Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Die Frau von Shearwater Island

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
384 Seiten
Deutsch
Ullstein Taschenbuchvlg.erschienen am08.08.2014Auflage
Alice lebt auf Shearwater Island, einer kleinen Insel vor der Küste Englands. Sie liebt die raue, wilde Schönheit der Landschaft, und sie schätzt die Abgeschiedenheit, in der sie sich in Sicherheit glaubt. Seit sie Zeugin eines brutalen Verbrechens war, vertraut sie niemandem mehr. Doch der Inselrat entscheidet, dass ein gefeierter Schriftsteller bei ihr einzieht: Patrick, der seinen nächsten Roman auf der Insel schreiben möchte. Der attraktive Londoner bringt Alice dazu, ihm die Geschichten der Insel zu erzählen. Von Rivalität und Neid, von Liebe und Eifersucht, von der Untreue ihrer Mutter - und von sich selbst. Alice verliebt sich rückhaltlos in ihn. Doch das enge Zusammensein auf kleinem Raum und Alices Unsicherheit ihren eigenen Gefühlen gegenüber bringen ihre Welt zum Einstürzen.

Magali Robathan, geboren in London, hat Psychologie und Journalismus studiert. Seit über zehn Jahren arbeitet sie als Journalistin, zuletzt als leitende Redakteurin für Leisure Management. Sie lebt mit ihrem Mann und den zwei Kindern in Bristol.
mehr

Produkt

KlappentextAlice lebt auf Shearwater Island, einer kleinen Insel vor der Küste Englands. Sie liebt die raue, wilde Schönheit der Landschaft, und sie schätzt die Abgeschiedenheit, in der sie sich in Sicherheit glaubt. Seit sie Zeugin eines brutalen Verbrechens war, vertraut sie niemandem mehr. Doch der Inselrat entscheidet, dass ein gefeierter Schriftsteller bei ihr einzieht: Patrick, der seinen nächsten Roman auf der Insel schreiben möchte. Der attraktive Londoner bringt Alice dazu, ihm die Geschichten der Insel zu erzählen. Von Rivalität und Neid, von Liebe und Eifersucht, von der Untreue ihrer Mutter - und von sich selbst. Alice verliebt sich rückhaltlos in ihn. Doch das enge Zusammensein auf kleinem Raum und Alices Unsicherheit ihren eigenen Gefühlen gegenüber bringen ihre Welt zum Einstürzen.

Magali Robathan, geboren in London, hat Psychologie und Journalismus studiert. Seit über zehn Jahren arbeitet sie als Journalistin, zuletzt als leitende Redakteurin für Leisure Management. Sie lebt mit ihrem Mann und den zwei Kindern in Bristol.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783843709323
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum08.08.2014
AuflageAuflage
Seiten384 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2334 Kbytes
Artikel-Nr.1410183
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


KAPITEL 1

Es war kurz vor Sonnenaufgang.

Der Strahl des Leuchtturms drehte seine letzten Runden über die Insel. Er strich über vereinzelte Steinbauten, über die wilden Pferde, über das Patchwork aus Äckern und Feldern, die sich sanft zur See hin neigten. Bis zur unwirtlichen Ostküste von Shearwater Island, wo steile Klippen die ferne Festlandmasse vor den Blicken der sieben Inselbewohner verbargen, reichte sein Licht nicht.

Im alten Farmhaus erwachte Alice mit einem nervösen Kribbeln im Magen.

Sie stand leise auf, wickelte sich in ihren viel zu großen Bademantel und schob die Hand in die Tasche, bis sie auf ein zusammengefaltetes, knisterndes Blatt Papier stieß. Sie zündete die Petroleumlampe an und tappte die Treppe hinunter in die Küche, wobei die Kälte der Steinplatten durch ihre Socken drang. Sie füllte Wasser in den Teekessel und stellte ihn auf die Kochplatte ihres gusseisernen Herds. Geräuschlos ging sie mit der Lampe in der Hand von einem Zimmer zum nächsten, klopfte Kissen in Form, zog Teppiche gerade und wischte Staub von Kaminsimsen.

Vor dem schweren hölzernen Bücherschrank im Wohnzimmer blieb sie stehen und strich mit dem Finger über die Buchrücken. Am Vortag hatte sie die Spionagethriller und landwirtschaftlichen Handbücher ihres Vaters durch sorgfältig ausgewählte Romane aus ihrem eigenen Schlafzimmer ersetzt. Sie hielt die Lampe hoch und begutachtete kritisch den Raum. Wie trostlos, dachte sie. Alles war schäbig und ausgebleicht: die dunkelroten Bodenfliesen, die durch jahrzehntelanges Hin-und-her-Gehen zerkratzt und speckig geworden waren, die beigefarbenen Wände, die zerschlissenen Möbel und die ausgeblichenen Blümchenvorhänge. Sogar die gerahmten Bilder - ländliche Motive in dunklen Grün- und Grautönen - waren langweilig. Ich sollte diese schrecklichen Gemälde ersetzen, dachte Alice plötzlich. Ich sollte diesem Zimmer einen neuen Anstrich gönnen und eine bunte Decke über das durchgesessene Sofa werfen. Das Haus endlich in Besitz nehmen.

