Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Die dritte Quelle

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
432 Seiten
Deutsch
Kiepenheuer & Witsch GmbHerschienen am10.02.20221. Auflage
Von Vulkanen, Dämonen und dem Rausch des späten Glücks. Harald Steen ist vierundsechzig Jahre alt, als er sein altes Leben hinter sich lässt. In Rotterdam besteigt der knorrige Einzelgänger ein Containerschiff und nimmt Kurs auf die legendäre Galapagosinsel Floreana, um endlich seiner rätselhaften Familiengeschichte auf die Spur zu kommen. Der Start auf der Insel gestaltet sich schwierig. Aufmerksam verfolgen die Bewohner jeden Schritt des »dürren Deutschen«, der sich allzu sehr für die dunkle Inselhistorie interessiert und damit für Unruhe sorgt. Doch nicht nur im Dorf stößt Steen auf Widerstände. Auch auf seinen Expeditionen in die faszinierende wie tückische Wildnis Floreanas gerät er an seine Grenzen. Bald aber scheinen sich die Strapazen zu lohnen. Denn mit jedem weiteren Tag auf der Insel nähert sich Steen nicht nur der tragischen Geschichte seiner Familie, die Anfang der Dreißigerjahre in die mysteriöse Galapagos-Affäre verstrickt war. Allmählich entwickelt er auch ein Gespür für das Wesen dieses unwirklichen Ortes. Und dann ist da noch Mayra und die plötzliche Ahnung von Glück ... In »Die dritte Quelle« erzählt Werner Köhler von einem Mann, der zum Ende seines Lebens noch einmal alles aufs Spiel setzt und sich fernab der Heimat auf die Suche nach sich selbst begibt. Ein raffinierter Roman über den Mythos der eigenen Erinnerung und zugleich eine moderne Abenteuergeschichte, inszeniert vor magischer Kulisse.

Werner Köhler, geboren 1956, ist Schriftsteller und Gründer des Literaturfestivals lit.COLOGNE. Er lebt in Köln. Bisher erschienen bei Kiepenheuer & Witsch die Romane »Cookys« (2004), »Eine ganz normale Familie« (2006), »Drei Tage im Paradies« (2011) und »Cookys Reise« (2013) sowie die Krimireihe rund um Hauptkommissar Jerry Crinelli. Unter dem Pseudonym Yann Sola veröffentlichte Köhler außerdem die in Südfrankreich spielende Krimireihe um den Kleinganoven und Hobbyermittler Perez.
mehr
Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR22,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR18,99

Produkt

KlappentextVon Vulkanen, Dämonen und dem Rausch des späten Glücks. Harald Steen ist vierundsechzig Jahre alt, als er sein altes Leben hinter sich lässt. In Rotterdam besteigt der knorrige Einzelgänger ein Containerschiff und nimmt Kurs auf die legendäre Galapagosinsel Floreana, um endlich seiner rätselhaften Familiengeschichte auf die Spur zu kommen. Der Start auf der Insel gestaltet sich schwierig. Aufmerksam verfolgen die Bewohner jeden Schritt des »dürren Deutschen«, der sich allzu sehr für die dunkle Inselhistorie interessiert und damit für Unruhe sorgt. Doch nicht nur im Dorf stößt Steen auf Widerstände. Auch auf seinen Expeditionen in die faszinierende wie tückische Wildnis Floreanas gerät er an seine Grenzen. Bald aber scheinen sich die Strapazen zu lohnen. Denn mit jedem weiteren Tag auf der Insel nähert sich Steen nicht nur der tragischen Geschichte seiner Familie, die Anfang der Dreißigerjahre in die mysteriöse Galapagos-Affäre verstrickt war. Allmählich entwickelt er auch ein Gespür für das Wesen dieses unwirklichen Ortes. Und dann ist da noch Mayra und die plötzliche Ahnung von Glück ... In »Die dritte Quelle« erzählt Werner Köhler von einem Mann, der zum Ende seines Lebens noch einmal alles aufs Spiel setzt und sich fernab der Heimat auf die Suche nach sich selbst begibt. Ein raffinierter Roman über den Mythos der eigenen Erinnerung und zugleich eine moderne Abenteuergeschichte, inszeniert vor magischer Kulisse.

