Ja.»

Sie glättete sich das Fell, dann sah sie immer in die andere Richtung, in die Ferne. Irgendwann begann ich auch daran zu glauben. Vielleicht weil meine Instinkte erwachten oder weil ich mich dadurch, dass ich immer mit Ja antwortete, schließlich selbst überzeugte, dass sie schön war. Tatsache ist, dass sich Louise allmählich von meiner Schwester zum unwiderstehlichen Mysterium wandelte.

«Bin ich schön, Archy?»

«Wunderschön.»

«Danke.»

Wie sehr wünschte ich, dass dieser Blick in die Ferne, nachdem sie sich das Fell geglättet hatte, auf mich fiele. Bei unseren Verfolgungsspielen spürte ich sie an ihrem Geruch auf, und bei unseren Kämpfen kauerte ich mich auf sie, erwiderte ihre Bisse.

Im Bett, gegen den rauen Rücken Leroys gelehnt, fragte ich mich, was diese Veränderung bedeutete. Ich dachte darüber nach, warum ich so ungestüm bei ihr war und so schwach, abwesend kurz vor dem Einschlafen.

 

Der Frühling tat allen gut. Unsere Mutter brachte häufig etwas Essbares mit, und so quälte uns der Hunger nicht mehr. Manchmal kam sie mit kleinen Mäusen, andere Male mit Beeren oder Früchten. Sie wirkte nicht mehr so mager, ihr Fell hatte wieder Glanz.

«Still», sagte sie noch immer, wenn wir sie störten.

Mit dem Verstreichen der Tage waren wir ziemlich gewachsen; unsere Gesichtszüge um die Schnauze waren definierter, einige begannen, die ersten Milchzähne zu verlieren, unser Fell bekam Farbe. Während diese Entwicklung den Großteil von uns überraschte, sah es für einen von uns ganz anders aus. Unser Bruder Otis war mickrig geblieben, seine Pfoten trugen ihn nicht. Es gelang ihm kaum, hoch aufs Bett zu springen, er konnte nicht alleine fortgehen. Niemand kümmerte sich um ihn, er lebte, um unsichtbar zu sein, im Schatten unserer Existenz. Zur Essenszeit sahen wir alle auf seinen Teller.

«Ich werde sterben, weil ich nicht wachse», sagte er eines Abends beim Essen.

Wir hielten einen Augenblick inne, auch unsere Mutter.

«Wer hat dir das gesagt?», fragte sie.

«Niemand. Ich weiß es. Du hast mich nicht großgezogen, Mama.»

Zwei Tränen liefen ihm über die hagere Schnauze.

«Das ist wahr», sagte sie. Dann aß sie weiter und wir auch. Doch niemand nahm ihm den Teller weg.

 

Eines Tages kam Leroy mit einem Raben zurück. Er hatte ihn in der Nähe der Ströme gejagt, wie er es seit Wochen versuchte. Der Rabe war schön und hatte einen Flügel verloren, die Federn waren von Bisswunden zerfetzt, der Schnabel stand offen. Unser Bruder ging wortlos an uns vorbei und betrat die Höhle. Er setzte sich an den Tisch und legte die Beute darauf. Mit noch stockendem Atem, gespannten Muskeln, der Schnauze voll Blut und dem wachen Blick des Jägers. Er wartete, ohne unsere Fragen zu beantworten, ohne dass wir uns dem Vogel nähern durften.

Vielleicht weil wir nichts zu tun hatten, vielleicht wegen der Außergewöhnlichkeit der Situation, begannen auch wir zu warten, in gebührender Entfernung.

Ich erinnere mich an die Szene wie an ein schönes Erlebnis. Wir alle verteilt in der Höhle, die wir Leroy und den Raben beobachten, reglos wie er, der geradeaus starrt.

Unsere Mutter kam nach Sonnenuntergang zurück, mit einigen Beeren zum Essen. Als sie ihn sah, gleich nachdem sie die Höhle betreten hatte, blieb sie wie angewurzelt stehen. Sie sahen sich an, ohne ein Wort.

«Was ist das?», fragte sie.

«Das Abendessen.»

Unsere Mutter legte die Beeren auf den Tisch.

«Dein Abendessen, meinst du wohl.»

Dann nahm sie den Raben, biss ihm den Kopf ab und begann zu kochen.

Zuzusehen, wie Leroy dieses Fleisch aß, rührte etwas in meinem Inneren auf. Mein Gefühl war anders als der Neid der anderen. Ich versuchte zu verstehen, was es war, das meinen Bruder stark machte, stärker als mich. Ich fühlte mich dumm. Im Bett kam mir sein Rücken wie ein Berg vor, und ich träumte die ganze Nacht davon, verfolgt zu werden.

 

Unsere Mutter begann, Leroy mit sich zu nehmen. Sie standen früh auf, und ich sah, wie sie schweigend loszogen, nach einem kleinen Frühstück. Sie sprachen kein Wort; aßen einen Bissen und tranken Wasser, ohne etwas zu sagen. Sie kamen mit mehr Futter zurück, es gab häufiger etwas zu essen. Es kam vor, dass sie etwas bei Fëdor, dem Pfandleiher, eintauschten, wenn sie auf der Jagd etwas Wertvolles fanden. Fëdor markierte alles, was er herausgab, mit einem kleinen farbigen Fleck, so war es mir wenigstens erzählt worden.

