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No Regrets

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
224 Seiten
Deutsch
Hanser Berlinerschienen am25.09.20231. Auflage
Ein hinreißender Roman über Freundschaft und Freiheit - und darüber, wie man beides wiederfindet, wenn es einem abhandengekommen ist.
'Das ist schmutzig, schnell, unaushaltbar komisch und schreiend traurig, einfach richtig gut kaputt - Dietlind Falk tätowiert euch den Punk in die Herzen.' Simone Buchholz
Ein müffelnder ausgestopfter Alligator im Schaufenster, leere Bierflaschen auf der Anmeldungstheke, ohrenbetäubender Metal: Willkommen im Tattoostudio NO REGRETS. Hier, irgendwo zwischen Dortmund und Duisburg, stechen die zwei besten Freunde Hänk und Muddy seit Jahrzehnten Rosen, Anker, Fußballvereinswappen und Totenköpfe. Doch die Welt um Hänk und Muddy herum hat sich verändert, und die beiden abgehalfterten Typen sind Auslaufmodelle geworden. Um das NO REGRETS vor dem Ruin zu retten, holen sie die junge Luz in den Laden - und zwischen den drei Außenseitern entwickelt sich eine unfreiwillige, tiefe Freundschaft, die nicht nur das NO REGRETS mit neuer Lebensfreude erfüllt.

Dietlind Falk, geboren 1985, wuchs im Ruhrgebiet auf. Sie arbeitet als freie Übersetzerin aus dem Englischen und Französischen und übertrug unter anderem Mark Haddon und Octavia E. Butler ins Deutsche. 2017 erschien ihr Roman 'Das Letzte' im Albino Verlag. Dietlind Falk spielt in einer Punkband und lebt in Düsseldorf. Die Arbeit an ihrem nächsten Roman wurde durch ein Arbeitsstipendium des LCB gefördert.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR22,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR16,99

Produkt

KlappentextEin hinreißender Roman über Freundschaft und Freiheit - und darüber, wie man beides wiederfindet, wenn es einem abhandengekommen ist.
'Das ist schmutzig, schnell, unaushaltbar komisch und schreiend traurig, einfach richtig gut kaputt - Dietlind Falk tätowiert euch den Punk in die Herzen.' Simone Buchholz
Ein müffelnder ausgestopfter Alligator im Schaufenster, leere Bierflaschen auf der Anmeldungstheke, ohrenbetäubender Metal: Willkommen im Tattoostudio NO REGRETS. Hier, irgendwo zwischen Dortmund und Duisburg, stechen die zwei besten Freunde Hänk und Muddy seit Jahrzehnten Rosen, Anker, Fußballvereinswappen und Totenköpfe. Doch die Welt um Hänk und Muddy herum hat sich verändert, und die beiden abgehalfterten Typen sind Auslaufmodelle geworden. Um das NO REGRETS vor dem Ruin zu retten, holen sie die junge Luz in den Laden - und zwischen den drei Außenseitern entwickelt sich eine unfreiwillige, tiefe Freundschaft, die nicht nur das NO REGRETS mit neuer Lebensfreude erfüllt.

Dietlind Falk, geboren 1985, wuchs im Ruhrgebiet auf. Sie arbeitet als freie Übersetzerin aus dem Englischen und Französischen und übertrug unter anderem Mark Haddon und Octavia E. Butler ins Deutsche. 2017 erschien ihr Roman 'Das Letzte' im Albino Verlag. Dietlind Falk spielt in einer Punkband und lebt in Düsseldorf. Die Arbeit an ihrem nächsten Roman wurde durch ein Arbeitsstipendium des LCB gefördert.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783446278721
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum25.09.2023
Auflage1. Auflage
Seiten224 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.11589552
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



2


Luz stand vor dem No Regrets und wartete. Und wartete. Der fertige Typ, dessen Zähne ausgesehen hatten, als würden sie zur Abschreckung auf Kippenschachteln gedruckt, hatte gesagt, sie solle um zwölf Uhr da sein, und jetzt war es zwanzig nach zwölf und der Laden war immer noch dicht. War das ein Test, oder war sie inzwischen paranoid geworden? In einem neuen Studio unterzukommen war in etwa so einfach, wie zum Judentum zu konvertieren. Man musste dreimal beim Rabbi klopfen, bis er einen eventuell reinließ, und dann fing die Arbeit erst richtig an. Nicht umsonst hatte sie sich einen Walhai auf die Rippen stechen lassen, das Lebewesen mit der dicksten Haut. Sie fragte sich, ob sie einfach gehen sollte, und gab dem Ganzen noch vierzig Minuten. Wenn um zwölf Uhr vierzig niemand hier wäre, würde sie gehen. Und nicht mehr wiederkommen.