Alice lebte seit dem Tod ihrer Mutter vor fünf Jahren allein. Ihr Vater war ein Jahr zuvor an Magenkrebs gestorben, und obwohl die offizielle Todesursache bei ihrer Mutter Lungenentzündung gelautet hatte, wusste jeder auf der Insel, dass in Wirklichkeit der Kummer sie umgebracht hatte. Sie hatte die beiden letzten Wochen ihres Lebens in einem Krankenhaus auf dem Festland verbracht, fernab des windumtosten kleinen Buckels mitten im Meer, den sie so liebte. Auf Shearwater Island starb niemand mehr und niemand wurde geboren. Schon lange nicht mehr.

Alice tappte die Treppe hoch und warf einen letzten Blick ins Gästezimmer. Es war sauber und einladend, über das Bett hatte sie eine Patchworkdecke gebreitet. Den schweren Mahagonischreibtisch hatte sie vor das Fenster gezerrt, weil sie annahm, dass ihr Gast vielleicht gerne mit Blick aufs Meer schreiben würde. Auf dem Schreibtisch standen eine Vase mit Heidekraut und ein Korb mit Shortbread-Keksen, die Alice selbst gebacken hatte. Auf einmal beschlichen sie Zweifel. War das nicht übertrieben? Patrick Fox sollte doch nicht gleich merken, wie verzweifelt sie sich nach Gesellschaft sehnte, wie fieberhaft sie sich auf seine Ankunft vorbereitet hatte. Sie wollte locker und entspannt wirken, als wäre es die normalste Sache der Welt, dass sich ein berühmter Autor in ihrem Haus einquartierte.

In ihrem Bauch grummelte es vor Nervosität. Vielleicht war das Ganze ja doch ein schrecklicher Irrtum. Sie hatte sich so nach Veränderung gesehnt, und jetzt passierte endlich etwas und sie wusste nicht mehr, ob sie bereit dazu war.

Sie schob den Gedanken beiseite, ließ die Kekse, wo sie waren, und trug die Blumenvase in die Küche hinunter. Sie stellte sie auf die Schieferplatte neben dem Herd, schwang sich auf einen der Barhocker, ließ die Füße baumeln und genoss ihren Tee.

Dann zog sie das zusammengefaltete Blatt aus der Bademanteltasche. Sie faltete es vorsichtig auseinander, strich die Ecken glatt und hielt es in die Höhe.

Es war ein Brief. Das dicke cremefarbene Papier war mit schwungvollen Buchstaben beschrieben.

Liebe Alice,

noch einmal vielen Dank, dass Sie mich in Ihrem Haus wohnen lassen. Ich schätze mich sehr glücklich, dass ich den Herbst und Winter auf Shearwater Island verbringen darf. Die Insel ist der perfekte Ort für die Arbeit an meinem nächsten Roman; das war mir vom ersten Moment an klar. Die wilde Schönheit der Landschaft, das Gefühl, dass dieser Ort irgendwie in einer einfacheren Zeit verankert ist - all das wird mich inspirieren, das Buch zu schreiben, das allmählich in mir Form annimmt.

Alice hatte diese Worte immer und immer wieder gelesen und nach Hinweisen gesucht, ob sie gut mit ihrem Gast auskommen würde, aber die gleichmäßige Schrift ließ kaum Rückschlüsse auf seinen Charakter zu. Sie hatte nie mit ihm telefoniert, kannte nicht einmal sein Alter. Nicht zum ersten Mal fragte sie sich, was um Himmels willen in sie gefahren war, dass sie einen völlig Fremden in ihr Haus aufnahm.

Eigentlich hatte sie vorgehabt, im Büro am Computer ein bisschen zu recherchieren. Sie hatte seinen Namen eingegeben, und die Suchmaschine hatte Dutzende von Zeitungsartikeln über ihn ausgespuckt. Aber Alice wusste nur zu gut, wie sehr sich die Presse irren konnte, und hatte beschlossen, sich lieber selbst ein Urteil zu bilden.

Nicht einmal seinen Roman hatte sie gelesen. In einem früheren Brief hatte er sie gebeten, damit zu warten, bis er auf der Insel wäre. Ich möchte gerne zuerst mit Ihnen darüber reden, hatte er geschrieben. Ich bringe Ihnen ein Exemplar mit. Das war eine etwas merkwürdige Bitte, fand Alice, aber sie würde nicht mehr lange warten müssen und konnte sich so das Geld für das Buch sparen.

