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Eine gute Ehe

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am24.04.2024
Muss eine Frau ihre Träume aufgeben, um eine gute Mutter und Ehefrau zu sein?
Deutschland 1960: Als Margarete ungewollt schwanger wird, bricht sie schweren Herzens ihr Studium ab und nimmt den Heiratsantrag von Lenz an. Denn sie, die als Kind aus Ungarn vertrieben wurde und in Armut aufwuchs, wünscht sich nichts mehr als eine sichere Zukunft. Doch das Muttersein überfordert sie, und bald hat Margarete, mittlerweile Mutter von zwei Mädchen, fast täglich das Gefühl zu versagen. Als sie dann herausfindet, dass Lenz sie betrügt, ist sie am Boden zerstört: Sie liebt ihre Familie, aber muss sie sich dafür wirklich selbst aufgeben?

Lisa Quentin ist 1985 geboren, hat Germanistik und Psychologie in Freiburg studiert und danach zehn Jahre lang als Werbetexterin und Online-Redakteurin gearbeitet. Nach einer Ausbildung zum NLP-Coach arbeitet sie nun in der Online-Branche und erforscht das Verhalten von Nutzer*innen. Zusammen mit ihrem Mann und drei Kindern lebt sie in Lübeck. Ein völlig anderes Leben ist ihr Debütroman bei Goldmann.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR22,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR14,99

Produkt

KlappentextMuss eine Frau ihre Träume aufgeben, um eine gute Mutter und Ehefrau zu sein?
Deutschland 1960: Als Margarete ungewollt schwanger wird, bricht sie schweren Herzens ihr Studium ab und nimmt den Heiratsantrag von Lenz an. Denn sie, die als Kind aus Ungarn vertrieben wurde und in Armut aufwuchs, wünscht sich nichts mehr als eine sichere Zukunft. Doch das Muttersein überfordert sie, und bald hat Margarete, mittlerweile Mutter von zwei Mädchen, fast täglich das Gefühl zu versagen. Als sie dann herausfindet, dass Lenz sie betrügt, ist sie am Boden zerstört: Sie liebt ihre Familie, aber muss sie sich dafür wirklich selbst aufgeben?

Lisa Quentin ist 1985 geboren, hat Germanistik und Psychologie in Freiburg studiert und danach zehn Jahre lang als Werbetexterin und Online-Redakteurin gearbeitet. Nach einer Ausbildung zum NLP-Coach arbeitet sie nun in der Online-Branche und erforscht das Verhalten von Nutzer*innen. Zusammen mit ihrem Mann und drei Kindern lebt sie in Lübeck. Ein völlig anderes Leben ist ihr Debütroman bei Goldmann.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641309114
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum24.04.2024
SpracheDeutsch
Dateigrösse1709 Kbytes
Artikel-Nr.12747765
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


3. Kapitel

Als Margarete noch Anikó war, träumte sie von einer Hochzeit in der kleinen Feldsteinkirche, vor dem hölzernen Altar und dem Triptychon, das Maria und die Heiligen zeigt. Unter deren sanftmütigen Blicken wurden seit jeher alle Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen der Szájers gefeiert. Es sollte eine Hochzeit in Tracht sein, mit Gottes Segen und einem rauschenden Fest. Tagelang würden die Vorbereitungen andauern, das ganze Dorf war eingeladen, sie würden all die alten Bräuche zelebrieren, um Mitternacht gäbe es Wirscht und Sulz, die Kapelle würde »Schön ist die Jugend« spielen, und es würde getanzt bis zum Morgengrauen.

Doch nun reicht es nicht einmal mehr für eine Verlobung, schnellstmöglich muss die Trauung vollzogen werden, bevor sich Margaretes Bauch verräterisch wölbt. Sie versucht, es mit Fassung zu nehmen, sagt sich, dass Verlobungen aus der Mode kommen. Eine Mitgift hätte sie ohnehin nicht zu erwarten, bei ihren Eltern reicht das Geld kaum fürs Nötigste. Und sie darf nicht vermessen sein. Lenz heiratet sie, das ist erst mal alles, worauf es ankommt. Selbst dass er Protestant ist, gerät zur Nebensache.

Es ist ein gewöhnlicher Dienstag im Februar, der Himmel trägt ein wässriges Grau, hinter dem sich die Vormittagssonne nur erahnen lässt. Passanten in dicken Mänteln eilen vorbei, nur schnell ins Warme, die feuchte Kälte zieht in die Knochen.

Es ist vereinbart, dass sich die kleine Hochzeitsgesellschaft direkt vor dem neu gebauten Behördenhaus trifft, in dem auch das Standesamt untergebracht ist. Sechs Etagen Beton, zwei Nuancen dunkler als der Himmel, reihenweise Fenster. Davor ein gut besuchter Parkplatz, ausgebreitet wie ein bunter Flickenteppich.

