Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Ein letztes Geschenk

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
464 Seiten
Deutsch
Kein + Abererschienen am12.07.20241. Auflage
Protokoll einer Rache | Als Esther Ray aus Geldnot den ungewöhnlichen Auftrag einer mysteriösen New Yorker Millionärin annimmt, ahnt sie nicht, in welchen Strudel sie geraten wird.
Die Künstlerin Esther Ray nimmt notgedrungen einen Auftrag für ein sorgfältig gestaltetes, mehrere Hefte umfassendes Familienalbum der Multimillionärin Naomi Duncan an. Diese Scrapbooks sollen ein Überraschungsgeschenk für Naomis Ehemann zu seinem Sechzigsten werden. Die Bedingungen: Esther muss eine Geheimhaltungsvereinbarung unterschreiben und darf Naomi nur über das mitgelieferte Handy kontaktieren. Sonst würde sie die Überraschung verderben. Während sich Esther durch unzählige Kisten mit Fotos und Erinnerungsfetzen arbeitet, stößt sie auf manche Ungereimtheiten und kann sich diesem Einblick in ein fremdes Leben immer weniger entziehen. Als Naomi schließlich unter mysteriösen Umständen ums Leben kommt, begibt sich Esther auf eine riskante Suche nach der Wahrheit.


Calla Henkel, geboren 1988 in Minneapolis, ist eine amerikanische Autorin, Regisseurin, Künstlerin und Dramatikerin. Sie inszenierte unter anderem an der Volksbühne Berlin; ihre in Zusammenarbeit mit Max Pitegoff entstandenen Kunstwerke wurden in Museen und Galerien weltweit ausgestellt, u.a. im New Yorker Whitney Museum of American Art. Calla Henkel lebt in Los Angeles und Berlin. Ein letztes Geschenk ist nach ihrem Debüt Ruhm für eine Nacht ihr zweiter Roman bei Kein & Aber.
mehr
Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR25,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR18,99

Produkt

KlappentextProtokoll einer Rache | Als Esther Ray aus Geldnot den ungewöhnlichen Auftrag einer mysteriösen New Yorker Millionärin annimmt, ahnt sie nicht, in welchen Strudel sie geraten wird.
Die Künstlerin Esther Ray nimmt notgedrungen einen Auftrag für ein sorgfältig gestaltetes, mehrere Hefte umfassendes Familienalbum der Multimillionärin Naomi Duncan an. Diese Scrapbooks sollen ein Überraschungsgeschenk für Naomis Ehemann zu seinem Sechzigsten werden. Die Bedingungen: Esther muss eine Geheimhaltungsvereinbarung unterschreiben und darf Naomi nur über das mitgelieferte Handy kontaktieren. Sonst würde sie die Überraschung verderben. Während sich Esther durch unzählige Kisten mit Fotos und Erinnerungsfetzen arbeitet, stößt sie auf manche Ungereimtheiten und kann sich diesem Einblick in ein fremdes Leben immer weniger entziehen. Als Naomi schließlich unter mysteriösen Umständen ums Leben kommt, begibt sich Esther auf eine riskante Suche nach der Wahrheit.


Calla Henkel, geboren 1988 in Minneapolis, ist eine amerikanische Autorin, Regisseurin, Künstlerin und Dramatikerin. Sie inszenierte unter anderem an der Volksbühne Berlin; ihre in Zusammenarbeit mit Max Pitegoff entstandenen Kunstwerke wurden in Museen und Galerien weltweit ausgestellt, u.a. im New Yorker Whitney Museum of American Art. Calla Henkel lebt in Los Angeles und Berlin. Ein letztes Geschenk ist nach ihrem Debüt Ruhm für eine Nacht ihr zweiter Roman bei Kein & Aber.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783036996646
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum12.07.2024
Auflage1. Auflage
Seiten464 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse4670 Kbytes
Artikel-Nr.14722221
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