In ihrer alten Heimatstadt als Tätowiererin unterzukommen hatte Luz sich, gelinde gesagt, einfacher vorgestellt. Mittlerweile gab es hier vier Studios, sie hatte eine Rangliste erstellt, um die Läden dann der Reihe nach abzuklappern. Wirklich interessant waren die Arbeiten in keinem gewesen, doch sie hatte sich gesagt, dass sie nicht hier war, um zu lernen, sondern um zu überleben und nicht den Verstand zu verlieren. Sie hatte ihren eigenen Kundenstamm, ihr eigenes Equipment, sie hatte gedacht, das würde schon werden. Das No Regrets war weit abgeschlagen auf Rang vier gelandet. Die Bewertungen im Netz waren unterirdisch, sie hatte über die offensichtlich tote 1990er-Jahre-Homepage mit den Tribals und flammenden Auspuffen herzlich gelacht und war, nachdem sie beim Studio hier um die Ecke weggeschickt worden war, zunächst aus reiner Neugier bei der Adresse vorbeigegangen, um zu sehen, ob dieser Hinterwäldler-Shop überhaupt noch existierte. Dass sie ihn nach zwei barschen Abfuhren der anderen Läden mit feuchten Handflächen und saurem Magen betreten hatte, bereit, um eine Chance zu betteln, konnte wohl guten Gewissens als erstklassige Lektion in Demut betrachtet werden - nur dass das hier nicht Karate Kid war und sie sich eigentlich vor langer Zeit geschworen hatte, sich im Leben nie wieder kleiner zu machen, als sie war.

Streng genommen war dieser Muddy ganz in Ordnung gewesen. Überraschend in Ordnung. Natürlich hatte er sie erst mal von oben bis unten beäugt, aber nicht so schlimm, wie es manch anderer Typ tat. Als wäre sie ein Dessert, für das gerade noch Platz im Bauch war. Hauptsächlich hatte Muddy sich ihre Tattoos angesehen, das war normal, hatte sie bei ihm ja auch gemacht (das übliche Spinnennetz am Ellenbogen, auf den bunten Unterarmen verlief alles ineinander, Kobolde und Ranken und feuerspeiende Drachen, doch auf dem linken Oberarm trug er einen ziemlich abgefahrenen Raben mit gelben Augen und glänzendem Gefieder, das so gut texturiert war, dass man es unwillkürlich anfassen wollte). Im Gegensatz zu den anderen Studiobesitzern hatte er sich ihre Mappe in Ruhe angesehen, er hatte sie gemächlich mit seinen behaarten Wurstfingern durchgeblättert und spätestens bei ihren Skulls und Calaveras die Augenbrauen gehoben, einmal hatte er sogar anerkennend die Mundwinkel runtergezogen und ihr in die Augen gesehen, wahrscheinlich bei ihrem Oktopus-Backpiece, und dann hatte er eigentlich nur noch drei Sachen gesagt:

»Okay«, und »Die Hälfte geht an den Laden«, und »Komm Montag um zwölf«.

Sie hatte genickt, kehrtgemacht und kurz aus Höflichkeit dem anderen Tätowierer zugelächelt, einem etwas merkwürdigen, blassen Schlaks in der Ecke, der nicht zurücklächelte, sondern sofort den Blick senkte und sich wieder in seine Zeichnung vertiefte, da rief Muddy ihr noch hinterher:

»Wie heißt du überhaupt?«

Sie hatte sich umgedreht.

»Luz.«

»Lutz?«

»Luz.«

Der dicke Tätowierer hatte mit den Achseln gezuckt.

»Ich nenn dich Lutz. Ich bin Muddy, das da ist Rudi. Okay, Lutz, dann bis Montag.«

Sie hatte dem müffelnden Alligator neben der Tür in seine kalten, toten Augen mit dem senkrechten Pupillenschlitz gesehen, und diese Augen hatten ihr gesagt: »Mach dir nichts draus. We re all mad here.« Dann war sie raus in den Regen, irgendwie erleichtert, und irgendwie auch nicht.