Werner Köhler, geboren 1956, ist Schriftsteller und Gründer des Literaturfestivals lit.COLOGNE. Er lebt in Köln. Bisher erschienen bei Kiepenheuer & Witsch die Romane »Cookys« (2004), »Eine ganz normale Familie« (2006), »Drei Tage im Paradies« (2011) und »Cookys Reise« (2013) sowie die Krimireihe rund um Hauptkommissar Jerry Crinelli. Unter dem Pseudonym Yann Sola veröffentlichte Köhler außerdem die in Südfrankreich spielende Krimireihe um den Kleinganoven und Hobbyermittler Perez.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783462302806
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum10.02.2022
Auflage1. Auflage
Seiten432 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2030 Kbytes
Artikel-Nr.8382226
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Beim Gedanken an die größte Stadt Ecuadors musste Steen sich eingestehen, nichts über deren Geschichte oder Gegenwart zu wissen. Seiner Natur entsprach dies beileibe nicht, Überraschungen waren ihm ein Graus. Vielleicht lag sein geringes Interesse daran, dass Guayaquil nicht der Endpunkt seiner Reise war. Über Floreana wusste er alles. Jedes Buch, jeden Bericht, jede Mutmaßung über die als Galapagos-Affäre bekannt gewordenen Ereignisse der Dreißigerjahre hatte er gelesen. Regelrecht aufgesogen. Besonders die Memoiren der damals in die Vorgänge verstrickten Personen. Selbst diejenigen, die nur in englischer Sprache publiziert worden waren. Was schon etwas heißen wollte, denn sprachbegabt war er nicht.

Auf Spanisch konnte er sich inzwischen leidlich verständigen. Seit er vor einigen Jahren den zunächst vagen Plan zu dieser Reise gefasst hatte, hatte er erst einen Volkshochschulkurs für Anfänger, danach noch einen für Fortgeschrittene besucht. Der dritte und letzte Teil des Sprachkurses war seiner dann doch etwas überstürzten Abreise zum Opfer gefallen. Trotzdem fühlte er sich in der fremden Sprache nicht mehr ganz so heimatlos.

Vielleicht also lag es an seiner Unkenntnis über die Millionenstadt, dass er so erschrocken war, als er nun, nach der Einfahrt der MS Paita in den Río Guayas knappe sechzig Kilometer flussaufwärts, erste Blicke auf Guayaquil werfen konnte. Nichts, was er von diesem Moment an bis zum Anlegen im Puerto Santa Ana zu sehen bekam, war dazu angetan, seine in den letzten Tagen wieder heftiger aufgetretenen Attacken, das Herzrasen und den Druck auf der Brust, niederzuhalten. Auch nicht die fröhlich anmutenden bunten Häuschen, die sich den Hügel, an dessen Fuß sie nun anlegten, hinaufzogen. Ganz oben ragte ein Leuchtturm ins schmutzige Grau des Himmels.

 

Der Asphalt der Docks war aufgesprungen, ein Krakelee aus feinen und weniger feinen Bruchlinien, manche Bodenplatte bereits auf Flussniveau abgesunken, andere auf dem Weg dorthin. Mit den Wellen schlugen Plastikkanister, Blecheimer, aufgeweichte Kartonagen, zerschlissene Kleidungsstücke und tote Ratten gegen das Dock. Der erste Mensch, den Steen erblickte, nachdem er mit unsicheren Schritten die Gangway hinabgewankt war, war ein Lastenträger, der sich mit dem Hintern über der Kaimauer hockend in die braunen Fluten des Guayas erleichterte.

Die Passagiere rückten an Land instinktiv näher zusammen. Fünf Menschen mit unterschiedlichen Interessen und Zielen. Und doch schienen sich gerade alle dieselbe Frage zu stellen: Warum bin ich an diesem unwirtlichen Ort und wie geht es von hier aus weiter? Ruth und der kleine Herr ohne Alter hatten, wie sich erst jetzt herausstellte, von Europa aus dasselbe Hotel gebucht, das, wie der Mann betonte, erste Haus am Platz. Rein aus praktischen Erwägungen verabredeten sie, das Taxi miteinander zu teilen.