Als sie zum letzten Absatz des Briefes kam, vergaß Alice ihre Zweifel und prickelnde Vorfreude durchströmte ihren Körper.

Ich kann es kaum erwarten, Sie kennenzulernen, Alice. Seltsam, fast kommt es mir so vor, als ob ich Sie schon kennen würde. Es ist, als gäbe es schon eine Verbindung zwischen uns.

Viele Grüße, Patrick

Lächelnd faltete Alice das Blatt zusammen und schob es in die Tasche zurück.

Endlich war mal etwas los in ihrem Leben.

Ein Blick auf die Armbanduhr verriet ihr, dass sie noch ungefähr eine Stunde hatte. Die Fähre würde wahrscheinlich nicht pünktlich kommen - oder auch überhaupt nicht, nach den Schaumkronen zu urteilen, die auf die Küste zurasten -, aber sie musste auf jeden Fall zum Hafen hinunter.

Sie hatte sich genau überlegt, was sie an diesem Morgen anziehen wollte. Gewöhnlich trug sie jeden Tag dasselbe: Jeans, Stiefel, Kapuzenpulli. Die meisten ihrer Sachen waren zweckmäßig, sie hatte sie gekauft, weil sie warm und robust waren, und nicht, weil sie schön aussahen, aber für diesen besonderen Tag hatte sie ihre Lieblingsteile herausgesucht und extra noch gewaschen. Sie zog den weichen grauen Fleecepulli über, der wie das Fell der Robben schimmerte, die auf den Kiesstränden von Shearwater Island lagerten, und schlüpfte in ihre neueste Jeans.

Als ihr Blick auf die wettergegerbte Haut ihrer Hände fiel, bekam sie auf einmal Hemmungen. Patrick stammte aus einer so ganz anderen Welt, von der sie sich kaum eine Vorstellung machen konnte, obwohl er in seinen Briefen all das beschrieben hatte, was er hinter sich lassen wollte - den Stadtverkehr, die heulenden Sirenen, die Literatenpartys und die bissigen Kritiker, die Signierstunden und Interviews.

Alice wühlte in ihrer Sockenschublade, bis sie den Lippenstift ertastete, und kam sich etwas albern vor. Sie stellte sich vor den Spiegel ihrer Frisierkommode, spannte die Unterlippe an und betupfte sie sachte. Dann wurde sie kühner, malte die ganze Lippe rot an und drückte sie gegen die Oberlippe. Nachdem sie sich auch noch die verstrubbelten braunen Haare glattgestrichen hatte, betrachtete sie prüfend ihr Spiegelbild. Hier auf der Insel schminkte sie sich nie. Make-up gehörte zu einem anderen Leben, in das sie ab und zu für ein paar Tage eintauchte, wenn sie ihre Freundin Sophie in Kelford besuchte. Auf der Insel brauchte sie so etwas nicht. Doch heute gab ihr der Lippenstift Selbstvertrauen, er half ihr, der Begegnung mit ihrem berühmten Gast etwas gelassener entgegenzublicken.

Durch das Schlafzimmerfenster sah sie, wie sich ein goldener Streifen über die Bergkuppe legte und der Himmel darüber gelborange und rosarot schimmerte. Die Flamme der Petroleumlampe war nicht mehr erkennbar, deshalb löschte Alice die Lampe ganz und strich sich noch einmal über die Haare. Sie legte den Lippenstift ins Etui zurück und verstaute ihn zusammen mit Patrick Fox' Briefen in der Schublade. Dann hüpfte sie, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinunter zur schweren Haustür. Doch gerade als sie sie hinter sich zuziehen wollte, fiel ihr etwas ein, und sie ging in die Küche zurück. Hastig zog sie die Blumen aus der Vase und warf sie in die Komposttonne, wobei sie darauf achtete, dass sie unter einer Schicht Kartoffelschalen und Teebeuteln verschwanden. Dann spülte sie rasch die Vase aus und stellte sie ins Spülbecken. Schließlich wischte sie sich mit dem Handrücken über die Lippen, bis keine rote Farbe mehr zu sehen war.

Draußen lagen die Felder überglänzt vom warmen Licht der frühen Augustsonne. Eine kühle Morgenbrise strich über die zitternden Farngräser. Alice strich beim Gehen mit den Fingerspitzen über die Trockensteinmauer, die den Weg von den Feldern trennte, und spürte, wie der Boden unter ihren Füßen federte. Sie blickte nach Westen zur Lady Bay, wo...


mehr

Autor

Magali Robathan, geboren in London, hat Psychologie und Journalismus studiert. Seit über zehn Jahren arbeitet sie als Journalistin, zuletzt als leitende Redakteurin für "Leisure Management". Sie lebt mit ihrem Mann und den zwei Kindern in Hertfortshire.
Weitere Artikel von
Robathan, Magali