Ihr Kaugummi hatte allen Geschmack verloren. Sie spuckte ihn zwischen zwei parkende Autos und sah sich um. Die Ecke hier war ganz schön trostlos, typische Bahnhofsgegend. Kodi machte Tedi Konkurrenz - oder umgekehrt. Auf den Straßen lag Müll herum, und nachts gab es sicher auch mal die eine oder andere Messerstecherei. Sie war auf der anderen Seite der Stadt aufgewachsen, auf der sauberen Seite mit den freistehenden Schöner Wohnen-Häusern und den Wer-nicht-mäht-wird-angezeigt-Vorgärten, wo alle auf dasselbe Gymnasium gingen und ihr chilenischer Vater für die Leute eine ambivalente Attraktion darstellte, die in gleichem Maße Neugier wie Skepsis hervorrief. Er war der geheimnisvolle Exot, mit dem alle übertrieben langsam sprachen, obwohl er seit zwanzig Jahren hier lebte (wenn sie sich nicht gleich an ihre Mutter wandten, obwohl er direkt danebenstand), von dem erwartet wurde, dass er mit buntem Poncho, Panflöte und einer Schüssel Nachos unter dem Arm beim Schulfest aufkreuzen würde. Vermutlich hatten sich sämtliche Mütter ihrer Klassenkameradinnen beim morgendlichen Staubsaugen sexuelle Eskapaden mit ihm herbeifantasiert, für die sie sich später schämten. Nie wieder, hatte sie sich damals geschworen, jahrelang die Tage bis zu ihrem achtzehnten Geburtstag runtergezählt, und als ihr Independence Day schließlich gekommen war, hatte sie ihre Sachen gepackt und war in die nächstbeste Großstadt gezogen, hatte angefangen, wirklich zu leben, und hatte sich selbst damit überrascht, wie gut sie alles auf die Reihe bekam, nachdem ihr niemand mehr Vorschriften machte. Nach vielen Zwischenstationen hatte sie es tatsächlich geschafft, in ihrem Traumladen zu tätowieren - dafür hatte sie ihn damals zumindest gehalten -, und dann war die ganze unaussprechliche Scheiße passiert, wie es nun einmal so geht: Im einen Moment ist alles gut, richtig gut sogar, und dann passiert die ganze unaussprechliche Scheiße, und hier stand sie nun. Zurück auf null. Als hätte diese Vergangenheit nur in ihrem Kopf stattgefunden. Als hätte sie im Koma gelegen und jetzt war sie wach, alles war so wie früher, nur zehn Jahre später. Dieselben Funktionskleidungszombies im REWE, die den Filialleiter sprechen wollten, wenn die Cherrytomaten aus waren. Dieselben Wahlplakate an den Straßenlaternen, je hasserfüllter die Parole, desto höher waren sie montiert. Dieselben peinlichen Stadtfeste mit DJ Norbert & Band, denen alle entgegenfieberten und wo es dann immer irgendeinen »Skandal« gab - eine Klopperei vielleicht oder organisierten Taschendiebstahl oder eine kaputte Schaufensterscheibe -, über den dann noch wochenlang entrüstet von Hecke zu Hecke getratscht wurde, irgendetwas, das in der Großstadt nicht der Rede wert gewesen wäre. Es war jedenfalls absolut erstaunlich, was für Welten zwischen zwei Orten liegen konnten, die in Wahrheit keine hundertfünfzig Kilometer trennten. Wie lange sie hierbleiben sollte, wie lange sie es aushalten würde, wusste sie nicht.

Noch einmal zog sie ihr neues Handy aus der Tasche, um auf die Uhr zu sehen. Zwölf Uhr achtunddreißig. Sie öffnete ihren einzigen Telegram-Chat und schickte Vero ein GIF, in dem sich Schlumpfine eine Knarre in den Mund steckte und ihr blaues Gehirn an die Wand pustete.

Als sie aufsah, stand ein großer bärtiger Kerl vor der Ladentür und drehte den Schlüssel im Schloss. Er trug eine siffige schwarze Jeansjacke und eine Fila-Jogginghose, in der er wohl geschlafen hatte, die Frage war nur, wie viele Nächte schon. Er würdigte sie keines Blickes, sondern ließ stattdessen die Tür hinter sich zuknallen. Also vermutlich der Kompagnon, von dem Muddy nur auffallend kurz erzählt hatte. Luz roch Alligator und seufzte. Entweder Muddy hatte ihm noch nichts gesagt, oder er wusste Bescheid und war so richtig begeistert, dass sie jetzt mit dabei war. Aber egal. Scheißegal. Um halb zwei würde ihre Kundin kommen und Luz konnte ihre Maschine anwerfen, und die Panik, die sich scheinbar auf ewig in ihrem Brustkorb verkeilt hatte, die sich, wie ihre überstürzte Flucht hierher leider zeigte, nur durch einen abrupten Ortswechsel halbwegs in den Griff bekommen ließ, würde...

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