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Guilty - Du wirst nicht entkommen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
256 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am01.06.2023
Du kommst aus dem Gefängnis frei - zur Jagd
Diego Abrio, 22, ist schuldig gesprochen wegen fahrlässiger Tötung.
Nun wird er aus dem Gefängnis entlassen. Aber er kommt nicht frei. 3 Millionen Klicks der App GUILTY geben ihn frei zur Jagd. Jeden Abend um 19 Uhr wird sein Standort gepostet und jeder darf ihn straffrei töten. Oder ihm helfen. Wird er es schaffen, zu entkommen?
Ein atemloser Thriller zum Thema Hatespeech, »Like«-Kultur und Manipulation
Alle Bände der »Guilty«-Reihe:
Guilty - Du wirst nicht entkommen (Band 1)
Guilty - Dafür wirst du zahlen (Band 2)


Jean-Christophe Tixier war 20 Jahre Lehrer, bevor er sich ganz dem Schreiben widmete. Er ist Autor zahlreicher Romane verschiedener Genres für Jugendliche und Erwachsene, außerdem schreibt er Comics und Hörspiele. Jean-Christophe Tixier lebt in Pau und in Paris.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR13,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR8,99

Produkt

KlappentextDu kommst aus dem Gefängnis frei - zur Jagd
Diego Abrio, 22, ist schuldig gesprochen wegen fahrlässiger Tötung.
Nun wird er aus dem Gefängnis entlassen. Aber er kommt nicht frei. 3 Millionen Klicks der App GUILTY geben ihn frei zur Jagd. Jeden Abend um 19 Uhr wird sein Standort gepostet und jeder darf ihn straffrei töten. Oder ihm helfen. Wird er es schaffen, zu entkommen?
Ein atemloser Thriller zum Thema Hatespeech, »Like«-Kultur und Manipulation
Alle Bände der »Guilty«-Reihe:
Guilty - Du wirst nicht entkommen (Band 1)
Guilty - Dafür wirst du zahlen (Band 2)


Jean-Christophe Tixier war 20 Jahre Lehrer, bevor er sich ganz dem Schreiben widmete. Er ist Autor zahlreicher Romane verschiedener Genres für Jugendliche und Erwachsene, außerdem schreibt er Comics und Hörspiele. Jean-Christophe Tixier lebt in Pau und in Paris.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641299590
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum01.06.2023
Reihen-Nr.1
Seiten256 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2861 Kbytes
Artikel-Nr.10228759
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1

Montag, 23.30 Uhr - Zentralgefängnis

»Alter, du wirst ein Held!«

Reglos sieht Diego seinem Mithäftling dabei zu, wie er einen wilden Siegestanz aufführt, die geballte Faust zur Decke hochgereckt. Er sagt ihm, dass er schweigen, dass er damit aufhören soll. Sein Herz schlägt wie wild. Er hat das Gefühl, gleich zu explodieren. Der totale Kontrollverlust.

»2987255 Klicks!« Karl ist nicht zu bremsen. »Das ist der Wahnsinn. Die Klicks gehen durch die Decke.«

Seine Begeisterung hallt in der Zelle mit düsterem Echo wider. Diego steht weiter reglos da, den Blick starr auf den Fernseher an der Wand gerichtet. Obwohl er auf sein eigenes Foto starrt, dringt nicht wirklich zu ihm durch, was die Nachrichtensprecherin gerade über ihn erzählt.

»Hey, Alter! Verdammte Scheiße, du wirst ein Star, ein echter Star!«, ruft Karl.

Karl ist fünfundzwanzig oder sechsundzwanzig und kann nicht anders, als die ganze Zeit zu labern, muss zu allem seine Meinung sagen, ununterbrochen. Als hätte er Angst vor der Stille. Als würde es ihn beruhigen, seine eigene Stimme zu hören. Jedem, der es hören will, erzählt er, dass er mit dem, was man ihm vorwirft, nichts zu tun hat. Dass er an dem bewaffneten Raubüberfall nicht beteiligt war. Dass er sich an dem Tatort nur aufhielt, um ein paar alten Kumpels etwas behilflich zu sein, als einfacher Spähposten. Wenn er gewusst hätte, dass die Sache dermaßen ausarten würde, hätte er sich nie dazu bereit erklärt. Normalerweise hört Diego ihm zu, ohne darauf zu achten, was Karl ihm erzählt, schüttelt ab und zu den Kopf, damit Karl glaubt, dass er allem, was er sagt, aufmerksam folgt. Aber jetzt erträgt er es nicht mehr, Karl in Endlosschleife daherquasseln zu hören. Am liebsten würde er ihm mit der Faust ins Gesicht schlagen, um ihn zum Schweigen zu bringen. Aber er sagt nur: »Halt´s Maul!« Sieht Karl dabei scharf an. Es scheint zu wirken, denn der brummt noch irgendwas, verzieht sich auf seine Pritsche, verstummt. Recht so, denkt Diego.