Zu sehen, wie Leroy erwachsen wurde, machte mir Angst. Bald begann auch ich, die Einsamkeit zu suchen, um mich zu beweisen. Louise verstand das nicht.

«Wohin gehst du, Archy?»

«Zu den Drei Strömen.»

«Warum?»

Ich entfernte mich ohne weitere Erklärungen. Sie versuchte nicht, mir zu folgen, wenn ich keine Antwort gab. Sie zu ignorieren, tat mir weh, doch meine Angst überstieg meinen Wunsch, bei ihr zu sein.

Die ersten Male versteckte ich mich bei den Drei Strömen in einem Busch und wartete. Hoch oben in den Bäumen kamen einige Vögel vorbei, am Wasser ein Nutria, einmal ein Dachs.

Jeden Tag harrte ich ein wenig länger aus, bis in die tiefe Nacht hinein. Meine Mutter sagte nie etwas, wenn ich spät nach Hause kam. Wie sehr wünschte ich, ich könnte etwas mitbringen.

Cara, mit ihrem einen Auge, war immer am Fenster. Beim Nachhausekommen sah ich ihre klar umrissene Silhouette in der Nacht, verloren in trübsinnigen Gedanken.

Ich fand ein Rotkehlchennest in einer sterbenden Eiche, wo die Sonne wenig hinschien. Als ich es entdeckte, wirkte es verlassen. Tags darauf sah ich, wie eine Vogelmama dicht daran vorbeiflog, und als sie sicher glaubte, dass niemand in der Nähe war, flog sie hinein. Nach ihr kam der Vater, dann flogen beide wieder fort, jeder für sich. Sie kamen weitere Male zurück und flogen wiederum davon.

Ich träumte lebhaft, dass ich mich in einem Netz verfing. Am nächsten Morgen erwachte ich mit dem Gefühl, gar nicht geschlafen zu haben, und verließ die Höhle ohne einen Laut, kurz nach unserer Mutter und Leroy. Der Himmel benetzte den Wald mit einem Sprühregen, den der Wind mit sich trug. Er machte kein Geräusch auf den Blättern, doch er durchnässte in kürzester Zeit mein Fell. Ich lief schnell durch die Bäume, ohne um mich zu blicken, das Herz trieb mich zur Eiche, ungeduldig und kopflos suchte ich die Wipfel ihrer Zweige ab.

Da war das Nest, im Halbdunkel. Die beiden Vögel standen zusammengekauert beisammen, als Schutz vor dem Wasser, und schienen zu schlafen. Ich versteckte mich unter ihnen und begann zu warten. Nach einiger Zeit hörte ich sie reden. Der Regen war so leicht, dass er ihr Flüstern nicht übertönte, und so verstand ich, dass sie diskutierten. Das Weibchen war besser zu hören als der andere, sie wirkte besorgt, rückte näher an ihn heran. Ich glaubte, sie hätte mich bemerkt, und ein eiskalter Schauer lief mir über den Rücken. Ich wurde stocksteif und hörte auf zu atmen, versuchte zu verstehen, ob das wahr sein konnte, ob ich bereits entdeckt worden war. Schließlich schlug er mit den Flügeln und rückte ein wenig zur Seite, noch dichter an sie heran, ohne etwas zu sagen. Jetzt schienen sie wieder zu schlafen.

Ich wartete noch eine Weile. Ich zerquetschte eine Spinne, die auf meinen Kopf klettern wollte, so leise wie möglich, um dann sofort wieder den Blick zu heben. Ich dachte an nichts; mein ganzes Sein war auf das Bild konzentriert, das ich vor Augen hatte, das dunkle Knäuel auf den trockenen Zweigen, die zwei vereinten Vögel. Ich war regloser Teil der Welt, die mich umgab, ähnlicher einem Baum als einem Tier, perfekt eingepasst in seinen Platz, wartend.

Es hörte auf zu regnen. Die Vögel zwitscherten aufgeregt und schüttelten die kleinen Köpfe. Sie sagte wieder etwas zu ihm, er schlug mit den Flügeln, um das Wasser abzuschütteln. Sie berührten sich...
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Autor

Bernardo Zannoni wurde 1995 in Sarzana, Italien, geboren, wo er bis heute lebt. Mein erstaunlicher Hang zu Fehltritten ist sein erster Roman. Er wurde in Italien ein Top-Ten-Bestseller, in 10 Länder verkauft und mit dem Literaturpreis Bagutta für das beste Debüt sowie dem Premio Salerno Letteratura und dem Premio Severino Cesari ausgezeichnet. Außerdem gewann Zannoni mit Mein erstaunlicher Hang zu Fehltritten den renommiertesten italienischen Literaturpreis, den Premio Campiello.Julika Brandestini, geboren 1980 in Berlin, arbeitet seit 2008 als freiberufliche Übersetzerin und Redakteurin. 2010 erhielt sie den Förderpreis des Deutsch-Italienischen Übersetzerpreises. Sie übersetzte unter anderem Michela Murgia, Elena Ferrante und Michele Serra.
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Zannoni, Bernardo