Taxis gab es in Guayaquil, das würde Steen bald feststellen, wie Ratten im Wasser des Río Guayas. Zwanzig bis dreißig der quietschgelben bis orangen Wagen parkten keine hundert Meter von der Anlegestelle entfernt. Fein säuberlich hintereinander aufgereiht standen sie da, im schmalen Schattenstreifen, den die Warenspeicher und Silos warfen. Die Fahrer lehnten an deren Wänden. Nahezu jeder rauchte. Dabei warfen sie gierige Blicke auf die Neuankömmlinge.

Steens Herz raste. Weshalb er wohl ausgerechnet beim Betreten eines fremden Kontinents an Hamburg denken musste? An seinen gewohnten Trott. Die Bank, den Vater, seine Mutter. Sie war ein halbes Jahr vor seiner Abreise gestorben. Deshalb war plötzlich alles sehr schnell gegangen. Er hatte sich selbst nicht die Möglichkeit einräumen wollen, in letzter Minute doch noch vom lange gehegten Wunsch abzulassen. Sein Vater war schon einige Jahre tot und weitere Familie hatte er nicht. Mit Freundschaften hatte er sich zeitlebens schwergetan.

Nervös nestelte er an seiner Brille. Schließlich nahm er sie ab. Er hob den Blick. Es half, wie meistens.

In diesem Augenblick schleppten zwei Männer aus der Besatzung seine Koffer und kurz darauf auch die Seemannskiste an Land. Er bedankte sich bei den beiden mit einem Kopfnicken. Das Trinkgeld, das sie allem Anschein nach eher erwartet hätten, verweigerte er. Ohne sich von den Mitreisenden zu verabschieden, winkte er in Richtung der Taxis.

Der winzig kleine Mann mit der Basecap auf den Locken und der verspiegelten Brille auf der Nase, der nur Sekunden später aus der Fahrerkabine hüpfte, sah an ihm hoch, bis er den Zettel bemerkte und die darauf in perfekter Schreibschrift notierte Adresse erfasst hatte. Einen Wimpernschlag lang schien er zu überlegen. Steen entging dieses leichte Zögern nicht.

Der Taxifahrer machte nicht den Eindruck, als stelle ihn die angegebene Adresse vor Probleme. Eher schon, als schätze er ab, ob dieser bleiche Mann mit dem Strohhut auf dem flammend roten Haar zu dem Ort passte. Das Zaudern wich schließlich einem fröhlichen Geplapper. Der Mann griff nach den beiden Überseekoffern und wuchtete sie auf die Ladefläche seines Pick-ups. Die Seemannskiste, die Steen noch kurz vor seiner Abreise in Altona gekauft hatte, bereitete ihm schon mehr Mühe. Kurzerhand zog er sie hinter sich her übers Pflaster zum Wagen und warf seinem Fahrgast von dort einen auffordernden Blick zu. Zusammen hievten sie die schwere Kiste zu den Koffern.

Der Mann quasselte während der gesamten Fahrt in einer Mischung aus bruchstückhaftem Englisch und spanischer Muttersprache. Ohne Unterlass bis zu ihrer Ankunft irgendwo mitten auf dem Cerro Santa Ana. Über die Stadt sprach er, deren freundliche Menschen und das herrliche Wetter. Besonders aber über die schönen Frauen von Guayaquil, von denen er einige besonders prächtige Exemplare kenne, die er dem Fremden auf Wunsch gerne vorstellen würde, am Abend vielleicht, wenn die Sonne untergegangen wäre und Guayaquil einiges zu bieten hätte. Inmitten des Wortschwalls versteckten sich immer wieder kurze Fragen, die Steen zunächst gar nicht als solche identifizierte. Für ihn verschwammen die Außengeräusche mit dem Geplapper des Taxifahrers zum Sound Guayaquils. Nur wenn er durch die Wiederholung einer dieser Fragen aus seinen Gedanken gerissen wurde, antwortete er. Allerdings kaum ausführlicher als mit einem Sí oder No, einem Yes oder No.