Fasziniert betrachtet er das Foto auf dem Bildschirm. Es zeigt ihn selbst ... vor drei Jahren. Vor seiner Verhaftung. Prozess, Urteil, Gefängnis. Ein Leben ohne Zukunft. Drei Jahre. Eine Ewigkeit.

Auf dem Bildschirm schießt die Zahl unten rechts in die Höhe. Die Klicks prasseln nur so. 2987327. 2988632. 2990453.

Diego stellt sich die User an ihren Handys vor, versucht, sich in sie hineinzuversetzen, in ihre Gefühle in diesem Moment. Jeder Klick, der den Zähler vorantreibt, bringt ihn unaufhaltsam der schicksalhaften Grenze von 3000000 näher.

Was empfinden sie an ihren Handys? Wut? Befriedigung? Empörung? Mitleid? Erregung? Freude? Genugtuung? Ist es für sie ein Spaß? Eine Fernsehunterhaltung? Wollen sie sich mit den Klicks für irgendetwas rächen?

Diego hat das Gefühl, in einen Strudel von Emotionen einzutauchen, während er vor dem Fernseher wartet. Er weiß nicht mehr, ob es sich dabei um Stunden oder Minuten handelt, um eine Ewigkeit oder einen Augenblick. Die Zeit vergeht für ihn nicht mehr wie für alle anderen. Für ihn zählen nur noch die Klicks, die unten rechts auf dem Bildschirm eingeblendet werden.

2991184. 2992002. 2992795.

Diego geht zu dem kleinen Waschbecken in der Ecke, einer gelblich verfärbten Keramikschüssel, dreht den Wasserhahn auf, bespritzt sich das Gesicht mit kaltem Wasser. Spürt davon nichts. Die 3000000 Klicks könnten bald erreicht sein. Jenseits dieser Schwelle wartet auf ihn der große Sprung ins Ungewisse, wahrscheinlich in den sicheren Tod. Er sollte sich jetzt besser hinlegen und ein paar Stunden schlafen, damit er ausgeruht ist. Damit er seine Chance so gut wie möglich nutzen kann. Aber sein Körper ist ein explodierender Vulkan. Er hat das Gefühl, dass ihm das Blut wie Lava durch die Adern schießt.

2993588. 2993891. 2994258.

Diego kämpft mit sich, will den Apparat ausschalten, starrt gleichzeitig wie hypnotisiert auf die Abstimmung. Sein Schicksal entscheidet sich vor seinen Augen, ohne dass er eingreifen kann. Das kalte Wasser hat seine Wirkung verloren. Seine Wangen brennen. Die Reglosigkeit hat seinen Körper steif wie ein Stück Holz werden lassen. Zugleich ist er unerträglich nervös. Seine Muskeln zittern. Er will sich bewegen, laufen, rennen.

»Alter, du musst dich ausruhen, wenn du willst, dass die Treibjagd länger als fünf Minuten dauert.«

Karl gibt ein schepperndes Lachen von sich, das in trockenes Husten übergeht - ein Husten, der ihn seit zwei Monaten quält. Er ist in einem grässlichen Zustand.

»Besser du als ich«, fügt er hinzu, als hätte er Diegos Gedanken erraten.

2994334. 2994572. 2994897.

Nichts kann den Zähler mehr aufhalten. Diego wird der Nächste sein. Noch vor Sonnenaufgang. Was wird danach geschehen? Er wendet sich vom Bildschirm ab und klettert auf seine Pritsche hoch.

Sein großes Glück ist, dass Karl wegen seines kaputten rechten Knies nicht mehr die kleine Metallleiter hochkommt. Deshalb hat Diego die obere Pritsche geerbt. Aber im Gefängnis ist nichts sicher. Es herrscht ein ständiger Kampf. Vor drei Monaten war Rony in ihre Zelle verlegt worden. So ein Typ, bei dem alles Testosteron ist, der als Kommunikationsmittel nur Gewalt, Aggression und Beleidigung kennt. Er hatte sofort versucht, Diego von der Pritsche zu vertreiben. Diego hatte sich behauptet, hatte die Fäuste geballt und den Neuen bedroht. Nur weil Karl sich weigerte, ihm seine Portion Bratkartoffeln zu überlassen, hatte Rony ihm vor zwei Tagen fast den Schädel eingeschlagen und sitzt seither in Isolationshaft. Diego warf sich dazwischen, kassierte von Rony einen Fausthieb in den Magen, verpasste ihm dafür zwei harte Schläge und überwältigte ihn schließlich. Die Wärter ließen sich alle Zeit der Welt, bevor sie aufkreuzten. Prügelnde Häftlinge zu trennen, steht ganz unten auf ihrer Liste.