2

Ich beobachtete, wie der Lastwagen, der keine Firmenaufschrift trug, die Schotterstraße heraufkeuchte. Im Laufe der letzten Woche hatte sich mein Stolz in meinem Magen eingenistet, hatte sich dort festgesetzt wie ein versehentlich verschlucktes Kaugummi. Je näher der Transporter kam, desto steifer wurde mein Rücken und desto dünner wurde die Luft. Ich war wieder die Hofnärrin, die auf das Wohlwollen der Reichen angewiesen war, und das, obwohl ich mir nach unzähligen Porträtgemälden im Auftrag von Michael Valentine geschworen hatte, mich nie wieder vertraglich an irgendwelche wohlhabenden Mäzene zu binden. Ich rief mir in Erinnerung, dass ich mit Naomi genug Geld ausgehandelt hatte, um für die nächsten zwei Jahre meine Hypothekenzahlungen zu leisten. Das war es wert.

Sobald er den Lastwagen geparkt hatte, stieg der Fahrer aus, ein kleiner, gedrungener Mann mit Klemmbrett unter dem Arm und mürrischer Miene. »Sind Sie Gillian Flynn?«, fragte er mich mit kehligem New Yorker Akzent.

Fast hätte ich gelacht, aber ich hielt mich noch rechtzeitig zurück und ging mit klappernden Stiefeln die Holztreppe hinunter. Naomi hatte mir bereits am Telefon erklärt, dass sie für die Zustellung der Kisten ein Pseudonym verwenden würde, um die Überraschung nicht zu gefährden. Angeblich bekam ihr Mann Bryce einfach alles heraus.

»Ich werde etwa eine halbe Stunde fürs Ausladen brauchen, aber zuerst müssen Sie das hier unterschreiben«, sagte der Fahrer und hielt mir einen dünnen Tablet-Computer hin. Ich scrollte durch die Seiten und stellte rasch fest, dass es sich nicht um eine schlichte Empfangsbestätigung handelte, sondern um eine fünfseitige Vertraulichkeitsvereinbarung, die Naomi bei unserem Telefonat unterschlagen hatte. Und in dieser Vereinbarung stand mein echter Name. Keine Spur mehr von augenzwinkernder Heimlichtuerei anlässlich eines runden Geburtstags. Dieser Vertrag war rechtlich bindend. Ich sah den Lieferanten mit hochgezogenen Augenbrauen an, und er zuckte mit den Schultern.

Ein kalter Schauder breitete sich über meine Schulterblätter aus. Nach dem Vorfall in Michaels Atelier hatte ich ebenfalls eine Vertraulichkeitsvereinbarung unterschrieben, daher kannte ich die Konsequenzen. Man verlor jedes Recht darauf zu reden, durfte nur noch denken. Es war die Hölle. Das endlose Grübeln steckte in einem fest wie ein aus der Balance geratenes Ökosystem, fand kein Ventil, wie sehr es einen auch belastete. Ich hob den Blick zur Scheune, versuchte, meine Optionen gegeneinander abzuwägen. Dann musste ich lachen: Naomi schien tatsächlich zu glauben, dass die Klassenfotos ihrer Tochter eine Vertraulichkeitsvereinbarung rechtfertigten. Helikoptermutter war bei ihr offenbar noch stark untertrieben. Ich nahm den Eingabestift und unterschrieb.

»Wo wollen Sie die Kisten haben?«, fragte der Fahrer. Ich schob das Scheunentor auf und zeigte auf die lange, leere Wand auf Jessicas Seite des Ateliers. Der Fahrer warf einen prüfenden Blick auf den unebenen Kiesbelag zwischen Lastwagen und Scheune und entschied sich dafür, die Kisten von Hand auszuladen. Ich ignorierte seine Proteste und half ihm. Die Boxen bestanden alle aus weißem Kunststoff, waren mittelgroß und verjüngten sich nach unten hin leicht. Sie fassten etwa fünfzig Liter und waren unterschiedlich schwer. Wir stellten sie in einer Reihe nebeneinander und stapelten sie anschließend, so hoch es ging. Insgesamt waren es etwas mehr als zweihundert Boxen. Der Fahrer verschwand in seinem Lastwagen und kam mit einem Werkzeugkoffer aus Metall wieder heraus.