Wo bleibt er nur? Margarete sieht sich um, ihr Herz ist ein Klumpen aus Furcht. Er wird sie doch nicht im letzten Moment sitzen lassen? Auch ihre Eltern sind stumm und zittrig vor Aufregung, nur ihre Tracht hält sie zusammen. Sie tragen ihre schönsten Sachen, der Vater den dunklen Doppelreiher, an dessen Saum er ohne Unterlass nestelt. Die Mutter den Rock aus festem dunkelblauem Stoff mit weißem Muster, der weit und ausladend schwingt. Das dicke schwarze Kopftuch. Über der Bluse ein weiteres Tuch, über dem Rock eine Schürze. Diese vielen Schichten dunkler Stoff, acht Meter sind nötig für die Röcke, und immer diese Tücher, niemand trägt hier noch Tücher.

Margarete ist der Aufzug ihrer Eltern peinlich. Sie hätte mit ihnen besprechen sollen, was sie anziehen. Doch als sie von zu Hause aufbrachen, war es zu spät, ihre Garderobe noch zu ändern.

Sie selbst hat sich für ein schlichtes beigefarbenes Kostüm mit Hahnentrittmuster entschieden, das ihrer Figur schmeichelt. Sie hat es zwar extra für die Hochzeit gekauft, wird es später aber auch zum Unterrichten anziehen können. Darüber einen dünnen Mantel, in dem sie jetzt entsetzlich friert.

Als Lenz´ Wagen endlich auf den Parkplatz einschert und er aussteigt in seinem feinen dunklen Anzug und einem Strahlen im Gesicht, das nur ihr gehört, schließt sie für einen Moment erleichtert die Augen.

Begleitet wird Lenz von seinem Bruder Boje, der Margarete und ihre Eltern mit einem knappen »Moin« begrüßt. Margarete ist erstaunt über den kräftigen, wortkargen Mann, der sich sichtlich unwohl fühlt in seinem Anzug. Sie hat sich Lenz´ Bruder ganz anders vorgestellt.

»Entschuldige, mein Liebling, es gab eine Baustelle«, erklärt sich Lenz und küsst sie flüchtig auf die Wange.

»Ich dachte schon, du kommst nicht.« Es soll lustig klingen, doch ihr Lächeln verrutscht.

»Was hast du nur für eine schlechte Meinung von deinem Ehemann!« Mit gespieltem Entsetzen schüttelt er den Kopf und küsst sie erneut. Dann wendet er sich an ihre Eltern und begrüßt sie freundlich. »Was für eine schöne Stickerei«, lobt er das Tuch ihrer Mutter. »Selbst gemacht?«

Ibolya nickt und lächelt stolz, Margarete atmet aus.

Mit dem Aufzug fahren sie in den zweiten Stock. In der Kabine ist es eng, Lenz und Boje scherzen ausgelassen, Margarete und ihre Eltern bleiben stumm. Erneut mustert sie Boje. Er ist groß und grob, die Brüder sind sich überhaupt nicht ähnlich, außerdem hat sie ihn sich nicht so jung vorgestellt. Wie alt mag er sein? Achtzehn oder neunzehn? Und bewirtschaftet schon allein einen ganzen Hof?

Sie gehen den Flur entlang, der Teppich unter ihren Füßen dämpft die Geräusche ihrer Absätze, bald haben sie das Zimmer erreicht. Lenz klopft an, und dann geht alles ganz schnell: Sie nehmen auf den beiden Stühlen gegenüber dem Standesbeamten Platz, Boje steht hinter Lenz, ihre Eltern hinter Margarete, und die nächsten Minuten, in denen der Standesbeamte über die Ehe, ihre Pflichten und Rechte referiert, verlieren sich im Raum. Margarete fühlt sich schwindelig.

Dann fragt er: »Frau Anikó Milliza Seier, möchten Sie den hier anwesenden Lenz Kron, geboren am 14. April 1930 in Marne, zu Ihrem Ehemann nehmen?«, und Lenz drückt sachte ihre Hand.

Erst am Tag zuvor hat sie ihm ihren ungarischen Namen gebeichtet. Und davon erzählt, wie sie zu Margarete wurde. Lange hat sie gezögert, weil sie seine Reaktion fürchtete. Würde er sich betrogen und getäuscht fühlen, weil sie keine echte Margarete ist?

»Und wenn du Rumpelstilzchen heißen würdest, es wäre mir gleich«, meinte Lenz dann aber und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

Margarete sagt ja, doch weil sie mit ihren zwanzig Jahren noch nicht großjährig ist, muss der Vater auf der Urkunde unterschreiben. Er versteht den Standesbeamten nicht, und sie muss übersetzen. Dann sagt auch Lenz Ja zu Margarete, Boje reicht die Ringe, und Lenz steckt ihr den schmalen goldenen Ehering an den Finger, den schon seine Mutter trug. Als Margarete sieht, dass er einen Brillanten hat einarbeiten lassen, bleibt ihr die Luft weg. Für einen Moment bleibt die Zeit stehen, und Margaretes Gedanken rasen hinterher, sie kommt an diesem Augenblick an und kann endlich einen klaren Gedanken fassen. Der Stein muss mindestens zwei Monatsgehälter gekostet haben. Und ist ein funkelndes Versprechen an das Leben, das sie ab jetzt gemeinsam führen werden.