Diego ist erleichtert, dass Rony jetzt nicht bei ihnen in der Zelle ist. Jetzt, wo sein Schicksal sich entscheidet. Mit Karl ist das anders. Sie teilen sich die Zelle seit fast zwei Jahren. Natürlich haben sie immer noch einen oder zwei Mithäftlinge. Aber in stillschweigender Übereinkunft bilden sie immer einen Block gegenüber den anderen. Ein paar Mal musste Diego Karl richtig verteidigen. Mit seinem sanften Wesen wird Karl im Gefängnis leicht zur Beute. Diego stellt sich lieber nicht vor, was aus Karl wird, wenn er ihn nicht mehr beschützen kann. Er weigert sich, daran zu denken. Er hat mit sich selbst genug zu tun.

Diego streckt sich auf einer Pritsche aus. Hat dort oben das Gefühl, dem Dreck und Schmutz der Zelle zu entkommen. Dem stinkenden Klo, das notdürftig durch einen selbst gebastelten Vorhang vom Rest des Raums abgetrennt ist. Außerdem gibt es noch einen Tisch, einen Stuhl und einen Hocker, die sie übereinanderstapeln müssen, wenn einer von ihnen seine Liegestütze machen will. Viel Raum gibt es nicht. Aber sie haben Glück. In manchen Zellen sind fünf oder sechs Häftlinge auf der gleichen Quadratmeterzahl untergebracht.

Vor Kurzem sind die Wände neu gestrichen worden, aber die alten Feuchtigkeitsflecken kommen in dem blassen Gelb schon wieder durch. Diego kennt sie alle, könnte sie blind nachzeichnen, so intensiv hat er sie angestarrt. Um nicht unablässig über die Sekunde nachgrübeln zu müssen, die sein Leben zerstört hat. Er hat nichts angebracht, was dem Ort so etwas wie eine Seele verleihen könnte. Bei Karl hängt neben dem Bett ein Foto von seiner Freundin und von einem Traumstrand, an dem er nie war. Ein Traum, der nicht viel kostet. Sein Mittel, um zwischen den Zellwänden nicht wahnsinnig zu werden. Rony hat seinen Wandabschnitt mit Bildern von Kickbox-Wettkämpfen vollgepflastert.

Diego spürt, wie ihm Tränen die Wangen hinunterlaufen, unterdrückt den Impuls, alles laut hinauszuschreien. Seine Verwirrung, seinen Schmerz, seine Angst, das verdammte Gefühl abgrundtiefer Einsamkeit. Wenn er die Augen schließt, fängt sich in seinem Kopf alles so zu drehen an, dass ihm speiübel wird. Gleich muss er kotzen. Deshalb klappt er die Augen wieder auf, starrt zur Decke hoch und folgt den Umrisslinien der Flecken, die ein wirres Muster ergeben.

In regelmäßigen Abständen sind Rufe und Schreie zu hören, sie erfüllen die Gänge, verteilen sich in alle Winkel, hallen in den Treppenhäusern wider, dringen bis in den Gefängnishof hinaus. Plötzlich ein lauter Aufschrei aus einer der Nebenzellen, der alles übertönt. Eine Vergewaltigung. Als Antwort kommen obszöne Beleidigungen: »Da hat einer Spaß! Verausgab dich nicht zu sehr, ich will auch noch!« Die Trillerpfeifen der Wärter fahren grell dazwischen. Unmöglich, dabei einzuschlafen ... Für Diego ein Vorgeschmack auf das, was ihn draußen, außerhalb der Gefängnismauern, erwartet.

Er wirft wieder einen Blick auf den Bildschirm. 2995604. Wenn die Ziffern doch schneller durchrasen würden. Besser, so schnell wie möglich zum Ende zu kommen. Er ist sich sicher, dass die Klicks die Schwelle von 3000000 erreichen werden. Durch das unerträgliche Warten fühlt er sich, als würden seine Eingeweide von einem Alien zerfressen.

Mit geöffneten Augen lässt er sein Leben an sich vorbeiziehen. Das Leben davor. Bilder von seiner Mutter. Seinem Vater. Die Schule. Seine Freunde. Basketball, das er geliebt hat, wo er besser als alle anderen war, athletisch und durchtrainiert, den anderen trotz seiner fehlenden Zentimeter überlegen. Die Turniere. Das Gymnasium, dann die Uni ... alles kommt ihm vor wie aus einem fremden Film, der nichts mit ihm zu tun hat. Er schiebt die Erinnerungen beiseite, konzentriert sich auf das Bild von Mona, denn er hat Angst, es könnte irgendwann verschwimmen. Ausgelöscht sein. Er klammert sich an Monas Bild....
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Autor

Jean-Christophe Tixier war 20 Jahre Lehrer, bevor er sich ganz dem Schreiben widmete. Er ist Autor zahlreicher Romane verschiedener Genres für Jugendliche und Erwachsene, außerdem schreibt er Comics und Hörspiele. Jean-Christophe Tixier lebt in Pau und in Paris.