»Ich habe den Auftrag, das Gebäude zu sichern.«

»Was?«

»Ich muss gewährleisten, dass sämtliche Fenster und Türen diebstahlsicher verschließbar sind.«

»An der Scheunentür befindet sich ein Holzriegel«, protestierte ich. »Das reicht doch.«

Wieder zuckte er nur mit den Schultern.

Als er sich daranmachte, eine Reihe von glänzenden Bolzenschlössern und Riegeln am Rolltor und am Fenster anzubringen, dämmerte mir, dass er kein gewöhnlicher Lieferant war. Nachdem er fertig war, übergab er mir die Schlüssel und zückte erneut den Tablet-Computer. »Letzte Unterschrift.«

Ich vollzog einen Schnörkel mit dem Eingabestift, woraufhin der Fahrer mir einen Umschlag überreichte und zum Abschied salutierte wie ein Soldat. Ich wartete, bis der Umzugswagen verschwunden war, bevor ich den Umschlag öffnete. Darin befand sich ein kleinerer weißer Umschlag, der die erste Rate von dreißigtausend Dollar enthielt. Am Telefon hatte ich Naomi aufs Geratewohl eine Summe genannt, die ich für unverschämt hoch gehalten hatte, mit der Begründung, es klinge ganz danach, als müsse ich die Arbeit eines vollen Jahres in sieben Monate zwängen. Sie hatte den Betrag ohne jedes Zögern verdoppelt. Ich drückte das Bündel Banknoten so fest ich konnte an mich und genoss die Erleichterung, die mich überkam.

Meine Liebe,

ich hoffe, es geht Ihnen gut. Wenn Sie das hier lesen, haben Sie bereits das Material für unser gemeinsames Projekt erhalten. Ich kann es kaum erwarten, dass es losgeht, aber vorher muss ich Ihnen noch ein paar Dinge erklären: Was Sie für mich herstellen, muss in jedem Fall unter uns bleiben, daher die Sicherheitsmaßnahmen. Ich empfinde es als ideal, dass Sie die Kisten in der Abgeschiedenheit der Blue Ridge Mountains zu Scrapbooks verarbeiten werden. Die Vertraulichkeitserklärung war hoffentlich kein allzu großer Schock für Sie. Keine Sorge, so etwas ist absolut üblich. Ich muss leider streng sein, was diesen Punkt angeht. Unter keinen Umständen darf der Inhalt der Kisten oder der daraus hergestellten Bücher nach außen dringen. Selbst wenn Mutter Teresa an Ihre Ateliertür klopft: Weisen Sie sie bitte freundlich ab! Und halten Sie sich an den Zeitrahmen, es ist unerlässlich, dass die Bücher bis zum einunddreißigsten Januar fertig werden. Ich werde gegen Ende des Projekts einen Besuch bei Ihnen arrangieren, um das Endprodukt in Augenschein zu nehmen.

Nun, da wir das Organisatorische hinter uns haben, werden Sie uns aufs Intimste kennenlernen. Unser ganzes Leben steckt in diesen Kisten. Das von Tabitha, Bryce und mir. Jedes Stück Papier, das während der vergangen beiden Jahrzehnte durch unsere Hände gegangen ist. Tabitha wäre es sicher furchtbar peinlich, wenn sie wüsste, was Sie alles zu sehen bekommen. Aber das ist ja gerade das Schöne daran, ich wünsche mir ein ehrliches Porträt unserer Familie. Unsere Familienchronik soll 1998 beginnen, dem Jahr, in dem Tabitha geboren wurde.