Inzwischen hatte er sich eine Sonnenbrille ohne Sehstärke aufgesetzt, dafür den Strohhut mit der breiten Krempe abgenommen und neben sich auf den Plastikbezug der Sitzbank gelegt. Das Haar klebte ihm an der Stirn, von Zeit zu Zeit rann ihm ein Schweißfaden übers Gesicht und tropfte von der Kinnspitze auf die Hose. Er spreizte die Beine. Das Taschentuch hielt er wie eine nasse Badehose zwischen zwei Fingern von sich weg. Seine Haut war eins geworden mit der Kleidung.

Die Stadt war heiß und stickig. Sie roch nach feuchtem Putz, nach Ausscheidungen und fauligem Wasser. Es war laut wie im Maschinenraum des Frachters, den er gerade verlassen hatte. Auf den Straßen herrschte Krieg. Wie Guayaquil aussah, wie es sich vom Hafen stadteinwärts und dann den Hügel hinauf veränderte, nahm er nicht bewusst wahr. Während der halbstündigen Fahrt sah er kaum einmal aus dem Fenster, die unbekannte Umgebung hätte ihn bloß weiter verunsichert. Stattdessen schloss er hinter der Brille die Augen, spitzte die Lippen und sehnte sich nach Privatsphäre, etwas zwischen sich und diesem Moloch, vier Wände mit einer abschließbaren Tür. Ein geschlossener Raum und Stille - endlich wieder Stille!

 

Der Empfang beunruhigte ihn nicht. Kaum stand er vor Señora Obando, der Besitzerin einer Sieben-Zimmer-Pension auf dem Cerro Santa Ana, verzog sich das Gesicht der rundlichen Frau, die ihrerseits noch einmal kleiner als der Taxifahrer war, auch schon zu einer schiefen Grimasse. Nicht angewidert, sondern belustigt war sie, was er erst sicher wusste, als sich ein Gekicher Bahn brach, wie man es sonst nur von kleinen Mädchen hörte. Ein Anfall, der nicht mehr abebben wollte und der ihn, ob seiner Dauer, dann doch verunsicherte. Was in aller Welt war an ihm so lustig, dass auch der Taxifahrer in seinem Rücken trotz der Lasten des Gepäcks nicht anders konnte, als in das Lachen einzustimmen? Hatten die beiden Winzlinge noch nie einen Mann gesehen, der die Zwei-Meter-Marke um ganze vier Zentimeter überstieg? Wenn seine Körpergröße der Grund wäre, würde er in den kommenden Wochen für erhebliche Erheiterung auf Guayaquils Straßen sorgen, aber irgendetwas sagte ihm, dass es nicht allein daran lag. Den Hut hielt er in der Hand, auch der konnte nicht der Grund sein, außerdem sollte man in diesen Breitengraden, anders als in seiner Heimat, an Männer mit Hüten gewöhnt sein. Er sah an sich hinab. Er trug braune Budapester. Als er das Schiff verlassen hatte, waren sie noch sauber gewesen. Sein Anzug war weiß. Es war für Außenstehende unmöglich festzustellen, wie sehr er unter dem Futter schwitzte. Das Tuch befand sich in einwandfreiem Zustand. Waren es vielleicht die breiten Hosenträger, die er anstelle eines Gürtels trug? Die Hose, das gab er gerne zu, hätte auch eine Konfektionsgröße kleiner nicht gezwackt. Er war ratlos.

Endlich beruhigten sich die beiden wieder. Señora Obando wandte sich um und eilte ihm voraus die Treppe hinauf. Sie trug keine Schuhe an den Füßen.

Das Zimmer befand sich im ersten Stock am Ende des Flurs. Den Tipp für diese Bleibe verdankte Steen einem pensionierten Seemann aus Hamburg und es war nicht der einzige gewesen, den der Glatzkopf ihm gegeben hatte. Nicht alle stufte Steen als...
mehr

Autor

Werner Köhler, geboren 1956, ist Schriftsteller und Gründer des Literaturfestivals lit.COLOGNE. Er lebt in Köln. Bisher erschienen bei Kiepenheuer & Witsch die Romane »Cookys« (2004), »Eine ganz normale Familie« (2006), »Drei Tage im Paradies« (2011) und »Cookys Reise« (2013) sowie die Krimireihe rund um Hauptkommissar Jerry Crinelli. Unter dem Pseudonym Yann Sola veröffentlichte Köhler außerdem die in Südfrankreich spielende Krimireihe um den Kleinganoven und Hobbyermittler Perez.