Lenz selbst wird keinen Ring tragen, das haben sie vorher besprochen. Den passenden Ring seines Vaters gibt es nicht mehr, verschollen, zusammen mit dem Vater im Krieg geblieben. Und ein neuer Ring würde sich nicht lohnen, im Krankenhaus müsste er ihn ja doch nur ständig abnehmen. Dafür ist Margaretes Ehering umso schöner. Sie ist jetzt eine Frau, der kostbarer Schmuck geschenkt wird.

Danach gehen sie im Ratskeller essen, ein Restaurant, das Lenz ausgesucht hat und in dem er offensichtlich bekannt ist.

»Guten Tag, Herr Dr. Kron«, begrüßt sie ein Kellner in makelloser Livree am Eingang. Dann nickt er lächelnd in Margaretes Richtung. »Und Frau Dr. Kron. Herzlichen Glückwunsch zur Vermählung. Bitte folgen Sie mir.« Er führt sie zu ihrem Tisch, der mit roten Rosen und silbernen Kerzenleuchtern geschmückt ist. Frau Dr. Kron, es ist passiert! Das ist jetzt tatsächlich sie.

Kaum dass sie Platz genommen haben, werden fünf Sektflöten mit prickelndem Champagner gebracht, und Lenz erhebt das Glas: »Auf meine wunderschöne Ehefrau!«, sagt er mit so lauter Stimme, dass sich die Gäste an den anderen Tischen nach ihnen umsehen. Dann beugt er sich zu ihr und küsst sie leidenschaftlich, Applaus ertönt, es ist Margarete ein wenig unangenehm, verstohlen blickt sie zu ihren Eltern. Ein solches Spektakel gehört sich nicht.

Doch Ibolya und Georg vertiefen sich in die Getränkekarte, flüsternd übersetzt der Vater für die Mutter, am Ende bestellen sie dann aber doch nur ein Bier und eine Weinschorle.

Zum Essen gibt es Rinderbraten, Kartoffeln und Rotkraut, als Nachspeise Obsttorteletts mit Schlagrahm. Margarete isst in winzigen Bissen. Der Anblick des zerfaserten Fleisches auf ihrem Teller verursacht ihr ein flaues Gefühl im Magen.

Vielleicht ist es die Schwangerschaft, das Mieder, das ihren Bauch schön flach halten soll, oder doch Bojes anzügliche Schoten über den Bräutigam, die Margarete auf den Magen schlagen? Lenz´ Bruder ist schon beim dritten Bier und poltert eine Anekdote nach der nächsten über den Tisch:

Lenz, der schon als kleiner Junger lieber mit Mädchen spielte.

Lenz, der jugendliche Charmeur, der den Mädchen in Marne den Kopf verdrehte.

Lenz, der Schwerenöter, der mit der Nachbarsmagd regelmäßig im Heuschober verschwand.

Die Geschichten drängen aus ihm heraus, als wäre Boje erleichtert, all die Fehltritte seines Bruders endlich zum Besten geben zu können. Nun, da er in festen Händen ist.

Lenz sagt nichts dazu, lächelt nur, doch unter dem Tisch sucht seine Hand wieder die ihre. Sie konzentriert sich auf die kleinen Kreise, die Lenz´ Daumen auf ihren Handrücken malt, will diese ganzen Geschichten nicht hören und hofft, dass ihre Eltern Bojes Plattdeutsch nicht verstehen.

Um sich abzulenken, sucht sie nach dem Wort, das Boje beschreibt. Impertinent! Ein klasse Wort, sie hält sich daran fest. Lateinisch impertinens, nicht dazugehörig. Das passt doch ganz wunderbar.

Lenz wählt eine andere Taktik, will den redseligen Bruder offensichtlich auf andere Themen lenken.

Wie viele Schweine?, fragt Lenz. Welches Futter? Wie war die Ernte im letzten Jahr?

Margarete wusste nicht, dass er so interessiert an landwirtschaftlichen Dingen ist. Vom Hof in Marne in Dithmarschen hat er ihr erzählt. Vom platten Land, das ins Meer übergeht und am fernen, fernen Horizont mit dem blassblauen Himmel verschmilzt. Vom Blöken der Schafe, das überall zu hören...

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Lisa Quentin ist 1985 geboren, hat Germanistik und Psychologie in Freiburg studiert und danach zehn Jahre lang als Werbetexterin und Online-Redakteurin gearbeitet. Nach einer Ausbildung zum NLP-Coach arbeitet sie nun in der Online-Branche und erforscht das Verhalten von Nutzer*innen. Zusammen mit ihrem Mann und drei Kindern lebt sie in Lübeck. Ein völlig anderes Leben ist ihr Debütroman bei Goldmann.