Wie bereits besprochen hätte ich gern mindestens zwei Bücher pro Jahr: Frühling-Sommer und Herbst-Winter. Es sollen Schulaufgaben, Fotos, E-Mails und auch zwanglose Notizen miteinbezogen werden. Ich habe die Kisten nach dem Einlagern nie wieder durchgesehen, sie enthalten also sicher die eine oder andere Überraschung. Die Fotos habe ich häufig mit Anmerkungen versehen, und alles, was mit einem hellblauen Zettel markiert ist, muss auf jeden Fall in die Bücher. Ich bin leider ein sehr pedantischer Mensch, daher ist mir eine strikte Chronologie wichtig, genau wie eine ordentliche Strukturierung durch Überschriften. Ich habe im Laufe der Jahre recht viele Fotos ausgedruckt, daher ist eine kurze Liste der wichtigsten Personen beigelegt, damit Sie die Übersicht behalten. Es findet sich auch eine Liste der Orte im Umschlag, an denen wir für gewöhnlich Urlaub machen, sowie wichtige Anlässe wie Geburtstage oder Jahrestage.

Ich würde mir wünschen, dass Sie so viel Material wie möglich integrieren. Auf keinen Fall dürfen Sie irgendetwas wegwerfen! Ich werde nach Erfüllung des Auftrags dafür sorgen, dass die übrig gebliebenen Dinge wieder abgeholt werden.

Wenn Sie irgendwelche Fragen haben, zögern Sie bitte nicht, sich bei mir zu melden. Für unsere Kommunikation habe ich ein Mobiltelefon beigefügt, in dem die Nummer eingespeichert ist, unter der Sie mich erreichen. Ich weiß, das ist alles wie bei James Bond, aber Bryce findet - ich sagte es bereits - einfach alles heraus!

Ich bin Ihnen unendlich dankbar. Dass wir uns begegnet sind, war wirklich Schicksal, davon bin ich überzeugt.

Herzlich,

N.

Ich zog das Mobiltelefon aus dem größeren Umschlag. Es war ein schmales Samsung mit integrierter Kamera, viel besser als mein eigenes Handy. Ich ging auf Kontakte und sah, dass nur eine Nummer eingespeichert war, unter N. Diese Vorsichtsmaßnahme und die Vertraulichkeitsvereinbarung erschienen mir reichlich übertrieben, aber das Bündel Banknoten war beruhigend genug, um meine Bedenken zu zerstreuen. Ich nahm das Geld und verstaute es im Gefrierfach, dann holte ich ein Glas Essiggurken aus dem Kühlschrank. Ich setzte mich auf die Veranda und starrte zur Scheune. Wie sollte ich anfangen? Sollte ich mir einfach wahllos irgendeine Kiste vornehmen? Eigenartig, dass Naomi, die doch angeblich so pedantisch war, die Boxen weder datiert noch nummeriert hatte.

Ich hatte ihr gesagt, dass ich das Material zuerst sichten und dann ein Beispielbuch erstellen wolle. Im Kopf überschlug ich die vor mir liegende Arbeit: Zwei Scrapbooks pro Jahr seit Tabithas Geburt - das ergab fast vierzig Alben. Auch ohne Inhalt erforderten die Bücher wochenlanges Zusammenheften, Falten, Leimen und Binden. Ich aß noch drei Essiggurken, duschte und verbrachte eine halbe Stunde damit, in meinem Download-Ordner einen Podcast zu finden, der mir zusagte. Schließlich entschied ich mich für eine Reportage über zwei junge Mädchen, die Mitte der Neunzigerjahre auf dem Parkplatz eines Waffle-House-Schnellrestaurants umgebracht und zerstückelt worden waren.

Sobald der grausige Tod der Mädchen in...

mehr

Autor

Calla Henkel, geboren 1988 in Minneapolis, ist eine amerikanische Autorin, Regisseurin, Künstlerin und Dramatikerin. Sie inszenierte unter anderem an der Volksbühne Berlin; ihre in Zusammenarbeit mit Max Pitegoff entstandenen Kunstwerke wurden in Museen und Galerien weltweit ausgestellt, u.a. im New Yorker Whitney Museum of American Art. Calla Henkel lebt in Los Angeles. Ein letztes Geschenk ist nach ihrem Debüt Ruhm für eine Nacht ihr zweiter Roman bei Kein & Aber.

Verena Kilchling übertrug für Kein & Aber neben Nicola Upson bereits Romane von Francesca Segal, Hannah Tinti, Dinaw Mengestu, André Aciman, Sophie Hardcastle und Calla Henkel ins Deutsche.